Читать книгу Die 40 bekanntesten archäologischen und historischen Stätten in Albanien - Wolfram Letzner - Страница 38
ОглавлениеNur wenige Kilometer von der Erdölstadt Fier entfernt wird der Besucher in eine längst vergangene Welt entführt. Meist steht das Tor des Klosters dem Besucher offen, doch manchmal öffnet es sich erst nach Anklopfen.
04 ARDENICA – DAS JÜNGSTE GERICHT IN EINEM ORTHODOXEN KLOSTER
ALBANIEN
Auf einer Höhe von 234 m, eingebettet in sattes Grün, liegt das Kloster Ardenica. Es ist nicht nur bedeutend für die Orthodoxie, sondern zugleich ein wichtiges Zeugnis albanischer Geschichte.
Geschichtlicher Überblick
Das Kloster geht in seiner jetzigen Form wohl auf eine Stiftung des byzantinischen Kaisers Andronikos II. Palaiologos (reg. 1282−1328) zurück. Ein Grund für seine Errichtung war möglicherweise ein Sieg des Kaisers über die Truppen Karls I. von Neapel im Jahr 1282. Aber damit begann keineswegs die kultische Nutzung an diesem Ort. Sicher ist, dass hier bereits eine Kapelle existierte, die der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht war. Und selbst diese scheint nicht am Anfang zu stehen. In der Forschung wird vermutet, hier habe schon in antiker Zeit ein Tempel gestanden. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus zwei handfesten Tatsachen: Zum einen konnten in der Nähe des heutigen Klosters die Reste römischer Thermen ausgegraben werden, zum anderen verlief in der Nähe ein Abzweig der Via Egnatia.
Über die hier verehrte Göttin lässt sich genauso diskutieren wie über den Tempel selbst. Man neigt dazu, ihn mit Artemis in Verbindung zu bringen. Das stärkste Argument dafür ist die Verknüpfung der Artemis mit dem Namen des Dörfchens unterhalb des Klosters. Dieses heißt nämlich Ardenica, eine Ableitung von Artemis.
War die erste Kapelle noch der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht, so wurde die Kirche der Mutter Gottes gewidmet. Es ginge wohl sicher zu weit, hier eine Verbindung zwischen der Göttin und der Gottesmutter zu ziehen, auch wenn oft alte heidnische Kultstätten von Christen übernommen wurden.
Das Geschick des Klosters über die Jahrhunderte hinweg nachzuvollziehen, ist an dieser Stelle kaum möglich. Wir wissen allerdings, dass eine Abhängigkeit vom Bischof in Berat existierte. Dies wirkte sich nicht unbedingt zum Nachteil des Klosters aus. So finanzierte der dortige Bischof im 18. Jh. zahlreiche Baumaßnahmen, die sich noch heute im Gebäudebestand spiegeln.
Neben der baulichen Entwicklung sollte sich das Kloster auch zu einem Zentrum der Bildung entwickeln. Der Glanz als Bildungsstätte ging endgültig im Jahr 1932 verloren, als die ganze Bibliothek mit rund 32.000 Büchern in einer Brandkatastrophe unterging.
Vielleicht war es aber auch nur ein vorweggenommener Verlust. Das kommunistische Regime löste das Kloster 1967 auf und machte daraus gegen Ende der 1980er-Jahre ein Hotel. Das Kloster entging nur deshalb der Zerstörungswut der Kommunisten, weil Skanderbeg hier im Jahr 1451 Andronika Arianiti zur Frau nahm.
Im Jahre 1992 bekam die orthodoxe Kirche zunächst die Kirche selbst und dann nach und nach die übrigen Klostergebäude zurück. Vom riesigen Grundbesitz des Klosters gab der Staat aber nur drei Prozent an die Mönche ab, die in den 1990er-Jahren zurückkehrten.
Bauten
Die Klosteranlage weist eine Fläche von 2.500 m2 auf, die alle notwendigen Gebäude beinhaltet. Dazu zählen etwa eine Ölmühle, eine Bäckerei und die Zellen der Mönche. Durch den massiven Torbau (Abb. 12) betritt der Besucher den idyllischen Innenhof, der von der Kirche und dem alles überragenden Glockenturm dominiert wird. Das Gotteshaus zieht fast unweigerlich das Interesse auf sich.
In seinem Erscheinungsbild entspricht es ganz dem byzantinischen Kirchenbau, besitzt also Exonarthex, Narthex und den eigentlichen Kirchenraum. Vorgelagert ist eine Portikus, über die man den dreischiffigen, flach gedeckten Innenraum betritt. Noch vom Sonnenlicht geblendet, müssen sich die Augen an das mystische Dunkel gewöhnen. Dann erkennt man die großartigen Fresken des 18. Jhs., die u. a. Szenen aus dem Leben der Gottesmutter und Jesu darstellen. Daneben gibt es aber auch Heiligenbilder. Besonders eindrucksvoll ist die Ostwand des Narthex geschmückt, auf ihr ist ganzflächig das Jüngste Gericht dargestellt. Den oberen Bereich kann man besonders gut von einer Empore aus betrachten.
Neben den Wandmalereien fasziniert auch die um die Mitte des 18. Jhs. entstandene Ikonostase den Betrachter. Sowohl die Bilder als auch die Schnitzereien zeigen hohe Meisterschaft der Handwerker und Künstler.
Abb. 12 Ardenica. Kloster von Ardenica, Torhaus.
Literatur
G. Koch, Albanien (1989) S. 216.