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Éxi – 6

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Er stand hinter der Bar. Es war schummrig wie vorhin, deshalb erkannte Sofia nur die Umrisse seines Oberkörpers. Aber die reichten.

Er schaute sie an, ganz ruhig, ganz still, und sein Blick zeigte nicht, was er dachte. Große braune freundliche Augen, geschwungene Lippen, ein Drei-Tage-Bart in einem nahezu perfekten Gesicht mit hohen Wangenknochen. Er trug ein weiß-blaues Tanktop, und seine Brustmuskeln zeichneten sich unter dem Stoff ab. Seine Bizepse musste sich Sofia nicht vorstellen, die ragten aus dem ärmellosen Shirt. Kräftige Adern schimmerten unter der Haut. Was für ein Mann. Er war makellos.

Sie verscheuchte den Gedanken an Carls Hühnerbrust und lächelte diesen Adonis an, so gut es ging. Beinahe hätte Sofia laut aufgelacht, als ihr durch den Kopf schoss, dass er ja Christos hieß. Und sein Bruder Adonis. Sollte sie eines Tages doch Ministerin werden, würde sie ein Gesetz machen, das es Eltern ermöglichte, Fehler in der Namensgebung noch nach fünfzehn Jahren zu beheben. Das wäre doch mal praxisnah. Und es würde Familien wie der von Adonis und Christos helfen, der körperlichen Entwicklung der Kinder Rechnung zu tragen. Da sich unverständliches lautes Auflachen in der Nähe dieses gottähnlichen Geschöpfes verbot, sagte sie nur: »Hi.«

»Yiassou«, antwortete er, und seine Stimme klang wie ein wunderschöner Gesang. Leicht rauchig, aber sehr warm.

Reiß dich zusammen, ermahnte sich Sofia und war sich einen Moment später nicht hundertprozentig sicher, ob sie das nicht laut gesagt hatte.

Was sie definitiv aussprach, war: »Ich bin Sofia. Ich wohne hier.«

»Ich bin Christos. Ich wohn hier auch.«

Was für ein Blödsinn, dachte sie im selben Moment, als sie spürte, wie sie rot wurde. Eine Wahnsinnskonversation für den Anfang, was war sie für ein Rindvieh.

Christos lächelte noch immer und sagte, ohne auf die peinliche Pause einzugehen: »Adonis hat es mir gesagt. Du hast Zimmer 2. Herzlich willkommen in unserem Haus. Und falls du in deiner neuen Rolle als Polizistin im Ort mal eine Razzia machen willst: Die Garage ist dafür kein guter Ort. Da baut Adonis was zu rauchen an.«

Er schaute sie unverwandt lächelnd an, und Sofia wusste, dass das kein Scherz war. Obwohl sie nicht glaubte, dass Kostas jemals in seinem Leben eine Razzia in diesem Kaff durchführen würde. Aber man konnte ja nie wissen. Zudem war es beruhigend, dass sie auch hier in der Einöde nicht das Steppengras würde rauchen müssen. Adonis holte in Sofias Ansehen etwas auf, und im Kampf Adonis vs. Christos stand es nun also 2 zu 1356.

»Gut. Ich merk’s mir«, gab sie zurück.

Ihr Blick fiel auf den stummen Fernseher. Ein Mann, der ihr unangenehm bekannt vorkam, stand vor einer zypriotischen Flagge und sprach, das Gesicht starr in die Kamera gerichtet.

»Hey, kannst du das mal lauter machen? Bitte?«

Christos griff unter die Theke und drückte einen Knopf auf der Fernbedienung. Sofort wurde der Mann auf dem Bildschirm deutlicher hörbar, als es Sofia lieb war.

… eine Ehre, der Republik in dieser schwierigen Zeit im Zeichen der Finanzkrise und des internationalen Terrors zu dienen. Im Amt als Ihr Innenminister. Darauf bin ich sehr stolz und werde Ihr Vertrauen in mich nicht enttäuschen. Ich wünsche mir, dass Sie eines Tages sagen werden: Petros Matriopoulos hat dieses Land verändert. Er war ein guter Innenminister. Und um das unter Beweis zu stellen, habe ich sofort ein neues Programm aufgelegt, das Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, als Wähler der kommunistischen Partei sicher gerne annehmen werden: Ich habe einen Einstellungsstopp verfügt für alle höheren Ämter in der Republik Zypern. Wir haben genug Politiker, genug hohe Beamte. Wir könnten sogar Griechenland mitverwalten.

Die drei jungen Referenten, die hinter ihm standen, lachten und feixten, es sollte wohl der witzige Höhepunkt seiner Ansprache sein. Sofia hätte gerne ins Kissen geweint, es war nur gerade keines zur Hand.

Nein, stattdessen wollen wir Ihre Sicherheit stärken. Egal, wo Sie wohnen. Ob in der Stadt oder auf dem Lande. Ich habe daher verfügt, dass viele Beamte aus höheren Rängen der bisherigen Regierung ihren Dienst nun direkt für die Bürgerinnen und Bürger verrichten. Als Polizistinnen und Polizisten. Es ist ein Versuch, der Bürgernähe schaffen und Geld sparen soll. Das Projekt nenne ich: »Operation Prometheus«, schließlich dachte auch der, er sei ein Gott, dabei war er nur ein Mensch.

Eine etwas merkwürdige Auslegung der griechischen Mythologie, dachte Sofia bei sich. Aber gut, der Mann war Kommunist. Mit Gottheiten hatten die es nicht so. Bis auf Lenin.

Unser Ministerpräsident wird Ihnen in Kürze weitere Neuigkeiten mitteilen. Darunter einen Wechsel unserer Botschafter. Ich darf Ihnen vorab mitteilen, dass mein langjähriger Freund Stylianos Perikles, unser langjähriger Botschafter in Paris, Rom und Berlin, sich künftig um Zyperns Kontakte im Osten kümmern wird – eine wichtige Schnittstelle – und daher die Botschaft in Armenien leiten wird. Die Hauptstadt Eriwan wird ein neues Zentrum der zypriotischen Wirtschaftsförderung. Ich wünsche Stylianos und seiner Familie dort alles Gute – die Küche in Armenien soll fast so gut sein wie die in Paris.

Dabei zwinkerte er einmal verschwörerisch in die Kamera, und die Arschkriecher hinter ihm feixten weiter.

Das war die Abrechnung. Die Abrechnung mit Sofias Familie – und mit allen Konservativen im Lande. Verdammtes Zypern. Einmal waren die Konservativen an der Macht und schmissen alle Kommunisten raus. Und dann wieder ging es genau andersrum. Aber so heftig hatte es Familie Perikles noch nie erwischt. Dachte Sofia. Es war aber vorher auch noch nie um sie persönlich gegangen.

Ich werde das nicht akzeptieren, dachte sie, diesen bärbeißigen Glatzkopf mit seiner randlosen Brille und dem Anzug von der Stange. Elender Kommunistenarsch.

Sie brauchte dringend einen konservativen Drink. Ihr fiel Christos wieder ein, der sie musterte. Offenbar hatte er sie die ganze Zeit betrachtet, aber kein Wort gesagt. Bis jetzt.

»Hier, nimm.«

Er stellte ein kleines Glas vor ihr ab, das vor Kälte beschlagen war. Ouzo. Er hatte ihre Gedanken erraten.

»Danke«, stammelte sie und leerte es in einem Zug. Sie spürte, wie sie wieder errötete. Scham und Suff. Herrje.

»Ich geh dann mal kurz hoch, ich fahr gleich nach Nikosia. Ein paar Freunde treffen. Wir sehen uns?«

»Ab jetzt jeden Tag.«

Sofia schaute ihn überrascht an.

Er zuckte die Schultern. »Na, du wohnst ja jetzt hier.«

Dann drehte er sich lächelnd um und nahm den Lappen, um die Theke zu putzen. Sofia wünschte sich, sie wäre der Lappen.

Tod am Aphroditefelsen

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