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Tríti – Dienstag Októ – 8

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Der Verkehr auf der mehrspurigen Hauptstraße rauschte an ihr vorbei. Sie stand an der Einfahrt kurz vor der Schranke, dahinter zwei Jeeps der Polizei, die die Zufahrt beschränkten, und zwei Männer mit Maschinenpistolen. Sie trugen die Uniform, die sie auch bald tragen würde. Wenn alles schiefging.

»Kalimera«, grüßte sie. »Mein Name ist Sofia Perikles.«

Der größere der beiden, ein junger Mann, lächelte freundlich und betrachtete ihr pinkes Sommerkleid, das sie extra ausgewählt hatte, um perfekt auf ihren Auftritt im Ministerbüro vorbereitet zu sein. Denn da wollte Sofia hin.

»Ja?«

»Ich möchte gern zum Minister. Zu Petros Matriopoulos. Sehen Sie«, sie zeigte das Schreiben vor, das ihre Bewerbung als höhere Beamtin bestätigte, »hier ist meine Aufnahme. Ich fange im Ministerium an. Aber irgendetwas ist schiefgegangen. Darüber muss ich mit ihm sprechen.«

Der junge Mann lächelte immer noch sehr freundlich.

»Warten Sie bitte.«

Er drehte sich um und ging zu einer kleinen Baracke. Sofia sah, wie er den Hörer abnahm und telefonierte. Sie glaubte, ihn lachen zu hören. Sie rieb sich die schmerzenden Schläfen. Seit Tagen hatte sie nicht mehr so einen Kater gehabt. Oh Mann. Zwei Nurofen hatte sie schon genommen – aber sie war auch keine neunzehn mehr. Der Zeitraum, in dem die Kopfschmerzen nach dem Trinken blieben, hatte sich mittlerweile schon bis zum Mittag ausgedehnt. Früher war am Morgen danach eigentlich immer alles wieder in Ordnung gewesen. Sie erinnerte sich nur bruchstückhaft an die vergangene Nacht in der Innenstadt. Sie waren im Lost & Found gewesen und danach im Royal Suites. Und dann noch in irgendeinem neuen Club im Osten der Stadt. Als die Jungs dann noch in die Türkei hinüberwollten, hatte Sofia sich quergestellt. Die hatten irgendwas eingeworfen, aber sie wollte nicht. Sie war ja jetzt Polizistin. Nikolaio hatte dann entschieden, doch nicht rüberzuwollen, stattdessen hatte er sich wieder an sie rangemacht. Sie hatte ihn immer wieder weggeschoben, aber irgendwann durfte er sie küssen. Ganz kurz nur. Dann waren sie zu ihm nach Hause gegangen. Sofia brauchte ja einen Schlafplatz. Sie hatte eigentlich vor, sich schlafend zu stellen, damit er sie nicht weiter angraben konnte. Aber das war gar nicht nötig. Denn sie brach in dem Moment, als sie die Couch unter dem Po spürte, förmlich zusammen. Die Anstrengung des Tages war einfach zu viel gewesen. Sie war vor zwei Stunden im Morgengrauen erwacht und sofort aufgestanden, hatte leise geduscht und war dann verschwunden.

Und nun – nach zwei starken Kaffee auf der Ledra – stand sie also am Rand der vielbefahrenen Michael Karaoli Street vor dem Innenministerium, das einem riesigen Kloster glich. Vier Blöcke aus hellem Sandstein, alle ineinander verschränkt. Hier hätte ihr Schreibtisch stehen sollen, in diesem schönen Ministerium, im noch schöneren Nikosia. Mit Menschen in Kleidern und Anzügen, die über die Zukunft der Republik entschieden. So wie auch sie es tun sollte. Hätte tun sollen.

Der junge Polizist kam wieder zum Vorschein und hielt ein Klemmbrett mit einer Liste in der Hand. »Sofia Perikles«, las er. »Hier haben wir Sie. Haben Sie die E-Mail des Ministeriums nicht erhalten? Sie sind doch jetzt eine von uns, eine Kollegin. In Kato Koutrafas. Ich weiß gar nicht, wo das liegt. Wenn es nicht so weit weg ist, dann sollten wir mal was trinken gehen, so unter Kollegen.«

Sofia sah ihn an und spürte, dass er sie verarschte. Sie wusste nicht, mit wem er telefoniert hatte. Aber seine Freundlichkeit war beißender Ironie gewichen. Wahrscheinlich hatten die Kommunisten sogar schon die Polizisten am Tor mit den eigenen Leuten besetzt. Sie wollte sich gerade umdrehen und weggehen, als er sagte: »Ach, Fräulein Perikles, warten Sie doch noch kurz. Es will Sie noch jemand sehen.«

Sofia tat, wie ihr geheißen. Plötzlich war auf der Straße eine schwere Kolonne zu hören, dazu erklang zweimal eine Sirene.

Es waren zwei gepanzerte Mercedes-Limousinen. Ihr Vater fuhr auch so eine. Regierungsfahrzeuge. Der Minister? Wollte er doch mit ihr sprechen? Sich gar entschuldigen und ihr sein Bedauern ausdrücken, dass alles ein großer Irrtum war? Ihr einen Schreibtisch am Fenster zuteilen, in einem eigenen Büro? Mit ihrem Namen an der Tür? Mit Nespresso-Maschine und Air-Condition? Sie stand ganz starr, nur ihr Kleid wehte im Wind. Die vordere Limousine preschte in die Auffahrt, der junge Scheißer hatte die Schranke schon dienstbeflissen geöffnet. Die hintere Limousine aber wurde langsamer, immer langsamer. Hielt sie an? Nein, sie fuhr in Schrittgeschwindigkeit an Sofia vorbei. Sie sah die Sicherheitsleute vorne sitzen. Und hinten den Mann, den sie aus dem Fernsehen kannte. Und aus den Erzählungen ihres Vaters. Dieser Mann ließ eben irgendwelche Dokumente in seinen Schoß sinken, musterte sie mit festem Blick und grinste sie dann schamlos an, während er seine Hand an den Kopf nahm, als würde er salutieren. Durch die kugelsichere Scheibe glaubte Sofia sein leises Kichern zu hören. Petros Matriopoulos. Er hatte sie sehen wollen – und hatte dem jungen Polizisten befohlen, sie noch warten zu lassen –, um ihm und sich einen Spaß zu machen. Petros Matriopoulos. Von jetzt an ihr Feind. Für alle Zeiten. Als er vorbei war, beschleunigte das Auto wieder, raste durch die offene Schranke und verschwand.

Sofia wollte im Boden versinken. Sie sah, wie der Typ die Schranke wieder schloss, und wollte ihm eigentlich eine knallen. Aber was hätte es gebracht? Es hatte alles keinen Sinn. Sie drehte sich um.

»Ach, Kollegin«, rief er hinter ihr her. »Warten Sie. Hier. Der war bei uns hinterlegt. Sie werden ihn brauchen.«

Sie wandte sich wieder um. Er gab ihr ein kleines Kärtchen. Den Polizeiausweis. Ihren neuen Dienstausweis. Darauf ein Foto, auf dem sie sich erst nicht erkannte. Erst nach und nach setzte das Erkennen ein, und sie schlug sich wieder gegen die Stirn. Sie erkannte das Passfoto, das sie als Teenager zeigte. Der verdammte Innenminister hatte es aus der Meldedatei kramen lassen. Das schlimmste aller Fotos. Sie mit strähnigen Haaren und leichter Akne um die Kinnpartie. Petros Matriopoulos. Dieser Hund. Feind. Für immer und ewig.

Als Dienstgrad war eingetragen: Junior Officer. Der niedrigste aller Dienstgrade. Als Dienstort: Kato Koutrafas.

Während sie sich ohne ein weiteres Wort abwandte und die Augen schloss, hörte sie wieder das Lachen des jungen Beamten. Der stand ab sofort auch auf ihrer Liste.

Tod am Aphroditefelsen

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