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4.1.3 Kurmancî in der westeuropäischen Diaspora, in Deutschland und in Berlin

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Auch wenn die Anfänge der kurdischen Diaspora in die westeuropäischen Staaten bis ins späte 19. Jahrhundert zurückreichen, kam es zu einer zahlenmäßig bedeutsamen kurdischen Emigration erst ab den 1960er Jahren (vgl. Hassanpour/Mojab 2005: 217f.). In diesem Jahrzehnt erlebten die westeuropäischen Staaten, vor allem Deutschland, eine rasante wirtschaftliche Entwicklung. Die benötigten Arbeitskräfte wurden u.a. aus der Türkei durch Gastarbeiterverträge rekrutiert (vgl. Ammann 2019: 34). Unter diesen Gastarbeiter*innen waren auch Kurd*innen (vgl. Karataş 2019: 26). Die Migration der Kurd*innen in die westeuropäischen Staaten hielt auch in den siebziger und achtziger Jahren an, hatte aber immer mehr die Flucht als Ursache. Zum einen hatten im Jahr 1975 die Kurd*innen im Irak den Krieg um die Autonomiebestrebungen gegen die zentrale Regierung verloren, die während des Krieges und danach brutal gegen Kurd*innen vorging. Zum anderen fand im Jahr 1979 ein Regimewechsel im Iran statt und in der Türkei erfolgte 1980 ein Militärputsch. Beide Entwicklungen waren zu Ungunsten der Kurd*innen, und die Repressionen ihnen gegenüber nahmen zu, insbesondere auch sprachlich.

Im Jahr 1991 wurde im Irak in einem Teil der Gebiete, in denen Kurd*innen leben, auf Initiative der US-Regierung eine Sicherheitszone geschaffen. Die kurdische Migration aus dem Irak in westeuropäische Staaten ging aber weiter, da die politische Unsicherheit und mangelnde wirtschaftliche Entwicklung bestehen blieben (vgl. Ghaderi 2014: 137, Hassanpour/Mojab 2005: 218). Die neunziger Jahre waren jedoch geprägt durch die Fluchtmigration der Kurd*innen aus der Türkei. Das Hauptzielland der geflüchteten Kurd*innen war dabei Deutschland. In den Jahren zwischen 1991 und 2001 sollen etwa 197.250 Asylbewerber*innen aus der Türkei nach Deutschland gekommen sein. Es wird davon ausgegangen, dass ein erheblicher Teil davon Kurd*innen waren (vgl. Engin 2019: 12).

In den darauffolgenden Jahren kamen weniger Geflüchtete aus Kurdistan in die westeuropäische Diaspora und nach Deutschland, aber die Migration ging weiter, z.B. durch Heirat und Familiennachzug. Diese Situation sollte aber nicht lange anhalten. Ab 2011 begann der Bürgerkrieg in Syrien, und die soziopolitische und sozioökonomische Lage im Irak verschlechterte sich. Dies führte dazu, dass in beiden Staaten radikale Gruppen erstarkten und große Gebiete unter ihre Kontrolle brachten. Sie griffen im August 2014 Şengal im Nordirak an und verübten dort ein Massaker. Außer Şengal griffen sie auch weitere Gebiete der Kurd*innen im Irak und in Syrien an. Als Folge flüchteten viele Menschen direkt in die westeuropäischen Staaten oder zunächst in einen benachbarten Staat, beispielsweise in die Türkei oder in den Libanon und im Anschluss weiter nach Westeuropa. Auch die Repressionspolitik der Türkei gegenüber den Kurd*innen nahm ab etwa Mitte 2015 wieder zusehends zu. Das Hauptzielland der geflüchteten Menschen war wiederum Deutschland.

Die Folge ist, dass im Zeitraum zwischen 2014 und September 2019 etwa 330.000 Kurd*innen in Deutschland Asyl beantragt haben. Über die Hälfte davon kommt aus Syrien, etwa 36 Prozent aus dem Irak und 6 Prozent aus der Türkei. Über die Kurd*innen aus Syrien ist bekannt, dass sie etwa 30 Prozent der Asylanträge ausmachen, die von syrischen Staatsbürger*innen gestellt wurden (vgl. Pürckhauer 2019).

Insgesamt besteht also seit den 60er Jahren eine dynamische Migrationsbewegung der Kurd*innen in die westeuropäischen Staaten, insbesondere nach Deutschland. Über ihre genaue Zahl sind jedoch keine verlässlichen Informationen vorhanden, da die Staaten bei der Einwanderung für die statistische Erfassung in der Regel nicht die ethnisch-sprachliche, sondern die Staatsangehörigkeit zugrunde legen (vgl. Derince 2020: 10, Ghaderi 2014: 135f.). Nur in bestimmten Fällen – wie im Asylverfahren – können Migrant*innen ihre ethnische Zugehörigkeit angeben und diese wird dann ggf. miterfasst (vgl. Engin 2019: 8). Daher gibt es nur grobe Schätzungen und ungefähre Angaben über die Zahl der Kurd*innen in den westeuropäischen Staaten (vgl. Hassanpour/Mojab 2005: 214). Ihre Anzahl in Deutschland wird dabei unter Einrechnung der neuen Geflüchteten auf 1,2 Millionen Menschen geschätzt (vgl. Engin 2019: 9). Damit dürfte die Anzahl der Kurd*innen in Deutschland die Gesamtanzahl der Kurd*innen in allen anderen westeuropäischen Staaten übertreffen (vgl. Grond 2018: 78, Skubsch 2002: 225).

Da die Kurd*innen aus der Türkei bereits in den 60er Jahren in der westeuropäischen Diaspora anwesend waren und später in den 80er und vor allem in den 90er Jahren in großer Zahl und zum Teil politisiert dazukamen, haben sie auch die Aktivitäten der kurdischen Diaspora geprägt bzw. prägen diese weiterhin. Als Folge wurde/ist Kurmancî die Sprache dieser Aktivitäten. Denn die überwiegende Anzahl der Kurd*innen aus der Türkei spricht diese Varietät, wenn auch die Anzahl der Zazakîsprecher*innen dort nicht gering geschätzt werden sollte. Es besteht sogar die Annahme, dass Kurmancî sich in der westeuropäischen Diaspora zu einer Art lingua franca unter Kurd*innen entwickelt hat (vgl. Ammann 2019: 28, siehe auch Derince 2020: 58)1. Der erste kurdische Sender Med-TV – gegründet in der westeuropäischen Diaspora im Jahr 1995 – bot beispielsweise Programme meistens in Kurmancî an (vgl. Hassanpour/Mojab 2005: 219). Auch die meisten kulturellen Aktivitäten, wie z.B. Newroz-Feierlichkeiten, fanden/finden überwiegend in Kurmancî statt. Für die Zukunft kann erwartet werden, dass diese Tendenz nicht ab-, sondern eher zunehmen wird. Denn die Kurd*innen aus Syrien, die in den letzten Jahren in einer großen Anzahl Asyl beantragt haben, sprechen ausschließlich Kurmancî (vgl. Ammann 2019: 28).

Auch in den Bemühungen zur Integration des Kurdischen in den Bildungsprozess stand/steht das Kurmancî im Vordergrund. Im Kontext von Deutschland gilt dies sogar nahezu ausschließlich (vgl. Skubsch 2002: 302). Viel wichtiger ist jedoch, dass es weder Kurd*innen noch ihren Aufnahmeländern gelungen ist, das Kurdische – sei es Kurmancî oder andere Varietäten – in das Bildungssystem des jeweiligen Staates übergreifend und durchgängig einzugliedern (siehe die Ausführungen unten zur Lage in Deutschland). Schweden dürfte dabei die einzige Ausnahme sein, denn dort sind kurdische Varietäten neben anderen Sprachen der Migrant*innen in das Gesamt-Bildungssystem inkludiert. Die Eingliederung der kurdischen Varietäten in das Bildungssystem hat auch die Infrastruktur dafür geschaffen, dass in Schweden Lehr- und Lernmaterial sowohl für den vorschulischen Bereich als auch für die Schule erstellt worden ist (vgl. Şenol 1992: 121ff.). Auf dieses Material wurde und wird in den anderen Ländern, u.a. in Deutschland, zurückgegriffen. Auch die hier untersuchte Kita hat ein Teil ihres Materials aus Schweden bezogen. Auf diesen Punkt wird aber noch näher eingegangen.

Der Unterricht in den Sprachen der neu angekommenen Migrant*innen an den Schulen erfolgte in Deutschland in den sechziger und siebziger Jahren zunächst in Kooperation mit ihren Herkunftsstaaten (Baur/Ostermann/Chlosta 2004: 161f.). In diesem Zusammenhang wurde in Sprachen wie Türkisch, Griechisch oder Portugiesisch Unterricht an den Schulen installiert, der gewöhnlich als Konsulatsunterricht definiert wird (vgl. Mediendienst Integration 2019: 3). Es ist offensichtlich, dass die Türkei sich für das Kurdische in Deutschland nicht verantwortlich gefühlt hat, ebenso wenig wie für andere Sprachen der Türkei wie Lasisch, Tscherkessisch, Aramäisch u.v.m. Auch in den folgenden Dekaden bis heute ist nicht bekannt, dass die Türkei sich für den Unterricht irgendeiner Sprache ihrer Mitbürger*innen außer Türkisch in den Schulen Westeuropas und Deutschlands eingesetzt hat.

Die Forderung nach einem Kurdisch-Unterricht an den Schulen in Deutschland wurde jedoch von Kurd*innen schon zu Beginn der achtziger Jahre gestellt (vgl. Skubsch 2002: 301). Mit diesen Forderungen gingen auch Bestrebungen einher, die in einigen Bundesländern zu Beginn der neunziger Jahre konkrete Gestalt angenommen haben. In diesem Zusammenhang wurde in Bremen im Jahr 1993, in Hamburg im Jahr 1994, in Niedersachsen im Jahr 1995 und in Nordrhein-Westfalen im Jahr 1998 kurdischer muttersprachlicher Unterricht eingeführt (vgl. Skubsch 2002: 302ff.). Bis auf Hamburg findet der Unterricht in diesen Bundesländern bis dato statt (vgl. Mediendienst Integration 2019). Auch in Berlin (Westberlin) gab es seit dem Ende der achtziger Jahre Bestrebungen von Elterninitiativen und Vereinen, Kurdisch-Unterricht an den Schulen anzubieten. An einigen Schulen fand solcher Unterricht auch zeitweilig statt, hatte jedoch keinen langfristigen Bestand (vgl. Ates 2016: 111).

Erst im Jahr 2016 hat der Berliner Senat die Förderung des Kurdischen als Herkunftssprache in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen (vgl. Koalitionsvereinbarung 2016-2021). Seitdem hat die Stadt Berlin den Unterricht an einer Schule übernommen, die von Yekmal e.V.2 initiiert war, und den Kurdisch-Unterricht an zwei weiteren Schulen installiert. In allen drei Schulen ist das Angebot in Kurmancî.3

Aber im Verhältnis zur Anzahl der kurdischen Bevölkerung in Berlin ist das Angebot an drei Schulen deutlich zu gering. In Bremen, wo eine viel kleinere kurdische Gemeinschaft lebt, findet beispielsweise an zehn Schulen Kurdisch-Unterricht statt.4 Gegenwärtig bieten neben den genannten Bundesländern auch Rheinland-Pfalz und Brandenburg Kurdisch-Unterricht an. In Letzterem wird dieser durch regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA Brandenburg) ausgeführt (vgl. Mediendienst Integration 2019). Die übrigen Bundesländer bieten keinen Kurdisch-Unterricht an. Es kann jedoch sein, dass dort die eine oder andere Schule auf eigene Initiative oder durch die Initiative der Eltern, etwa in Form von Arbeitsgemeinschaften, Kurdisch-Unterricht anbietet.

In Bezug auf Berlin sind zwei weitere Aspekte auszuführen. Erstens beherbergt die Stadt eine große Anzahl von Kurd*innen, wobei die Schätzungen stark voneinander abweichen. Einige gehen nämlich von ca. 50.000 (vgl. Ghaderi 2014: 136) und andere von ca. 100.000 bis 120.000 Kurd*innen in Berlin aus (vgl. Derince 2020: 18). Auch eine Zahl zwischen 70.000 und 90.000 wird in diesem Zusammenhang von einigen Vereinen genannt, die in Berlin mit Kurd*innen arbeiten5. Unabhängig davon, welche Schätzung zugrunde gelegt wird, macht die Anzahl der Kurd*innen in Berlin einen beachtlichen Anteil der auf 1,2 Millionen geschätzten Kurd*innen in Deutschland aus.6 Zweitens gibt es in Berlin eine Reihe kurdischer Einrichtungen, die auch in den kurdischen Varietäten soziale Dienste und Aktivitäten anbieten, z.B. Beratung, Familienhilfe, Einzelfallhilfe, Jugendarbeit, Nachhilfe-Kurse, Vätergruppen etc. Solche Einrichtungen sind in anderen Teilen Deutschlands kaum bzw. nicht in der Stärke und in der Vielfalt wie in Berlin vorhanden. Einige dieser Vereine bestehen schon seit längerer Zeit, etwa der „Kurdistan Kultur- und Hilfsverein e.V.“ (seit 1974) oder das „Kurdische Zentrum e.V.“ (seit 1984).7

Dem „Kurdistan Kultur- und Hilfsverein e.V.“ ist es auch gelungen, in Kooperation mit einer Elterninitiative im April 1990 in Berlin einen bilingual kurmancî-deutschen Kinderladen mit dem Namen Hêlîn (deutsch: „Nest“) zu gründen (vgl. Ates 2016: 111). In diesem Kinderladen wurde versucht, das Kurmancî neben dem Deutschen konsequent zu fördern. Dies gelang auch in den Anfangszeiten bis etwa Ende des Jahres 1991.8 Das bilinguale Konzept konnte allerdings nicht fortgeführt werden, jedoch wurde das Kurmancî bis etwa Ende der 90er Jahre weiterhin in geringem Umfang gezielt gefördert. Beispielsweise wurden Kinderlieder in Kurmancî gesungen oder auch in Kurmancî vorgelesen. Etwa ab dem Jahr 2000 erfolgte die Förderung des Kurmancî nur noch im Rahmen der interkulturellen Kompetenz. Begrüßungsrituale fanden zum Beispiel in Kurmancî statt oder das Neujahrfest (Newroz) wurde in der Einrichtung gefeiert. Die Förderung des Kurmancî im Rahmen der interkulturellen Kompetenz findet auch heute noch statt. Zudem ist die Einrichtung, die sich inzwischen zu einer Kita entwickelt hat, weiterhin eine Anlaufstelle für kurdische Familien. Da die Kita kurdische Mitarbeiter*innen beschäftigt, können die Familien mit ihnen in ihrer Sprache kommunizieren und auch die Eingewöhnungsphase ihrer Kinder kann mit Einbezug ihrer Sprache erfolgen9.

In Berlin gibt es zwei weitere Kitas, die das Kurmancî bzw. das Kurdische im Rahmen der interkulturellen Kompetenz fördern, nämlich „Kindervilla Waldemar e.V.“ und „Kinder einer Erde e.V.“10 Es könnte weitere Kitas in oder außerhalb Berlins mit einer solchen Förderung geben, die jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt sind.

Schließlich stellt sich die Frage, ob Kurmancî oder allgemein das Kurdische in Deutschland eine „vitale“ Sprache ist (vgl. Extra/Yağmur 2008: 149, Küppers/Schroeder 2017: 63 für die Begrifflichkeit). Zur Beantwortung dieser Frage liegen allerdings keine genauen Daten und kaum Untersuchungen vor. Eine der wenigen Studien diesbezüglich ist die von Extra/Yağmur (2008). In dieser Studie, die neben Hamburg in fünf weiteren westeuropäischen Städten – Brüssel, Göteborg, Lyon, Madrid und Den Haag – durchgeführt worden ist, wird festgestellt, dass der Grad der Vitalität des Kurdischen in diesen Städten insgesamt niedrig ist (vgl. Extra/Yağmur 2008: 153). In der Untersuchung gibt es jedoch keine differenzierten Angaben zu den einzelnen Städten, auch nicht zu den einzelnen Varietäten des Kurdischen. Eine weitere Studie, die zwar nicht in Deutschland, aber im deutschen Sprachraum, in Wien, durchgeführt worden ist, kommt zum Ergebnis, dass auch hier der Grad der Vitalität des Kurdischen niedrig ist (vgl. Brizić/Hufnagl 2011: 216). In dieser Studie wird im Übrigen ebenfalls nicht nach den Varietäten differenziert.

Die Studie von Yekmal e.V., die mit Kurd*innen in Berlin durchgeführt und von Derince (2020) erarbeitet wurde, bietet in diesem Zusammenhang einen differenzierten Blick sowohl nach Varietäten als auch nach den Herkunftsländern an. In der Studie wird festgehalten, dass Kurd*innen aus Syrien/Rojava die Varietät Kurmancî und Kurd*innen aus dem Irak die Varietät Soranî in Deutschland in ihrem Alltag stärker nutzen. Dies betrifft insbesondere die Kommunikation der Eltern mit ihren Kindern. Die Nutzung des Kurmancî und Zazakî als Alltagssprache seitens der Kurd*innen aus der Türkei ist dagegen weniger verbreitet, auch als Kommunikationssprache der Eltern mit ihren Kindern. Hier zeichnet sich wiederum ab, dass Kurmancîsprecher*innen eher Kurmancî nutzen als Zazakîsprecher*innen Zazakî. In beiden Gruppen ist im Übrigen die Anwendung der Staatsprache Türkisch des Herkunftslandes stärker verbreitet, als es bei den Kurd*innen aus Syrien/Rojava und dem Irak mit dem Arabischen der Fall ist (vgl. Derince 2020: 69f.). Auf die starke Nutzung des Türkischen bei den Kurd*innen aus der Türkei wird auch in den anderen Studien hingewiesen (vgl. Meyer-Ingwersen 1995: 322, Şenol 1992: 141).

Anzumerken ist an dieser Stelle jedoch, dass für die Studie meist Kurd*innen aus Syrien/Rojava interviewt wurden, die etwa seit 2014 in Deutschland leben (vgl. Derince 2020: 37f.). Da sie sich nicht seit langem in Deutschland befinden, sind sie stärker durch die kurdischsprachige Sozialisation aus dem Herkunftsland geprägt als beispielsweise Kurd*innen aus der Türkei, die zum größten Teil über mehrere Dekaden in Deutschland leben und ihren Alltag auch verstärkt mit Deutsch gestalten. Insofern ist abzuwarten, ob die Kurd*innen aus Syrien/Rojava die starke Nutzung des Kurdischen beibehalten werden, wenn sich ihre Migrationsgeschichte über eine längere Zeit erstreckt und sie ihre Deutschkenntnisse fortlaufend erweitern.

In Bezug auf Gebrauch und Vitalität der kurdischen Varietäten bzw. des Kurdischen ist auch zu erwähnen, dass Kurd*innen in Deutschland zurückhaltend sind, sich im öffentlichen Raum mit ihren Kindern in Kurdisch zu unterhalten. Sie haben sogar Bedenken dagegen, Kurdisch in Institutionen wie beispielsweise in Kitas als ihre Sprache anzugeben (vgl. Chilla/Niebuhr-Siebert 2017: 100). Ehlich spricht in diesem Zusammenhang von „Auskunftsvorsicht“ (Ehlich 2013: 39). Daher ist anzunehmen, dass die Stigmatisierungseffekte des Kurdischen aus den Herkunftsländern in Deutschland nicht aufgehoben sind (vgl. Şenol 1992: 136ff.).

Die Vitalität des Kurdischen bzw. seiner einzelnen Varietäten in Deutschland ist eine Forschungsfrage an sich und sollte mit einer gut konzipierten Untersuchung angegangen werden. Dabei sollten auch die Stigmatisierungseffekte berücksichtigt werden. Auf ein solches Vorhaben ist die vorliegende Untersuchung jedoch nicht zugeschnitten.

Mehrsprachigkeit im Kontext des Kurmancî-Kurdischen und des Deutschen

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