Читать книгу Joseph Roth: Gesamtausgabe - Sämtliche Romane und Erzählungen und Ausgewählte Journalistische Werke - Йозеф Рот - Страница 112
XVII
ОглавлениеEinmal hörte sie Rabold sprechen, den Redner, zwischen lauschende Menschen gedrückt, auf dem weiten Platz unter blau gewölbtem Himmel. Einige sprachen vor ihm, andere später, und aller Stimmen erstarben im unbegrenzten Raum und wurden gedämpft durch zufällige Geräusche der Straße. Seine Stimme nur überwältigte kühn und singend den Platz, als hätten sich unerreichbare Himmel, die Straße zu säumen, genähert und sie abgeschlossen vor dem fremden Geräusch unbekümmerter Gefährte. Alle Redner standen auf dem Dach desselben Automobils, und Rabold auch. Aber wie er hinauf trat, wurde es Postament und Thron, einen König zu tragen.
Gedrückt zwischen lauschenden Menschen stand Fini, die kleine. Es sang in ihr die Stimme nach, klar und klingend, als läutete eine Glocke erzene Worte. Lange blieb sie unter den Menschen und blieb noch, als sie auseinandergingen, spät, vom Abendwind auseinandergeschickt. Hinauf hätte sie gehen müssen, ungezählte, enge Stiegen ins Atelier. Als schöbe sie jemand, bog sie in die Seitenstraße, in der nur ein Mensch ging, groß und in einem Kreis aus Gedanken und Stille, den Blick auf sie gerichtet: Rabold.
Es kam das Wunder in ihren Weg, spät genug, fertig war sie schon, nach der bitter vollendeten Jugend. In der Mitte blieb Rabold und wartete, bis sie herankam. Es schien ihr, als müßte sie, um zu ihm zu gelangen, den Kreis aus schweigenden Gedanken durchstoßen, ein Schritt noch trennte sie von ihm, und sie blieb stehen. Sein Wort brachte sie näher. Sie wußte nicht, welches, sie glaubte, er hätte ihren Namen gerufen.
Alles erriet sie, daß er verfolgt ist und unter fremdem Namen lebt, von Stadt zu Stadt fahrend. Diener einer gestrengen Gewalt und entfernt dem Getriebe dieses Lebens.
Morgen fuhr er weiter, aber eine Stunde war genug, und sie wußte, daß jetzt alle ihre Tage und Träume von ihm erfüllt sein werden. Immer war Zeit und Raum in ihr für den Fremden. Manchmal schrieb er ihr einen Brief postlagernd. Dreimal täglich ging sie zum Schalter. Einmal kam ein flüchtiges Wort auf einer Ansichtskarte. Des Nachts auf der Bettkante saß sie und barg die Karte auf dem Grund ihres Kästchens zwischen Seidenpapier und der Schachtel mit Perlmutterknöpfen.