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Dubai 1. Teil D U B A I 2002

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Gerade machten wir noch mal einen Kontrollgang durch unser soeben gekauftes Haus in Dubai als ich durch einen ohrenbetaeubenden Laerm alamiert wurde. Sofort gingen bei mir saemtliche Alarmglocken an. Wo zum Teufel steckte Yannick schon wieder? Voller Angst lief ich nach draussen. Unser Haus stand mitten in der Wueste in einer Sandbox. Es gab noch keine Strassen keine angelegten Gaerten und auch die Nachbarhaeuser waren noch nicht fertig gestellt und standen genau wie unser Haus im blossen Wuestensand. Als ich nach draussen kam stockte mir der Atem.

Da lag es, das riesige, elektrische Stahleingangstor und darunter begraben mein Kind. Blass und absolut still lag Yannick im heissen, kochenden Sand und auf ihm das tonnen schwere Stahltor.

So laut ich konnte rief ich nach meinem Mann.

„Michael, Michael, komm schnell, Yannick ist unter dem Eingangstor begraben!“

Leise hoerte ich meinen kleinen Liebling weinen. Also lebte er noch.

„Schaetzchen, alles wird gut. Mama ist ja bei dir.“

Verzweifelt versuchte ich meinen Sohn zu befreien. Da das Tor jedoch gigantisch schwer war, hatte ich nicht die geringste Chance. Wieder rief ich nach meinem Mann.

„Michael, so komm doch schnell! Ich brauche Deine Hilfe!“

Gelangweilt kam mein Mann zu uns herueber geschlendert. Wuetend darueber, dass man ihn bei seinem Rundgang durch das Haus gestoert hatte.

„Muss der Junge denn immer so einen Bloedsinn machen? Kannst Du nicht besser auf ihn aufpassen Yvonne?“

„Michael rede bitte nicht soviel sondern helf uns lieber. Ausserdem muss das Tor wohl nicht richtig befestigt worden sein. Sonst waere es ja wohl kaum aus der Verankerung gekracht.“

Fluchend zog er Yannick unter dem Tor hervor. Als er feststellte das der Junge nicht schwer verletzt war, widmete er sich wieder den vielen verschiedenen Hausschlusseln zu, meckerte vor sich hin da er nicht auf anhieb die richtigen Schluessel fuer die dazugehoerigen Schloesser fand und ging teilnahmslos ins Haus. Das war ja mal wieder typisch Michael. Gefuehlskalt und berechnend. Das Kind haette tod sein koennen und alles was meinen Mann interessierte waren seine daemlichen Schluessel.

Da sass ich nun mitten im heissen Wuestensand und hielt meinen kleinen Sohn im Arm. Die Sonne brannte gnadenlos auf uns herab. Leise jammerte mein kleiner tapferer Held und ein paar Traenen kullerten ueber sein Gesicht. Trotz grosser Schmerzen im Fuss versuchte er mich anzulaecheln.

Wasser! Schoss es mir durch den Kopf. Wir brauchen kaltes Wasser. Yannick's rechter Fuss schwoll immer mehr an. Da wir jedoch noch nicht in unserem Haus wohnten gab es auch kein Wasser. Nachbarn hatten wir ebenfalls nicht da die Siedlung noch nicht voellig erschlosssen war. Im Moment war dies hier eine verlassene Gegend in der Wueste. Ausser Sand, Sonne und halb fertigen Haeusern gab es hier nichts. Wo sollte ich jetzt nur Wasser her bekommen? Da vernahm ich das quitschende Gerausch eines Baggers. In der Naehe unseres Hauses wurde scheinbar gebaut und wo gebaut wurde gab es Menschen und auch Wasser.

So stapfte ich also, bis zu den Knien im heissen Sand versunken, mit Yannick in die Richtung aus der der Baulaerm kam. Meine Beine gluehten und auch meine Kraft liess immer mehr nach.

„Mama, Mama, mein Fuss tut so weh. Ich habe Durst.“

„ Pst, pst, alles wird gut mein Schatz, gleich haben wir es geschafft. Mama ist ja bei dir.“

Voellig erschoepft erreichten wir endlich das andere Grundstueck auf dem pakistanische Arbeiter gerade eine Grube fuer ein Schwimmbad aushoben. Als uns der Vorarbeiter sah, eilte er uns sofort zur Hilfe. Auch die anderen Arbeiter kamen herbei geeilt. Ganz vorsichtig nahm der nette Vorarbeiter mir Yannick aus dem Arm und ging mit ihm um das Haus. Da es leider keinen Schatten gab lag Yannick dann bei 50 Grad Hitze und Sonne pur, in den Armen eines bemerkenswerten Mannes.

Er trug die uebliche, traditionelle, sandfarbene Shalwar Kameez. Diese besteht aus einer leichten, weiten Baumwollhose und einer langen Tunika. Sein Kopf war mit einem farbigen Turban bedeckt, welche von den Sikh Anhaengern getragen wurde. Gekonnt und sehr gewissenhaft untersuchte er den Fuss meines Sohnes. Nach einer Weile stellte er fest, dass nichts gebrochen war. Mittlerweile waren die Arbeiten auf der Baustelle eingestellt worden denn jeder versuchte auf seine ganz spezielle Art und Weise, Erleichterung fuer meinem Sohn zu schaffen. Vor Ruehrung und Dankbarkeit liefen mir die Traenen ueber mein Gesicht.

„Schnell, bringt mir Wasser fuer den Jungen,“rief der Mann, der meinen Sohn im Arm hielt.

Ein Arbeiter brachte den Gartenschlauch und fing an das warme Leitungswasser ueber die Schwellung zu giessen. Alles in diesem Land war warm oder heiß, selbst das Wasser aus den Leitungen. So musste man hoellisch aufpassen, dass man sich nicht verbrannte. An Abkuehlung war da nicht zu denken. Aber diese Erfahrung sollte ich spaeter noch am eigenen Leib erfahren.

Vorsichtig und mit sehr professionellen, rythmischen Bewegungen massierte unser Retter in der Not den Fuss meines Sohnes. Man konnte sehen, dass er sehr geuebt darin war und wusste was er tat. Jeder seiner Handgriffe sass. In Pakistan war er Heiler und Arzt gewesen. Hier in Dubai musste er sich sein Geld mit harter koerperlicher Sklavenarbeit verdienen. Dieser gut aussehende und nette Mann schickte mir der Himmel. Er hatte begnadete Haende und ein mitfuehlendes warmes Laecheln das mir die Angst nahm. Seine sanften Augen beruhigten mich und so konnte ich mich ein wenig entspannen. Nach einer Weile war die Schwellung zurueck gegangen und der Fuss sah aus als waere er nie geschwollen gewesen. Es war ein magischer Moment. Der Schweiss lief uns allen mittlerweile in Stroemen am Koerper herunter und binnen kuerzester Zeit waren wir sandgepudert. Erleichtert darueber das nichts schlimmeres passiert war fingen wir alle an zu lachen und waren gluecklich das es Yannick wieder besser ging.

„Madame, es ist nichts gebrochen und sie muessen mit ihrem Sohn auch nicht ins Krankenhaus, ich kann das fuehlen. Vertrauen sie mir?“ Aufmunternd und freundlich schaute mich unser Retter an.

Und ob ich ihm vertraute.

Nun kam auch mein Mann angestapft und fluchte wie immer. Gott war mir das mal wieder peinlich.

„ Was machst Du denn hier fuer einen Quatsch und warum sitzt Du mit diesem Gesindel zusam.

im kochenden Sand? Bist Du total uebergeschnappt? In 2 Minuten seid ihr beide drueben oder ich fahre allein zurueck ins Hotel.“

„Aber Michael, diese Menschen haben deinen Sohn versorgt. Wir sind ihnen zu Dank verpflichtet. Bitte hast du nicht ein paar Dirham die wir ihnen geben koennen?“

„Ich bin gar keinem zu Dank verpflichtet. Mach das du mit Yannick zum Auto kommst, sonst bin ich fort.“

Ich versuchte ihn zu beruhigen jedoch schuettelte er wie ueblich nur den Kopf und stapfte davon ohne auch nur einen Blick auf unseren Sohn zu werfen. Gott, war mir das peinlich und ich schaemte mich schrecklich.

So liebe und warmherzige Menschen hatten sich um unseren Kleinen gekuemmert und das war nun der Dank dafuer. Ich konnte mich leider nur mit meiner ganzen Herzlichkeit bei diesen hilfsbereiten Arbeitern bedanken. Da wir hier in einem islamischen Land waren wussten die Arbeiter, dass ich als Frau nichts zu melden hatte. Sie verstanden auch ohne Worte.

Freundlich laechelnd halfen sie mir noch Yannick zu unserem Haus zu tragen und gingen mit einem „Salam Aleikum“ und einer knappen Verbeugung davon.

Was fuer wunderbare Menschen sie doch waren.

Mittlerweile war mein Mann mit seinem Spiel „welcher Schluessel passt zu welcher Tuer“, fertig und wartete schon ungeduldig auf uns. Yannick jammerte ein wenig, da er total ueberhitzt, durstig und mittlerweile auch hungrig war.

„Wir fahren jetzt erst einmal ins Krankenhaus,“ giftete mein Mann uns an.

Es war ihm mal wieder ueberaus laestig sich mit uns abgeben zu muessen und dann machten wir auch wieder nur Probleme.

„Michael, wir brauchen nicht ins Krankenhaus fahren, es ist nichts gebrochen. Dieser nette Mann hat es mir bestaetigt.“ antwortete ich.

„Der ist doch viel zu dumm und kann nur Steine schleppen.“ schnaupte Michael mich an.

„Doch, ich glaube ihm, er wusste was er tat. Du koenntest ruhig ein wenig Dankbarkeit zeigen. Die Maenner haben sich schliesslich um deinen Sohn gekuemmert. Du hast es ja mal wieder nicht fuer noetig gehalten nach Yannick zu sehen.“

„Also gut, aber auf Deine Verantwortung, wenn Yannick Folgeschaeden davon traegt, dann bist Du daran schuld und nicht ich. Steigt jetzt endlich ins Auto ein.“

Seine Ueberheblichkeit und Arroganz Menchen gegnueber machte mich immer sehr traurig. Keiner hatte das Recht auf andere herabzusehen. Michael war schon lange nicht mehr der Mann den ich vor vielen Jahren einmal aus Liebe geheiratet hatte.

Da Yannick unbedingt etwas Essen und Trinken wollte liess ich das Thema fallen und so fuhren wir endlich los.

Im Auto hing ich meinen Gedanken nach. Unendliche Erleichterung kam ueber mich und war gluecklich, dass meinem Sohn nichts passiert war. Ich war so dankbar, dass sich so liebevoll.

Leute ohne zu zoegern um meinen Kleinen gekuemmert hatten. Leider war die Reaktion meines Mannes so typisch fuer ihn. Mittlerweile war ich es ja gewohnt immer an allem Schuld zu sein und auch das er seine Launen an mir ausliess, aber man koennte sich doch wenigstens anderen gegenueber etwas zivilisierter verhalten. Es war immer das Gleiche.

An dieser Stelle moechte ich einfuegen, dass der Fuss meines Sohnes bis zum heutigen Tag intakt ist. Tief im Inneren fuehlte ich, dass ich diesem Mann vertrauen konnte und Yannick kein Krankenhaus benoetigte.

Man trifft sich ja bekanntlich immer zweimal im Leben. So sollten nur wenige Wochen vergehen bis ich all unsere Helfer in der Not wieder sah.

Wueste und Zitronengras

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