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Poolarbeiten in unserem Garten

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Noch immer lebten wir in einer Sandbox und die Arbeiten im Garten verliefen sehr schleppend. Wir hatten zwar seit mehr als vier Monaten taeglich bis zu 15 pakistanische Arbeiter bei uns im Garten herumsitzen, die auch noch alle laut und genuesslich vor sich hin rotzten und spuckten, jedoch sahen wir keinen Fortschritt. Viele Koeche verderben den Brei. Hier kam das Sprichwort erst richtig zur Geltung. Zwar mochte ich unsere Arbeiter konnte jedoch nach einer so langen Zeit die geballte Inkompetenz immer weniger ertragen.

Bald war Weihnachten und noch immer war unser Haus von Aussen mit riesigen, blauen Plastikplanen verhuellt. Es sah nicht so aus als wuerde unser Pool und die Gartenanlage auch nur

annaehernd fertig werden. Der Sand aus unserem Garten verbreitete sich nun ueberall im Haus und die schlimmen Sandstuerme aus Saudi Arabien setzten dem Ganzen noch die Krone auf.

Heller Sand, wohin man nur sah. Sogar in den Schraenken, auf dem Geschirr, in der Bettwaesche , in Nase, Ohren, Mund und Augen, war Sand. So fein wie Puder kam er selbst durch die kleinsten Ritzen. Auch vor der Klimaanlage in den Decken machte er nicht halt und so konnte man beobachten wie der feine Wuestensand leise ins Haus rieselte. Da er sich auch nicht wegsaugen liess musste man ihm mit Besen und Kehrblech zu Laibe ruecken. Jetzt hatten wir auch noch die Wueste im Haus. Meine anfaengliche Begeisterung hielt sich in Grenzen.

Erschwerend kam hinzu, dass wir auch nach mehreren Wochen noch immer keine funktionierende Kueche hatten. Es gab keinen Herd, keine Spuele oder Spuelmaschine und keine Mikrowelle. Zwar versprach man uns immer wieder, dass wir in 2 bis 3 Tagen unsere Kueche benutzen koennten, Inshallah, jedoch dauerten diese 2 bis maximal 3 Tage schon mehr als 5 Wochen an. Damals wusste ich noch nicht, dass „Inshallah“ so viel bedeutet wie „wenn Allah will“ und somit konnte man davon ausgehen das Dinge auf unbestimmte Zeit verschoben wurden. Da Allah in Dubai und bei mir im Besonderen scheinbar nie wollte, musste ich wohl geduldig abwarten! Inshallah!

Meinem Mann machte diese unertraegliche Situation mit einem Kind und ohne Kueche, dafuer jedoch Sand pur, natuerlich nichts aus. Wie ueblich, begab er sich kurzer Hand auf eine lange und weite Geschaeftsreise. Wie praktisch!

Seine Abschiedsworte waren: „Du machst das schon.“

Also versuchte ich mich zusammen zu reissen und einen kuehlen Kopf zu bewahren. Was bei den Temperaturen nicht ganz so einfach war. Jeden Tag auf 's Neue hoffte ich auf Besserung und freute mich auch ueber noch so kleine Schritte.

Was haette ich darum gegen einfach mal in den Arm genommen zu werden. Ein paar aufmunternde Worte zu hoeren. Wie sehnte ich mich nach Liebe und Zaertlichkeiten. Insgeheim verfluchte ich meinen Mann das er mir das an tat und nie fuer mich da war.

Seit die Arbeit meiner netten Pooltruppe beendet war und wir von der Firma eine andere pakistanische Arbeitskolonne zugeteilt bekamen, lief nichts mehr richtig. So beobachtete ich eines Tages, dass die Baugrube fuer den Pool vom Niveau her nicht stimmte und machte die Arbeiter sogleich darauf aufmerksam. Laut gestikulierend stritten sie miteinander, rotzten hier hin und dort hin, schnieften, wischten sich die Rotze an ihrer Shawal Kameez ab und schauten mich mit grossen

fragenden Augen an. Dann sprangen alle aus dem tiefen Loch welches Inshallah irgendwann einmal unser Pool werden sollte, kreisten mit ihren Koepfen hin und her, legten ihre

Plastiktischdecke auf den Boden in den Sand, schmissen ihren Reis, Gemuese und Naan Brot darauf, setzten sich im Schneiderstitz dazu und fingen genussvoll an zu esse. Ich stand wie ein begossener Pudel daneben und wusste nicht so recht was ich jetzt machen sollte. Obwohl ich diese Menschen mochte, konnte ich trotzdem nicht tatenlos zusehen wie unser Pool falsch angelegt wurde.

Nach reiflichem Ueberlegen beschloss ich schliesslich den Chef der Poolfirma an zu rufen, um mit ihm ueber das Problem zu reden. Schliesslich hatte meinVater frueher eine grosse Bautraegergesellschaft gehabt und war Architekt. Somit war ich von Kindesbeinen an mit dem Bauwesen vertraut und wusste genau wovon ich hier sprach.

Was ich jedoch dabei ganz und gar vergass war die Tatsache, dass ich ja „NUR“ eine Frau war. Frauen haben keine Stimme in arabischen Laendern, das sollte ich jetzt auch erfahren.

Kurz entschlossen griff ich zum Telefonhoerer und rief den Chef der Poolfirma an. Als ich ihm mein Problem erklaeren wollte meinte er nur ganz gelangweilt, dass mein Mann ihn anrufen soll. Daraufhin erklaerte ich ihm, dass mein Mann die naechsten zwei Wochen noch in Amerika sei und er mit mir vorlieb nehmen muesse, da mein Mann von diesen Dingen sowieso keine Ahnung habe. Augenblicklich wies er mich in meine Schranken und gab mir zu verstehen, dass er keine Ratschlaege von einer Frau annahm. Er erklaerte mir das ich zwei Moeglichkeiten haette. Entweder mein Mann rief ihn selbst an oder sie stellten die Arbeiten ein. Wie vor den Kopf gestossen legte ich den Telefonhoerer auf.

Das durfte doch alles nicht wahr sein! Was fuer ein Unfug war das denn? In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Was sollte ich denn jetzt machen? Wenn ich meinen Mann in Amerika anrief dann war dieser stinke sauer mit mir und machte mich mal wieder zur Schnecke. Er wuerde mir mitteilen, dass er nur Scherereien mit mir Nichtsnutz haette. Rief ich ihn nicht an und die Arbeiten wuerden eingestellt werden, waere er super sauer wenn er nachhause kam und keinen Fortschritt sah. Schliesslich sollte der Pool bis Weihnachten fertig werden und bis dahin waren es nur noch ein paar Wochen. Ich konnte es drehen und wenden wie ich wollte, ich war mal wieder die Dumme. Also beschloss ich ihn anzurufen Da Michael erst in mehr als zwei Wochen nachhause kommen sollte, hatte er also genug Zeit um sich abzureagieren. Klopfenden Herzens waehlte ich seine Nummer.

Sein Telefon klingelte und klingelte. Hoffentlich hatte er mal zur Abwechslung gute Laune. Oder spielte er wieder sein Lieblingsspiel 'toter Mann'? Das Spiel ging folgender Massen. Egal wie dringend etwas war, falls ich ihn mal anrief ging er nicht an das Telefon und Mails oder SMS beantwortete er natuerlich auch nie. Er ignorierte einfach alles, da er keine Lust hatte sich um etwas zu kuemmern. Dabei wusste er ganz genau, wenn ich mal anrief, dass es sehr wichtig sein musste. Ich war keine Frau die mit Kontrollanrufen nervte. Ich vertraute ihm. Wie dumm und naiv das von mir war, sollte ich viele Jahre spaeter durch einen bloeden Zufall erfahren.

„Jaaaaa,hallo!“

Seine Stimme am anderen Ende der Linie klang wie ueblich genervt. War ich froh so weit von ihm entfernt zu sein. Mir wurde ganz flau im Magen.

„Hallo Michael ich bin's. Geht es dir gut? Ich muss dringend mit dir sprechen“.

„Was willst du? Musst du mich immer stoeren? Ich will jetzt Abendesssen gehen und nicht mir dir reden.“

„Aber Michael bitte, wir muessen miteinander reden. Es gibt ein Problem mit dem Pool“.

„Immer machst du Theater, kannst du nicht mal selbst Probleme loesen? Wieso brauchst du mich

dafuer? Ich bin schliesslich am anderen Ende der Welt. Du nervst!”

„Michael, sei jetzt bitte nicht so unfair. Hier in der arabischen Welt kann ich als Frau nichts ausrichten. Mir bleibt nichts anderes uebrig als dich anzurufen damit du mir hilfst. Bitte hoer mir doch einen Augenblick zu“.

„Mein Gott, na los red schon aber fasse dich kurz. Was willst du“?

„Also die Arbeiter haben die Baugrube fuer unseren Pool falsch ausgehoben und der Chef, den ich schon kontaktiert habe, will mit mir nicht darueber reden da ich eine Frau bin und nichts zu sagen habe. Es geht darum, dass die unterschiedlichen Tiefen falsch angelegt wurden und die

Betonmaschine schon unterwegs zu uns ist.“

Kurzer Hand versuchte ich meinem Mann die Situation zu schildern.

„Was? Was faselst du da fuer einen Quatsch?“

„Michael das ist kein Quatsch, sie wollen jetzt die Arbeiten einstellen bis du wieder zuhause bist um mit ihnen die Details zu besprechen“.

„Yvonne, du weisst doch ganz genau, dass ich davon keine Ahnung habe. Wieso raubst du mir meine Zeit und meine Nerven damit. Mach wie du denkst. du machst das schon. Hast du ja sonst auch immer bestens hin bekommen. Was soll der Scheiss? Ich hab jetzt keine Zeit“.

Das war mal wieder typisch mein Mann. Immer versucht er mich abzuwimmeln da er keinerlei Interesse an unserem Leben hat.

„Michael bitte!!! Ruf du doch die Leute an und sag ihnen, dass ich in deinem Sinne entscheiden darf und ich deine Idee lediglich ausfuehre. Von mir nehmen sie nichts an.“

“ Also gut, ich rufe dich gleich zurueck um dir mitzuteilen was ich erreicht habe“.

„Das ist sehr lieb von dir, vielen Dank. Yannick wird sich freuen wenn er bald ins Schwimmbad springen kann. Bis gleich also.“

Ups, wuetend knallte er den Hoerer auf und ich hoerte nur noch das Besetztzeichen.

Na ja, egal. Wenigstens kuemmerte er sich jetzt darum und es konnte hier weiter gehen. Nach einer

Weile klingelte das Telefon und mein Mann teilte mir mit, dass er mal wider alles geregelt habe und ich jetzt den Arbeitern erklaeren duerfte was sie zu tun hatten. Abschliessend meinte er noch:

„ Ohne mich laeuft eben gar nichts. Hab Dir ja immer gesagt, dass Du mich brauchst. Allein bekommst du eben nichts auf die Reihe.“

„Ja, so sieht es wohl aus. Vielen Dank und guten Appetit.“

Ha, ha, klar doch. Ich war ja nur der Handlanger fuer ihn. Ach, sollte er doch denken was er wollte.

Ich zog mir meine Gummilatschen an und sprang in die nasse, schlammige Baubgrube. Sofort fing ich an den Leuten ihre naechsten Schritte zu erklaeren. Das war mit Sicherheit filmreif. Ich als Frau in einer Shawal Kameez mit Gummilatschen und bis zu den Knoecheln im Schlamm versunken. Noch dazu in einer Maennerdomaene. Jede andere Frau waere dafuer gesteinigt worden.

Fuenfzehn Augenpaare schauten mich erstaunt, entsetzt und unwissend an. Sie dachten bestimmt das ihre Madame jetzt voellig spinnt. Auf ihren Gesichtern stand das pure Entsetzen und sie waren sich nicht sicher ob sie sich vor mir fuerchten und wegrennen oder lieber zuhoeren sollten. In Ihren Augen fuehrte ich mich wie eine Verrueckte auf. Das Ganze war ja auch wirklich zu komisch.

Nach einer Weile jedoch fanden die Arbeiter gefallen an der Idee, dass eine Frau ihnen sagte was zu tun war. Voller Neugierde und mit geballter Inkompetenz, jedoch mit unendlich viel Geduld von meiner Seite, setzten sie schliesslich um was ich ihnen vor gab. Das war absolute Schwerstarbeit fuer mich. Sie schuettelten immer zu mit den Koepfen und sagten permanent 'ahahah'. Mir war schon ganz schwindelig vom hinsehen und nach einer Weile musste ich feststellen, dass auch ich automatisch anfing den Kopf zuschuetteln. Man konnte daraus nicht erkennen ob sie etwas verstanden hatten oder nicht. 'Ahahah'.... Das Chaos brach aus und zuerst wusste keiner was er jetzt eigentlich zu tun hatte.

Inshallah, es wird schon werden sagte ich mir immer wieder um mir so selbst Mut zu zusprechen.

Was soll ich sagen, nach vielen heftigen Diskussionen, einigen Spatenstichen und Skizzen wurde die Baugrube dann doch so ausgehoben wie es richtig war. Ich war unendlich Stolz auf mich. Das war wirklich ein hartes Stueck Arbeit gewesen. Die Arbeiter zollten mir ihren Respekt und waren fassungslos, dass eine Frau so etwas hinbekam. In der westlichen Welt war so etwas voellig normal, jedoch fuer arabische Verhaeltnisse war das schon eine aussergewoehnliche Leistung. Ich musste zugeben, dass ich es genoss von ihnen akzeptiert zu werden.

Was soll ich sagen, wir hatten bis zum Schluss ein fantastisches und respektvolles Arbeitsverhaeltniss miteinander.

Wueste und Zitronengras

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