Читать книгу Wueste und Zitronengras - Yvonne-Sophie Epp - Страница 6
Einzug ins neue Haus
ОглавлениеEines Morgens standen sie bei uns im Garten und fingen an die Grube fuer unseren Pool auszuheben. Die Wiedersehensfreude war gross. Schliesslich hatte ich diese Leute doch schon richtig in mein Herz geschlossen. Nun wuerde ich mich auch endlich erkenntlich zeigen koennen.
Frueh am Morgen kamen sie, arbeiteten still und eifrig vor sich hin und abends gingen sie immer mit einem Laecheln auf dem Gesicht und einem hoeflichen „Salam aleikum Madame.“
Manchmal gesellte ich mich, trotz 45 Grad im Schatten, zu ihnen in den Garten. Dann sassen wir alle zusammen auf einer Plastikplane im Sand hinterm Haus. Obwohl es sich fuer mich in einem moslemischen Land nicht schickte, schwatzte und scherzte ich mit ihnen herum waehrend sie mit den Fingern die wenigen Speisen die auf einer Plastikplane verteilt wurden, assen. Dabei erzaehlten sie mir ihre Lebensgeschichte. Traurig berichtete mir mein pakistanischer Heiler und Arzt wie sehr sie alle ihre Familien, Frauen und Kinder vermissten. Da ich wusste unter welchen menschenunwuerdigen Lebensumstaenden sie hier hausen mussten, schnuerte es mir jedes mal das Herz zu. Fuer mich war das einfach unvorstellbar. Es schmerzte mich sehr zu hoeren wieviel Leid sie ertragen mussten. Wie sie unter Hitze, Hygienemangel und Hunger in ihren Wellblechkontainern, zusammen gefaehrcht wie die Tiere, bei bruehtender Hitze leben mussten. Alles was ich tun konnte, war ihnen freundlich und verstaendnissvoll entgegenzutreten. So versuchte ich ihnen die Arbeit bei uns so angenehm und stressfrei wie nur moeglich zu gestalten. Da in Dubai das Sharia Gesetz herrschte, konnte ich als Frau leider nicht sehr viel Ausrichten, ausser ihnen regelmaessigen Zugang zu unserem Trinkwasser zu geben. Es war mir verboten ihnen etwas zu kochen. Jedoch ein freundliches Laecheln hier und da, ein paar nette Worte und etwas Herzenswaerme waren immer drin. Sie zeigten mir Fotos von ihrem Dorf und ihrer Familie und ueberreichten mir Geschenke aus ihrem Heimatland.
Einmal brachte mir unser pakistanischer Gaertner wundervollen Haarschmuck aus seinem Land mit. Ich erfuhr, dass tatsaechlich ein kleines Dorf in Peshawa aus Dankbarkeit, mir diesen Haarschmuck zum Geschenk gemacht hat. Man erklaerte mir das es sich hierbei um einen traditionellen, aus schwarzer Wolle geflochtenen und mit goldfarbenen Faeden verzierten Hochzeitsschmuck der Bauersfrauen handelte.
Ganz geruehrt und mit Traenen in den Augen nahm ich diesen huebschen Haarschmuck entgegen. Das fremde Menschen mir ein so grosszuegiges Geschenk machten. Ich war einfach ueberwaeltigt. Dieser Haarschmuck befindet sich noch immer in meinem Besitz. Von Zeit zu Zeit halte ich ihn in den Haenden und erinnere mich gern an diese Zeit zurueck.
Heute war es nun endlich soweit. Wir zogen in unser neues Zuhause ein. Ein Heim, das noch immer in einer Sandbox stand und nur darauf wartete das ich dieses mit viel Liebe zum Detail, aus seinem Dornroeschenschlaf befreien wuerde. Die Raeumlichkeiten unsere Villa hatte ich mit gekonnten Farbakzenten verschoenert und die Arbeiten an unserem Pool wuerden in ein paar Wochen ebenfalls abgeschlossen sein. So wartete ich nun zusammen mit meinem Sohn Yannick auf unseren Hausstand der in zwei grossen Kontainern verstaut war und heute zu uns gebracht werden sollte. Wir fuehlten uns als waere es Weihnachten und warteten voller Ungeduld auf die Bescherung.
Wie schoen es doch war nach so vielen Wochen wieder die eigenen lieb gewonnenen Sachen um sich herum versammeln zu koennen.
„Mama, Mama, unsere Kontainer kommen! Komm schnell Mama, sie sind da!“
Aufgeregt stuermte Yannick ins Haus um mich zu suchen. Mein kleiner Wirbelwind war uebergluecklich und konnte es kaum erwarten, mit all seinem Lego und Star Wars Spielsachen zu spielen. Dadurch das wir schon mehrere Ueberseeumzuege hinter uns hatten, wusste ich genau welche Kartons jeweils zum Schluss in die Konatainer verladen werden mussten, damit das
Wichtigste zuerst am neuen Platz ausgepackt werden konnte. Und was gab es schliesslich wichtigeres als die Spielsachen meines Sohnes? Mit dieser Strategie war er mir aus den Fuessen, konnte sich in eine Ecke der Villa zurueckziehen und spielen.
So ein Einzug in eine neues Haus, auf einem fremden Kontinent und einer fremden Kultur, war immer wieder auf's Neue eine aufregende Sache und auch eine grosse Herausforderung fuer mich.
Selbstverstaendlich wusste ich schon ganz genau wo jedes Teil hin kommen sollte. Jedes Bild, jede Lampe, jedes Moebelstueck alles hatte hier schon in meiner Vorstellung seinen Platz gefunden. Trotzdem brauchte es jedesmal eine gute Woche und sechs fleissige Helfer bis alles an Ort und Stelle war, die Bilder aufgehangen waren und das Porzellan gespuelt und verraeumt war. Die Kleidung, Schuhe und, und , und …. ordentlich untergebracht waren.
Mit roten Baeckchen und strahlenden Augen rannte mein Sohn auf mich zu und rief vor Begeisterung:
“ Mama, schau mal was ich wiedergefunden habe! Meine Raumschiffe und meine Dinosaurier!“ Zaertlich nahm ich in in die Arme und streichelte ihm ueber den Kopf.
„Wie schoen mein kleiner Schatz, da kannst du jetzt auf Entdeckungsreise gehen.“
Blitzschnell loeste er sich aus meiner Umarmung und rannte die Treppe zu seinem Spielzimmer hinauf.
Ich war ganz in meinem Element. Liebte ich es doch einem Haus Leben einzuhauchen, es einzurichten, geschmackvoll zu dekorieren und ihm eine Seel zu schenken.
Fuer mich war es jedesmal wieder faszinierend wenn etwas Neues entstand und sich alles wie ein Puzzel zusammen fuegte. Selbstverstaendlich waren die Umzuege immer allein meine Aufgabe. Wie konnte es auch anders sein. Mein Mann erfand wie immer Aussreden um nicht vor Ort sein zu muessen und stopfte seinen Terminkalender mit Geschaeftsreisen, die ihn bis ans andere Ende der Welt fuehrten,voll um dem Trubel und Chaos zu entkommen.
Mittlerweile aergerte ich mich schon gar nicht mehr darueber da er mir sowieso nur im Weg stand und ich ihn wie einen alten ausrangierten Sessel jedes mal hin und her schieben musste. Wir hatten eine klare Aufgabenteilung, er den Beruf und ich Kinder, Erziehung, Gestaltung des Hauses, Haushalt und Schule. Alles was mit uns zu tun hatte war ihm extremst laestig. So kam es ihm gelegen das er mir mal wieder saemtliche Buerden aufzwang. Er war der Manager ausserhalb des Hauses und ich war eine sehr erfolgreiche Familienmanagerin im Haus. Der Vorteil war, dass wir uns nicht in die Quere kamen und jeder die Staerken und Aufgaben des Anderen akzeptierte. Um ehrlich zu sein hatte ich ja auch gar keine andere Wahl. Ich hatte seine Regeln zu akzeptieren ob ich wollte oder nicht. Also versuchte ich den unteren Weg zu gehen. Leider gelang mir dies nur sehr selten da ich unendlich viel Temperament habe und mich nicht so einfach verbiegen lasse.
Meine Kinder fragten mich einmal:
“ Mama, wo sind wir eigentlich zuhause?“ Ich antwortete ihnen:
'“Dort wo die Familie und die Liebe ist. Das kann ueberall auf dieser Welt sein. Der Ort spielt dabei keine Rolle.“
Die Liebe, damit meinte ich die Liebe zu meinen Kinder.