Читать книгу Ina - Z. Bär - Страница 6
Kapitel 4
ОглавлениеIna öffnete ihre Augen. Die Sonne schien durch das geöffnete Fenster. Sie lag in ihrem Bett, ausgezogen, zugedeckt. Hatte diesen Geschmack in ihrer Kehle. Wie viel Zeit war vergangen? Sie richtete sich langsam auf. Es ging ihr gut. Fühlte sich erholt und ihr war nicht schwindlig. Dass ihr Kopf noch weh tat war vollkommen normal. Von draussen hörte sie dumpfe Schläge, unregelmässige Schläge, Stimmen die etwas riefen, das sie nicht verstand. Applaus. Ina wickelte das Lacken um ihren Körper und ging zum Fenster. Auf dem Trainingsplatz am Rand des Rasens führten zwei Personen einen Kampf aus. Daneben sassen einige uniformierte Personen. Einer von ihnen die Robe eines Botschafters. Sie ging zu dem Tisch neben dem Fenster, auf dem ein Tablett mit Wasser und Früchten stand. Nach einem kleinen Schluck Wasser, nahm sie sich eine Frucht und setzte sich hin. Trotz intensiver Anstrengung, konnte sie sich nur vage an das Geschehene erinnern. Ein fahles Gefühl im Magen bestätigte ihre Vermutung, dass sie mehr als eine Nacht geschlafen hatte. Auf der Kommode, hatte Map Kleider zu Recht gelegt. Ein paar schwarze Hosen, und ein beiges Hemd. Ina zog sich an. Ihre Kette lag auf dem Tisch neben den Früchten. Nachdem sie sich die Kette umgelegt hatte, nahm sie sich noch eine Frucht und ging zum Fenster zurück. Der Kampf war beendet. Ihre Augen machten Nilia aus, der dem Sieger anerkennend auf die Schulter klopfte. Es war wahrscheinlich Kilven. Aber sie erkannte nicht gegen wen er gewonnen hatte. Zwei andere Personen stellten sich zum Kampf auf, auch diese beiden erkannte sie nicht. Ihre Augen hatten sich noch nicht an das Licht gewöhnt. Es schien zwei Gruppen zu geben, die gegeneinander antraten. Solche Kämpfe waren eine beliebte Unterhaltung bei Treffen dieser Art. Man kam nicht aus der Übung, man erkannte die Fähigkeiten junger Soldaten und Offiziere, schlechte Redner konnten sich durch ihre Kampfkunst etablieren und zuletzt, bereitete es einfach Vergnügen. Mit der angebissenen Frucht machte sich Ina auf den Weg hinunter. Im Wohnzimmer begegnete ihr Map. „Geht es dir besser?“
„Ja. – Wie lange habe ich geschlafen?“
„Seit gestern früh“, dabei nahm ihr Map die Frucht aus der Hand und strich ihr die Haare hinter die Ohren: „Es sind wichtige Leute da.“
„Seit wann?“ Wollte Ina wissen. Vielleicht blieb es ihr erspart, sich dieser Gesellschaft anzuschliessen. „Seit einer Stunde“, antwortete Map und beerdigte damit Ina's Hoffnung. „Map, - Wie kam ich her?“ Sie konnte sich nur vage erinnern. Hoffte, dass nicht wirklich er sie her gebracht hatte. „Kapitän Kadir brachte dich her. – Weißt du das nicht mehr?“ Map wirkte etwas entsetzt. Ina wusste es schon irgendwie. Sie beantwortete Map’s Frage mit einem Lächeln und ging weiter, die Tür hinaus, beging die drei Stufen auf den Rasen und Schritt in gemütlichem Tempo zum Trainingsplatz.
Nilia und Kilven erkannte sie sofort. Der Seraner in der Robe eines Botschafters war Sebiha, neben ihm sass Kadir. Saira und Davut bekämpften einander gerade, Ilean unterhielt sich mit einem Kapitän und den Rest der Anwesenden kannte Ina nicht. Als sie ihren Blick wieder zu Kilven richtete, ging er ihr bereits entgegen. Voreinander blieben sie stehen. „Besser?“ fragte Kilven kurz. „Ja“, antwortete Ina ebenso kurz. „Schlecht geschlafen?“ Dabei legte er seine Hände auf ihre Schultern. Ina runzelte ihre Stirn: „Nein.“ Kilven neigte seinen Kopf und hielt ihren Augenkontakt: „Schlecht geträumt?“
„Nein. – Ich habe nicht geträumt. – Oder?“ Nun drehte er seinen Kopf ein wenig zur Seite: „Du hast geschrieen.“ Ina sah ihn fragend an. Sie konnte sich nicht an ihren Traum erinnern. „Keine Angst. Nilia hat nichts davon mitbekommen. Du hast nur mich geweckt. – Und Map – Sie schlief auf einem Stuhl neben deinem Bett. – Wie eine besorgte Mutter.“ Ina wandte ihren Blick zum Boden. Kilven gab ihr einen Kuss auf die Stirn: „Wir können später reden.“ Nebeneinander gingen sie zum Trainingsplatz. Ina wurde von allen Anwesenden interessiert beäugt. Nilia’s Blick streifte sie nur kurz und wenig interessiert. Botschafter Sebiha erhob sich und ging ihr entgegen. Er begrüsste sie mit demselben Prozedere, das er schon bei der Feier verwendete. Nahm ihre Hand, drehte sie, schob den Ärmel zurück und küsste ihr Handgelenk: „Ich hoffe sie haben sich gut erholt. Ich habe gehört was vorgefallen ist.“ Grossartig. Vielleicht wusste jeder der Anwesenden was passiert war. Nur sie selbst nicht richtig. „Danke Botschafter. Es geht mir gut.“ Sebiha liess ihre Hand nicht los. Er legte sie unter seinen Arm und ging mit ihr zu seinem Stuhl neben Kadir und gab ihr durch eine Geste zu verstehen sich dort hinzusetzen. Für sich selbst holte er einen neuen Stuhl den er neben ihr platzierte. Ina hätte einen Platz neben Kilven, Ilean, Davut oder Saira vorgezogen aber sie wurde nicht gefragt und es wäre unhöflich gewesen, sich Sebiha’s Einladung zu widersetzen. Die Stühle waren halbkreisförmig entlang des Kampfplatzes aufgestellt, sodass jeder eine gute Sicht auf die Kämpfenden hatte. „Geht es ihnen gut?“ Kadir’s Frage war kühl, als ob er nur aus Anstand fragen würde und sein Blick auf den Kampf gerichtet. „Ja. Danke Sir“, Ina war verwirrt. Wie sollte sie sich ihm gegenüber verhalten? Sie wusste nicht genau was geschehen war. Er brachte sie her, aber wie? „Danke Sir.“ Kadir richtete seinen Blick zu ihr: „Wofür?“
„Dass sie mich hergebracht haben.“ Er tat es mit einer Handbewegung ab und konzentrierte sich wieder auf den Kampf. Wieso tat er das? Wollte er nicht mit ihr sprechen? Bei der Feier gab er sich die grösste Mühe und jetzt. – Hatte sie ihn verärgert? „Ich hoffe, sie mussten mich nicht tragen. Sir.“ Das wäre ihr wirklich peinlich gewesen. Kadir drehte seinen Kopf erneut zu ihr und drückte seine Augen etwas zusammen: „Wissen sie das nicht mehr?“ Ina schluckte leer: „Nein Sir. Ich hoffe, es ist nichts vorgefallen, wofür ich mich entschuldigen sollte.“ Und hoffentlich musste er sie nicht tragen! Er schüttelte seinen Kopf: „Nein. Nichts.“ Und wandte sich wieder dem Platz zu, wo Davut und Saira noch ihr Bestes gaben. Irgendetwas musste vorgefallen sein, dass er so abweisend und kühl war. Wenn sie sich nur erinnern könnte. Davut warf Saira zu Boden, da es bereits das dritte Mal war, hatte er damit gewonnen und erntete anerkennenden Applaus von einer Hälfte der Anwesenden. Die andere Hälfte, zu dessen Gruppe Saira gehörte, ärgerte sich über ihr Versagen. Beide verliessen den Platz und ein Offizier betrat ihn. „Botschafter“, rief er: „Sie sind an der Reihe.“
Sebiha, der in ein Gespräch mit seinem Nachbarn verwickelt war, sah auf: „Miss Ina wird für mich antreten.“ Ina wusste gar nicht wie ihr geschah. „Sie sollten den Kampf für uns entscheiden Miss Ina. Alles andere wäre nicht akzeptabel“, Sebiha belächelte sie charmant. „Aber damit schenken sie uns den Sieg Botschafter“, der Offizier auf dem Platz spottete über Ina, obwohl er sie nicht kannte. „Sie soll eine bessere Kämpferin sein als ich“, gab ihm Sebiha zurück. – Besser als ein Botschafter war wohl jeder in dieser Beziehung. Ina biss sich auf die Lippen. Es war ihr zuwider vor so vielen Zuschauern einen Kampf auszutragen. Aber es war Sebiha’s Wunsch und der Offizier trug mit seinem Spott wesentlich zu ihrer Entscheidung bei. Sie stand auf und ging zu den Kampfgeräten. Kilven ging zu ihr: „Ich werde für dich kämpfen“, seine Hand legte er an ihren Rücken. „Nein“, erwiderte sie. „Ina, du kannst noch nicht kämpfen.“
„Auf der Rekrutenschule hat man auch nie Rücksicht darauf genommen. Und abgesehen davon, bist du in seiner Gruppe“, sie zog das Band aus ihrem linken Ärmel und band sich ihre Haare zusammen, zog ihre Kette über den Kopf und reichte sie ihm. Kilven hielt sie in den Händen und betrachtete sie: „Geh einfach zu Boden.“ Ina’s Blick traf ihn wie ein Schlag. Er machte sich Sorgen. Aber ein solcher Rat! Sie hatte nicht vor zu verlieren! „Danke für deinen Rat! Und nun geh wieder zu deiner Gruppe!“
„Ina...“ Sie unterbrach ihn: „Geh!“ Sie wollte nicht hören, was er zu sagen hatte. Sein Rat, einfach zu Boden zu gehen, hatte sie beleidigt. Sie wandte sich wieder den Kampfgeräten zu und entschied sich für ihre Lieblingswaffe. Den Stab. Er war etwas länger als ihr eigener Körper. Sie drehte ihn in ihren Händen um das Gefühl für ihn zu bekommen, um zu sehen ob das Gewicht gleichmässig verteilt war, um die Schwingung wahrzunehmen. Dann begab sie sich in die Mitte des Trainingsplatzes. „Sie haben den ersten Schlag“ der Offizier machte sich über sie lustig. „Das ist nicht nötig Sir.“
„Ach sie sind angeschlagen. Der Kampf ist ohnehin schon entschieden.“ Ina schlug mit dem Stab auf den Boden, das Zeichen für den Beginn des Kampfes. Aber der Offizier, Kapitän Vigo, blieb gerade vor ihr stehen. Ina schwang den Stab in ihren Händen, doch er reagierte nicht darauf, blieb einfach stehen. Sie ging in die Knie und schlug ihm die Beine weg. Vigo landete auf der Seite. Der erste Sturz von drei benötigten. Sebiha applaudierte, die Gruppe des Offiziers ärgerte sich über seine Dummheit und er selbst hatte noch nicht realisiert was genau geschehen war. „Eins. Sir“, dabei blickte Ina auf ihn hinunter. Es war zu einfach. Vigo stand auf und blitzte sie an. Dann setzte er ein künstliches Lachen auf: „Sie benötigen einen Vorsprung.“ Beide begaben sich in Position. Jetzt nahm er sie ernst, zumindest mehr als vor seinem Sturz. Vigo führte den ersten Schlag. Ihre Stäbe trafen sich, Ina führte eine Drehung aus und rammte ihm das Ende ihres Stabes in den Magen. Die Wucht des Schlages, hätte ihn zum Sturz bringen sollen, doch er konnte sich auf seinen Beinen halten, griff sofort wieder an, zielte auf ihre Schulter, sie duckte sich, führte einen Gegenschlag in seine Seite, führte die Bewegung fort und schlug ihm erneut die Beine weg. Er ging zu Boden. „Zwei Sir.“ Ina erkannte die Wut in seinen Augen. Vigo sprang auf und griff sofort wieder an, führte einen Angriff nach dem anderen aus. Die meisten seiner Schläge konnte sie abwehren oder kontern. Aber dann drehte er den Stab in seinen Händen, Ina sah die Enden nicht mehr, das Bild verschwamm vor ihren Augen. Sie fühlte einen heftigen Schlag in ihrem Magen der sie nach hinten warf. Luft! Sie konnte nicht mehr atmen. Lag auf dem Rücken im Sand. Was war stärker, der Schlag oder die Landung? Sie rollte sich zusammen. Ihr Bauch, ihr Rücken! Alles tat weh, dass sie hätte schreien wollen. Langsam kämpfte sie sich wieder hoch. Nahm den Stab, den sie während des Falls verloren hatte und rappelte sich auf ihre Beine. Sie bemerkte Kadir’s Blick. Irgendwie machte er einen besorgten Eindruck. Aber auf eine andere Weise schien es ihm doch Gleichgültig zu sein. Ina begab sich wieder in Kampfposition. Ihr Gegner war langsam. Doch seine Schläge waren hart. Auf keinen Fall durfte sie sich noch einmal von ihm treffen lassen. Vigo griff an, führte einen Schlag auf ihre Beine, dem sie mit einem Seitensprung auswich. Danach ein Schlag gegen ihre Schulter. Sie duckte sich, schlug erneut in seinen Magen, schwang den Stab und schlug ihm wieder seine Beine weg. Zum dritten Mal lag er vor ihr auf dem Boden. Sebiha stand auf um zu applaudieren. „Drei. Sir“, sie legte den Stab zurück zu den anderen Waffen und ging wieder zu ihrem Stuhl. Versuchte den Schmerz in ihrem Magen zu verdrängen. „Gut gemacht“, Sebiha’s Worte waren anerkennend. Ina konnte nicht mehr sprechen. Alles was heraus gekommen wäre, wäre Schmerz verzerrt gewesen. Der Offizier neben Sebiha ging zum Trainingsplatz. Er trat gegen Nilia an. „Das ist der letzte Kampf. Er wird die Entscheidung bringen“, Sebiha sah neugierig in Richtung des Platzes. „Kapitän Vigo ist zu langsam für den Stab. Er ging davon aus, dass sie noch nicht kämpfen können. – Jedenfalls hat er erst angefangen, nachdem er das zweite Mal vor ihnen lag“, Kadir hatte einen seltsamen Klang in der Stimme. Ina atmete langsam ein, um den Schmerz zu verdrängen: „Mache ich einen entsprechenden Eindruck Sir? – Der vermuten lässt, dass es mir nicht gut geht?“ Kadir sah sie an aber gab ihr keine Antwort. „Im Gegenteil“, wandte Sebiha ein: „Aber er hat gehört was vorgefallen ist. Aufgrund seiner selbst vermuteten Intelligenz, zog er eine nicht zutreffende Schlussfolgerung. Vigo hat sie unterschätzt. Und damit war er nicht der einzige“, Sebiha's Blick liess sie annehmen, dass niemand mit ihrem Sieg gerechnet hatte. „Sie haben geglaubt, dass ich verliere?“ Sebiha drehte sich zu ihr: „Ich wusste es nicht.“
„Wieso haben sie mich dann für sie antreten lassen? Wäre Kapitän Kadir nicht die bessere Wahl gewesen?“ Er lächelte Ina an: „Die Neugier hat diese Entscheidung getroffen. Und aufgrund der schlechten Laune, die unser Kapitän heute hat, würde ich ihn nicht bitten für mich anzutreten.“ Ein dumpfer Schlag. – Nilia warf seinen Gegner zu Boden. Es schien ein schmerzhafter Sturz zu sein. „Die Neugier, Botschafter Sebiha?“
„Die Neugier, ob sie nicht nur redegewandt sind“, Sebiha beobachtete den Kampf. Ihr Offizier, Kapitän Tirken, war Chancenlos. Gegen Nilia machte er beinahe einen tölpelhaften Eindruck. Nilia hätte ihn längst drei Mal zu Boden werfen können, aber er zögerte seinen Sieg hinaus. „Er ist ein schlechter Kämpfer. – Wir hätten sie noch ein Mal auf den Platz schicken sollen“, eine traurige aber wahre Feststellung Sebiha’s. „Ich fürchte, gegen den General würde ich keine bessere Figur machen, Botschafter.“
„Aber sie hätten wenigstens eine Entschuldigung“, stellte er trocken fest. Nilia warf Tirken ein zweites Mal zu Boden. Bei diesem Anblick schüttelte Kadir seinen Kopf: „Ein Wunder, dass er es soweit gebracht hat!“
„Nein. Eine gute Herkunft, Kadir.“ gab ihm Sebiha zurück. Der Kampf ging weiter. Diesmal machte es Nilia kurz. Es dauerte kaum fünf Sekunden bis er Tirken wieder zu Boden warf. Nilia’s Gruppe applaudierte und freute sich über ihren Sieg. Nachdem sie es ausgekostet hatten, richtete Nilia das Wort an Kadir: „Nun haben sie die Möglichkeit uns zu zeigen was ihre Rekruten taugen, Kadir.“ Kadir sah sich in den Anwesenden um und nahm die Herausforderung an: „Rekruten gegen Offiziere“, er stand auf und ging auf die andere Seite des Platzes, wo sich Kilven, Ilean, Davut und Saira gruppierten. Die Offiziere begaben sich zu den Stühlen auf Sebiha’s Seite. „Wieso ist Kapitän Kadir’s Laune so schlecht, Botschafter?“ Ina sprach leise, da sie nicht gehört werden wollte. „Das können sie mir nicht sagen?“ Fragte Sebiha erstaunt. „Weshalb ich, Sir?“
„Ich war überzeug, es hätte etwas mit ihnen zu tun. – Aber dann habe ich mich wohl geirrt.“ Sie sahen sich einen Moment gegenseitig an. Was hatte sie getan, dass Kadir’s Laune darunter litt? Sebiha wechselte abrupt das Thema: „Jetzt haben sie die Möglichkeit zu beweisen, dass es nicht nur Glück war, Miss Ina.“
„Ich habe sie noch nicht überzeugt Botschafter?“ Sebiha antwortete mit einem einfachen: „Noch nicht.“ Ina erhob sich und ging zu ihrer Gruppe. Kilven nahm sie in seine Arme und drückte sie fest an sich: „Gut gemacht“, gab ihr einen Kuss auf die Wange, legte die Kette in ihre Hand und fügte hinzu: „Du weißt, dass ich es nicht so meinte?“ Bevor sie antworten konnte nahm Davut, der bereits wartete, ihren Kopf zwischen seine Hände und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Ina schob ihn weg und gab ihm spielerisch eine Ohrfeige. Er setzte ein breites Grinsen auf: „Ich habe gehört was passiert ist.“
„Das haben alle gehört Davut.“ Davut grinste noch breiter: „Nein. Das nicht“, und deutete mit seinen Augen zu Kadir. „Sind sie soweit Soldaten?“ Kadir’s Stimme hatte dieselbe strenge Tonlage wie auf der Rekrutenschule und sofort waren sie alle wieder ernst. „Ich hoffe, sie haben nicht vor mich zu blamieren!“ Niemand von ihnen antwortete darauf. „Wir werden gewinnen, wenn jeder von ihnen gegen den richtigen Gegner antritt.“ Sie nickten. Kadir liess seinen Blick über sie schweifen: „Also, wer beginnt?“
„Ich werde gegen Kapitän Tirken antreten“, Davut suchte sich den einfachsten Gegner heraus. Kadir’s Antwort kam umgehend: „Nein!“ Davut nickte: „Ich verstehe. Der leichteste Gegner für die schlechteste Kämpferin. – Für Saira“, Dabei lachte er sie breit an. Saira versetzte ihm einen Faustschlag auf die Schulter. Aber mit dem was er sagte hatte er Recht. Saira war keine sehr gute Kämpferin. „Sie hätte Schwierigkeiten ihn zu besiegen. Sie wird gegen Nilia antreten.“ Nun starrten alle Kadir an. Das konnte doch nicht sein ernst sein! „Sir. Ich kann doch nicht gegen General Nilia antreten, wenn sie mir nicht einmal eine Chance gegen Tirken zugestehen“ Saira war entsetzt. „Doch! Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihren Kampf verlieren ist enorm. Wenn wir mit ihnen, deren besten Kämpfer verschwenden ist das ein taktischer Vorteil. – Bedauerlich, dass sie nicht selbst darauf gekommen sind“, Kadir war unbarmherzig. „Er wird sie zu Brei schlagen Sir“, wandte Davut ein. Für diese Aussage erntete er von Kadir einen strengen Blick: „Nilia wird es kurz machen! Und sie, Saira, gehen einfach zu Boden“, Kadir hatte die Entscheidung getroffen. „Ina wird gegen Kapitän Tirken antreten.“
„Sir, wäre es nicht besser sie gegen Kapitän Vigo antreten zu lassen? Sie hat ihn ja schon besiegt“, wieder war es Davut der Kadir’s Entscheidung anzweifelte und wieder erntete er einen strengen Blick: „Nein! Wir wählen die Gegner, sie die Waffen. – Er würde sich nicht für den Stab entscheiden. Vigo würde den Nahkampf wählen und im Nahkampf hätte sie keine Chance gegen seine Kraft. Tirken wird sie besiegen können“, er unterbrach sich kurz: „Kilven, sie werden gegen Kommandeur Galal kämpfen“, dann sah er zu Davut: „Haben sie keinen Einwand?“ Davut kratzte sich an der Nase: „Nein Sir. Sie haben mit Sicherheit einen guten Grund für diese Konstellation.“
„Den habe ich. – Sie werden gegen Kapitän Arton antreten. Ilean gegen Kapitän Vigo.“
„Und sie werden gegen Botschafter Sebiha kämpfen?“ Natürlich fragte Davut. Kadir nickte nur. „Ist er ein so guter Kämpfer?“ Wollte Davut wissen. Kadir war sichtlich gereizt: „Er wird nicht selber kämpfen sie Idiot! Wahrscheinlich wird er Nilia für sich antreten lassen. – Reicht ihnen das als Begründung Soldat?“ Nun kratzte Davut sich mit einem Finger am Hinterkopf: „Ja Sir.“
„Saira“, mit einer Handbewegung befahl Kadir sie auf den Platz. Das Unbehagen stand ihr ins Gesicht geschrieben, man hatte keine Erwartung an sie. Kadir erwartete nicht einmal, dass sie sich bemühte. Sie sollte einfach zu Boden gehen. – Wie demotivierend diese Aussage war, wusste Ina sehr gut, da sie es kurz zuvor selbst von Kilven zu hören bekam. Alle Offiziere sassen auf ihren Stühlen und warteten auf Saira’s Wahl des Gegners. „General Nilia.“ Nilia neigte seinen Kopf und sah sie skeptisch an: „Sind sie sich sicher?“ Saira räusperte sich: „Ja Sir.“ Nilia verwarf seine Hände und begab sich zu ihr. „Nahkampf“, er machte sich nicht die Mühe sich für eine Waffe zu entscheiden. Beide gingen in Kampfposition und ehe man sich auf einen Kampf einstellen konnte, lag Saira bereits auf dem Boden. Nilia reichte ihr seine Hand und zog sie wieder hoch. Sie stellten sich wieder in Kampfposition und schon nach dem ersten Schritt den Saira machte, lag sie wieder auf dem Rücken und betrachtete den Himmel. Sie schlug mit ihrer Faust neben sich in den Sand, ärgerte sich. Nilia reichte ihr erneut die Hand. Kaum hatte sie Kampfposition bezogen, betrachtete sie den Sand aus der Nähe. Und zum letzten Mal, streckte er ihr seine Hand entgegen, klopfte ihr auf die Schulter: „Sie haben sich tapfer geschlagen.“ Für diese Leistung erhielt er keinen Applaus von seiner Gruppe. Saira verliess den Platz mit gesenktem Haupt. „Danke Sir, dass ich mich blamieren durfte!“
„Sie haben sich für die Gruppe geopfert.“ Saira stellte sich neben Ina und beobachtete den beginnenden Kampf zwischen Kilven und Galal. „Ich verstehe nicht, wie du die ganze Nacht mit diesem Ekel verbringen konntest.“
„Das musst du auch nicht“, gab ihr Ina gleichgültig zurück. Für diese Antwort erhielt sie einen verächtlichen Seitenblick. „Du hast eine gute Figur gemacht. – Beim hinfallen.“ Saira schmunzelte: „Gegen Tirken hätte ich eine bessere Figur gemacht.“
„Vielleicht. – Aber es war nicht deine Entscheidung.“ Der Kampf zwischen Kilven und Galal dauerte nicht lange und Kilven konnte ihn klar für sich entscheiden. Galal hatte einfach die falsche Waffe gewählt. Davut marschierte auf den Platz und bat Kapitän Arton zu sich. „Miss Ina“, Kadir winkte sie zu sich. „Was will er von dir?“ Saira’s Tonfall war verächtlich. Ina lächelte ihr zu und ging zu Kadir. „Sind sie in der Lage zu kämpfen?“ Es war die Frage eines Vorgesetzten zu seinem Soldaten. Ina antwortete ihm mit derselben kühlen Stimme: „Das habe ich bereits bewiesen Sir.“
„Vigo hat sie nicht ernst genommen und sie konnten die Waffe wählen. Tirken wird sich nicht für den Stab entscheiden. – Ihre Geschwindigkeit und Beweglichkeit garantiert ihnen also nicht den Sieg. Und sie erhielten schon von Vigo einen harten Schlag, dem sie unter anderen Umständen ausgewichen wären. – Also, können sie kämpfen?“ Kadir's autoritärer Ton gefiel Ina ebenso wenig wie er ihr auf der Rekrutenschule gefallen hatte. Aber sie antwortete respektvoll: „Ja Sir. Ich kann kämpfen.“ Er nickte und wandte sich dem Kampf zu. Kadir war so anders als bei der Feier. Was hatte sie getan? Woran konnte sie sich nicht mehr erinnern? „Sir, gilt ihre Sorge mir oder dem Sieg?“ Es war eine direkte Frage und Ina brachte viel Mut auf um sie zu stellen. Aber sie wollte wissen, ob sie der Auslöser für seine schlechte Laune war. Oder lag es vielleicht einfach nur an dem Umstand, dass sie nicht alleine waren? „Dem Sieg“, gab Kadir kurz zurück ohne sie anzusehen. Nun war es klar. Sie hatte etwas getan, das ihn verärgert hatte. Aber was? Bei der Feier hatte er ihr sein Interesse deutlich gemacht. Und nun – nun war er Kapitän Kadir und sie war einfach nur ein Soldat. Es störte sie. Noch vor zwei Tagen wäre es so richtig gewesen. Aber jetzt störte sie etwas daran. „Sir, habe ich etwas getan, das sie verärgert hat?“ Er wandte sein Gesicht zu ihr: „Nein. Nichts.“ Die Offiziere fingen an zu applaudieren. Davut hatte den Kampf verloren. Ilean ging sofort auf den Platz und zeigte auf Vigo. Kapitän Vigo entschied sich für Messer. Dabei kämpfte man mit zwei kurzen Dolchen aus Holz, welche die Verletzungsgefahr reduzieren sollten. Aber von diesen Holzattrappen zog sich Ina bereits viele blaue Flecken zu. Andere Rekruten hatten noch viel ernsthaftere Verletzungen dadurch davon getragen. Die beiden starteten sofort einen erbitterten Kampf. Vigo’s Talent lag zweifellos bei den Dolchen. Aber er wusste nicht, dass es auch Ileans Lieblingswaffe war. Anders als die meisten anderen Kämpfe, ging dieser Kampf auch auf dem Boden weiter. Er war entschieden, wenn einer der Kämpfer den Dolch in Bauch, Brust, Hals oder Rücken hatte. Um die Korrektheit der Treffer sicherzustellen, wurde Sebiha abkommandiert um den Kampf aus der Nähe zu beobachten und solche Treffer anzuzeigen. Vigo war erbarmungslos. Er legte Ilean zu Boden und warf sich auf ihn. Ina wandte ihren Blick ab. „Stoss“, schrie Sebiha: „Vigo ist tot.“ Ina sah wieder zu den beiden. Vigo lag auf Ilean, doch Ilean hatte den ersten Punkt erzielt. Vigo hielt seine Hand in die Seite, es war offenbar ein heftiger Stoss Ilean’s dorthin. Beide streckten sich und gingen dann wieder in Kampfposition, bewegten sich im Kreis, bis Ilean sich duckte und gegen Vigo rannte. Er riss ihn mit voller Wucht zu Boden. Bei diesem Anblick sprangen einige Offiziere von ihren Stühlen und riefen Vigo zu, einen Stoss zu machen. „Stoss. – Vigo ist tot!“ Ertönte Sebiha's Stimme aus der Menge heraus. Die Offiziere verwarfen ihre Hände und gingen zu ihren Stühlen zurück. Vigo blieb noch einige Sekunden im Sand liegen.
Erneut gingen sie in Kampfposition, und bevor Ilean wirklich bereit war, hatte ihn Vigo auf den Rücken gerissen und rammte ihm das Holzstück in den Magen. Ilean entwich ein Schmerzensschrei. Er rollte sich seitwärts zusammen und umklammerte seinen Bauch. Ina verzog ihr Gesicht und drehte sich ab. Sie biss in ihre Faust. „Es geht ihm gut“, Kadir war ihre Sorge um Ilean nicht entgangen. „Steht er auf?“ Sie konnte nicht hinsehen. „Ja. Es geht ihm gut“, wiederholte sich Kadir kühl. Ina drehte sich um und sah noch, wie Vigo Ilean das Knie in den Bauch schlug und ihm während seines Sturzes die Attrappe in den Rücken rammte. Ina wandte sich sofort wieder ab. Vigo liess keine Gnade walten. Kadir legte seine Hand auf Ina’s. Sie bemerkte erst jetzt, dass sie sich an seinem Arm festgekrallt hatte. „Er steht wieder.“ Sofort liess ihn los: „Entschuldigen sie Sir.“ Er sah sie lange an: „Machen sie sich um all ihre Freunde solche Sorgen oder ist Ilean eine Ausnahme?“ Ina wusste worauf er hinaus wollte: „Um alle Sir“, dabei sah sie in seine dunklen Augen, aber sein Gesicht zeigte keine merkliche Veränderung. „Stoss! – Vigo ist tot.“ Beide wandten sich bei diesen Worten sofort dem Trainingsplatz zu. Ilean hatte gewonnen. Es stand also unentschieden und nun war Ina an der Reihe. Sie ging Ilean entgegen. Sein Gesicht war noch schmerzverzerrt. Beim vorbeigehen wünschte er ihr viel Glück.
„Kapitän Tirken. Bitte“, bei diesen Worten lächelte Ina ihn freundlich an. Er lächelte zurück und ging zu den Waffen. Dort stand er einige Sekunden, drehte sich zu Ina, betrachtete sie von oben bis unten, ging dann ohne Waffe auf sie zu: „Nahkampf.“ Ina nickte und begab sich wie er in Position. Sie bewegten sich einmal im Kreis ehe Tirken einen Angriff startete. Er hob sein Bein und wollte sie im Magen treffen, allerdings hatte sie seinen Angriff durchschaut ehe sein Bein hoch genug war. Ina machte einen Schritt zur Seite, bewegte ihr Bein unter sein angreifendes Bein, und stemmte es mit aller Kraft hoch, Tirken verlor das Gleichgewicht und landete auf seinem Rücken. Die Offiziere lachten laut über seinen tölpelhaften Angriff, was Ina beinahe dazu verleitete Mitleid mit ihm zu haben. Wieder in Kampfposition wollte Tirken ihr einen Schlag mit seinem linken Bein in die Seite versetzen, diesen blockte Ina ab und konterte mit dem anderen Bein in seine Seite, führte den Angriff weiter und landete einige gute Treffer. Aber Tirken ging nicht zu Boden. Er griff sie wieder an, sie wich aus und schlug mit ihrem Bein in Richtung seines Kopfes und – traf ihn obwohl sie nicht damit rechnete. Tirken taumelte zu Boden und blieb liegen. Ina sah ihn einige Sekunden an. Aber er machte keine Bewegung. Hatte sie ihn verletzt? Sie richtete ihren Blick zu Kilven, der zehn Schritte entfernt stand. Mit einer Handbewegung gab er ihr zu verstehen abzuwarten. Aber Tirken bewegte sich nicht. Es war totenstill. Die Offiziere veränderten ihre Sitzpositionen, sahen besorgt aus. Ina ging langsam auf ihn zu: „Kapitän Tirken?“ Keine Reaktion. Also ging sie näher und war im Begriff sich neben ihm hinzuknien, als er sich am Boden drehte, mit seinen Beinen ihre umklammerte und sie zu Boden riss. Ina landete unsanft auf der Seite. Er legte sich auf sie und drückte ihren Kopf in den Sand: „Nicht so klug wie du glaubst Tuma!“ Er kam mit seinem Kopf näher zu ihrem, sodass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht fühlen konnte: „Du wirst verlieren! Oder du wirst es bereuen!“ Dann stemmte er sich an ihren Schultern hoch und spuckte neben ihr auf den Boden. Es war ein Regulärer Punkt den er erzielte. Die Einwände von Davut hatten keinen Sinn. Es war ein nicht würdiger Punkt. Das ein Kapitän es nötig hatte auf diese Weise zu Punkten, empfand sie als – Es war schäbig. Aber was er noch dazu tat! Die Art und Weise wie er es sagte! Ina stand auf, wischte sich den Sand von den Kleidern und drehte ihm dabei den Rücken zu. Sebiha beobachtete sie genau. Er empfand es ebenso wie sie, als erbärmlich und nicht würdig. „Wollen sie nicht noch einen schäbigen Punkt erzielen, Kapitän Tirken?“ Sie sagte es so laut, dass sie von allen gehört wurde. Diese Aussage löste leises Gemurmel aus. Bei den Offizieren und bei ihrer eigenen Gruppe. „Es ist ein Regulärer Punkt“, entgegnete Tirken unbeirrt. Ina richtete ihr Hemd und drehte sich langsam um. „Es steht ihnen frei, dasselbe zu tun. Wenn sie in der Lage sind“, es lag noch mehr auf seiner Zunge. Doch den Rest schien er im Stillen auskosten zu wollen. Ina kochte vor Wut. – Sie würde es tun. Wieder bezogen sie Position. Ina liess sich ein par Mal von ihm treffen, bis er endlich einen Schlag machte, der es Wert war, sich fallen zu lassen. Sie lag vor ihm auf dem Boden und blickte zu ihm hoch. Er sah mit Genugtuung auf sie hinunter: „Jetzt geht es um den letzten Punkt.“ Ina streckte ihm ihre Hand zu und lächelte ihn an. Er war dumm genug ihr beim Aufstehen behilflich sein zu wollen und reichte ihr seine Hand. Sie umklammerte sie, liess sich einwenig hochziehen, packte mit ihrer freien Hand seinen Kragen, hob ihr rechtes Bein und stemmte ihm den Fuss in den Magen und liess sich mit ihrem gesamten Gewicht wieder zurückfallen, dabei zog sie ihn über sich, dass er mit einem harten Schlag hinter ihr auf seinem Rücken landete. Alle brachen in Gelächter aus. Alle! Ina stand auf und wischte sich wieder den Sand von ihren Kleidern. Sie verzichtete darauf, ihm etwas in der Art von: „Ein schäbiger regulärer Punkt. Sir. Wie sie es wünschten“, zu sagen und verliess stattdessen schweigend den Platz unter Applaus. Kadir kreuzte ihren Weg ohne sie anzusehen. Ehe jemand etwas zu ihr sagen konnte, hörte sie von Sebiha die Worte: „Miss Ina wird für mich antreten.“ Sie drehte sich wieder um, wollte eine Ausrede suchen aber Kadir kam ihr zuvor: „Sie ist in meiner Gruppe. Sie kann nicht gegen mich antreten.“
„Sie hat sich einen ehrenwerten Kampf verdient. – Sie kann.“ Erstaunlich, dass Botschafter Sebiha seine Meinung zu dem eben beendeten Kampf so offen Kund tat. „Sie hat gerade gekämpft. Sie braucht eine Pause“, erwiderte Kadir auf Sebiha's Aussage. Doch Sebiha gab nicht nach: „Dann geben wir ihr eine kurze Pause. – Miss Ina, bitte, besprechen wir die Wahl der Waffe“, er ging zu den Waffen. „Du musst ihm ja sehr imponiert haben, dass er dich und nicht Nilia wählt“, Saira war beeindruckt. „Vor allem, da er wissen muss, dass du keine Chance gegen deinen Lehrer hast. – Er vergibt den Sieg“, Davut hatte einen ihm untypischen Ernst in der Stimme. Ina biss sich auf die Lippe: „Der Wunsch eines Botschafters.“ Kilven hielt sie am Handgelenk zurück: „Nicht den Stab.“ Ina nickte ihm zu und machte einen Schritt als sie Ilean an der Schulter zurückhielt: „Nicht die Dolche.“ Ina nickte wieder und ging weiter. Natürlich hielt sie Davut noch auf. Er setzte eine Grimasse auf und sagte spöttisch: „Und nicht den Nahkampf und überhaupt solltest du gar nicht auf den Platz gehen.“ Ina musste lachen, löste seine Hand und ging weiter zu Sebiha. „Ah. Miss Ina. – Welche Waffe bevorzugen sie?”
„Den Stab Sir“, obwohl Kilven sie vor dem Stab gewarnt hatte. Sebiha trat einen Schritt näher zu ihr und sprach leiser: „Mir ist egal womit sie kämpfen.“
„Was tun wir dann hier. Sir?“ Sebiha betrachtete sie mit einem verstohlenen Lächeln: „Als alle ihre Kämpfe beobachteten Miss Ina, fiel mir etwas interessanteres in die Augen.“ Ina weitete ihre Augen, als ob sie fragen wollte: Was denn Sir? „Bei den heiligen Wäldern von Quendresa, heben sie seine Laune wieder an. – Er ist ein grässlicher Zeitgenosse wenn er schlechte Laune hat.“ Ina wusste weder was Sebiha sah, als sie am kämpfen war, noch weshalb Kadir’s Laune schlecht war. Und eigentlich konnte sie das mit seiner Laune gar nicht abschätzen, denn er wirkte so, wie er die letzten drei Jahre immer gewirkt hatte. Wie sollte sie also irgendetwas ändern können? „Machen sie mich für Kapitän Kadir's Laune verantwortlich?“ Fragte sie leicht vorwurfsvoll. „Ich mache gar nichts. – Es ist eine Tatsache.“
„Hat er ihnen das gesagt?“ Nun schüttelte Sebiha seinen Kopf: „Nein. – Darüber spricht er nicht. Aber ich habe Augen, Miss Ina.“
„Sie erwarten also von mir, dass ich ihn zu einem angenehmeren Zeitgenossen mache?“ Seibha betrachtete sie kurz und antwortete schlicht: „Ja.“
„Und wie Botschafter? Wie soll ich das tun?“ Was bitte glaubte Sebiha sei zwischen ihnen vorgefallen?! „Das weiss ich nicht.“ Ina verzog ihren Mund: „Sie erwarten von mir ein Problem zu lösen, dessen Ursprung und Grundlage weder sie noch ich kennen? Ich soll seine Laune heben! – Wie?! Sagen sie mir wie! – Ich kämpfe bereits für sie Sir! Denken sie nicht, dass das es reicht?“ Sie war aufgeregt. Nervte sich über Sebiha's offensichtliche Arroganz. „Sie sind der Ursprung, Miss Ina. – Und die Grundlage ist offensichtlich. Noch offensichtlicher könnte sie nicht sein. Ich biete ihnen einen Weg dieses Problem zu lösen“, er deutete auf den Trainingsplatz: „Meinetwegen können sie ihn mit ihrem Blick bekämpfen. Aber lösen sie ihr Problem“, er drehte sich zu Kadir: „Wir haben uns für den Nahkampf entschieden.“ Ina warf ihm einen strengen Blick zu, den Sebiha mit einem geheimnisvollen Lächeln beantwortete. Er verliess den Platz und sie ging in die Mitte des Feldes und suchte Kadir’s Augenkontakt. „Sind sie sicher Miss Ina?“ Kadir sprach leise, sodass ihn niemand hören konnte. „Nein Sir. Aber es war nicht meine Entscheidung“, sie ging in Kampfposition. Kadir richtete seine Augen kurz zu Sebiha und wieder zu ihr: „Ich werde es kurz machen.“
„Ein Trost, dass ich in einigen Tagen noch einen fairen Kampf von ihnen erhalte Sir.“ Bei diesen Worten veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Kadir griff an und legte sie mehr oder weniger sanft in den Sand. Dann reichte er ihr seine Hand und zog sie hoch: „Ich kämpfe also nicht fair?!“ Seine leisen Worte wurden beinahe völlig von dem Applaus übertönt. „Doch Sir. – Aber ich bin nicht erholt. Das ist nicht fair.“
„Ich bestehe weder auf diesen noch auf den anderen Kampf“, wie Kadir flüsterte auch Ina: „Aber ich Sir. – Sie haben ihn mir versprochen.“ Kadir liess ihre Hand los und ging zwei Schritte zurück. Griff wieder an, irgendwie endete es darin, dass sie mit dem Rücken zu ihm stand, er ihre Hände in ihren Rücken drückte und sie vollkommen bewegungsunfähig war. Einige Offiziere riefen Kadir etwas zu. Aber Ina verstand es nicht. „Ich habe es ihnen versprochen? – Sie schulden ihn mir!“ Sein Mund war an ihrem Ohr. „Dann werde ich meine Schuld einlösen Sir.“
„Würden sie ihre Zeit nicht lieber mit Kilven oder Ilean verbringen?!“ Mit einem Schlag wurde es ihr klar. – Eifersucht! „Mit den beiden, Sir, kann ich noch genug Zeit verbringen.“ Kadir zog sie fast behutsam zurück und legte sie auf den Boden. Ina blieb liegen und hielt den Kontakt mit seinen Augen. „Können oder wollen sie sich nicht zwischen den beiden entscheiden, Miss Ina?“ Sie stand auf: „Ich befinde mich in der glücklichen Lage, das nicht tun zu müssen Sir. – Ich dachte das wäre ihnen klar.“ Langsam gingen sie im Kreis. „Bei ihnen ist mir nichts klar“, er griff zum dritten Mal an. Es endete damit, dass er sie im Würgegriff hatte. Ina hielt seinen Arm fest, um zu verhindern, dass er ihr die Luft noch mehr abschnürte. „Ist es Eifersucht Sir?“ Sein Mund war erneut dicht an ihrem Ohr: „Ich kämpfe keinen Aussichtlosen Kampf. – Wie sie es gerade tun“ dabei stellte er sein Bein vor ihre und liess sie zu Boden gleiten. Ina stand auf und betrachtete ihn. Unstimmiges Gemurmel auf Seite der Offiziere rundete den verlorenen Kampf ab. „Ein Kampf, Sir, ist aussichtslos wenn man nicht an den Sieg glaubt. – Das haben sie uns beigebracht. Bedauerlich, dass sie aufgeben bevor sie begonnen haben. – Bei der Feier dachte ich, ich hätte mich in ihnen geirrt. Aber das war wohl ein Irrtum“, sie ging an ihm vorbei zu ihrer Gruppe, die nicht recht wusste, ob sie sich über den Gruppensieg freuen oder über Ina's Niederlage bedrückt sein wollte. „Ist noch alles ganz?“ Kilven’s Frage kam ihr beinahe lächerlich vor. „Ja es geht mir gut.“
Ina streckte Ilean die Hand hin, er legte ihre Kette hinein und beobachtete sie dabei, wie sie sie sich umlegte. Dann legte er seinen Arm um sie: „ Ich habe eine Geschichte für dich, Kleines“, er ging mit ihr weg. Saira, Davut und Kilven sahen ihnen nach. Als sie niemand mehr hören konnte fing Ilean an: „Also, was habt ihr zwei da gemacht?“
„Gekämpft Ilean. Wir haben gekämpft.“ Einige Schritte weiter erhob Ilean erneut das Wort: „Zeit zu reden Kleines.“ Ina sah auf den Boden vor ihren Füssen: „Es gibt nichts zu sagen.“ Ilean lachte kurz auf: „Natürlich. – Und jetzt erzähl es mir.“
„Was willst du hören?“ Ina sah zu seinen Augen hoch, die sie von der Seite her anblickten. „Alles. – Am Besten fängst du an der Stelle an, wo deine Hand auf Kadir's Bein war.“ Sie blieben stehen, weil es unfreundlich gewesen wäe, wenn sie noch weiter weg gegangen wären. „Es ist nicht so wie du denkst.“ Plötzlich machte er eine seltsame Bewegung, als würde er sich verteidigen, hob seine Hände und wich vor einem immaginären Feind aus. „Was bitte tust du?“
„Ich erkläre dir gerade, wie du dich verteidigen musst. – Wir werden beobachtet Kleines.“ Es war schwierig ihr Lachen zu unterdrücken. „Also. Es ist nicht wie ich denke. Aber wie kommst du dann darauf, dass ich das denke?“ Ina schüttelte ihren Kopf: „Es ist nicht so.“ Ilean klopfte ihr auf die Schulter: „Noch nicht Kleines. – Noch nicht.“ Ina schwieg. „Ich sehe mehr als die anderen. – Und mit jemandem musst du darüber reden. – Mit Kilven kannst du es nicht tun.“ Wie Recht er doch hatte. Ilean sah sich um, so wie er es immer tat, wenn sie über Dinge sprachen die niemand hören sollte. Ina atmete tief durch: „Es ist nicht so, so“, sie unterbrach sich selbst. Die richtigen Worte fehlten. „Er muss ein guter Gesprächspartner sein, sonst hättest du nicht die ganze Nacht mit ihm verbracht und Saira’s Hilfe ausgeschlagen.“ Ina lächelte. Er wusste es. Wie immer hatte er alle Informationen. „Auf eine seltsame Art ist er angenehm.“ Ilean sah tief in ihre grünen Augen: „Er muss mehr als angenehm sein.“ Ina suchte nach den richtigen Worten: „Er hat eine Art, die – die mich – “
„Eine Art die dich an Neven erinnert?“ Schlug Ilean vor. Aber das war es nicht. Nicht im Geringsten: „Nein. Mit Neven hat das nichts zu tun.“ Ileans Augen lagen bei den Offizieren. Davut, Saira und Kilven hatten sich unter sie gemischt. „Magst du ihn?“ Fragte er schliesslich und schlicht, als wäre es eine Banalität. Ina wollte es verneinen. Ilean las es in ihrem Gesicht: „Du bist dabei, deine Meinung über ihn zu revidieren.“ Einige Sekunden blieb es zwischen ihnen Still. Bis Ilean fragte: „Und dann?“ Eine gute Frage. Ina hatte keine Antwort darauf: „Ich weiss es nicht. Was denkst du Ilean?“ Er drehte seinen Kopf zu ihr und studierte ihr Gesicht: „Ich glaube da ist etwas. Vor zwei Tagen hast du ihn noch verflucht und Heute weißt du nicht, was du von ihm halten sollst. – Da ist sogar mehr als nur etwas.“ Ina legte viel Wert auf Ilean’s Meinung. Er hatte ihr schon mehr als einen guten Rat gegeben. „Kleines – Was ist mit Kilven?“ Ina rechnete mit dieser Frage, sie war berechtigt. „Ich weiss es nicht.“ Ilean nickte: „Ich war überzeugt er würde nach der Rekrutenschule keine Zeit verschwenden.“
„Hat er das gesagt?“ Ilean war auch für Kilven der erste Ratgeber. Er schien immer und überall den Überblick zu haben. Doch seine Antwort war enttäuschend: „Nein. – Er weiss nicht was er will. Und solange ihr beide es nicht wisst, solltet ihr es dabei belassen.“ Sie blickten wieder zu den anderen. „Und Kadir? Was rätst du mir?“ Ilean sog Luft zwischen seinen Zähnen durch: „Was soll ich dir denn raten? Kadir hat es geschafft dich in einer Nacht zu verwirren. – Kilven schafft es nach drei Jahren nicht sich für dich zu entscheiden und umgekehrt. – Eine Entscheidung die Kadir längst getroffen hat.“ Ilean legte seinen Arm um sie und drückte sie an seine Brust: „Egal was du tust, es ist falsch. Und mindestens zwei Personen werden dabei verletzt. – Entscheidest du dich für Kadir, brichst du Kilven’s und dein eigenes Herz. – Entscheidest du dich für Kilven, brichst du Kadir’s Herz, dein eigenes noch nicht wenn du die Entscheidung sofort triffst. Aber das zwischen dir und Kilven kann noch Jahre so weitergehen und am Ende zu nichts führen und dann haben wir drei gebrochene Herzen. – Egal was du tust Kleines - jemand leidet.“ Ina lehnte sich an ihn. Etwas an Kadir zog sie an. Sie wusste zwar nicht was aber es war so. Und das schon nach einigen Stunden in denen er sie nicht wie einen Rekruten behandelte. Für Kilven hatte sie tiefe Gefühle. Sie liebte ihn. Aber auf welche Art? Er war einer ihrer besten Freunde, war immer für sie da. Sie wusste nicht, ob sie ihre Freundschaft zu ihm für eine Beziehung opfern wollte oder konnte und er wusste es auch nicht. Vor zwei Tagen hatte er sie Schwester genannt. War das seine Entscheidung? Ilean legte seine Hand auf ihre Schulter: „Ich habe gehört, dass du wieder schlecht schläfst.“ Ina sagte nichts darauf. „Willst du darüber reden?“ Wollte sie? Wenn, dann mit ihm. Er wartete. „Ich habe sie gesehen. – Bei der Feier.“ Ina fühlte wie Ilean seinen Atem anhielt. Es war nicht nötig, dass sie erwähnte, wen sie meinte. Sie – das war die gängige Umschreibung für diese Männer, die bis zu der Feier noch keine Namen hatten. „Und?“ Fragte Ilean versuchsweise gleichgültig. „Zwei von ihnen. Ich.“ Ilean's Finger glitten durch ihre Haare: „Was hast du getan?“ Ina sagte nichts, was ebenso auch ihre Antwort war. „Und jetzt träumst du wieder“, nun hatte er einen etwas besorgten Unterton: „War es sehr schlimm ihnen zu begegnen?“ In dieser Sekunde schossen ihr zahlreiche Bilder durch den Kopf. Wie er sie gegen die Wand drückte, ihre Hände umklammerte, seinen Körper gegen ihren presste und keuchte. Sein Geruch von Schweiss und seiner letzten Mahlzeit. Die eiskalten Augen mit denen er sie anstarrte. Seine Schläge mit denen er sie halb bewusstlos schlug. – Ihr wurde übel. „Ich will nicht darüber reden. Nicht Heute.“ Sie wusste, dass sie wieder davon geträumt haben musste. Dass sie deshalb geschrien hatte. Ilean gab ihr einen Kuss auf ihre Haare und akzeptierte es. „Worüber habt ihr zwei während dem Kampf gesprochen?“
„Er ist wütend.“
„Kadir? Wieso?“ Jetzt machte er einen Ausfallschritt nach hinten und stiess seine Fäuste in alle möglichen Richtungen, um weiter den Anschein zu erwecken, er würde ihr nützliche Tipps für den nächsten Kampf geben. Das machte es ausserordentlich schwer ernst zu bleiben. „Ich weiss es nicht genau. Aber seine Laune ist schlecht und Sebiha macht mich dafür verantwortlich. Und Kadir ist mir gegenüber sehr Distanziert. So anders als bei der Feier aber auch nicht so wie auf der Rekrutenschule. – Er fragte mich, ob ich mich nicht zwischen dir und Kilven entscheiden könne oder wolle.“ Ilean runzelte seine Stirn: „Er ist also eifersüchtig. – Er sollte doch wissen was zwischen uns und zwischen dir und Kilven ist. – Er hat es ja die letzten drei Jahre beobachtet.“
„Eben. Deshalb verstehe ich es nicht.“ Sebiha machte sie dafür verantwortlich. Nicht genug, dass er überhaupt auf die Idee kam, da könnte etwas sein! „Was hast du ihm gesagt?“ Ina lachte leicht, als sie darüber nachdachte, was sie Kadir gesagt hatte: „Dass ich mich nicht entscheiden muss.“
„Man sollte sich alle Wege offen halten. Gut gemacht Kleines.“ Sie beobachtete Nilia's Gäste. Wenn es Ilean aufgefallen war, wie viele der anderen Anwesenden hatten dasselbe gesehen? Ilean kam ihrer Frage zuvor: „Niemand hat etwas bemerkt. Und selbst wenn. Du kannst nicht dein ganzes Leben nach Kilven richten. – Wie ich schon sagte, das zwischen euch führt vielleicht zu nichts. Und vielleicht braucht Kilven einen Konkurrenten um zu erkennen was er von dir will. Hör auf Rücksicht auf andere zu nehmen. Es geht um dich. – Auf jede Art, gewinnst und verlierst du etwas.“ Sie betrachteten die Offiziere. Kadir unterhielt sich mit Sebiha, Kilven führte ein Gespräch mit Vigo und Galal und alle anderen schienen sich auch gut zu unterhalten. „Weißt du schon wohin du versetzt wirst?“ Ilean zögerte mit seiner Antwort: „Ich bleibe hier auf Seran. Mein Vater hat mir einen Posten bei einem Senator verschafft. Ich werde ihn in einigen Tagen antreten.“ Ina sah überrascht zu ihm: „Was ist mit dem Militär?“
„Ach, die letzten drei Jahre haben zuviel von mir abverlangt. – Zu viele Regeln. Es ist nicht das richtige für mich. – Davut und Saira wurden schon Posten zugewiesen. Ihre Eltern haben dafür gesorgt. – Aus unserer Reise wird also nichts. Alle haben sich gegen uns verschworen.“ Ina nickte, ihr Blick lag zu Kadir. „Sehr enttäuscht Kleines?“ Sie reckte ihren Kopf in das wärmende Sonnenlicht. „Nein. Ich rechnete damit, dass es Nilia nicht gestatten würde.“
„Gehen wir zurück. Wir haben ihnen lange genug Zeit für Spekulationen gegeben. Vor allem deinem Kapitän Kadir.“ Sie gingen gemütlich zu den anderen zurück. Während sie unterwegs waren wurde Kadir von Nilia herausgefordert, die beiden gingen auf den Platz und entschieden sich für einen zivilisierten Kampf mit dem Stab. Sebiha entging nicht, dass Ina und Ilean zurückkamen. Er winkte Ina zu sich. „Du musst ihn sehr von dir überzeugt haben Kleines.“
„Leider.“ Ilean sah sie skeptisch an: „Er ist Botschafter Sebiha.“
„Ich weiss nicht was ich von ihm halten soll. Und vor allem weiss ich nicht, was er von mir hält.“
„Geh zu ihm und zeig dich von deiner besten Seite“, er drehte sich um und liess sie alleine stehen. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als zu Sebiha zu gehen. „Setzen sie sich“, Sebiha zeigte auf Kadir’s verlassenen Stuhl. Ina setzte sich und beobachtete den Kampf zwischen Kadir und Nilia. „Mit Nilia ist er nicht so vorsichtig wie mit ihnen Miss Ina.“ Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen: „Wirklich?“
„Sie haben sich lange mit diesem jungen Soldaten unterhalten.“ War das eine Frage oder eine Feststellung? „Ja Botschafter, das habe ich.“
„Wirklich?“ Sebiha gab seiner Stimme einen erstaunten Klang. Was sollte diese Frage? Ina sah in sein Gesicht, um herauszufinden was er wollte. Aber seine Miene liess keine Folgerung zu. „Finden sie in meinem Gesicht die Antwort auf meine Frage?“ Sein Mund verzog sich zu einem leichten Lächeln. Was jetzt wohl in seinem Kopf vorging? „Nein Sir. Aber etwas anderes.“ Sebiha's Augen wirkten aufgeweckt und interessiert: „Und das wäre?“ Sie lachte: „Sie glauben doch nicht, dass ich ihnen das verrate. – Wir alle müssen unsere Schwächen selber erkennen.“
„Oh Miss Norak. Es sei denn, wir erhalten diese Liste von Neven.“ Ein Bediensteter kam, um den kleinen Tisch abzuräumen, gefolgt von Map die ein kleines Glas in der Hand hielt, darin befand sich eine braune Flüssigkeit. Sie reichte es Ina. Sebiha betrachtete den Ablauf sehr interessiert. Ina leerte das Glas mit einem Schluck und spülte den widerlichen Geschmack mit Wasser hinunter. Map nahm ihr das Glas wieder ab und ging ebenso schweigend wie sie gekommen war. „Vielleicht benötigen wir diese Liste gar nicht Miss Norak. Ihre Schwächen scheinen bekannt zu sein“, stellte Sebiha selbstzufrieden fest. Ina lächelte ihn an: „Immerhin ist meine Schwäche behandelbar.“ Er hob seine Hand leicht an: „Also, spielen sie mit Kadir?“ Eine direkte Frage die eine direkte Antwort erlaubte: „Ob ich mit ihm spiele oder nicht, geht sie nichts an Sir.“
„Seine Laune hat sich jedenfalls verbessert.“ Ina war über diese Tatsache erfreut. Aber sie hatte nicht vor es Sebiha merken zu lassen. Nach einer Weile, als Sebiha es aufgab auf eine Reaktion von ihr zu warten forderte er sie auf: „Erzählen sie mir etwas über sich.“ Sie sah in sein Gesicht. Was für einen Grund hatte er, das von ihr zu verlangen? „Sie wollen, dass ich ihnen behilflich bin?“ Er runzelte seine Stirn. Sebiha wusste nicht was sie meinte, also präzisierte sie ihre Aussage: „Ich soll ihnen helfen mich in eine Kiste zu meinesgleichen zu stecken.“ Sebiha lächelte sie freundlich an: „Nein, das war nicht meine Absicht. Ich will nur verhindern erneut in ein Gespräch mit Tirken verwickelt zu werden. – Er ist ein unglaublich schlechter Gesprächspartner und er ist nicht einmal im Besitz von Geheimnissen die er ausplaudern könnte. – Sie können mir auch erzählen worüber sie und Ilean sich solange unterhalten haben. Hauptsache wir sehen beschäftigt aus.“ Was er sagte klang ehrlich und offen. Zu offen für einen Botschafter? „Ich und Ilean haben Geheimnisse ausgetauscht, Botschafter Sebiha“, ihre Stimme hatte einen Klang, der ihm klar machte, dass sie nicht näher darauf eingehen würde.
„Sie sind skeptisch und vermuten hinter allem was ich sage oder frage eine Falle. – Wieso?“ Ina wandte ihren Blick von ihm ab und beobachtete den Kampf zwischen Nilia und Kadir, die sich ebenbürtig waren: „Sie geben mir Grund dafür, Sir. Ich traue ihnen nicht.“ Sebiha rutschte auf seinem Stuhl zu Recht: „Aber ihren Freunden vertrauen sie?“ Ina fühlte seinen eindringlichen Blick, ignorierte ihn aber: „Ja Sir. Jedem auf seine Weise.“ Nun legte er die Hand an seinen Mund, wie Ina im Augenwinkel erkannte. Er wurde interessierter. „Es würde wohl keinen Sinn machen sie zu fragen wem sie welche Art von Vertrauen entgegen bringen“, dabei erwartete er nicht einmal eine Antwort. „Was muss man tun, um irgendeine Art von Vertrauen von ihnen zu erhalten?“
„Dafür müsste man die letzten drei Jahre neben mir durch den Dreck gekrochen sein. Nachts mit mir zusammen gefroren und morgens dieselben Rückenschmerzen gehabt haben. Man müsste dieselben unfairen Kämpfe geführt und dieselben schmerzhaften Verletzungen davongetragen haben. Man müsste sich so sehr aufgeopfert haben, dass man kaum noch stehen konnte und doch noch die Energie aufgebracht haben mir etwas Aufmunterndes zu sagen. – Dafür Sir, würde jemand vielleicht ein Minimum an Vertrauen von mir erhalten. Mehr Vertrauen müsste man sich hart erarbeiten.“
„Was müsste ich tun, um ihr Vertrauen zu erlangen Miss Ina?“ Fragte Sebiha neugierig. „Sie sind Botschafter“, das konnte er auffassen wie er wollte. Als Beleidigung oder als Kompliment. Jedenfalls gab es keinen vernünftigen Grund ihm zu vertrauen. Nicht für Ina. Sebiha schmunzelte: „Ihre Art gefällt mir.“ Es wurde applaudiert. Nilia und Kadir hatten ihren Kampf beendet. Ina wusste nicht wer gewonnen hatte, sie war zu sehr auf das Gespräch mit Sebiha fixiert. Kadir ging zu ihnen und wollte sich auf den freien Stuhl neben Ina setzten, aber sie stand auf: „Bitte Sir, sie können wieder ihren Stuhl beziehen. – Ich habe nicht vor, Botschafter Sebiha länger mit meiner Anwesenheit zu belästigen“, sie ging ehe Sebiha darauf reagieren konnte. Da Ilean der einzige war, der Momentan keinen Gesprächspartner hatte, setzte sie sich zu ihm. „Und Kleines?“ Sie winkte ab. „Keine Lust zu reden?“ Ein Kopfschütteln war die einzige Antwort, die er erhielt. Sie schwiegen einander an und liessen so die Zeit verstreichen. Nacheinander verabschiedeten sich Tirken, über dessen entfernen niemand traurig war, Vigo, Davut und Saira. Die Sonne verschwand langsam hinter dem Hügel und tauchte den Himmel in ein tiefes Rot. – Eine Wohltat für Ina’s Augen. Kilven, der ein langes Gespräch mit Galal führte, entfernte sich von ihm und ging zu den Waffen, er nahm zwei Stäbe und kam damit zu Ina. „Siehst du genug zum kämpfen?“ Sie nahm seine Herausforderung lächelnd an, zog ihre Kette aus und legte sie in Ileans Hand, nahm Kilven einen Stab ab und lief neben ihm auf den Platz. Sie gingen im Kreis, ehe Kilven den ersten Angriff startete und nicht mehr aufhörte sie zu attackieren. Ina war eine Zeitlang damit beschäftigt seine Angriffe abzuwehren, bis sie die Möglichkeit bekam ihren Stab auf den Boden zu stemmen, sich darauf abzustützen und Kilven durch einen tritt mit ihren Füssen in seinen Magen auf den Rücken warf. Er stand schnell auf und ging wieder in Position. Nachdem sie einmal im Kreis gingen, griff er an. Es gab eine lange Folge von Schlägen, Angriffen, Verteidigungen und einigen leichten Treffern. Sie waren sich ebenbürtig. Beide kannten die Stärken und Schwächen des anderen, diese Tatsache zog den Kampf in die Länge. Ihre Ausdauer und Kondition wurde gefordert. Letztendlich verlor Ina knapp. Aber sie hätte den Kampf ebenso gut gewinnen können. Ilean erhob sich, um sich von ihnen zu verabschieden: „Wir treffen uns morgen Abend in der Stadt, um unseren Abschluss zu feiern. Im Kamina. Ihr werdet da sein oder?“ Er legte Ina die Kette in die Hand und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Werden wir“, antwortete Kilven. Ilean ging zu den übrig gebliebenen Offizieren und verabschiedete sich. Arton nutzte die Gelegenheit ebenfalls zum gehen.
Ina und Kilven sassen einige Minuten schweigend nebeneinander. „Was hast du geträumt?“ Ina nahm sich Zeit um auf seine Frage zu antworten. Sie betrachtete den Hügel hinter der Mauer und versuchte einen gleichgültigen Eindruck zu machen: „Ich kann mich nicht erinnern“, es war die Wahrheit, sie konnte sich nicht erinnern aber sie konnte sich vorstellen was es war. „Du kannst es mir erzählen Ina“, er legte seine Hand auf ihre und umklammerte sie. „Ich weiss. – Aber ich erinnere mich nicht.“
„Es war gleich wie früher. Die ersten Monate auf der Rekrutenschule. – du hast geschrieen, du hattest Angst. – Du weißt was du geträumt hast.“ Ina hielt ihren Blick bei dem Hügel. „Dir fehlt das Vertrauen es mir zu erzählen“, Kilven's Enttäuschung war nicht zu überhören. Aber sie konnte nicht mit ihm darüber reden. Nicht mit Kilven. „Das hat nichts mit Vertrauen zu tun Kilven. Gar nichts. Ich vertraue dir mehr als jedem anderen.“
„Dann sag mir was dich quält.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Ich möchte dir helfen“, seine Stimme war erdrückend. „Es gibt Dinge, bei denen niemand helfen kann. Dinge die besser unausgesprochen bleiben.“ Ina bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. Hoffte, dass er das leichte Zittern ihrer Stimme nicht hörte. „Aber mit Ilean sprichst du darüber?!“ Ein Hauch von Wut ertönte. „Nein. Nicht alle tragen ihre Angelegenheiten zu Ilean. – Es ist meine Sache und es bleibt meine Sache“, sie blieb ruhig. Jetzt hatte sie ihn angelogen. Eine Notlüge. Er sah sie enttäuscht an: „Es sollte nichts geben das sich zwischen uns stellt. Hast du das schon vergessen?“
„Es ist nichts Kilven.“
„Doch. Ich sehe, dass es dich quält. Es ist ein Problem. – Du stellst es zwischen uns!“ Wut und Enttäuschung lagen in diesem Augenblick nahe zusammen. „Nein! Du stellst es zwischen uns Kilven! Lass es einfach!“
„Freunde sind da um mit ihnen über diese Dinge zu reden“, er gab nicht auf. Sie bemühte sich um ihre Beherrschung: „Und Freunde respektieren es, wenn man nicht darüber sprechen will!“ Etwas Merkwürdiges spiegelte sich in seinem Gesicht: „Vertrauen“, seine Stimme hatte ihren wütenden Klang verloren. Bitterkeit hatte diesen Platz eingenommen, Enttäuschung. Er stand auf und ging zu Nilia und Galal, die sich offenbar gut mit Sebiha unterhielten. Ina verstand seine Reaktion nicht. Sie wollte nicht mit ihm darüber reden. Diese Träume hatte sie früher jede Nacht, dann auf der Rekrutenschule wurden sie seltener und nach dem ersten oder zweiten Jahr hörten sie ganz auf. Damals sprach sie auch nie mit Kilven darüber. Er respektierte ihre Entscheidung. Weshalb tat er es jetzt nicht mehr? Weshalb machte er es jetzt zu einer Vertrauensfrage? Zu einem Problem! Zu etwas das sich zwischen sie stellte. Sie konnte nicht mit ihm darüber reden. Es würde alles verändern. Sie wusste noch zu gut, wie es Ilean's Verhalten ihr gegenüber verändert hatte. Dasselbe wollte sie nicht bei Kilven bewirken. Ina lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, spielte mit der Kette in ihrer Hand, schloss ihre Augen und genoss die sanfte Brise, die über ihr Gesicht zog. Hin und wieder wirbelte es eine Haarsträhne in ihr Gesicht. Sie genoss die Ruhe, sich mit niemandem unterhalten zu müssen. Nicht darauf zu achten, was man sagte, welche Gesten man machte, was man mit seiner Mimik ausdrückte. Einfach da zu sein. Und Kilven. Bis zum nächsten Tag würde er es überwunden haben.
Nilia, Galal, Sebiha und Kilven unterhielten sich nicht laut doch Ina hätte jedes Wort verstehen können wenn sie gewollt hätte. Aber sie hörte der Natur zu. Hörte den Wind der durch die Äste der Bäume zog, der die Blätter der Büsche durchwirbelte. Die Vögel, die einander zu sangen und auf den Ästen herumtanzten. Und Schritte – Schritte die auf sie zugingen. Es war nicht Map, sie hatte einen viel leichteren Gang. Auch nicht Kilven, er hatte einen anderen Gang. Kadir schlenderte zu ihr. Sie liess ihre Augen geschlossen. Ohne ein Wort an sie zu richten, setzte er sich. Ina hatte ihn wohl überzeugt, sonst wäre er ebenfalls alleine auf seinem Platz geblieben. „Sie haben gut gegen Tirken gekämpft Miss Ina.“ Nun wandte sie ihren Kopf zu ihm aber sagte nichts darauf. Er reichte ihr ein Glas Talila, das sie dankend annahm. „Wer ist er?“
„Ein Idiot. Nicht Wert über ihn zu sprechen.“ Ina nickte und legte ihren Kopf wieder zurück, schloss die Augen und war sich klar darüber, dass Kadir sie betrachtete. „Ich verstehe sie nicht, Miss Ina.“
„Da sind sie nicht der einzige Sir“, sie fühlte seinen Blick. „Was ist zwischen ihnen und Ilean?“ Wollte er sicher gehen keinen Konkurrenten zu haben? „Freundschaft“, ihre Position war unverändert. Ihr Kopf lag auf der Stuhllehne, ihre Augen waren geschlossen. „Nur Freundschaft?“ Er sprach leise. „Freundschaft und Vertrauen. – Nicht mehr.“ Kadir wartete einige Sekunden, ehe er weiter fragte: „Und Kilven?“
„Freundschaft und Vertrauen und“, sie unterbrach sich. Kadir wartete aber als Ina nicht fortfuhr fragte er: „Freundschaft, Vertrauen und was?“
„Und etwas anderes“, sie wusste nicht, weshalb sie so offen zu Kadir war. Er schwieg. War es ein Fehler? Hätte sie es nicht sagen sollen? Sie drehte ihren Kopf zu ihm. Sein Blick lag auf dem Hügel. „Das war ihnen doch längst bekannt Sir.“
„Es ist also so, dass sie beide“, doch sein Satz blieb unbeendet. „Nein Sir. Sind wir nicht.“ Ina konnte sich zu gut vorstellen, was er dachte aber nicht aussprach. „Nicht oder noch nicht?“
„Beides.“ Kadir hielt einen Moment ihren Augenkontakt, ehe er wieder zu dem Hügel sah. „Weder er noch ich wissen was uns die Zeit bringt. Im Moment ist er ein Freund.“ Kadir machte einen tiefen Atemzug: „Im Moment.“ Ina nickte. Ihre Antwort schien ihm nicht zu gefallen, er presste seine Augen etwas zusammen. „Sir.“ Er hob seine Hand: „Ich werde diesen Moment nutzen Miss Ina.“
Im Verlauf des Abends verabschiedete sich Sebiha. Ina ging davon aus, dass Kadir mit ihm gehen würde. Aber er blieb. Nilia, Galal und Kilven gingen ins Haus, sie luden Ina und Kadir ein mit zugehen, aber sie blieben mit der Begründung die Aussicht zu geniessen zurück. Merkwürdigerweise genossen sie wirklich die Aussicht. Führten kein Gespräch und beobachteten wie die Monde hinter dem Hügel erschienen. Sie sprachen nicht miteinander und verbrachten so etwa zwei Stunden zusammen bis Kadir das Wort ergriff: „Ich hoffe ich langweile sie nicht.“ Ina lächelte ihn an: „Im Gegenteil Sir. Ich geniesse es.“ In seinem Gesicht lag Zweifel über ihre Aussage. Er stand auf: „Wir werden uns sehen Miss Ina?“ Sie nickte auf seine Frage und er verabschiedete sich von ihr wie ein Offizier von einem anderen und ging um das Haus zum Ausgangstor. Ina ging langsam in das Haus, direkt in ihr Zimmer. Die Bediensteten hatten ihre Arbeit bereits beendet. Map war auch nicht mehr da. Nilia, Kilven und Galal waren wohl noch in die Stadt gegangen. Ina konnte sich jedenfalls nicht vorstellen, dass Nilia und Kilven schon zu Bett gegangen waren.
In ihrem Zimmer angekommen, zog sie die Decke vom Bett, entledigte sich ihrer Kleider und machte es sich auf dem Fussboden bequem. Es war spät, aber sie war noch hellwach, lag mit offenen Augen da und dachte über den vergangenen Tag nach. Über Kilven’s Verhalten, über seine Worte und seine Enttäuschung. Er würde es vergessen. Er würde ihr verzeihen. Dann liess sie das Gespräch zwischen ihr und Sebiha noch mal vor ihrem geistigen Auge ablaufen. Er suchte ihren Kontakt, suchte das Gespräch mit ihr. Es schien wirklich so zu sein, wie Kadir sagte. Sie hatte Sebiha vielleicht wirklich beeindruckt und er schien die Gespräche mit ihr zu geniessen. Auch wenn ihr selten klar war ob sie nun gewonnen oder verloren hatte. Ina verstand es nicht. Konnte sie eine so gute Gesprächspartnerin sein? Es gab mit Sicherheit bessere Alternativen. Sie war Sebiha nicht gewachsen. Nicht einmal annähernd. Und woher kannte er Neven? Sie hatten gemeinsame Angelegenheiten. Welche Art von Angelegenheiten? Wenn er ihn das nächste Mal sehen würde, sagte er. Niemand hatte Kontakt zu Neven!
Sebiha erwähnte Neven mehrmals. Wollte er etwas damit bewirken? War es einfach nur Teil seines Spiels? Oder wollte er herausfinden wie sie zu Neven stand? Vielleicht im Auftrag Nilia’s? Aber er war Botschafter, er war nicht auf Nilia’s Gunst angewiesen. – Oder doch? Vielleicht ein freundschaftlicher Dienst? So oder so, sie konnte ihm nicht trauen. Musste sich jedes ihrer Worte gut überlegen. Sehr vorsichtig sein, wenn es um Neven ging. Wie Kilven sagte, sie konnte niemandem Vertrauen. Niemandem! Sebiha und Kadir schienen sich gut zu kennen. Verbrachten viel Zeit zusammen. Aber wieso? Ina konnte sich nicht vorstellen, dass Kadir ein Mann vieler Worte war. Und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass Sebiha in der Lage war, ein ehrliches Gespräch zu führen. Ein Gespräch bei dem er nicht versuchte irgendwelche Geheimnisse aus dem Mund seines Gegenübers zu locken. Die beiden schienen zu unterschiedlich zu sein, um Freunde sein zu können. Sie musste sich in einem von beiden irren. Aber in wem? Kadir. Was wollte sie von Kadir? Was er von ihr wollte war klar. Aber sie von ihm? Bei der Feier hasste sie ihn noch. Sie wollte bloss seine Kontakte nutzen. Aber jetzt hatte sie ihre Meinung über ihn grundlegend geändert. Er hatte eine angenehme Art an sich, etwas das sie anzog. Sie genoss seine Anwesenheit, auch wenn sie nicht miteinander sprachen oder vielleicht genau deshalb. Sie verzichtete ihm Gegenüber auf Höflichkeitsfloskeln und er tat dasselbe, keine überflüssigen Worte, keine überflüssigen Gesten. Sie war ihm gegenüber ehrlich und direkt und er schien es zu begrüssen. Ilean sagte es, zwischen ihnen war etwas. Aber was? Kadir hatte es geschafft, sie in einer Nacht zu verwirren. Und Kilven. Er zögerte mit dem nächsten Schritt. Sollte es ihr Sorgen machen? Sie konnte sich nicht für aber auch nicht gegen Kilven entscheiden. Ihre Freundschaft. Sie wollte ihre Freundschaft nicht riskieren. Aber da war mehr zwischen ihnen. Viel mehr. War das was sie tat Kadir gegenüber fair? War es Kilven gegenüber fair? Ilean vertrat die Meinung, dass sie so weitermachen sollte. Dass Kilven dann vielleicht klar werden würde, was er wollte. Vielleicht würde es auch ihr selbst klar werden. Und Nilia. Welche Pläne hatte er für sie? Egal was er für sie bestimmt hatte, sie würde Kilven’s Rat befolgen und die Zeit die sie im Dienst verbringen musste nutzen. Sich Nilia dankbar zeigen und ihm keinen Grund geben, ihr zu Misstrauen. Ina erinnerte sich an Kilven’s Worte, mit denen er richtig lag und Map’s Worte, dass jeder für sein eigenes Glück verantwortlich sei. Konnte sie hier glücklich werden? Als Aussenseiterin? Sie war es bis Neven ging. Konnte sie wieder so glücklich werden? Sie musste ohnehin noch Jahre hier verbringen. Jahre. Jahre die sie sinnvoll nutzen konnte. Ihre Gedanken und Überlegungen überschlugen sich. Irgendwann schlief sie ein. – Ein ruhiger und erholsamen Schlaf. – Ohne diesen Traum.