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Tennessee

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Holton Seminary war für Abraham ein Versuchsprojekt. Man hatte geplant, es zu einer Arbeitsschule zu machen, in der die Schüler das Land bestellten, um zum Erhalt der Institution beizutragen. New Market lag in einem Tal des Flusses Lost Creek, der tief in die Appalachen schnitt. Das Land dort war hügelig und schwer zu bestellen, genauso schwierig, wie die Hügel und Senken von Lee County, Virginia. Und die Dinge liefen nicht reibungslos.

Creed Fulton, ein Kampfprediger der Holton Conference, war als Alleinvertreter für die Geschäftsleitung eingestellt worden. Doch obwohl Bares und Bürgschaften eingenommen wurden, konnte angeblich kein brauchbares Land für eine sich selbst versorgende Schule gefunden werden. Irgendetwas lief schief. Als sich Fulton einem neuen Projekt zu wandte, eine zweite Arbeitsschule, stellte sich heraus, dass er die Landangebote einiger ansässiger Farmer zurückgehalten und ohne ersichtlichen Grund abgelehnt hatte. Die New Market School kam zum Erliegen.

Zwischenzeitlich genossen Abraham Stills Kinder eine sehr gute Erziehung. Henry Saffel, ihrem neuen Lehrer, gelang es, seine Schüler zum Lernen zu motivieren. Seine Begeisterung war ansteckend. Die Rute, mit der Drew bei Professor »Prügelberg« Bekanntschaft gemacht hatte, wurde hier nicht mehr benutzt. Lernen wurde zu einer wahren Freude.

Auch hier fuhr sein Vater damit fort, Gottes Wort zu predigen, er versuchte, die Menschen zur Einkehr zu bewegen. An einem sonnigen Sonntagnachmittag fand man ihn wie üblich unter freiem Himmel predigend.

»Und das heilige Buch, das Wort Gottes, sagt es deutlich. ALLE Menschen sind Gottes Kinder. Er macht keine Unterschiede!«

Martha und die Jungen kamen mit dem Wagen an, als das Treffen bereits in vollem Gang war. Ungefähr 75 Menschen hatten sich im Schatten einer ausladenden Eiche, mitten auf einer Weide der Simpsons, direkt vor New Market, versammelt. Abraham stand auf dem Heuwagen, der zu diesem Zweck bereitgestellt worden war. Martha beobachtete, wie die Augen ihres Mannes glühten, während er lebhaft gestikulierte und seine Seele in das Herz eines jeden, der ihm zuhörte, hineinströmen ließ.

»Sklaverei ist eine Abscheulichkeit gegenüber unseren Mitbrüdern, gegenüber Gott, gegenüber uns selbst! Sie ist wider die Natur. Haben wir jemals gesehen, dass andere Geschöpfe ihre Artgenossen unterjochen? Finden wir auch nur eine Stelle in der Heiligen Schrift, die diese Praktik rechtfertigen würde?«

Seine Worte rauschten wie ein Gebirgsbach, der über Steine strömt.

»Vielleicht werdet ihr jetzt sagen«, fuhr er fort, »dass Petrus im zweiten Kapitel, Vers 18, die Sklaven ermahnt, ihrem Herrn zu dienen, und daraus den Schluss ziehen, dass Gott die Sklaverei duldet. Doch lest weiter, meine Brüder und Schwestern. Dies ist eine Empfehlung, die den Sklaven ans Herz gelegt wird, damit diese die ungerechte Behandlung durch ihren Herrn ertragen und zu ihrer Erlösung gelangen.«

Still betonte diesen letzten Satz.

»Der Sklave wird ermutigt, seine Leiden mit den Leiden seines blutenden Erlösers zu vereinigen. Die Erlösung liegt im Kreuz, Brüder und Schwestern, ungeachtet unserer Stellung und was diese mit sich bringen mag. Und genau darum geht es hier!«

Still betonte dies mit erhobenem Zeigefinger und seine Stimme legte noch an Stärke zu, als er rief:

»Wir ALLE sind in der gleichen Lage und unterliegen der gleichen Gerechtigkeit. Das Kreuz muss angenommen und nicht auferlegt werden! Wenn wir aber nun unseren schwarzen Bruder als Sklaven behandeln in der beklagenswerten Art und Weise, in der dies so oft geschieht, nämlich indem wir ihn peitschen und treten und brandmarken, indem wir den Mann von der Frau wegreißen und die Mutter vom Kind, dann legen wir das Kreuz auf. Wir peitschen und schlagen unseren Erlöser! Wollen wir auf diese Weise handeln und dies verantworten?!«

Abraham ging ein paar Schritte auf und ab, um das Gesagte in der seinen Worten folgenden Stille auf die Zuhörer wirken zu lassen. Was sich in ihren Gesichtern widerspiegelte, war unterschiedlich, zeigte aber, dass es nur wenige gab, die nicht ergriffen waren.

»Meine Brüder und Schwestern, ist das die Art, in der wir unser Geschäft betreiben wollen? Unser Leben?! Wenn man an uns zurückdenkt? Wollen wir wirklich die Gelegenheit versäumen, uns im liebenden Opfer des Herrn zu vereinen, indem wir unser Los annehmen, statt unsere schwarzen Brüder und Schwestern zu kreuzigen?!«

Die Menge war still geblieben, angespannt. Viele davon hielten sich Sklaven, auch wenn sie keine Großgrundbesitzer waren, die dies wegen der Rauheit des Landes oder der Größe ihrer Farm tun mussten. Doch die Worte hatten gesessen. Es kamen viele Emotionen in der Versammlung auf. Bald wurde die Stille von einem Schrei unterbrochen.

»Nein, Prediger, wir wollen frei sein, wir wollen dass sie frei sind!«, schrie eine Frau aus einer der hinteren Reihen.

Ein paar der anderen, aber gewiss nicht alle, antworteten »Amen«, die einen laut, die anderen leiser.

Still fuhr nun in einem sanfteren Ton fort, ließ aber dennoch keinen Raum für einen Kompromiss. Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn. »Nun, ich weiß sehr gut, dass hier nicht alle mit meiner Sicht der Dinge übereinstimmen. Es besteht eine lange Tradition. Und der Schweiß des Schwarzen ernährt viele eurer Familien. Ich weiß das. Darum hört nicht auf mich, hört auf die Stimme eurer Herzen. Findet den Herrn in euren Herzen, und geht in Frieden. Gott segne euch alle! Nun lasst uns essen.«

Martha hatte, so wie die anderen Frauen auch, einen Picknickkorb für ihre Familie vorbereitet. Da es September war, gab es viel zu ernten und die Körbe waren voll mit guten Sachen. Plätzchen und Maisbrot, Brathähnchen, Maiskolben und Tomaten, eingelegtes Gemüse und Krautsalat zierten die Bett- und Tagesdecken, die unter die ausgestreckten Glieder der Rastenden gebreitet waren.

Drew lag da und schaute durch das Blätterdach nach oben, so hoch, wie er sehen konnte. Dieser Baum hat schon immer hier gestanden, dachte er. Er war schon hier, als er noch vom dichten Wald Tennessees, von seinen Brüdern wie Eichen, Ahorn und Buchen umgeben war. Nun stand er hier wie ein Wächter, der das Vieh vor Sonne und Regen schützt und Schatten spendet. Das Sonnenlicht flimmerte durch die Blätter am Ende seiner lang ausgestreckten Äste. Eine Narbe unten an seiner Seite erzählte von den Blitzen der Sommergewitter. Irgendwie erinnerte ihn der alte Baum an seinen Vater. Er war stark, standhaft und schutzspendend.

ABB. 05: DIE NATUR – STILLS UNERSCHÖPFLICHE QUELLE UND ESSENTIELLES ZENTRUM SEINER PHILOSOPHIE DER OSTEOPATHIE.

Der Junge mochte die Art, in der sein Vater die Menschen bewegen konnte. Er schien zu wissen, was er sagen musste. Seinen Pa vom Reiten und Predigen abhalten zu wollen, wäre gleichbedeutend gewesen mit dem Versuch, die Sonne zu überzeugen, am Morgen nicht mehr aufzugehen. So schien der natürliche Lauf der Dinge. Und die Sklaverei … Die Stills schienen auch ohne die schwarze Hilfe auszukommen. Sicher, die Arbeit war hart und die Winter waren manchmal mager. Einen anderen Menschen zu halten, als wäre er eine Kuh, schien ihnen dennoch nicht angebracht.

Während Drew seinen Gedanken nachhing, konnte man über dem leisen Murmeln der Gespräche, gedämpft durch das dichte Laub, das Klopfen eines Spechts hören. Drew sah seinen Vater kommen, doch bevor Abraham ihren Lagerplatz erreichen konnte, wurde er wieder in eine Unterhaltung verstrickt. Tim Green, ein Farmer, sprach den Prediger an, als dieser an einer kleinen Gruppe Männer vorbeiging, die sich mürrisch miteinander unterhielten. Drew rückte ein Stückchen näher, um zu lauschen.

»Tja, Reverend Still, für Sie scheint das ja ganz einfach zu sein. Ein paar von uns sehen die Sache aber ein bisschen anders. Sie sprechen von der Wirtschaftlichkeit. Die Dinge haben allerdings auch noch eine politische Seite. Viele von uns sind ins Grenzland gezogen, so wie unsere Vorväter in dieses Land gekommen sind, um sich selbst von der Diktatur eines Königs oder einer Regierung zu befreien. Wir wollen selbst unseren Mann stehen.«

»Ja, das bedeutet Staatsrecht, so wie ich es verstehe«, warf Burt Higgins ein.

»Natürlich ist das keine einfache Angelegenheit«, entgegnete Abraham, »doch sage ich euch, ich flehe euch an: Versucht zu sehen, dass es darum geht, das Richtige zu tun und nicht einfach das Übliche oder das, was dem eigenen Vorteil dient. Jetzt wartet aber meine Frau mit dem Essen auf mich. Bitte entschuldigt mich. Es steht ja schließlich geschrieben: Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden. Und ich sehe dort drüben schon meinen Futtereimer stehen.«

Abraham klopfte Tim auf die Schulter, lächelte und ging weiter, bis er schließlich bei seiner Familie ankam.

»Gut gemacht, Pa. Aber du musst ja jetzt völlig ausgehungert sein. Da, nimm ein Stück Huhn und ein Brötchen«, bot Martha an.

»Du hast es ihnen gezeigt«, sagte Drew. Ich wünschte, ich könnte das auch.«

Abraham zauste das Haar seines Sohnes und grinste. »Du hast das Feuer in Dir, mein Sohn. Es wird eines Tages auflodern und vielleicht die Welt in Flammen setzen. Nun lasst uns einen Segen sprechen und dem Essen helfen, zu verschwinden.«

Nach zwei Jahren vergeblicher Arbeit trug Abraham sich jetzt wieder mit dem Gedanken, etwas Neues auszuprobieren.

»Ma, du weißt, dass die Regierung die Indianer westwärts geschickt hat, nach Oklahoma, Kansas und Missouri. Wir haben schon mal darüber gesprochen. Nun scheint es an der Zeit. In dieser Gegend gibt es eine Menge Seelen, die gerettet werden müssen. Die Konferenz hat, wie du weißt, verschiedene Schulen, Missionen, eröffnet. Da gibt es einiges zu tun. Ich denke, wir sollten uns daran beteiligen.«

Abrahams Gedanken setzten sich durch und die Familie zog weiter.

Feuer in der Prärie!

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