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Wie Thomas Hitzlsperger die Krawalle in London erlebt Unser Kolumnist lebt in London, die Krawalle finden in seiner Nähe statt. Im Gespräch erzählt er, welche Ursachen er vermutet und wie besorgt seine Nachbarn sind.
VON OLIVER FRITSCH

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ZEIT ONLINE: Sie leben seit Januar in London. Was genau passiert dort jetzt?

Thomas Hitzlsperger: Eine ganze Menge. Menschen versammeln sich, zerstören Geschäfte, zünden Häuser und Autos an, rauben Supermärkte aus, schlagen Fenster ein, legen sich mit der Polizei an.

ZEIT ONLINE: Wie nahe erleben Sie das?

Hitzlsperger: Davon erfahren hab ich am Sonntag im Internet, inzwischen erlebe ich das alles sehr nah. Am Montag gab es keine Meile von meiner Wohnung entfernt Krawalle. Ich lebe an der Grenze zu Hackney im Nordosten Londons. Ich hab mich mit meinem Nachbarn darüber unterhalten, dass wir nur unsere Straße hochgehen müssten – dann könnten wir sie schon sehen. Kurze Zeit später war ich im Fitnessstudio und habe während dem Training alles live am Fernseher mitverfolgt, was in der Nachbarschaft passiert. Das war schon bizarr.

ZEIT ONLINE: Fühlen sich Ihre Mitmenschen und Sie bedroht?

Hitzlsperger: Die Stimmung ist besorgt, denn die Polizei bekommt die Lage derzeit nicht in den Griff, was in London einige wundert. Angst spüre ich selbst keine.

ZEIT ONLINE: Haben die Leute Vertrauen in die Polizei?

Hitzlsperger: Ja, und außerdem werden die öffentlichen Plätze mit Kameras überwacht, was die Identifizierung der Täter leichter macht. Doch noch sind die Gegner schneller, sie verabreden sich über Blackberry Messenger. Der Hersteller des Programms hat der Polizei Unterstützung zugesichert, wie ich lese. Twitter und Facebook sind offenbar nicht so gut geeignet.

ZEIT ONLINE: Wer sind die Randalierer? Warum tun die das?

Hitzlsperger: Es sind wohl vor allem Jugendliche, auch Männer in meinem Alter. Sie entstammen sozialen Brennpunkten und verwüsten nun ihre Viertel, etwa Tottenham und Brixton, aber auch den Stadtteil Islington, in dem man das nicht erwartet hätte, gab es Zwischenfälle.

ZEIT ONLINE: Londons reichere Gegenden bleiben im Allgemeinen bislang verschont. Hat der Protest überhaupt eine politische Dimension?

Hitzlsperger: Die drastischen Sparmaßnahmen der Regierung spielen womöglich eine Rolle. Auslöser war aber ein Mord in der vergangenen Woche und anschließende Demonstrationen vor einer Polizeistation. Danach eskalierte die Situation, nun breiten sich die Unruhen übers Land aus. Der Frust ist deutlich spürbar, viele haben keine Arbeit und kein Geld.

ZEIT ONLINE: Können Sie das als Fußballprofi verstehen?

Hitzlsperger: Dass es derartige soziale Unterschiede gibt, ist nicht neu. Aber das ist keine Rechtfertigung dafür, auf Polizisten loszugehen, Eigentum anderer zu beschädigen oder Geschäfte zu plündern.

ZEIT ONLINE: Von den Kürzungen der Regierung ist auch das Sozialwesen betroffen.

Hitzlsperger: Der Sparkurs trifft viele, aber vor dem Hintergrund der Probleme in der Euro-Zone sind die Maßnahmen wohl nötig. Die Leute, denen es ohnehin nicht gut geht, trifft es dann am härtesten, und nun entlädt sich der Frust dieser Menschen.

ZEIT ONLINE: Wie reagieren Englands Politiker auf die Gewalt?

Hitzlsperger: Die kommen zurück aus ihrem Urlaub. Sicherheitspolitiker kündigen eine harte Gangart an. Man fürchtet um den Ruf und die Sicherheit Londons, gerade mit Blick auf die Olympischen Spiele im nächsten Jahr. Das liest und hört man jetzt häufig.

ZEIT ONLINE: Wie verhalten sich die Medien?

Hitzlsperger: Es ist natürlich das Thema, der Guardian und die Times zeigen dasselbe Titelbild: Eine Frau wird von einem brennenden Haus befreit. Der Ton ist angemessen, die Boulevardpresse habe ich aber noch nicht gelesen.

ZEIT ONLINE: England hat sein morgiges Länderspiel gegen Holland abgesagt. Gibt es weitere Reaktionen aus der Fußballszene?

Hitzlsperger: Da ich momentan auf Vereinssuche bin, fehlt mir der tägliche Kontakt. Ich habe mitbekommen, dass auch mein Ex-Club West Ham United ein Pokalspiel abgesagt hat.

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