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Nach Amerika!

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Während John Jacob in London die ersten Gehversuche als Kaufmann machte, tobte in Nordamerika noch immer der Unabhängigkeitskrieg. Frankreich war 1778 in den Krieg eingetreten und stritt nun auf der Seite der nordamerikanischen Kolonisten, die in diesem Konflikt allmählich die Oberhand gewannen. Die Kapitulation des britischen Generals Lord Cornwallis bei Yorktown im Jahr 1781 beendete zwar die bewaffneten Kämpfe und führte zu den ersten Friedensverhandlungen, zum Friedensschluss kam es aber erst am 3. September 1783 im Friedensvertrag von Paris. Die ehemaligen britischen Kolonien in Nordamerika waren nun unabhängig, und nach acht Jahren Krieg zog Friede in die Vereinigten Staaten ein. Vieles wurde neu aufgebaut, es herrschte Aufbruchsstimmung.

Als John Jacob in London vom Ende des Krieges in Nordamerika hörte, war er nicht mehr zu halten. Er wollte die Neue Welt sehen und endlich dahin gelangen, von wo sein Bruder Heinrich ihm seit Jahren die verheißungsvollen Briefe schrieb. Nun hatte er seine Ausbildung in London beendet, besaß genügend Geld für die Überfahrt und wartete ungeduldig darauf, endlich aufbrechen zu können. Astor vermutete, dass durch den soeben geschlossenen Frieden für Nordamerika und die endgültig gewonnene Freiheit der ehemaligen Kolonisten ein Markt für neue Luxusgüter, Kunstgegenstände und somit auch für seine Instrumente entstehen könnte. Auf diese Weise würden die Astor-Brüder einen neuen Absatzmarkt erschließen können. Ihr gemeinsamer Plan lautete: George würde weiter in London Instrumente herstellen und John Jacob würde sie der interessierten reichen Oberschicht von New York verkaufen. Er war so ungeduldig, dass er nicht einmal den nächsten Frühling abwarten wollte. John Jacob wollte sofort los und nahm in Kauf, dass der Atlantik über Winter durchaus seine rauen Seiten zeigen konnte. Im November 1783, nur zwei Monate nach dem offiziellen Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, ging der mittlerweile 20 Jahre alte John Jacob Astor in Southampton an Bord des Segelschiffes North Carolina. Es sollte das südlicher als New York gelegene Baltimore ansteuern, um dem gefährlichen Packeis auf dem Nordatlantik aus dem Weg zu gehen. Für fünf Pfund schiffte sich Astor auf dem Zwischendeck ein. Im Gepäck hatte er ein Sortiment von sieben Flöten, zwei Klarinetten und etwas Geld für die Reise, die aufgrund des harten Winters fünf Monate dauern sollte.

Aus den Erlebnissen seiner Überfahrt entstand eine Anekdote, die zum einen seine unkonventionelle und pragmatische Denkweise verdeutlicht, ihm aber auf der anderen Seite in negativer Weise als materialistisches, rein besitzorientiertes Denken ausgelegt wurde. Der Winter des Jahres 1783/84 war äußert streng und kalt, die Überquerung des Atlantiks gefährlich, anstrengend und zermürbend. Das Schiff brauchte wesentlich länger als eingeplant. Während der Überfahrt geriet die North Carolina immer wieder in Stürme und Unwetter. An einem besonders stürmischen Tag wurde das Schiff bedenklich nahe an treibende Eisschollen gedrängt. Die Passagiere an Bord rechneten jeden Augenblick damit, dass das Schiff entzweibrechen und untergehen würde. In dieser Situation erschien Astor in seinem besten Anzug auf Deck. Auf die Frage, warum er dies tat, antwortete er, dass er, falls er mit dem Leben davon kommen würde, wenigstens seine beste Kleidung noch besäße.

Der unglückliche Höhepunkt dieser unruhigen und langen Überfahrt bestand jedoch darin, dass das Schiff Ende Januar, einen Tag bevor es Baltimore erreichte, in der Chesapeake Bay vor der Küste Virginias mit einem halben Dutzend weiterer Schiffe im eisigen Wasser festfror. Nach einigen Tagen wagten sich die ersten Passagiere auf das Eis und wanderten zu den anderen Schiffen. Astor blieb allerdings vorerst an Bord, da der Kapitän vertraglich verpflichtet war, für sein leibliches Wohl zu sorgen, bis sie den Hafen erreichen würden. Er nutzte die Zeit, indem er weitere Informationen über Amerika zu erhalten versuchte, und unterhielt sich mit den anderen Passagieren über die vor ihm liegende Neue Welt.

So lernte er einen jungen Deutschen kennen, der nur wenige Jahre älter war als er selbst. Da er sich schon einige Zeit in Nordamerika aufgehalten hatte, nannte er sich in amerikanischer Schreibweise John Nicholas Emerick. Der Fremde erzählte Astor, dass er im Norden des Staates New York mit Pelzen handele und gerade aus Europa zurückkehre, wohin er die Pelze verkaufe. Der große Profit an diesem Geschäft liege darin, dass er für wenig Geld den Indianern die Pelze abkaufe, um sie für ein Vielfaches des ursprünglichen Preises in Europa wieder zu verkaufen. Emerick empfahl Astor, selbst das Kürschnerhandwerk zu lernen und in den Pelzhandel einzusteigen. Darin, so Emerick, läge ein schneller und lukrativer Weg, in der Neuen Welt reich zu werden. Astor hörte seinem Landsmann aufmerksam und interessiert zu.

Als das Eis auch nach vielen Tagen nicht zu schmelzen begann, wurde Astor ungeduldig. Er wog das Risiko ab, gab schließlich seinem Tatendrang nach, packte seine wenigen Sachen und marschierte vorsichtig über das Eis in Richtung Baltimore. Der Marsch war nicht ungefährlich, da das Eis an einigen Stellen brüchig war. Er folgte daher den Spuren der Wagemutigen, die vor ihm aufgebrochen waren, und erreichte so unversehrt das Land. Durch diese riskante Wanderung kam Astor mehrere Tage vor den restlichen Passagieren der North Carolina am 24. März des Jahres 1784 in der Neuen Welt an.

In Baltimore streifte er durch die Stadt und sah sich den fremden Hafen an. Als er sich auf der Market Street nach einer Übernachtungsmöglichkeit umsah, trat ein kleiner, dicker Mann aus seinem Laden und sprach ihn an. Der Fremde hatte Astors deutschen Akzent bemerkt. Er stellte sich ihm als Schweizer mit Namen Nicolaus Tuschdy vor und war vor wenigen Jahren selbst nach Nordamerika ausgewandert. Beide waren sich auf Anhieb sympathisch, und so lud Tuschdy John Jacob Astor zum Abendessen ein. Astor freute sich über diese Einladung. Sein erster Tag in Nordamerika schien einfacher zu verlaufen, als er erwartet hatte. Tuschdy brachte Astor zu sich nach Hause, wo er den jungen Einwanderer mit seiner Frau bekannt machte. Während des Essens schlug er dem freudig überraschten Astor vor, solange er in Baltimore bliebe, könne er seine Musikinstrumente in Tuschdys Laden zum Verkauf anbieten, ohne dass er dafür eine Kommission zahlen müsse, und er könne bei den Tuschdys wohnen. Dieses überaus freundliche Angebot konnte Astor nicht ablehnen. In den drei Wochen, die Astor bei Tuschdy blieb, gelang es ihm, alle seine Instrumente zu verkaufen, um sich damit die Weiterreise nach New York zu finanzieren. Mitte April 1784 konnte er schließlich in Richtung New York aufbrechen.

John Jacob Astor

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