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Der Entschluss zur Auswanderung

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Johann Jacob Astors Entscheidung, seine Heimat zu verlassen war weder religiös noch politisch motiviert, er wollte in erster Linie seine eigene Lebenssituation verbessern und dem Leben in Armut entkommen. Auch die familiäre Situation spielte dabei wohl eine bedeutende Rolle. Nach dem frühen Tod seiner Mutter fehlte ihm die Bindung an die leibliche Mutter. Christina Barbara, die zweite Frau seines Vaters, konnte diesen Verlust nie auffangen. Schließlich beeinflusste ihn sicher die Auswanderung seiner Brüder. Einerseits hatte er weitere, ihm nahe stehende Menschen verloren. Andererseits zeigten sie ihm, dass es nicht unmöglich war, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Besonders die Briefe seines Bruders Heinrich vermittelten ihm ein Bild aus der Neuen Welt, das seine Hoffnungen und Erwartungen weckte. Der junge Astor wollte nicht so werden wie sein Vater, der mürrisch und verärgert auf den Fortgang seiner Söhne reagiert hatte und nicht zuletzt durch den Tod seiner ersten Frau zu einem rauen, schweigsamen Mann geworden war, der die Freude am Leben verloren zu haben schien. Häufig hielt er sich bis spät in die Nacht in einem der Walldorfer Wirtshäuser auf und suchte dort nach Ablenkung.

Zu Astors zerrütteter Familiensituation kam hinzu, dass er nach seiner Konfirmation weder Ziele hatte, noch Perspektiven für sich sah. In Walldorf würde sich für ihn nichts ändern. Er musste fort von hier. Die Briefe seiner beiden Brüder aus der neuen, weiten Welt weckten in ihm Neugierde und Spannung. Heinrich berichtete von dem aufregenden Kriegsgeschehen in Nordamerika. Schließlich erreichte die Familie ein Brief, in dem Heinrich schrieb, dass er sich von den britischen Soldaten gelöst und in New York niedergelassen hatte. Johann Jacob atmete auf, als er dies las. Sein Bruder befand sich nicht mehr im Kampf. Der andere Bruder, Georg, schrieb von der blühenden Wirtschaftsmetropole London, der größten Stadt dieser Zeit, und von seinen Erfolgen als Instrumentenbauer. Ihren Briefen zufolge ging es den beiden Brüdern nach ihrer Auswanderung erheblich besser als zuvor. Vor allem Heinrichs Berichte von den politischen Ereignissen der Amerikanischen Revolution und den neuen Ideen der Unabhängigkeitsbewegung interessierten Johann Jacob sehr. Vor einem Jahr hatten sich die ehemals nordamerikanischen Kolonien für unabhängig erklärt und wurden zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Von da an war jeder Bewohner dieser Staaten seines eigenen Glückes Schmied.

Die Briefe aus der Ferne hielten Astor vor Augen, dass dort die große Chance auf eine bessere Zukunft auf ihn wartete. Eines Tages schlug Georg vor, dass Johann Jacob zu ihm nach London kommen, das Handwerk des Instrumentenbauers lernen und ihm beim Instrumentenbau helfen könnte. In mehreren Briefen versicherte Georg seinem Vater, dass dies der richtige Schritt für den jüngeren Bruder sei, die Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten in London wären um so vieles besser als in Walldorf. Doch Vater Astor wollte der Auswanderung seines Sohnes nicht zustimmen. Nachdem drei seiner Söhne das Haus verlassen hatten, sollte der jüngste bei ihm bleiben, um ihm zur Hand zu gehen. Die Kinder aus der zweiten Ehe waren noch zu klein, um ihm zu helfen.

Aus seiner Schulzeit wusste Johann Jacob, dass er mit seinen Ideen und Sorgen immer zu seinen Lehrern Jeune und Steiner kommen konnte. Er erzählte ihnen von seinem Vorhaben und bat sie, mit seinem Vater zu sprechen. Beide erklärten sich gerne dazu bereit. Sie waren davon überzeugt, dass der junge Astor auswandern sollte und dass er in der Lage sei, diese Chance für sich zu nutzen. Gemeinsam überzeugten sie den Vater, der schließlich einwilligte. Johann Jacob sollte zu Georg nach London gehen, dort die englische Sprache erlernen und zum Instrumentenbauer ausgebildet werden. Ob er anschließend zu Heinrich weiterziehen würde, blieb offen. Noch tobte der Unabhängigkeitskrieg in Nordamerika. Johann Jacob aber war von dem Gedanken der Gleichheit der Menschen in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung fasziniert. Die Ideen der persönlichen und politischen Freiheit und der Gleichheit der Bewohner waren etwas, das er weder in Walldorf noch im Europa jener Zeit finden würde. Sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten zu können, dafür sah er in den Vereinigten Staaten eine reale Chance.

Den amerikanischen Zeitungen, die im März 1848 über Astors Tod berichteten, ist zu entnehmen, dass Astor 1780 Walldorf verlassen haben soll. Nur mit einem Bündel Kleider und ein paar Münzen in der Tasche nahm Johann Jacob Abschied von seiner Familie und seinen Freunden, die ihn unter Tränen bis an den Ortsrand Walldorfs begleiteten. Er holte tief Luft, sah noch einmal in die vertrauten Gesichter, bevor er sich umdrehte und fortzog. Während sich Astor vom Dorf entfernte und allmählich am Horizont verschwand, wandte sich Jeune an die kleine Gruppe mit den tröstenden Worten: „Er wird seinen Weg durch die Welt machen. Er hat einen klaren Verstand und ist nicht mehr grün hinter den Ohren.“ Nach dem tränenreichen Abschied von der ihm bekannten Welt wanderte Astor zunächst die wenigen Kilometer in Richtung Rhein, hielt aber noch einmal in Sichtweite seines Heimatdorfes auf einer kleinen Sanddüne in der Nähe des Nachbarortes Sandhausen an und setzte sich unter einen Baum. Der Abschied und die Tränen der Freunde hatten ihn berührt. Würde er sein Glück wirklich in der Ferne finden? Doch sein Entschluss stand fest. Er ließ seine Gedanken schweifen, richtete sie auf seine Zukunft und die Reise nach London. Nach einer Weile stand er auf und schwor sich in Gedanken an seinen Lehrer Jeune, „immer ehrlich zu sein, immer eifrig zu sein und nicht verschwenderisch zu leben“. Ein letztes Mal blickte er auf Walldorf und beschloss, die Armut seiner Jugend für immer hinter sich zu lassen.

John Jacob Astor

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