Читать книгу Gute Welt, böse Welt - Andie Cloutier - Страница 2

Prolog

Оглавление

Die kleine Marmorstatue stand mit hoch erhobenem Haupt auf einem Sideboard. Das Chiton reichte ihr bis zu den Sandalen, aus denen ihre Miniaturzehen heraus blitzten. In der rechten Hand hielt sie eine Lanze, die Finger ihrer linken Hand schlossen sich fest um ein Schild. Ihren Kopf zierte ein Helm aus dessen Mitte sich eine Sphinx erhob. Stolz überblickte die knapp 30 Zentimeter große Statue den hell erleuchteten Hausflur. Ihre winzigen Augen schienen die Eingangstür geradezu zu fixieren. Die Stille des Flures wurde jäh von schweren Atemzügen unterbrochen. Nur zögernd ließ eine Hand von dem dunklen Holz eines Türrahmens ab. Mit kraftlosem Schritt stolperte ein Mann in den Flur. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, unschlüssig darüber, ob sie bereits schwer genug waren, um der Erdanziehung nachzugeben oder ob sie sich noch etwas weiter sammeln sollten. Panisch schauten die Augen des Mannes zurück. Gehetzt wollten sie wissen, wie dicht der Verfolger ihm auf den Fersen war. Die Glühbirnen der alten Messingwandlampen weckten die goldenen Rocaille-Motive an der cremeweißen Wand förmlich zum Leben. Sie schlängelten sich zu einem bizarren Tanz im Takt seines Herzens. Seine linke Hand fasste sich an den plötzlich schmerzenden Brustkorb. Sein Atem ging schnell und flach. Der Druck auf seiner Brust machte ein tiefes Durchatmen unmöglich. Nach Halt suchend, stützte sich seine rechte Hand auf den rötlich gemaserten Marmor der Anrichte des Sideboards. Erneut sah er hinter sich. Kam es näher? Ja, er konnte es hören. Dieses Geräusch, das in seine Nervenbahnen eindrang, sich durch seinen gesamten Körper bahnte und tief in sein Gehirn fraß. Vereinzelte Tropfen auf seiner Stirn waren zu einem Entschluss gekommen. Losgelöst von der kalten, nassen Haut stürzten sie dem Boden entgegen. Jeder Atemzug intensivierte den Schmerz in seiner Brust. Er konnte das nicht länger ertragen. Die ständige Furcht in ihm und nun diese furchtbaren Schmerzen in seiner Brust. Es war zu viel. Seine Hand glitt von dem glatten, kühlen Marmor und stieß gegen die kleine, stolze Statue. Die Geräusche verstummten endlich. Der Schmerz war nur noch eine kurze Erinnerung, als er zu Boden sank und alles Leben seinem Körper entwich. Die kleine Statue fiel von der Anrichte, vorbei an den Türen des aus Palisander mit Wurzelholzfurnier bestehenden Sideboards, auf den Boden. Die Wucht des Aufpralls ließ das Holz des Parketts zersplittern, als sich der Helm der griechischen Göttin Athene unweit des Mannes in das Parkett bohrte. Ein dunkler Schatten glitt über den leblosen Körper hinweg der Haustür entgegen. Bevor der Schatten die Tür erreichte, verschwand er plötzlich. Eine Staubwolke rieselte zu Boden. Wie von einem unsichtbaren Sauger angezogen, setzten sich die kleinen Körnchen in Bewegung bis sie durch eine offene Tür aus dem Blickfeld der kleinen Statue verschwanden.

Gute Welt, böse Welt

Подняться наверх