Читать книгу Gute Welt, böse Welt - Andie Cloutier - Страница 3

1.Kapitel

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In der dunklen Pfütze auf dem Asphalt spiegelte sich das rhythmische Aufleuchten eines orangefarbenen Warnlichts verschwommen wieder. Die stetig einprasselnden Regentropfen verhinderten ein klares Spiegelbild des Warnlichts der Ampelanlage. Ein alter, brauner Herrenstiefel landete inmitten der Pfütze, verdrängte das Wasser und ließ es zu allen Seiten aufspritzen. Im Schein der im Wind schwankenden Straßenlaterne war zu sehen, wie sich die Hose des Mannes fest an die Beine presste. Große, eisige Tropfen trafen auf einen grauen Parka. Die durchsickernde Nässe verfärbte ihn dunkelgrau, fast schwarz. Mit dem Gesicht tief unter der Kapuze verborgen eilte der Mann an diesem späten, unfreundlichen Herbstabend über eine verlassene Kreuzung. Ihm machten weder der Wind noch der Regen etwas aus. Das waren kleine Nichtigkeiten. Er war auf einer wichtigen Mission, musste einen einsamen Kampf gegen Ungerechtigkeit ausfechten. Der Gedanke daran spornte seinen Zorn an, erhitzte seinen Körper. Warum verdampfte der Regen nicht, sobald er ihn berührte? Das wunderte ihn zwar, hielt ihn jedoch nicht auf. Zielsicher öffnete er die unverschlossene Eingangstür eines mehrstöckigen Gebäudes. Er passierte den Aufzug ohne jegliches Interesse daran und stieß die Tür zum Treppenhaus auf.

Hinter einem Fenster, einige Stockwerke oberhalb der ungemütlichen Kreuzung, war es bedeutend freundlicher. Das regelmäßige Ticken der großen Standuhr bildete ein beruhigendes Hintergrundgeräusch in einem ansonsten stillen, fast menschenleeren Empfangsbereich. Gegenüber der Standuhr, die neben den Sesseln des Sitzbereichs thronte, befand sich die Anmeldung. Hinter der aus exquisitem, dunklem Holz bestehenden Theke fuhr eine kurzhaarige, brünette Frau einen Computer herunter. Während das leise Summen erlosch, drückte einer ihrer sorgfältig manikürten Finger eine Taste der Gegensprechanlage. „Rebecca, ich habe deinen Terminplan für morgen aktualisiert. Wenn du mich heute nicht mehr benötigst, mache ich jetzt Feierabend.“

Eine weibliche Stimme erklang aus dem Lautsprecher der Anlage. „Vielen Dank, Natascha. Wir sehen uns morgen.“

Natascha stand auf und verschwand hinter der, in einem warmen Gelbton gestrichenen Wand, in einem Nebenraum. Ihr Finger lag bereits auf dem Schalter des Kaffeeautomaten. Sie sah auf ihre Armbanduhr und ließ den Automaten an. Aus einem schmalen Schrank einer Nische nahm sie ihren Mantel. Nachdem sie den Sitz ihrer perlweißen Bluse überprüft hatte, zog sie sich ihren Mantel über und holte ihre Handtasche aus dem Schrank.

Der dicke Teppich verschluckte die Trittgeräusche ihrer Schuhe, als sie nun zur Tür schritt. Erst im Flur machten ihre Schuhe klick, klack, klick, klack, während sie in Richtung Fahrstuhl ging. Sie betätigte den Knopf und wartete auf die Ankunft des Lifts.

Nach nur wenigen Augenblicken glitt die Tür auf und gab die Sicht auf zwei Männer in blauen Arbeitsanzügen frei. Mitsamt einem Putzwagen und einem Staubsauger verließen die beiden Männer den Aufzug. Ein batteriebetriebenes Radio stand ganz oben auf dem Putzwagen, übertrug live ein Fußballspiel und beendete die Ruhe auf dieser Etage.

„So früh schon Feierabend, Natascha?“ erkundigte sich einer der beiden Männer und lächelte sie schelmisch an.

Sie erwiderte sein Lächeln. „Ja, Manny. Ausnahmsweise mache ich mal richtig früh Feierabend. Ich habe die Kaffeemaschine für euch angelassen.“

Manny umarmte sie spontan. „Du bist ein Engel. Ich wünsche dir einen wunderbaren Feierabend.“

„Den wünsche ich euch beiden auch.“ Sie betrat die Kabine, drückte die EG-Taste und schenkte den beiden ein letztes Lächeln, bevor sich die Kabinentür schloss.

Natascha mochte die beiden. Sie trafen regelmäßig aufeinander, wenn Natascha Feierabend machte und die beiden Männer mit ihrer Arbeit auf dieser Etage begannen. Für Natascha war es mittlerweile ein Ritual den Kaffeevollautomaten anzulassen, damit sich die beiden mit einer Tasse Kaffee stärken konnten.

Unnachgiebig drängte der Wind die Regentropfen gegen das Fenster. Sie barsten an der Scheibe, rannen in kleinen Sturzbächen hinab in die Tiefe. Schräg rechts hinter dem Fenster saß Dr. Rebecca Brandt an ihrem Schreibtisch und schaltete ihren PC aus. Sie dehnte ihren Hals langsam von einer Seite zur anderen. Ihre verspannten Muskeln sehnten sich nach einer Massage. Doch ein Blick auf ihre Armbanduhr bestätigte ihre Befürchtung: dafür war es heute zu spät. An diesem Abend bekam sie keinen Termin mehr. Ihre Muskeln mussten noch etwas länger mit der Verspannung zurechtkommen. Sie löste ihre zu einem Knoten gebundenen, dunklen Haare, die ihr umgehend bis weit über die Schultern fielen und starrte zu dem Fenster. Hinter ihr lag ein langer Tag. Es war jedes Jahr das Gleiche. Zu dieser Jahreszeit bekam sie regen Zulauf von Patienten mit Winterdepressionen. Was bei einem Herbsttief wie diesem nicht weiter verwunderlich war. Die Aussicht dort hinaus, in den vom Wind getriebenen regelrecht peitschenden Regen zu müssen, war wenig verlockend. Rebecca entglitt ein Seufzen. Etwas lenkte ihre Aufmerksamkeit zur Tür. Ein unerwarteter Gast hatte wortlos ihr Sprechzimmer betreten. Am Saum seines völlig durchnässten, grauen Parkas bildeten sich dicke Tropfen, die schwer zu Boden fielen.

„Die Sprechzeiten sind heute leider vorbei. Vereinbaren Sie doch bitte morgen früh einen Termin“, teilte Rebecca ihrem späten Gast mit.

„Es ist Ihre Schuld!“ fuhr der Mann sie an und zog seine rechte Hand aus der Tasche seines Parkas. Zum Vorschein kam eine Pistole, deren Mündung er jetzt auf Rebecca richtete. Mit der freien Hand schob er sich die Kapuze vom Kopf. Trotz ihres heftig schlagenden Herzens versuchte Rebecca ruhig zu bleiben und sich auf ihn zu konzentrieren. Er war von Leid gezeichnet, stellte sie fest. Die Haut um seine Augen und um seinen Mund hatte tiefe Furchen, wirkte regelrecht grau. Sein ungepflegtes Haar mochte einst dunkel gewesen sein, doch davon zeugten nur noch wenige Strähnen, die an der Masse an Grau herausstachen. Rebecca kannte den Mann nicht. Er war nicht ihr Patient. Ungeachtet der Pistole versuchte sie ganz ruhig sitzen zu bleiben und beobachtete ihn weiter. Es fiel ihr sehr schwer Ruhe zu bewahren. Alles in ihr wollte instinktiv fliehen und sich der Gefahr entziehen. Aber vielleicht schoss er, sobald sie versuchte zu fliehen. Sie hatte keine Wahl und musste ruhig bleiben. Auf keinen Fall durfte sie den Mann provozieren. Das könnte schlimme Folgen für sie haben. Sie durfte auch nicht in Panik geraten. Also blieb sie weiter sitzen und betrachtete den Mann. Er beschaffte sich mit Hilfe einer Waffe eine Dominanz, zu der er sonst wahrscheinlich nicht fähig war. Es wäre unklug, wenn nicht sogar fatal, diese momentane Dominanz zu ignorieren oder in Frage zu stellen. Aber ein zu defensives Verhalten erschien Rebecca auch nicht passend. Mit Geiselnahmen hatte sie keinerlei Erfahrungen.

„Der Abschaum hat mein kleines Mädchen ermordet und Sie lassen ihn nach nur drei Jahren aus dem Gefängnis raus?“ Speichel flog aus seinem Mund während er sprach, die Worte förmlich ausspie.

Jetzt wusste Rebecca, wen sie vor sich hatte. Es musste Ulrich Pauly sein. Vor drei Jahren war Natalie Pauly, ein vierzehnjähriger Teenager von einem Auto angefahren und tödlich verletzt worden. Der Unfallverursacher hatte damals Fahrerflucht begangen. Es hatte sich herausgestellt, dass er zum Unfallzeitpunkt stark alkoholisiert war und keine Fahrerlaubnis besaß. Die hatte er bereits Monate zuvor wegen Trunkenheit am Steuer bei der Polizei abgeben müssen. Zum damaligen Zeitpunkt handelte es sich um einen unverbesserlichen Trinker und Autofahrer, der eine dreijährige Haftstrafe absitzen musste. In den letzten zwei Jahren hatte Rebecca einige Gespräche mit ihm geführt. Dem Mann setzte der von ihm verursachte Unfall und ganz besonders der Tod des Mädchens sehr zu.

„Laut unserem Rechtssystem hat der Mann ausreichend für seine Tat gebüßt“, versuchte sie Ulrich Pauly die Situation zu erklären. Sie ahnte, wie wenig sie ihn damit überzeugen konnte. Der Mann hatte schließlich seine Tochter verloren.

Er verzog angewidert sein Gesicht. Die Furchen um seinen Mund vertieften sich zu Schluchten. „Meine kleine Natalie ist tot. Nicht bloß für drei Jahre Sie ist für immer tot. Wie können da drei Jahre Gefängnis gerecht sein?“

Das konnte Rebecca ihm nicht beantworten. Sie machte die Gesetze nicht. Langsam stand sie auf, schob ihre Schultern zurück und richtete ihre Handflächen nach oben. Mit kleinen Schritten näherte sie sich Pauly. Der Mann war so aufgebracht, so wütend. Aber er war kein Mörder. Das konnte sie erkennen. Seine Hände zitterten, schienen das Gewicht der Pistole kaum halten zu können, obwohl er sie mittlerweile mit beiden Händen hielt. In seinen Augen fand sie keine Mordlust, nur Schmerz und Verzweiflung.

„Bleiben Sie stehen!“ schrie er sie an.

Rebecca ignorierte den Befehl. Sie musste irgendwie zu ihm durchdringen. Ihn beruhigen und dazu bringen, die Waffe zu senken. Oder besser noch, sie ganz aus den Händen zu legen. „Lassen Sie uns in Ruhe darüber reden, Herr Pauly.“ Sie war in seiner Reichweite angekommen. Wenn sie ihren Arm etwas mehr streckte, konnte sie die Pistole berühren.

„In aller Ruhe darüber reden?“

Tropfen seines Speichels trafen ihr Gesicht. Sie widerstand dem Bedürfnis sich mit der Hand durch das Gesicht zu streichen, um die Tropfen wegzuwischen. Sie sah noch, wie er eine Hand von der Waffe löste und ausholte. Diese plötzliche Bewegung konnte sie nicht einordnen. Erst als sie seine Hand auf ihrer Wange aufschlagen spürte, realisierte sie was geschah. Die Wucht des Schlags war heftig. Rebecca taumelte zurück, stürzte zu Boden. Ein metallischer Geschmack erfüllte ihren Mund.

Manny packte den Papierkorb und beförderte den Inhalt schwungvoll in einen großen, am Putzwagen befestigten Plastiksack. Frustriert verfolgte er die Berichterstattung des Fußballspiels im Radio. Für seine Lieblingsmannschaft lief es alles andere als gut. Er stellte den Korb wieder auf seinen Platz und warf einen Blick rüber zu seinem Kollegen und Nachbarn Till, der gerade einen Schreibtisch abwischte. Till hatte ihm diesen Job besorgt. Dafür war Manny ihm sehr dankbar, obwohl er den Reinigungsjob nicht wirklich mochte. Genau genommen verabscheute er diese Aufgabe sogar. Es war eine mühsame, anstrengende Arbeit, besonders wenn man vorher bereits neun Stunden lang in einer Fabrik geschuftet hatte. Aber Manny brauchte das Geld. Auch wenn aus dem angeblichen Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde tatsächlich nur vier Euro herauskamen. Der Eigentümer der Reinigungsfirma kannte die Schlupflöcher des Systems zur Genüge, um weiterhin beim Personal sparen zu können. Dennoch blieb Manny nichts anderes übrig, als für den Halsabschneider zu arbeiten. Erika, seine seit nunmehr fünfunddreißig Jahren geliebte Ehefrau, und wer schaffte es heutzutage noch so viele Jahre mit ein und demselben Partner zu verbringen, war krank. Die Zuzahlungen zu ihren Behandlungen und die benötigten Medikamente fraßen gewaltige Löcher in ihr ohnehin kleines Haushaltsbudget. Seit ihr Sohn vor Jahren eine Stelle als Lastwagenfahrer in Kanada angenommen hatte, waren er und Erika alleine. Mittlerweile war ihr einziges Kind verheiratet und sogar selbst Vater von zwei Kindern. Manny und Erika kannten ihre Schwiegertochter und ihre Enkel nur über das Internet. Kleine Kameras übertrugen ihre Gespräche live, so dass sie nicht nur miteinander sprechen, sondern sich auch gleichzeitig sehen konnten. Till hatte ihnen mit diesem technischen Kram geholfen. Er war in solchen Dingen versierter als Manny. Und so war es ihnen wenigstens möglich, ihren Sohn und seine Familie einmal in der Woche auf einem Bildschirm zu sehen. Leider reichte das Geld seit drei Monaten nicht mehr, um die Telefonrechnung zu bezahlen. Den Anbieter interessierte ihre Lebensumstände nicht. Ohne Rechnungsbegleichung kein Service, teilte ihm die Dame, mit der er von Tills Telefon ausgesprochen hatte, mit. Seitdem gingen Manny und Erika jeden Samstagabend hinüber zu Till, um dessen Computer zu benutzen. Manny war Till für viele Dinge dankbar. Er wusste nicht, was er ohne Till machen sollte. Till war ein wahrer Freund und mit Sicherheit der beste Nachbar überhaupt auf diesem Planeten. Dennoch musste endlich das Geld her, um die Telefonrechnung zu bezahlen, denn Erika fielen selbst die wenigen Schritte hinüber ins Nachbarhaus zunehmend schwerer. Manny schob den Putzwagen zurück auf den Gang. Bis zur nächsten Station, der Praxis von Dr. Brandt, waren es nur wenige Meter. Manny freute sich schon auf eine Tasse heißen Kaffee. Natascha, die Sprechstundenhilfe von Dr. Brandt, war ein wahrer Engel. Sie ließ die Kaffeemaschine extra für ihn und Till an.

„Tor! Tor! Tor!“ rief Till hinter ihm enthusiastisch.

Manny teilte Tills Enthusiasmus nur bedingt. Ihre Mannschaft hatte bisher ein einziges Tor geschossen. Es war bereits die 72. Spielminute und sie brauchten noch sage und schreibe drei weitere Tore, um das Ruder herum zu reißen. Und das nur vorausgesetzt, die gegnerische Mannschaft blieb selbst torlos. Manny drückte die Türklinke zur Praxis herunter und schob den Wagen ein Stück weit hinein. Durch den Empfangsbereich konnte er die weit geöffnete Tür zu Dr. Brandts Sprechzimmer gut sehen. Ebenso den Mann und die Waffe in dessen Hand. In Mannys Ohren klang der Knall ohrenbetäubend. Hoffentlich kommt unser Junge nach Hause und steht Erika bei, dachte Manny noch. Da bohrte sich die Kugel schon in seinen Oberkörper und durchschlug sein Herz. Manny sackte zusammen und fiel Till direkt vor die Füße. Ein einzelner Tropfen Blut verirrte sich auf den Schriftzug an der Praxistür, machte aus dem Punkt hinter dem Doktor einen bizarren Doppelpunkt.

Der Rückstoß traf Ulrich Pauly völlig unerwartet. Seine Hand schleuderte schwungvoll zurück, wurde von seiner Stirn abrupt abgebremst. Für einen Augenblick sah er Sterne, als das Metall in seiner Hand auf seinen Kopf traf. Schmerz breitete sich in seinem Kopf aus. Er begriff nicht, was soeben geschehen war. Ulrich hatte diesem Monster, das die Seite von Natalies Mörder ergriffen hatte, einen Schlag mit der Hand verpasst. Auch wenn es seiner Erziehung völlig widersprach eine Frau zu schlagen, die Strafe hatte sie sich verdient! Sie war ein Monster und sie hörte nicht auf ihn. Er hatte sie doch davor gewarnt sich ihm zu nähern. Ulrichs Blick klärte sich allmählich. In der nun offenen Praxistür lag ein Mann. Er erinnerte sich an eine Bewegung, die er im Augenwinkel wahrgenommen hatte, als seine Hand das Gesicht des Monsters traf. Wie ferngesteuert hatte sich die Waffe in seine Blickrichtung gedreht. Erschrocken über den plötzlich auftauchenden Mann, war Ulrich zusammengezuckt. Dabei musste sich der Schuss gelöst haben. Ulrich zitterte am ganzen Körper. Das hatte er nicht gewollt. Die Pistole sollte lediglich seiner Forderung nach Gerechtigkeit mehr Ausdruck verleihen. Sie sollte niemanden verletzen! Schließlich war er doch kein Monster! Und dennoch lag dort hinten dieser Mann, auf den er geschossen hatte. Das konnte nicht sein! Ulrich war kein Mörder! Er war nicht wie dieser unbelehrbare, betrunkene Autofahrer, der seinem kleinen Mädchen das Leben genommen hatte. So war er nicht! Die Gestalt seiner Tochter tauchte neben dem am Boden liegenden Mann auf. „Natalie“, schluchzte Ulrich, glücklich darüber, seine geliebte Tochter endlich wieder zu sehen. Sie schaute von dem am Boden liegenden Mann zu ihm auf. Mit vorwurfsvoller, geradezu enttäuschter Miene starrte sie Ulrich an.

Der laute Schuss lichtete endlich den Nebel, der Rebecca seit dem heftigen Schlag umgab. Ihre Sinne kehrten zurück und sie sah zu dem Schützen auf. Offenbar stand Pauly unter Schock. Mit weit aufgerissenen Augen stierte er zu der Eingangstür der Praxis auf der anderen Seite des Vorzimmers. Rebecca nutzte die sich ihr bietende Gelegenheit. Schnell richtete sie sich auf. Etwas zu schnell, aber den Schwindel der sie erfasste, ignorierte sie. Rebecca versuchte die Waffe Paulys Hand zu entreißen. Unter normalen Umständen wäre sie zu solch einer Tat nicht fähig. Derartige Aktionen waren lebensgefährlich. Aber unter normalen Umständen gab es auch keine auf sie gerichteten Waffen. Sie hatte keine andere Wahl. Sie musste etwas unternehmen. Er hatte bereits geschossen. Sie wusste nicht warum. Wie hatte sie ihn bloß derartig falsch einschätzen können? Seine Wut und seine Verzweiflung so unterschätzt? Sie musste die Pistole in ihren Besitz bekommen, bevor er erneut schießen konnte. Erst dann war sie sicher. Auf keinen Fall wollte sie von ihm erschossen werden. Pauly leistete trotz seines Schocks erhebliche Gegenwehr. Er war nicht bereit ihr die Waffe zu überlassen. Sie rangen darum. Der Lauf der Pistole richtete sich zwischen ihren Körpern nach oben. Dann durchdrang erneut ein ohrenbetäubender Knall die Praxisräume. Rebecca wartete auf den einsetzenden Schmerz, der einem Einschlag in ihren Körper unweigerlich folgen musste. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen klappte Pauly direkt vor ihr zusammen, schlug hart mit dem Rücken auf dem Boden auf. Rebeccas Magen rebellierte, als sie das von der Kugel zerfetzte Gesicht Paulys sah. Der dicke, hellgraue Teppich unter ihm sog die rote Flüssigkeit begierig auf.

Gute Welt, böse Welt

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