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1.5 Steuerungskonzepte erster Ordnung

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Steuerungskonzepte erster Ordnung organisieren in der Regel die tägliche Praxis und konkrete Herangehensweisen. Fragestellungen von Klienten in spezifischen Praxisbereichen (z. B. Lebensberatung, Coaching, Teamentwicklung, Organisationsentwicklung) werden von Beratern mit einem Repertoire an geläufigen Verständnissen und Vorgehensweisen angegangen, unabhängig davon, ob sie als Praktiker das dahinter stehende Konzept theoretisch erklären und die angewandte Methodik entsprechend begründen können oder nicht.

Fragt jemand gewohnheitsmäßig danach, wie und wann sich die vom Klienten benannte »Depression« zeigt, verweist dies z. B. auf das Konzept, sich nicht mit den Etiketten der Klienten zufriedenzugeben, sondern konkrete Beschreibungen zu erfragen, damit man sich selbst ein Bild machen kann. Wird dann nachgefragt, unter welchen Umständen dieses »depressiv« genannte Verhalten und Erleben auftritt, was es verstärkt und was es mindert, welche beeinflussbaren Faktoren dazu beitragen, dann steckt darin das Konzept, dass Kontexte wichtig sind und dass Veränderungen möglich, vielleicht sogar vom Klienten steuerbar sind. Fragt jemand nach den Beziehungswirkungen und ihren Folgen, dann aktiviert er ein Verständnis von Depression als Beziehungsverhalten, fragt jemand nach Schlafverhalten oder Nahrungsgewohnheiten, dann aktiviert er ein eher biologisches Verständnis und dazu bekannte Erkenntnisse. Arbeitet ein Berater mit einer Mehrstuhltechnik und Persönlichkeitsanteilen, die auf mehrere Stühle verteilt sind, dann stellt er Depression in den Zusammenhang interner Dialoge.

Varianten dieser Art gibt es unendlich viele. Sie werden über die Wahl von Gesprächstechniken, Settings, Ablaufritualen, Einbeziehung von Umständen und anderen Personen implizit definiert. Dies gilt auch für gewohnheitsmäßig fokussierte Persönlichkeitsdimensionen, Arbeitsebenen, private, professionelle oder organisationale Bezüge. Dabei sind im Beipack vielerlei implizite Definitionen gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst enthalten. Die Metapher hierzu ist z. B. die Beleuchtung eines Gegenstandes: Je nachdem, welche Scheinwerfer wir wie aufstellen, um ihn zu beleuchten, erscheint er auf ganz unterschiedliche Weise. Perspektiven, die in den Steuerungskonzepten benannt werden, entsprechen Scheinwerfern, in deren Licht sich die Wirklichkeit des Klienten und die der Beratung darstellen. Die Fokussierung auf Steuerungskonzepte macht wachsam dafür, welche Beleuchtungen uns zur Gewohnheit geworden sind. Stehen dazu Alternativen zur Verfügung, erscheint vieles dann auch in anderem Licht.

Steuerungskonzepte erster Ordnung bieten einen Überblick über solche unterschiedlichen Fokussierungen an und helfen somit dem Berater, seine gewohnheitsmäßigen Vorgehensweisen zu sichten und sein Repertoire auszubauen. Indem sich der Berater mehr Fokussierungsmöglichkeiten bewusst macht, kann er die für die jeweilige Beratungssituation ihm am passendsten und sinnvollsten erscheinende Fokussierung auswählen. Steuerungskonzepte erweitern somit gewohnheitsmäßige Vorgehensweisen um weitere, sonst übersehene Möglichkeiten und helfen dem Berater, über die Auswahl seiner Fokussierungen nachzudenken.

Die Selbststeuerungskonzepte erster Ordnung hier beziehen sich einerseits auf den Einsatz systemischer Methoden (siehe Kap. 2), andererseits auf feldspezifische Betrachtungen (siehe Kap. 3).

Einführung in systemische Konzepte der Selbststeuerung

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