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ICF und das bio-psycho-soziale Modell der WHO

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Während die ICD-10 einen ätiologischen Rahmen für die Beschreibungen von Gesundheitsproblemen (Krankheiten, Störungen) liefert, werden Funktionsfähigkeit und Behinderung, die mit einem Gesundheitsproblem verbunden sind, in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, kurz: ICF, klassifiziert (WHO, 2001; WHO, 2007).

Diese beiden Klassifikationen, ICD und ICF, sind also komplementär und sollten gemeinsam genutzt werden. Das alleinige Benennen der Diagnose sowie die Beschreibung von Struktur- und Funktionsstörungen (mit der ICD) reichen für die Beschreibung einer Entwicklungsstörung bei Kindern oft nicht aus. Mit der ICF steht in der Praxis eine universell anwendbare Klassifikation für Beschreibungen von Gesundheitsproblemen und Behinderung zur Verfügung, die auch die wachstums- und entwicklungsbedingten Veränderungen in der Frühförderung darstellen kann.

Die ICF wurde 2001 von den Mitgliedsstaaten der WHO ratifiziert und gehört zu der »Familie« von Klassifikationen der WHO für die Anwendung auf verschiedene Aspekte der menschlichen Gesundheit. Die ICF-CY als Version für Kinder (Children) und Jugendliche (Youth) wurde 2007 verabschiedet und liegt in der deutschen Übersetzung seit 2011 vor. Besondere Aufmerksamkeit wird in der ICF-CY auf die Lebenswelt (Kontextorientierung) gerichtet:

»Die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen können als eine Abfolge von Systemen verstanden werden, die sie von nächster Nähe bis zur weitesten Distanz umgeben. Jedes unterscheidet sich dabei vom anderen in seinem Einfluss in Abhängigkeit von Alter und Entwicklungsstand des Kindes. Die begrenzte Lebenswelt des Neugeborenen und Kleinkindes spiegelt deren eingeschränkte Mobilität und die Notwendigkeit der Gewährleistung ihrer Sicherheit und Geborgenheit wider. Das junge Kind ist in bedeutender Weise von den Personen in seiner unmittelbaren Umgebung abhängig. Gegenstände für den persönlichen Gebrauch müssen dem Entwicklungsstand der Kinder angepasst sein. Spielsachen und der Zugang zu Gleichaltrigen etwa sind essenzielle Bestandteile bedeutender Lebenssituationen von Kleinkindern« (Hollenweger & Kraus de Camargo, 2011).

Die ICF soll eine gemeinsame und Disziplinen übergreifende Sprache für die Beschreibung von Gesundheitszuständen zur Verfügung stellen, um die Kommunikation zwischen verschiedenen Benutzern, wie Fachleuten aus dem Gesundheitswesen, aus der Pädagogik, aus der Jugend- und Sozialhilfe, Forschern, Politikern und der Öffentlichkeit, einschließlich betroffener Kinder und Jugendlicher mit Behinderungen und deren Angehörigen, zu verbessern. Dabei wird der Fokus bei der Beurteilung des Gesundheitszustandes eines Menschen auf dessen mögliche oder beeinträchtigte Teilhabe (Partizipation) am Leben in der Gemeinschaft und auf mögliche Einschränkungen bzw. Ressourcen im Bereich der Kontextfaktoren gelegt.

Die praktische Bedeutung einer Nutzung der ICF wird auch dadurch deutlich, dass die Terminologie der ICF in der deutschen Sozialgesetzgebung, im Teilhabebericht oder im Bundesteilhabegesetz benutzt wird. In der ICF werden Informationen in zwei Teile gegliedert ( Tab. 7). Der eine Teil befasst sich mit Funktionsfähigkeit und Behinderung. Der andere Teil umfasst die Kontextfaktoren (Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren).

Tab. 7: Darstellung der beiden Teile der ICF mit Komponenten (WHO, 2001)


Teil 1: Funktionsfähigkeit und BehinderungTeil 2: Kontextfaktoren

Entwicklungspädiatrie in der Interdisziplinären Frühförderung

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