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Eröffnung1 Brief, der dazu bewegen soll, Gott zu suchen 1

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… Dass sie wenigstens erkennten, welche die Religion ist, die sie bekämpfen, bevor sie 1 sie bekämpfen. Wenn diese Religion sich rühmte, eine klare Gottesschau zu haben und sie offen und unverschleiert zu besitzen, hieße es sie bekämpfen, wenn man sagte, dass man nichts auf der Welt sehe, das sie mit dieser Augenfälligkeit beweise. Da sie aber im Gegenteil sagt, dass die Menschen sich in der Finsternis und Gottesferne befinden, dass er sich ihrer Erkenntnis verborgen habe, dass dies sogar der Name sei, den er sich in der Heiligen Schrift gebe: DEUS ABSCONDITUS2; und wenn sie doch schließlich daran arbeitet, diese beiden Dinge gleichermaßen zu begründen, nämlich dass Gott in der Kirche fühlbare Zeichen gesetzt hat, um sich denen zu erkennen zu geben, die ihn aufrichtig suchen würden, und sie gleichwohl so bedeckt hält, dass nur diejenigen ihn erblicken werden, die ihn von ganzem Herzen suchen: Welchen Vorteil können sie daraus ziehen, wenn sie in der Nachlässigkeit, mit der sie das Daseinsbekenntnis abgeben, die Wahrheit zu suchen, ausrufen, dass nichts sie ihnen aufzeige, wo doch diese Dunkelheit, in der sie sich befinden und die sie der Kirche vorwerfen, nichts anderes bewirkt, als eines der Dinge zu begründen, die sie stützt, ohne an das andere zu rühren, und ihre Lehre begründet und weit davon entfernt ist, sie zu zerstören?

Um sie zu bekämpfen, müssten sie ausrufen, dass sie sich alle Mühe gegeben haben, um überall zu suchen, und sogar in dem, was die Kirche zur diesbezüglichen Unterweisung vorschlägt, doch dass sie keine Befriedigung erfahren haben. Wenn sie solchermaßen sprächen, würden sie in Wahrheit einen dieser Ansprüche bekämpfen. Ich aber hoffe, hier zu zeigen, dass kein vernünftiger Mensch so sprechen kann, und wage sogar zu sagen, dass kein Mensch je so sprach. Man weiß zur Genüge, wie diejenigen handeln, die diese Geisteshaltung haben. Sie glauben, große Anstrengungen unternommen zu haben, um sich darin zu unterweisen, wenn sie ein paar Stunden auf die Lektüre irgendeines Buches der Heiligen Schrift verwandt und irgendeinen Kleriker über die Glaubenswahrheiten befragt haben. Hinterher rühmen sie sich, erfolglos in den Büchern und bei den Menschen gesucht zu haben. Ich aber würde ihnen in Wahrheit sagen, was ich schon oft gesagt habe: dass diese Nachlässigkeit unerträglich ist. Es handelt sich hier doch nicht um das unbedeutende Interesse irgendwelcher fremden Personen, dass man derart Gebrauch davon machen könnte. Es handelt sich um uns selbst und um unser Alles.

Die Unsterblichkeit der Seele ist eine Sache, die uns so stark angeht und so tief berührt, dass man jegliches Gefühl verloren haben muss, um dem Wissen, was es mit ihr auf sich hat, gleichgültig gegenüberzustehen. Je nachdem, ob ewige Güter zu erhoffen sind oder nicht, müssen alle unsere Handlungen und Gedanken so unterschiedliche Wege einschlagen, dass es unmöglich ist, einen Schritt mit Sinn und Urteilskraft zu tun, wenn man ihn nicht in Sicht auf diesen Punkt setzt, der unser letztes Ziel sein soll.

Also besteht unser erstes Interesse, unsere erste Pflicht darin, uns über diesen Sachverhalt aufzuklären, von dem unser ganzes Verhalten abhängt. Und darum mache ich unter jenen, die davon nicht überzeugt sind, einen enormen Unterschied zwischen denen, die mit aller Kraft daran arbeiten, sich darin zu unterweisen, und denen, die dahinleben, ohne sich darum zu bemühen und ohne daran zu denken.

Ich kann nur Mitleid mit denjenigen haben, die, in diesem Zweifel befangen, aufrichtig stöhnen, die ihn als das letzte Unglück ansehen und die, indem sie nichts unversucht lassen, um ihn zu überwinden, aus dieser Suche ihre hauptsächliche und ernsthafteste Beschäftigung machen.

Was aber diejenigen anbetrifft, die ihr Leben verbringen, ohne an dieses letzte Ziel des Lebens zu denken, und die es allein aus dem Grund, dass sie die erhellenden Erkenntnisse, die sie davon überzeugen, nicht in sich selbst finden, versäumen, diese anderswo zu suchen und gründlich zu prüfen, ob diese Meinung zu jenen gehört, die das Volk durch leichtgläubige Einfalt annimmt, oder zu jenen, die, wenn sie selbst auch dunkel sind, gleichwohl eine sehr feste und unerschütterliche Grundlage haben: Über diejenigen denke ich ganz anders.

Diese Nachlässigkeit in einer Angelegenheit, bei der es um sie selbst, ihr ewiges Leben, ihr Alles geht, erzürnt mich mehr, als dass sie mein Mitleid hervorruft. Sie verblüfft und entsetzt mich: Für mich ist sie ein Monstrum. Ich sage das nicht aus dem gottesfürchtigen Eifer einer geistigen Frömmigkeit heraus. Ich verstehe es im Gegenteil so, dass man dieses Gefühl aus einem grundsätzlichen menschlichen Interesse und einem Interesse der Eigenliebe heraus haben muss. Hierfür muss man nur sehen, was die am wenigsten aufgeklärten Menschen sehen.

Man braucht keine sehr hochstehende Seele zu haben, um zu verstehen, dass es hienieden keine echte und dauerhafte Zufriedenheit gibt, dass all unsere Freuden nur eitel, dass unsere Leiden unendlich sind, und dass schließlich der Tod, der uns in jedem Augenblick bedroht, uns unfehlbar binnen weniger Jahre in die entsetzliche Notlage bringen muss, auf ewig entweder vernichtet oder unglücklich zu sein.

Nichts ist wirklicher als das, nichts schrecklicher. Mimen wir die Tapferen, so viel wir wollen: Das ist das Ende, das auch das schönste Leben der Welt erwartet. Darüber möge man nachdenken und dann sagen, ob es nicht unzweifelhaft ist, dass es in diesem Leben kein Gut gibt als allein die Hoffnung auf ein anderes Leben, dass man nur in dem Maße glücklich ist, wie man sich diesem annähert, und dass, wie es für jene kein Unglück mehr geben wird, die vollständige Gewissheit über die Ewigkeit hatten, es auch kein Glück für jene geben wird, die davon nicht den Schimmer einer Erkenntnis haben!

Also ist es sicher ein großes Übel, sich in diesem Zweifel zu befinden. Doch ist es zumindest eine unerlässliche Pflicht, zu suchen, wenn man sich in diesem Zweifel befindet. Und so ist jener, der zweifelt und nicht sucht, insgesamt ziemlich unglücklich und ziemlich ungerecht. Wenn er damit ruhig und zufrieden ist, möge er daraus ein Bekenntnis machen und sich schließlich etwas darauf einbilden und aus diesem Zustand den Gegenstand seiner Freude und Eitelkeit machen; mir fehlen die Worte, um ein so prahlerisches Geschöpf zu bezeichnen.

Woher kann man solche Gefühle nehmen? Welchen Grund zur Freude findet man darin, nur noch heilloses Elend zu erwarten? Welchen Grund zur Eitelkeit, sich in undurchdringlichen Dunkelheiten zu sehen, und wie kann es geschehen, dass sich ein solcher Gedankengang in einem vernünftigen Menschen vollzieht?

»Ich weiß nicht, wer mich in die Welt gesetzt hat, noch, was die Welt ist, noch, was ich selbst bin; ich bin schrecklich unwissend in allen Dingen; ich weiß nicht, was mein Körper, meine Sinne, meine Seele und selbst jener Teil meines Ich sind, der denkt, was ich sage, der über alles und über sich selbst nachdenkt und sich nicht mehr als das Übrige erkennt. Ich sehe diese entsetzlichen Weltenräume, die mich einschließen, und finde mich an einen Winkel dieser unermesslichen Weiten gebunden, ohne dass ich weiß, warum ich an diesen und nicht vielmehr an einen anderen Ort gestellt bin und warum die geringe Zeitspanne, die mir zu leben gegeben ist, mir gerade zu diesem und nicht vielmehr zu einem anderen Zeitpunkt der ganzen Ewigkeit, die mir vorausgegangen, und der ganzen Ewigkeit, die auf mich folgt, zugewiesen wird.

Ich sehe von allen Seiten nur Unendlichkeiten, die mich wie ein Atom und wie einen Schatten einschließen, der nur einen unwiederbringlichen Augenblick lang anhält.

Alles, was ich erkenne, ist, dass ich bald sterben muss, aber was ich am wenigsten kenne, ist eben dieser Tod, dem ich nicht auszuweichen wüsste.

Wie ich nicht weiß, woher ich komme, weiß ich auch nicht, wohin ich gehe, und weiß nur, dass ich, wenn ich diese Welt verlasse, für immer entweder ins Nichts oder in die Hände eines erzürnten Gottes falle, ohne zu wissen, welche dieser zwei Lagen mir auf ewig zuteilwerden soll. Jetzt ist mein Zustand voller Schwäche und Ungewissheit. Und aus alledem schließe ich, dass ich alle Tage meines Lebens ohne den Gedanken an die Suche nach dem, was auf mich zukommen soll, verbringen muss. Vielleicht könnte ich einige Aufklärung in meinen Zweifeln finden, doch will ich mir weder Mühe damit geben noch einen Schritt tun, um sie zu suchen. Und später, während ich jene mit Verachtung strafen werde, die sich mit dieser Sorge herumplagen, will ich, ohne vorauszuschauen und ohne mich zu fürchten, ein so großes Ereignis wagen und mich in der Ungewissheit über die Ewigkeit meiner künftigen Lage widerstandslos zum Tode führen lassen.«

Wer wünschte sich einen Menschen zum Freund, der so spricht? Wer würde ihn unter den übrigen auswählen, um ihm seine Angelegenheiten mitzuteilen? Wer würde sich in seiner Betrübnis an ihn wenden?

Und für welchen Gebrauch des Lebens könnte man ihn schließlich ausersehen?

In Wahrheit ist es ruhmreich für die Religion, derart unvernünftige Menschen zu Feinden zu haben (welche Gewissheit sie auch haben mögen, so ist dies doch eher ein Grund zur Verzweiflung als zur Eitelkeit). Und deren Widerstand ist ihr so wenig gefährlich, dass er im Gegenteil der Begründung ihrer Wahrheiten dient. Denn der christliche Glaube geht fast nur dahin, diese zwei Dinge zu begründen: die Verdorbenheit der Natur und die Erlösung durch Jesus Christus. Nun behaupte ich aber, dass, wenn sie auch nicht dazu dienen, die Wahrheit der Erlösung durch die Heiligkeit ihrer Sitten zu beweisen, so doch zumindest dazu, auf bewundernswerte Weise die Verdorbenheit der Natur durch so unnatürliche Gefühle zu beweisen.

Nichts ist für den Menschen so wichtig wie sein Zustand. Nichts ist für ihn so furchterregend wie die Ewigkeit. Dass es Menschen gibt, die dem Verlust ihres Daseins und der Gefahr ewigen Elends gegenüber gleichgültig sind, ist also keineswegs natürlich. Ihre Haltung allen anderen Dingen gegenüber ist eine ganz andere: Sie fürchten selbst die geringfügigsten, sehen sie voraus, fühlen sie, und derselbe Mensch, der so viele Tage und Nächte in Wut und Verzweiflung ob des Verlusts eines Amts oder irgendeiner eingebildeten Verletzung seiner Ehre zubringt, ist gerade jener, der ohne Unruhe und ohne Gefühlsregung weiß, dass er durch den Tod alles verlieren wird. Es ist eine Monstrosität, zu sehen, dass es in demselben Herzen zu gleicher Zeit diese Empfindlichkeit für die kleinsten Dinge und diese sonderbare Unempfindlichkeit für die größten gibt.

Das ist ein unbegreiflicher Zauber und ist eine übernatürliche Betäubung, die Zeichen einer allmächtigen, sie verursachenden Kraft gibt.

In der Natur des Menschen muss eine sonderbare Umkehrung vorliegen, dass er sich dieses Zustandes rühmt, von dem es unglaublich scheint, dass ein einziger Mensch sich darin befinden kann. Indes die Erfahrung gibt sie mir in so großer Zahl zu erkennen, dass dies überraschend wäre, wenn wir nicht wüssten, dass die Mehrheit derer, die darin einstimmen, sich verstellt und in Wirklichkeit nicht so ist. Es sind Leute, die gehört haben, die feinen, weltmännischen Manieren bestünden darin, auf solche Art den Heißsporn zu spielen. Das nennen sie »das Joch abgeschüttelt haben«, und das versuchen sie nachzuahmen. Man könnte ihnen aber unschwer verständlich machen, wie sehr sie sich täuschen, wenn sie dadurch an Achtung zu gewinnen suchen. Mit diesem Mittel erwirbt man sie nicht, selbst nicht, so sage ich, unter den Leuten von Welt, die gesund über die Dinge urteilen und wissen, dass der einzige Weg, hienieden erfolgreich zu sein, darin besteht, ehrenhaft, treu, klug und fähig zu erscheinen, seinem Freund eine nützliche Hilfe zu sein, weil die Menschen von Natur aus nur das lieben, was ihnen nützlich sein kann. Welchen Vorteil hat es nun für uns, einen Menschen sagen zu hören, er habe also das Joch abgeschüttelt, er glaube nicht, dass es einen Gott gebe, der über seine Handlungen wache, er sehe sich selbst als den einzigen Herrn über sein Betragen an und gedenke, nur sich selbst darüber Rechenschaft abzulegen? Meint er, er habe uns dadurch bewogen, nunmehr recht viel Vertrauen in ihn zu haben und von ihm Tröstungen, Ratschläge und Hilfe in allen Nöten des Lebens zu erwarten? Maßen sie sich an, uns hoch erfreut zu haben, wenn sie uns sagen, sie seien der Ansicht, dass unsere Seele nur aus ein wenig Luft und Rauch bestehe, und wenn sie es uns dazu noch in stolzem und zufriedenem Ton sagen? Ist das etwa eine Sache, von der man heiter reden sollte? Oder ist das nicht im Gegenteil etwas, wovon man traurig reden sollte, wie von der traurigsten Sache der Welt?

Wenn sie ernsthaft darüber nachdächten, würden sie erkennen, dass dies so schlecht gewählt, so wider den gesunden Menschenverstand, so gegen die Ehrenhaftigkeit und in jeder Hinsicht so weit von dem feinen Ansehen entfernt ist, dem ihre Suche gilt, dass sie eher fähig wären, jene aufzurichten, die einige Neigung haben mögen, ihnen zu folgen, als sie zu verderben. Und wirklich, lasst sie Rechenschaft über ihre Gefühle und die Gründe ablegen, die sie an der Religion zweifeln lassen: Sie werden euch so unbedeutende und so niedrige Dinge sagen, dass sie euch vom Gegenteil überzeugen werden.

Das war es, was sich jemand eines Tages sehr angelegentlich sein ließ: »Wenn ihr weiterhin so redet«, sagte er zu ihnen, »werdet ihr mich in Wahrheit bekehren.« Und er hatte Recht, denn wer verabscheute es nicht, in sich Gefühle zu entdecken, mit denen man sich in Gesellschaft so verachtenswerter Personen befindet!

Daher wären diejenigen, die diese Gefühle nur vortäuschen, ziemlich unglücklich, würden sie ihrer Natur Zwang antun, um die unverschämtesten Menschen aus sich zu machen. Wenn sie sich im Grunde ihres Herzens darüber ärgern, dass sie nicht aufgeklärter sind, sollen sie das nicht verbergen! Diese Erklärung wird nicht beschämend sein. Schämen muss man sich nur, wenn man sie nicht abgibt. Nichts bestätigt eine außerordentliche Geistesohnmacht mehr, als das Unglück eines Menschen ohne Gott nicht zu erkennen. Nichts bezeichnet eine schlechte Herzensneigung mehr, als die Wahrheit der ewigen Verheißungen nicht zu wünschen. Nichts ist feiger, als den Tapferen gegen Gott zu spielen. Sollen sie diese Gottlosigkeiten doch denen überlassen, die schlecht genug veranlagt sind, um ihrer wirklich fähig zu sein: dass sie wenigstens ehrenhafte Menschen seien, wenn sie schon keine Christen sein können! Und dass sie endlich anerkennen, dass es nur zwei Arten von Menschen gibt, die man vernünftig nennen kann: entweder die, die Gott von ganzem Herzen dienen, weil sie ihn erkennen, oder die, die ihn von ganzem Herzen suchen, weil sie ihn nicht erkennen.

Diejenigen aber, die leben, ohne ihn zu erkennen und ohne ihn zu suchen, halten sich selbst ihrer Sorge für so wenig würdig, dass sie der Sorge der anderen nicht würdig sind und man die ganze Liebe der Religion, die sie verachten, haben muss, um sie nicht so sehr zu verachten, dass man sie ihrer Narrheit überlässt. Weil uns diese Religion aber stets verpflichtet, sie Zeit ihres Lebens als für die Gnade empfänglich anzusehen, die sie erleuchten kann, und zu glauben, dass sie binnen Kürze mehr vom Glauben erfüllt sein können, als wir das sind, und dass im Gegenteil wir der Verblendung verfallen können, in der sie sich befinden, müssen wir für sie das tun, was wir wollen, dass es für uns getan würde, wenn wir uns an ihrer Stelle befänden, und sie aufrufen, Mitleid mit sich selbst zu haben und zumindest einige Schritte in dem Versuch zu unternehmen, ob sie nicht doch Aufklärung finden. Auf dass sie dieser Lektüre ein paar der Stunden widmen, die sie anderweitig so nutzlos vertun: Welche Abneigung sie hierbei auch verspüren mögen, werden sie vielleicht doch etwas kennenlernen, und zumindest werden sie dabei nicht viel verlieren. Für jene aber, die eine vollkommene Ernsthaftigkeit und ein wahrhaftes Verlangen dafür aufbringen, die Wahrheit kennenzulernen, hoffe ich, dass sie Befriedigung erfahren und von den Beweisen für eine so göttliche Religion überzeugt sein werden, die ich hier zusammengetragen habe, und bei denen ich ungefähr dieser Ordnung gefolgt bin …

*

2/428–429/195, 229

Bevor ich auf die Beweise für die christliche Religion eingehe, halte ich es für notwendig, die Ungerechtigkeit der Menschen darzustellen, denen es im Leben gleichgültig ist, nach der Wahrheit einer Sache zu suchen, die ihnen so wichtig ist und so nahegeht.

Von all ihren Verirrungen ist dies zweifelsohne diejenige, die sie am meisten der Narrheit und Verblendung überführt, und in der es am leichtesten ist, sie durch die ersten Einsichten des Gemeinsinns und die natürlichen Gefühle in Verlegenheit zu bringen. Denn es ist unzweifelhaft, dass die Zeit dieses Lebens nur ein Augenblick ist, dass der Zustand des Todes ewig ist, welcher Natur er auch sein mag, und dass folglich alle unsere Handlungen und Gedanken je nach dem Zustand dieser Ewigkeit so unterschiedliche Wege einschlagen müssen, dass es unmöglich ist, einen Schritt mit Sinn und Urteilskraft zu tun, wenn man ihn nicht in Sicht auf den Punkt setzt, der unser letztes Ziel sein soll.

Es gibt nichts Ersichtlicheres als das, und folglich ist gemäß den Prinzipien der Vernunft das Betragen der Menschen durchweg unvernünftig, wenn sie eine andere Bahn beschreiten. Anhand dessen möge man über diejenigen urteilen, die leben, ohne an dieses letzte Ziel des Lebens zu denken, die, während sie sich unüberlegt und unbesorgt von ihren Neigungen und Vergnügen leiten lassen und so tun, als könnten sie die Ewigkeit vernichten, indem sie ihre Gedanken von ihr abwenden, nur daran denken, sich allein in diesem Augenblick glücklich zu machen.

Indes diese Ewigkeit besteht fort, und der Tod, der sie einleiten soll, und der jene jederzeit bedroht, muss sie unfehlbar binnen Kürze in die entsetzliche Notlage bringen, auf ewig entweder vernichtet oder unglücklich zu sein, ohne dass sie wissen, welche dieser Ewigkeiten ihnen auf immer bereitet ist.

Das ist ein Zweifel mit schrecklichen Folgen. Sie stehen in der Gefahr ewigen Elends; und daraufhin, als wäre die Sache der Mühe nicht wert, vernachlässigen sie es zu prüfen, ob diese Meinungen zu denen gehören, die das Volk mit allzu leichtgläubiger Fügsamkeit annimmt, oder zu denen, die selbst dunkel sind und gleichwohl eine sehr feste, wenn auch verborgene Grundlage haben. Daher wissen sie weder, ob die Sache Wahrheit oder Falschheit birgt, noch, ob die Beweise Stärke oder Schwäche bezeigen. Sie haben sie vor Augen: Sie weigern sich, sie anzusehen, und in dieser Unwissenheit fassen sie den Entschluss, alles zu tun, was es braucht, um diesem Unglück zu verfallen, falls es das geben sollte, und es darauf ankommen zu lassen, beim Tod die Probe darauf zu machen, und dennoch sehr zufrieden mit diesem Zustand zu sein und ihn zu bekennen und sich schließlich etwas auf ihn einzubilden. Kann man ernsthaft an die Wichtigkeit dieser Angelegenheit denken, ohne ein so prahlerisches Betragen zu verabscheuen?

Dieser Zustand des Ruhens in der Unwissenheit ist eine Monstrosität, deren Prahlerei und Dummheit man denen, die damit ihr Leben zubringen, fühlbar machen muss, indem man sie ihnen veranschaulicht, um sie durch den Anblick ihrer Narrheit in Verlegenheit zu bringen. Denn so vernünftig denken die Menschen, wenn sie sich entscheiden, in der Unkenntnis dessen, was sie sind, zu leben und hierüber keine Aufklärung zu suchen: »Ich weiß nicht«, sagen sie …

»Das ist es, was ich sehe und was mich betrübt. Ich sehe nach allen Seiten hin und sehe überall nur Dunkelheit. Die Natur bietet mir nichts, was nicht ein Anlass zu Zweifel und Beunruhigung wäre. Wenn ich in ihr nichts sähe, was eine Gottheit bezeichnete, würde ich mich gegen sie entscheiden; wenn ich überall die Zeichen eines Schöpfers sähe, würde ich friedlich im Glauben ruhen. Weil ich aber zu viel sehe, um zu leugnen, und zu wenig, um mich zu versichern, befinde ich mich in einem beklagenswerten Zustand, in dem ich mir hundertmal gewünscht habe, dass, wenn ein Gott sie erhält, sie ihn unmissverständlich bezeichnete; und dass, wenn die Zeichen, die sie von ihm gibt, trügerisch sind, sie diese vollständig beseitigte; dass sie alles oder nichts sagte, damit ich sähe, welcher Meinung ich folgen soll. Stattdessen erkenne ich in dem Zustand, in dem ich mich befinde, und wo ich nicht weiß, was ich bin und was ich tun soll, weder meine Lage noch meine Pflicht. Mein Herz strebt ganz danach, zu erkennen, wo das wahre Gut liegt, um ihm zu folgen. Für die Ewigkeit wäre mir nichts zu teuer.

Ich empfinde Neid gegenüber denen, die ich so nachlässig im Glauben leben sehe, und die eine Gabe so schlecht gebrauchen, von der ich, wie mir scheint, einen so anderen Gebrauch machen würde.«

*

3/430–431/431, 560

Kein anderer hat erkannt, dass der Mensch das vortrefflichste Geschöpf ist. Die einen, die recht gut die Wirklichkeit seiner Vortrefflichkeit erkannt haben, haben die niedrigen Gefühle, die die Menschen naturgemäß von sich selbst haben, für Feigheit und Undankbarkeit gehalten; und die anderen, die recht gut erkannt haben, wie wirksam diese Niedrigkeit ist, haben jene Gefühle der Größe, die dem Menschen ebenso natürlich sind, als lächerlichen Hochmut abgetan.

»Hebt eure Augen auf zu Gott«, sagen die einen. »Seht den, dem ihr ähnlich seid, und der euch erschaffen hat, damit ihr ihn anbetet. Ihr könnt euch ihm ähnlich machen. Die Weisheit wird euch ihm gleich machen, wenn ihr ihm folgen wollt.« – »Erhebt das Haupt, freie Menschen«, sagt Epiktet.3 – Und die anderen sagen: »Schlagt eure Augen nieder zur Erde, erbärmlicher Wurm, der ihr seid, und betrachtet die Tiere, deren Gefährten ihr seid.« Was also wird aus dem Menschen werden: Wird er Gott gleichen, oder den Tieren? Welch unendliche Distanz! Was also werden wir sein? Wer sieht nicht an all dem, dass der Mensch sich verirrt hat, dass er von seinem Platz abgefallen ist, dass er ihn beunruhigt sucht, dass er ihn nicht wiederfinden kann? Und wer wird ihn also dorthin verweisen? Die größten Menschen haben dies nicht vermocht.

Wir können weder den herrlichen Zustand Adams nachvollziehen, noch die Natur seiner Sünde, noch deren Übertragung auf uns. Das sind Dinge, die sich im Zustand einer von unserer ganz verschiedenen Natur ereignet haben, und die den Stand unseres gegenwärtigen Fassungsvermögens übersteigen.

All dies zu wissen nützt uns nichts, um da herauszufinden. Und alles, was zu erkennen für uns wichtig ist, besteht darin, dass wir elend, verdorben, von Gott getrennt, aber durch Jesus Christus erlöst sind. Und davon haben wir auf Erden bewundernswerte Beweise.

Auf diese Weise ergeben sich die beiden Beweise für die Verdorbenheit und die Erlösung aus den Gottlosen, denen die Religion im Leben gleichgültig ist, und aus den Juden, die ihre unversöhnlichen Feinde sind.

*

4/432/194 bis, ter

(Eigenliebe, und zwar, weil das eine Sache ist, die uns genügend interessiert, damit wir uns darüber aufregen, versichert zu sein, dass nach allen Übeln des Lebens ein unausweichlicher Tod, der uns in jedem Augenblick bedroht, unfehlbar binnen weniger Jahre … in die entsetzliche Notlage … muss …)

Die drei Lagen.

Man soll darüber nicht sagen, dass dies ein Zeichen von Vernunft sei.

Das ist alles, was ein Mensch tun könnte, der der Falschheit dieser Nachricht versichert wäre. Freilich dürfte er sich nicht darüber freuen, sondern müsste niedergeschlagen sein.

Nichts ist wichtig als allein dies, und allein dies vernachlässigt man!

Unsere Einbildung bauscht uns die gegenwärtige Zeit so stark auf, indem sie unentwegt Gedanken über sie anstellt, und schmälert so sehr die Ewigkeit, indem sie keine Gedanken über sie anstellt, dass wir aus der Ewigkeit eine Nichtigkeit und aus der Nichtigkeit eine Ewigkeit machen. Und all dies hat so lebendige Wurzeln in uns, dass all unsere Vernunft uns nicht gegen sie verteidigen kann und dass …

Ich würde sie fragen, ob es nicht wahr ist, dass sie diese Grundlage des Glaubens, den sie bekämpfen, durch sich selbst bestätigen, und diese besteht darin, dass die Natur der Menschen verdorben ist.

*

5/433/783

Dann kommt Jesus Christus und sagt den Menschen, dass sie keine anderen Feinde als sich selbst haben, dass es ihre Leidenschaften seien, die sie von Gott trennen, dass er komme, diese zu zerstören und ihnen seine Gnade zu gewähren, um aus ihnen allen eine heilige Kirche zu machen.

Dass er komme, dieser Kirche die Heiden und die Juden zuzuführen, dass er komme, die Götzen der einen und den Aberglauben der anderen zu zerstören. Dem widersetzen sich alle Menschen nicht allein durch den natürlichen Widerstand der Begierde, sondern darüber hinaus verbünden sich alle Könige der Erde, um diese zur Welt kommende Religion zu beseitigen, wie dies vorhergesagt worden war (Prophezeiung: Quare fremerunt gentes … reges terrae … adversus Christum).4

Alle, die groß sind auf Erden, verbünden sich: die Gelehrten, die Weisen, die Könige. Die einen schreiben, die anderen verurteilen, und letztere töten. Und ungeachtet5 all dieser Widerstände halten jene einfachen, kraftlosen Leute allen diesen Mächten stand und unterwerfen sich sogar diese Könige, diese Gelehrten, diese Weisen, und heben den Götzendienst auf der ganzen Erde auf. Und all dies geschieht durch die Kraft, die das vorhergesagt hatte.

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6/434/199

Man stelle sich eine Anzahl von Menschen vor, die alle zum Tode verurteilt sind und von denen jeden Tag einigen vor den Augen der anderen die Kehle durchgeschnitten wird, sodass die Überbleibenden ihre eigene Lage in der ihrer Mitmenschen sehen und, während sie einander mit Schmerz und ohne Hoffnung ansehen, ihrerseits darauf warten, an der Reihe zu sein!

*

7/435/621

Als Schöpfung und Sintflut vollbracht waren und Gott die Welt nicht mehr zerstören und auch nicht mehr neu erschaffen oder weitere Zeichen seiner Größe geben musste, fing er an, ein Volk auf Erden zu begründen, das er eigens hierfür bildete und das bis zu dem Volk fortbestehen sollte, welches der Messias durch seinen Geist bilden würde.

Pensées / Gedanken

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