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Brief vom Aufheben der Hindernisse oder Maschinendiskurs1

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8/418, 422, 419–421, 426, 424, 423, 425/233, 535, 89, 231, 477, 606, 542, 278, 277, 604

Unendlich nichts.

Unsere Seele ist in den Leib geworfen, wo sie Zahl, Zeit, Dimensionen antrifft. Sie denkt gründlich darüber nach und nennt das Natur, Notwendigkeit, und kann keine anderen Dinge glauben.

Die Einheit, die man dem Unendlichen hinzufügt, vermehrt dieses um nichts, nicht mehr als dies ein Fuß tut, den man einem unendlichen Maß hinzufügt. Das Endliche vernichtigt sich in Gegenwart des Unendlichen und wird eine reine Nichtigkeit. So unser Geist vor Gott, so unsere Gerechtigkeit vor der göttlichen Gerechtigkeit. Zwischen unserer Gerechtigkeit und der Gottes besteht kein so großes Missverhältnis wie zwischen der Einheit und dem Unendlichen.

Die Gerechtigkeit Gottes muss außerordentlich sein wie seine Barmherzigkeit. Nun ist aber die den Verworfenen zugewandte Gerechtigkeit weniger außerordentlich und darf weniger erschüttern als die den Auserwählten zugewandte Barmherzigkeit.

Wir erkennen, dass es ein Unendliches gibt, und kennen nicht seine Natur; da wir wissen, dass es falsch ist, dass die Zahlen endlich sind, ist es also wahr, dass es ein zahlenmäßig Unendliches gibt, aber wir wissen nicht, was es ist: Es ist falsch, dass es gerade ist, es ist falsch, dass es ungerade ist, denn durch das Hinzufügen der Einheit verändert es an keinem Punkt seine Natur; indes, es ist eine Zahl, und jede Zahl ist gerade oder ungerade (es ist wahr, dass sich dies für jede endliche Zahl versteht).

So kann man gut erkennen, dass es einen Gott gibt, ohne zu wissen, was er ist.

Gibt es an keinem Punkt eine substanzielle Wahrheit, angesichts so vieler wahrer Dinge, die an keinem Punkt die Wahrheit selbst sind?

Wir erkennen also die Existenz und die Natur des Endlichen, weil wir endlich sind und ausgedehnt wie es.

Wir erkennen die Existenz des Unendlichen, und kennen seine Natur nicht, weil es Ausdehnung hat wie wir, nicht aber Grenzen wie wir.

Wir erkennen aber weder die Existenz noch die Natur Gottes, weil er weder Ausdehnung noch Grenzen hat.

Durch den Glauben aber erkennen wir seine Existenz. Durch die Glorie werden wir seine Natur erkennen.

Nun habe ich bereits gezeigt, dass man die Existenz einer Sache gut erkennen kann, ohne ihre Natur zu kennen.

Sprechen wir jetzt gemäß den natürlichen Einsichten.

Wenn es einen Gott gibt, ist er unendlich unbegreiflich, denn da er ja weder Teile noch Grenzen hat, hat er keinen Bezug zu uns. Wir besitzen also weder die Fähigkeit zu erkennen, was er ist, noch, ob er ist. Da dem so ist, wer wagte das Unternehmen, diese Frage zu klären? Nicht wir, die wir keinerlei Bezug zu ihm haben.

Wer wird also den Christen vorwerfen, keinen Grund für ihren Glauben angeben zu können, wo sie sich zu einer Religion bekennen, deren Grund sie nicht angeben können? Sie erklären, indem sie ihn der Welt offenlegen, dass er eine Torheit ist, stultitiam:2 und dann beklagt Ihr Euch darüber, dass sie ihn nicht beweisen! Wenn sie ihn bewiesen, hielten sie nicht Wort. Gerade indem es ihnen an Beweisen mangelt, mangelt es ihnen nicht an Verstand. – »Ja, aber wenn das auch die entschuldigt, die ihn dergestalt darbieten, und wenn es sie des Vorwurfs enthebt, ihn ohne Grund zu erzeugen, so entschuldigt es doch nicht die, die ihn annehmen.«

Untersuchen wir also diesen Punkt und sagen: Gott ist oder er ist nicht. Welcher Seite aber werden wir uns zuneigen? Die Vernunft kann da nichts bestimmen. Uns trennt da ein unendliches Chaos. Am äußersten Rand dieser unendlichen Distanz spielt sich ein Spiel ab, bei dem Kreuz oder Wappen3 fallen wird: Was werdet Ihr wetten? Mittels Vernunft könnt Ihr weder das eine noch das andere tun, mittels Vernunft könnt Ihr keines der beiden verteidigen.

Werft also nicht denen Falschheit vor, die eine Wahl vorgenommen haben, denn darüber wisst Ihr nichts! – »Nein, ich werde ihnen nicht vorwerfen, dass sie diese, wohl aber, dass sie eine Wahl getroffen haben. Denn wenn auch der, der Kreuz nimmt, und der andere sich im gleichen Unrecht befinden, sind sie doch beide im Unrecht. Das Rechte ist, gar nicht zu wetten.« –

Ja, aber man muss wetten. Dies geschieht nicht freiwillig, Ihr seid bereits im Boot. Welche Seite nehmt Ihr also? Sehen wir nach. Da man ja wählen muss, lasst uns sehen, was Euch am wenigsten interessiert. Ihr habt zwei Dinge zu verlieren: das Wahre und das Gute, und zwei Dinge einzusetzen: Eure Vernunft und Euren Willen, Eure Erkenntnis und Eure Glückseligkeit; und Eure Natur hat zwei Dinge zu fliehen: den Irrtum und das Elend. Eure Vernunft wird, indem sie eher das eine als das andere wählt, nicht mehr verletzt, da man ja notwendigerweise wählen muss. Dieser Punkt wäre also bereinigt. Aber Eure Glückseligkeit? Wägen wir Gewinn und Verlust ab, indem wir Kreuz nehmen, dass Gott ist. Schätzen wir diese beiden Fälle ein: Falls Ihr gewinnt, gewinnt Ihr alles; falls Ihr verliert, verliert Ihr nichts. Setzt also ohne Zögern darauf, dass er ist! – »Das ist bewundernswert. Ja, man muss einen Wetteinsatz machen. Aber ich setze womöglich zu hoch.« – Sehen wir nach. Denn es besteht ja die gleiche Chance auf Gewinn wie auf Verlust. Falls Ihr nur zwei Leben für eines zu gewinnen hättet, könntet Ihr noch höher setzen. Falls es aber drei zu gewinnen gäbe, dann müsstet Ihr spielen (denn für Euch besteht ja die Notwendigkeit, zu spielen), und Ihr wäret, wenn Ihr zu spielen gezwungen seid, unklug, würdet Ihr nicht Euer Leben, um deren drei zu gewinnen, in einem Spiel wagen, in dem die Chance auf Gewinn und Verlust die gleiche ist. Aber es gibt eine Ewigkeit des Lebens und des Glücks. Und da dem so ist, hättet Ihr, wenn es eine Unendlichkeit an Chancen gäbe, von denen eine einzige für Euch wäre, noch einen Grund mehr, eines zu setzen, um zwei zu bekommen, und da Ihr ja zu spielen verpflichtet seid, würdet Ihr verkehrten Sinnes handeln, lehntet Ihr es ab, eins gegen drei Leben in einem Spiel zu spielen, in dem es aus einer Unendlichkeit an Chancen eine für Euch gibt, falls es da eine Unendlichkeit unendlich glücklichen Lebens zu gewinnen gäbe, eine Gewinnchance gegen eine endliche Zahl an Verlustchancen, und das, was Ihr spielt, ist endlich. Das hebt jede Entscheidung auf: Überall da, wo das Unendliche ist, und wo der Chance auf den Gewinn nicht eine Unendlichkeit an Verlustchancen gegenübersteht, gibt es nichts abzuwägen, da muss man alles geben. Und so muss man, wenn man zu spielen gezwungen ist, der Vernunft entsagen, um das Leben zu bewahren, oder sie vielmehr für den unendlichen Gewinn aufs Spiel setzen, der ebenso bald eintreffen kann wie der Verlust der Nichtigkeit.

Denn es hilft nichts zu sagen, es sei ungewiss, ob man gewinnen werde, und es sei gewiss, dass man ein Wagnis eingehe, und dass die unendliche Distanz, die zwischen der GEWISSHEIT dessen, was man preisgibt, und der UNGEWISSHEIT, ob man gewinnen wird, besteht, dem endlichen Gut gleiche, das man gewiss dem unendlichen preisgibt, welches ungewiss ist. Dem ist nicht so. Jeder Spieler wagt mit Gewissheit, um mit Ungewissheit zu gewinnen; und gleichwohl setzt er gewiss das Endliche ein, um ungewiss das Endliche zu gewinnen, ohne gegen die Vernunft zu verstoßen. Es liegt keine Unendlichkeit an Distanz zwischen der Gewissheit des von sich Preisgegebenen und der Ungewissheit des Gewinns: Das ist falsch. Es liegt in Wahrheit Unendlichkeit zwischen der Gewissheit zu gewinnen und der Gewissheit zu verlieren. Aber die Ungewissheit zu gewinnen steht in einem angemessenen Verhältnis zu der Gewissheit dessen, was man aufs Spiel setzt, gemäß dem Verhältnis der Gewinn- zu den Verlustchancen. Und daher kommt es, dass, wenn es ebenso viele Chancen auf der einen wie auf der anderen Seite gibt, die Entscheidung darin besteht, gleich gegen gleich zu spielen; und dann ist die Gewissheit des Offengelegten gleich groß wie die Ungewissheit des Gewinns: weit gefehlt, dass sie von dieser unendlich entfernt sei. Und so ist unser Angebot von unendlicher Kraft, wenn das Endliche in einem Spiel gewagt wird, in dem es gleiche Chancen auf den Gewinn wie auf den Verlust gibt und das Unendliche zu gewinnen ist.

Das ist beweiskräftig, und falls die Menschen irgendeiner Wahrheit fähig sind, so dieser.

»Ich gestehe es, ich gebe es zu, aber noch einmal … Gibt es kein Mittel, das Spiel zu durchschauen?« – Doch, die Heilige Schrift, und das Übrige usw. – »Ja, aber meine Hände sind gebunden, und mein Mund ist stumm. Man zwingt mich zu wetten, und ich bin nicht in Freiheit, man bindet mich nicht los. Und ich bin so beschaffen, dass ich nicht glauben kann. Was also wollt Ihr, dass ich tue?« – Das ist wahr. Aber vernehmt zumindest, dass Euer Unvermögen zu glauben, da ja die Vernunft Euch dahin trägt und Ihr es gleichwohl nicht könnt, von Euren Leidenschaften (kommt). Bemüht Euch also darum, Euch zu überzeugen, aber nicht durch die Vermehrung von Gottesbeweisen, sondern durch die Verringerung Eurer Leidenschaften. Ihr wollt zum Glauben kommen und wisst nicht den Weg dorthin? Ihr wollt Euch selbst vom Unglauben heilen und fragt nach Arzneimitteln dafür? Lernt von denen, die gebunden waren wie Ihr und jetzt ihr ganzes Gut verwetten: Es sind Leute, die diesen Weg, dem Ihr folgen wollt, kennen und von einem Übel geheilt sind, von dem Ihr genesen wollt. Folgt der Weise, in der sie begonnen haben: das heißt, indem sie alles so taten, als ob sie glaubten, indem sie Weihwasser nahmen, indem sie Messen lesen ließen usw. Auf natürliche Weise wird Euch genau das glauben machen und Euch stumpfsinnig4 werden lassen. – »Aber eben das fürchte ich ja.« – Und warum? Was habt Ihr zu verlieren? Aber um Euch zu zeigen, dass das dorthin führt: Das verringert die Leidenschaften, die Eure großen Hindernisse sind, usw.

»Oh, dieser Diskurs bewegt mich, entzückt mich«, usw. – Wenn Euch dieser Diskurs gefällt und Euch kraftvoll erscheint, dann wisst, dass er von einem Menschen verfasst wurde, der davor und danach auf die Knie gefallen ist, um dieses unendliche ungeteilte Wesen, dem er das seinige unterwirft, zu bitten, sich auch das Eurige zu unterwerfen, um Eures eigenen Wohls und seiner Glorie willen, auf dass sich so die Kraft mit dieser Niedrigkeit verbinde.

Ende dieses Diskurses

Nun, welches Übel wird Euch widerfahren, wenn Ihr Euch für diese Seite entscheidet? Ihr werdet treu, ehrenhaft, demütig, dankbar, wohltätig, ein aufrichtiger, wahrhafter Freund sein.5 Um die Wahrheit zu sagen: Ihr werdet Euch nicht den verpesteten Vergnügungen hingeben, dem Ruhm, den Genüssen. Aber werdet Ihr nicht andere Vergnügungen haben?

Ich sage Euch, Ihr werdet dabei in diesem Leben gewinnen, und werdet bei jedem Schritt, den Ihr künftig auf diesem Weg geht, so viel Gewissheit des Gewinns sehen und so viel Nichtigkeit dessen, was Ihr aufs Spiel setzt, dass Ihr am Ende erkennen werdet, auf eine Sache gewettet zu haben, die sicher ist und unendlich, und für die Ihr nichts gegeben habt.

Man ist denen sehr verpflichtet, die einen auf Fehler hinweisen, denn sie machen demütig: Sie lehren, dass man verachtet worden ist, sie verhindern nicht, dass man es in Zukunft sein werde, denn man hat genügend andere Fehler, um verachtet zu werden. Sie bereiten die Übung der Berichtigung vor und die Befreiung von einem Fehler.

Die Gewohnheit ist unsere Natur. Wer sich an den Glauben gewöhnt, der glaubt ihn und kann nicht länger die Hölle nicht fürchten und kann keine andere Sache glauben. Wer sich daran gewöhnt, zu glauben, dass der König schrecklich ist, usw. Wer bezweifelt also, dass unsere Seele, die daran gewöhnt ist, Zahl, Raum, Bewegung zu sehen, das glaubt und nichts als das?

Glaubt Ihr, es sei unmöglich, dass Gott unendlich ist, ohne Teile? – »Ja.« – Ich will Euch also (ein Bild Gottes in seiner Unermesslichkeit) eine unendliche und unteilbare Sache sehen lassen: Das ist ein Punkt, der sich überall mit einer unendlichen Geschwindigkeit bewegt.

Denn er ist allerorts eins und vollständig an jedem Ort.

Möge diese natürliche Wirkung, die Euch zuvor unmöglich schien, Euch erkennen lassen, dass es noch andere Wirkungen geben kann, die Ihr noch nicht erkennt. Zieht aus Eurer Lehrzeit nicht den Schluss, dass Euch nichts zu erfahren verbleibt, sondern dass Euch unendlich viel zu erfahren verbleibt.

Es ist falsch, dass wir würdig wären, von anderen geliebt zu werden. Es ist ungerecht, dass wir es wollen. Wenn wir vernünftig und gleichgültig geboren wären und uns und die anderen kennten, würden wir unserem Willen diese Neigung nicht zugestehen. Wir werden jedoch mit ihr geboren. Wir werden also ungerecht geboren. Denn alles strebt zu sich selbst: Das ist gegen alle Ordnung. Man muss zum Allgemeinen streben, und der Hang zu sich selbst ist der Anfang aller Unordnung: im Krieg, in der Verwaltung, in der Wirtschaft, im besonderen Leib des Menschen.

Der Wille ist also verdorben. Wenn die Glieder der natürlichen und bürgerlichen Gemeinschaften das Wohl des Leibes erstreben, müssen die Gemeinschaften ihrerseits einen anderen, allgemeineren Leib erstreben, dessen Glieder sie sind. Man muss also das Allgemeine erstreben. Wir werden also ungerecht und verdorben geboren.

Keine Religion außer der unsrigen hat gelehrt, dass der Mensch in Sünde geboren wird. Keine Philosophensekte hat es gesagt. Keine hat also wahr gesprochen.

Keine Sekte, keine Religion ist immer schon auf Erden gewesen, außer der christlichen Religion.

Nur die christliche Religion macht den Menschen insgesamt LIEBENSWERT und GLÜCKLICH. In der Ehrenhaftigkeit kann man nicht liebenswert und glücklich zugleich sein.

Es ist das Herz, das Gott fühlt, und nicht die Vernunft: Ebendies ist der Glaube. Gott dem Herzen fühlbar, nicht der Vernunft.

Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht erkennt: Man weiß das aus tausend Dingen.

Ich sage, dass das Herz das allumfassende Wesen auf natürliche Weise liebt, und sich selbst auf natürliche Weise, je nachdem, wem es sich hingibt. Und es verhärtet sich gegen das eine oder das andere, gemäß seiner Wahl. Ihr habt das eine verworfen und das andere bewahrt: Geschieht es aus Gründen der Vernunft, dass Ihr Euch liebt?

Die einzige Wissenschaft, die sich gegen den Gemeinsinn und die Natur der Menschen richtet, ist auch die einzige, die unter den Menschen immerfort Bestand hatte.

Pensées / Gedanken

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