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Unterwerfung und Gebrauch der Vernunft Worin das wahre Christentum besteht 9

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25/168/224

Wie ich diese Torheiten hasse, nicht an die Eucharistie zu glauben, usw. Wenn das Evangelium wahr ist, wenn Jesus Christus Gott ist, welche Schwierigkeit gibt es dann dabei?

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26/169/812

Ohne die Wunder wäre ich kein Christ, sagt der heilige Augustinus.10

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Unterwerfung.

27/170/268

Man muss (diese drei Eigenschaften haben: Pyrrhoneer, Geometer, Christ. Unterworfen. Zweifel. Und sie passen zusammen) zu zweifeln wissen, wo es nötig ist, versichern, wo es nötig ist, indem man sich unterwirft, wo es nötig ist. Wer es nicht so macht, versteht die Kraft der Vernunft nicht. Es gibt einige, die gegen diese drei Prinzipien verstoßen, entweder, indem sie aus Mangel an Kenntnissen der Beweisführung versichern, alles sei beweiskräftig, oder indem sie aus Mangel an Wissen, wo man sich unterwerfen muss, an allem zweifeln, oder indem sie sich aus Mangel an Wissen, wo man urteilen muss, allem unterwerfen.

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28/171/696

Susceperunt verbum cum omni aviditate, scrutantes Scripturas si ita se haberent.11

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29/172/185

Die Führung Gottes, der alle Dinge sanft lenkt, besteht darin, die Religion durch Vernunftgründe in den Geist und durch die Gnade in das Herz einzulassen. Sie aber durch Gewalt und Drohungen in Geist und Herz einlassen zu wollen, heißt nicht die Religion dort einzulassen, sondern den Schrecken, terrorem potius quam religionem.12

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30/173/273

Wenn man alles der Vernunft unterwirft, wird unsere Religion nichts Geheimnisvolles und Übernatürliches haben.

Wenn man gegen die Prinzipien der Vernunft verstößt, wird unsere Religion absurd und lächerlich sein.

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31/174/270

Sankt Augustinus. Die Vernunft würde sich niemals unterwerfen, wenn sie nicht urteilte, dass es Anlässe gibt, bei denen sie sich unterwerfen muss.13

Es ist also gerecht, dass sie sich unterwirft, wenn sie urteilt, dass sie sich unterwerfen muss.

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32/175/563

Eine der Verwirrungen der Verdammten wird darin bestehen, zu sehen, dass sie durch ihre eigene Vernunft verdammt sein werden, mittels derer sie vorgeblich die christliche Religion verdammen wollten.

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33/176/261

Jene, die die Wahrheit nicht lieben, nehmen die Bestreitung und die Menge derer, die sie leugnen, zum Vorwand, und somit kommt ihr Irrtum nur daher, dass sie die Wahrheit oder die christliche Liebe nicht lieben. Und somit sind sie nicht entschuldigt.

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34/177/384

Widerspruch ist ein schlechtes Zeichen von Wahrheit.

Mehreren sicheren Dingen wird widersprochen.

Mehrere falsche werden ohne Widerspruch hingenommen.

Weder ist der Widerspruch ein Zeichen von Falschheit, noch ist der Nichtwiderspruch ein Zeichen von Wahrheit.

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35/178–179/747 bis, 256

Siehe die beiden Arten von Menschen unter der Überschrift »Beständigkeit«.

Es gibt wenige wahre Christen. Ich sage das selbst im Hinblick auf den Glauben. Es gibt wohl welche, die glauben, dies jedoch aus Aberglauben. Es gibt wohl welche, die nicht glauben, dies jedoch aus Freigeisterei. Zwischen diesen beiden gibt es wenige.

Ich beziehe mich dabei nicht auf jene, die wahre Sittenfrömmigkeit besitzen, und nicht auf all jene, die durch ein Gefühl des Herzens glauben.

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36/180/838

Jesus Christus hat Wunder getan, und nach ihm die Apostel und die ersten Heiligen in großer Zahl, denn da die Prophezeiungen noch nicht erfüllt waren und sich durch sie erfüllten, legten nur die Wunder Zeugnis ab. Es war vorausgesagt, dass der Messias die Völker bekehren würde: Wie wäre diese Prophezeiung in Erfüllung gegangen, ohne dass die Völker bekehrt wären? Und wie hätten sie sich zum Messias bekehrt, wenn sie nicht diese letzte Wirkung der Prophezeiungen, die ihn beweisen, gesehen hätten? Bevor er also gestorben und auferstanden war und die Völker bekehrt hatte, war nicht alles erfüllt, und also hat es während dieser ganzen Zeit der Wunder bedurft. Jetzt bedarf es keiner mehr gegenüber den Juden und den Gottlosen, denn die erfüllten Prophezeiungen sind ein fortdauerndes Wunder.

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37/181/255

Die Frömmigkeit unterscheidet sich vom Aberglauben.

Die Frömmigkeit bis zum Aberglauben zu treiben heißt, sie zu zerstören.

Die Ketzer werfen uns eine solche abergläubische Unterwerfung vor. Das heißt, sie tun das, was sie uns vorwerfen.

Gottlos ist, wer nicht an die Eucharistie glaubt, weil er sie nicht sieht.

Abergläubisch ist, wer an Sätze14 glaubt, usw.

Gläubig, usw.

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38/182/272

Nichts ist der Vernunft so sehr gemäß wie die Leugnung der Vernunft.

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39/183/253

Zwei Unmäßigkeiten.

Die Vernunft ausschließen, nur die Vernunft zulassen.

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40/184/811

Man würde nicht gesündigt haben, hätte man ohne die Wunder15 nicht an Jesus Christus geglaubt.

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41/184/811

Videte an mentiar.16

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42/185/265

Der Glaube sagt wohl das, was die Sinne nicht sagen, aber nicht das Gegenteil dessen, was sie sehen. Er steht über ihnen und steht ihnen nicht entgegen.17

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43/186/947

Ihr18 missbraucht den Glauben, den das Volk an die Kirche hat, und macht ihm etwas weis.

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44/187/254

Nicht selten kommt es vor, dass man die Welt ihrer allzu großen Folgsamkeit wegen zurechtweisen muss. Dies ist ein natürliches Laster wie die Ungläubigkeit, und ebenso schädlich. Aberglaube.

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45/188/267

Der letzte Schritt der Vernunft besteht darin, anzuerkennen, dass es eine Unendlichkeit an Dingen gibt, die sie übersteigen. Sie ist nur schwach, wenn sie nicht so weit geht, dies zu erkennen.

Wenn schon die natürlichen Dinge sie übersteigen, was wird man dann erst von den übernatürlichen sagen?

1 »Bevor ich auf die Beweise für die christliche Religion eingehe, halte ich es für notwendig, die Ungerechtigkeit der Menschen darzustellen, denen es im Leben gleichgültig ist, nach der Wahrheit […] zu suchen«. So Pascals Erläuterung zu Beginn der zweiten Fassung des Briefs, der dazu bewegen soll, Gott zu suchen (Fr. 2). Die Angaben im Dossier »Ordnung« bezeigen, dass der Auftakt zur Apologie aus vier Briefen bestanden hätte:

– »Brief, der dazu bewegen soll, Gott zu suchen«,

– »Brief vom Aufheben der Hindernisse«,

– [Brief], der »zeigen soll, dass die Religion nicht vernunftwidrig ist«,

– »Brief, der die Nützlichkeit der Beweise bezeichnet« (Fr. 451).

1 Im Dossier »Ordnung« sieht Pascal vor, dass der »Brief, der dazu bewegen soll, Gott zu suchen« der philosophischen Untersuchung vorausgeht (Fr. 448). Von diesem Brief gibt es mehrere Fassungen sowie verschiedene vorbereitende Notizen in »Anfang« und »Vermischte Gedanken 8« (Fr. 686).

2 »Verborgener Gott« (Jes 45, 15).

3 Epiktet, Entretiens II, 6 (41) und II, 17 (29).

4 Ps 2, 1–2: »Warum toben die Völker […]? Die Könige der Erde stehen auf, die Großen haben sich verbündet gegen den Herrn und seinen Gesalbten.«

5 nonobstant.

1 Im Dossier »Ordnung« seiner Apologie lautet Pascals Anweisung: »Ordnung. Nach dem Brief, dass man Gott suchen muss, den Brief vom Aufheben der Hindernisse erstellen, der der Maschinendiskurs ist […]« (Fr. 445). Dieser berühmte Text ist vor allem unter dem Titel ›Die Wette‹ bekannt, der nicht von Pascal stammt. Der Apologet geht von zwei Achsen des augustinischen Denkens aus: der Wichtigkeit des Ungewissen im menschlichen Dasein und dem Gewicht der Lebensroutinen, der schlechten Angewohnheiten (Gleichgültigkeit, verschiedene Leidenschaften usw.). Um die vorgebliche Macht der Gewohnheiten zu brechen, gestand Augustinus den Rückgriff auf körperliche Gewalt zu (Brief an Vincentius). Dagegen verwahrt sich Pascal: Er will dem Ungläubigen einen ganzen »Teil« seines Seins enthüllen, »die Maschine«, die dumpf in ihm arbeitet und Gefahr läuft, das christliche Saatgut, das hätte keimen können, zu zermalmen. Die Zerstörung der heidnischen Gewohnheiten wird sich auf die Initiative des Ungläubigen selbst hin vollziehen, der der Naivitäten des Rationalismus (sich für einen freien, souveränen Geist zu halten) gewahr wurde und begehrt, sich selbst die Möglichkeit zu geben, das Reich des Evangeliums zu erlangen. Um gültig zu sein, setzen die mathematischen Ausführungen der ›Wette‹ voraus, dass der Gesprächspartner die Nichtigkeit der Art von Leben erkennt, die aufzugeben ihm angeraten wird. Indem er auf Gott setzt, erlangt der Ungläubige selbstverständlich nicht den Glauben, das reine Geschenk Gottes, aber er entscheidet sich dafür, »die Hindernisse aufzuheben« (d’ôter les obstacles). A. d. Ü.: Es sei an dieser Stelle auf das Gemeinsame von ôter und obstacle aufmerksam gemacht, die beide aus latein. obstare stammen. Möglicherweise schwingt bei der Wortwahl auch die katholische Unbedenklichkeitsformel nihil obstat bzw. die Rechtsformel nonobstant mit. Vgl. Fr. 5.

2 1 Kor 1, 18.

3 Croix ou pile. A. d. Ü.: Philippe Sellier gibt zur Erklärung die jüngere Wendung pile ou face an, die im Deutschen dem Ausdruck »Kopf oder Zahl« entspricht. Croix ou pile geht auf das frühe Mittelalter zurück, auf eine Zeit, in der auf der einen Münzseite ein Kreuz abgebildet war, auf der anderen Wappenzeichen (piliers), die den Wert der Münze bezeichneten; diese wurden später duch das Konterfei des jeweiligen Herrschers (face) und durch Zahlen ersetzt.

4 abêtir: stumpfsinnig, dumm, blödsinnig machen; zum Tier machen. Dieses Wort, das Entrüstung hervorgerufen hat, verweist lediglich auf die Theorie der »Maschine«. Der Mensch ist einesteils Mechanismus; und dieser »Teil« seines Seins ist Gegenstand der Dressur, d.h. der Disziplinierung. Die Überlegenheit der Intelligenz besteht darin, das zu wissen und diesem Wissen Rechnung zu tragen: Sie kann zwar nicht den Gewohnheiten entkommen, aber ihre Gewohnheiten wählen.

5 Ein äußeres Verhalten, das dem durch wahrhaft christliche Liebe bewirkten so nahe wie möglich kommt, neigt die »Maschine« zum Christentum. Daher die relative Wertschätzung Pascals für das Ideal der Ehrenhaftigkeit, von der sein Freund Méré sagen konnte: »Die Frömmigkeit und die Ehrenhaftigkeit gehen beinahe die gleichen Wege […], dergestalt, dass die Ehrenhaftigkeit dem Heil nicht undienlich ist« (Antoine Gombaud de Méré, De la vraie honnêteté, 1668. In: Ders., Œuvres posthumes, hrsg. von Charles-H. Boudhors, Paris: Roches, 1930, S. 101).

6 Dieses Dossier vereint Notizen in Vorbereitung auf den »Brief, der dazu bewegen soll, Gott zu suchen« und den »Brief vom Aufheben der Hindernisse«, welche den »Anfang« der Apologie bilden sollten.

7 Koh 3, 18–21.

8 Teilungsregel (règle des partis): Berechnung der wahrscheinlichen Aussichten auf Gewinn oder Verlust.

9 Im letzten Fragment des Dossiers »Ordnung« schreibt Pascal: »Man muss damit anfangen, zu zeigen, dass die Religion nicht vernunftwidrig ist«, bevor er auf die beiden großen Teile, »Erkenntnis des Menschen« und »Erkenntnis Gottes«, eingeht (Fr. 456). Eine der Eröffnungssequenzen sollte den rechten Gebrauch der Vernunft bei der Suche nach Gott verhandeln. Eben dieses Dossier »Ordnung« kündigt eine Antwort auf den Einwand an, den ein Ungläubiger im Vorfeld der Eröffnung einer Apologie geltend machen könnte: Wozu sollte diese Beweisführung gut sein, da ja der Theologie selbst zufolge der Glaube »ein Geschenk Gottes« ist? Pascal beabsichtigte, mit einem »Brief, der die Nützlichkeit der Beweise bezeichnet« zu antworten. Diese beiden Eröffnungsteile sind nicht geschrieben worden. Wir verfügen mit dem Dossier »Unterwerfung« nur über einige Voraufzeichnungen.

10 In De civitate Dei XXII, 7 schreibt Augustinus: »Da würde doch der Menschengeist die Auferstehung und Himmelfahrt Christi als etwas ganz Unmögliches nicht ertragen und ihr verächtlich Ohr und Herz verschlossen haben, hätten nicht die göttliche Wahrheit oder die wahre Gottheit selbst, sodann auch bekräftigende Wunderzeichen erwiesen, dass es doch geschehen konnte und tatsächlich geschehen war« (hier zitiert nach der Übs. von Wilhelm Thimme, Vom Gottesstaat, München: dtv, 22011, S. 760).

11 Apg 17, 11: »Sie [die Juden aus Beröa] nahmen mit großer Bereitschaft das Wort auf und forschten Tag für Tag in den Schriften nach, ob sich dies auch wirklich so verhielte.«

12 Vor dem Hintergrund des Scheiterns der Kontakte und Briefwechsel, die das Schisma der Donatisten verringern sollten, hatte Augustinus den zu trauriger Berühmtheit gelangten Brief an Vincentius (Epistula 93) damit geschlossen, den Rückgriff auf den Zwang zu rechtfertigen: Die Gewalt des Schreckens würde die schleichende Gewalt der Erziehung, der Umgebung, der Gewohnheiten brechen. Pascal sieht darin Schrecken statt Religion.

13 Epistula 120, I, n. 3. La Logique ou l’art de penser von Antoine Arnauld und Pierre Nicole zitiert denselben Text: »Wenn man die beiden allgemeinen Wege, die zum Fürwahrhalten führen, nämlich die Vernunft und den Glauben, miteinander vergleicht, stellt man fest, dass der Glaube stets die Vernunft voraussetzt, denn wie der heilige Augustinus in dem 12[0]. Brief und sonst mancherorts sagt, könnten wir uns nicht dazu aufschwingen, das, was unsere Vernunft übersteigt, zu glauben, wenn die Vernunft selbst uns nicht davon überzeugt hätte, dass es angebracht ist, Dinge zu glauben, wenn wir auch jetzt nicht in der Lage sind, sie zu begreifen« (IV, 12, hier zitiert nach der Übs. von Christos Axelos, Die Logik oder Die Kunst des Denkens, Darmstadt: WBG, 32005, S. 330).

14 Pascal verortet den rechten Gebrauch der Vernunft zwischen der allumfassenden Diskutierleidenschaft der Reformierten, die den Glauben an die Eucharistie ablehnen, und dem Untertanengeist jener, die sich dem Papst da unterwerfen, wo dieser den Glauben der Weltkirche nicht feierlich verkündet. Im Jahre 1653 fünf häretische Sätze über die Gnade zu verurteilen, ist päpstliches Recht; aber zu behaupten, dass sie im Augustinus zu finden sind, ist ein päpstlicher Rechtsmissbrauch. Wenn sie sich darin befinden, so möge man sie zeigen! Auch in der Astronomie hört man nicht auf den Papst, sondern auf die Gelehrten, und hier auf Galilei (Achtzehnter Provinzialbrief).

15 Joh 15, 24.

16 Ijob 6, 28: »Wendet euch mir zu und seht, ob ich lüge.«

17 Erinnerung an den eucharistischen Hymnus Pange lingua (Preise, Zunge): »et si sensus déficit/ad firmándum cor sincérum/sola fides súfficit […] praestet fides suppleméntum/sénsuum deféctui« (Katholisches Gebet- und Gesangbuch, Stuttgart: KBW, 2013, Nr. 494). Port-Royal war ein Kloster des Heiligen Altarsakraments geworden: Die eucharistische Liturgie hat Pascal zutiefst geprägt (Verborgener Gott …).

18 Gemahnung an eine Stelle aus dem Siebzehnten Provinzialbrief (23. Januar 1657). Ausgehend von der Praxis dekadenter Jesuiten beabsichtigte Pascal, Denkanstöße zum Thema Klugheit und Knechtschaft zu geben. Viele Fragmente dieses Bündels, die den Polemiken über die Wunder noch ganz nahe stehen, zählen zu den frühesten des Apologieprojekts.

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