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Der undenkbare Irrtum

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Nichts ist trügerischer als eine offenkundige Tatsache.“

(Sir Arthur Conan Doyle)4

Rätsel

In meiner Jugend damals brachte ein Klassenkamerad einmal folgen-des Rätsel mit zur Schule:

 Flugzeugabsturz im Dschungel mit nur vier Überlebenden, die in die Hände von Kannibalen geraten

 der Kannibalenstamm pflegt den Brauch, immer einem Opfer die Chance auf das Überleben zu gewähren

 dazu stellen sie alle vier Gefangenen in Treibsand in einer Reihe auf und setzten ihnen zwei schwarze und zwei weiße Hüte auf (in der Konstellation wie auf dem Bild)

 keiner weiß, welchen Hut er trägt

 alle wissen, dass es zwei schwarze und zwei weiße Hüte sind

 zwischen dem Ersten und dem Rest steht eine Mauer

 der Zweite, Dritte und Vierte dürfen nur in Richtung Mauer schauen

 das heißt, der Erste (links von der Mauer) sieht niemanden

 der Zweite (rechts von der Mauer sieht niemanden)

 der Dritte sieht den Zweiten

 der Vierte sieht den Zweiten und den Dritten

 es darf nicht gesprochen oder auf sonstige Weise kommuni-ziert werden

 wer von den Vieren gegen die Vorgaben verstößt, wird umge-hend getötet

 der, welcher sich sicher sein kann, ob er einen weißen oder schwarzen Hut trägt, muss laut rufen und die Farbe sagen

 da die Vier schnell einsinken, müssen sie äußerst geschwind reagieren, um nicht im Treibsand zu ersticken (daran soll die Uhr an der Mauer erinnern)

 wer seine Hutfarbe ruft, ohne dass er es sicher wissen kann, wird ebenfalls gekillt

Frage: Wer von den Vieren weiß, ob sein Hut schwarz oder weiß ist?

Diese Rätsel entfachte damals eine Gier in mir. Ich hatte mir diese Zipfelmützen-Männchen angesehen, ungeduldig hin und her überlegt und war der absoluten Überzeugung, dass dieses Rätsel nicht zu lösen sei. Doch man belehrte mich eines Besseren, was mich verblüffte und begeisterte. Mir wurde klar, dass ich mich zu einhundert Prozent in meiner Haltung zu einem Sachverhalt sicher wähnen und dennoch täuschen konnte. Das Erwägen, einem undenkbaren Irrtum aufzusitzen, dieses In-Betracht-Ziehen sollte sich von elementarem Nutzen bei der Wahrheitssuche erweisen, auf die ich mich einige Jahre später begeben sollte.

Ich entwickelte ein Fable für Logikrätsel und das Um-die-Ecke-Denken, welches diese Aufgaben erfordern. Ich stelle diese Rätsel allen und jedem und so wächst mein Rätsel-Repertoire stetig an.

Fühlt sich Ihr Gegenüber Ihnen intellektuell überlegen, stellen Sie ihm ein Rätsel – kommt er nicht auf die Lösung, geben Sie einen kleinen Tipp. Er wird es lösen und sich wie ein Schneekönig darüber freuen. Dann haben Sie ihn an der Angel. Sie stellen noch eins und noch eins. Sein Hochmut verfliegt, er wird Sympathie für Sie empfinden und Sie respektieren. Ein anderer Effekt des Rätsel-Stellens ist, dass Sie sich damit ein paar Minuten Ruhe verschaffen können. Besonders in von kleingeistigen Gesprächsthemen wie dem Lästern über nicht anwesen­de Dritte dominierten Unterhaltungen, bietet sich diese Maßnahme an.

Wir wissen nichts wirklich

Ein weiterer Irrtum, dem ich unterlag, war der Trugschluss, die Menschheit hätte schon alles Relevante erforscht. Es ergab für mich als Schüler keinen Sinn, zu lernen wie ein Motor oder ein Strom-kreislauf funktioniert. Man dreht einfach den Zündschlüssel um und fährt los, betätigt einen Lichtschalter oder steckt den Stecker in die Steckdose – et voilà. Erst Jahre später wurde mir klar, dass wir so gut wie gar nichts wirklich wissen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse stellen lediglich Thesen dar, welche noch nicht widerlegt werden konnten. Wir glauben, Newton, Einstein und die anderen Genies hätten schon längst alles erforscht und enträt­selt. Doch selbst von der Ergründung der Ursachen für die „banale“ Schwerkraft, weshalb sich Massen gegenseitig anziehen, ist die Wis­senschaft weit entfernt. Sicher vermag sie zu Messen, zu Beschreiben, zu Berechnen und kausale Vorhersagen zu treffen, aber in der Ursa­chenforschung liefert sie lediglich vage und wenig befriedigenden Er­kenntnisse.

Ich weiß ergo, dass wir so gut wie nichts wissen und dass wir uns bei dem, was wir zu wissen glauben, nicht eindeutig sicher sein können. Die Offenbarung, dass es noch so viel zu entdecken gibt, erweiterte mein Blickfeld und eröffnete mir ein neues, geheimnisumwobenes Universum. Ich konnte nicht anders als mich auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben.

Seit ich diese Suche antrat, gab es keinen Tag mehr, an dem ich unglü­cklich oder unzufrieden war. Sie ist wie ein innerer Motor, der mich antreibt und in einen positiven Spannungszustand versetzt, denn hinter jeder metaphorischen Ecke, kann eine neue Überraschung lauern. Gleichzeitig bin ich entspannter, gelassener und kann schlafen wie ein Murmeltier.

Was ist wichtig?

Von Kindesbeinen an induziert man uns, die Gedanken teleologisch auf den Alltag, unseren Stand in der Gesellschaft und auf den persönlichen Werdegang zu richten. Die Sportergebnisse, der letzte Tratsch, die neuste Mode-Kollektion, die Wohnungseinrichtung, das Auto, der nächste Urlaub, die sichersten Geldanlagen, der nächste Karriereschritt oder wer es ins Finale unserer Lieblings-Talentshow schafft haben ei­nen übertrieben hohen Stellenwert in unserer Gedankenwelt, wenn man relativ dazu betrachtet, welche ungelöste Mysterien uns umgeben.

Alleine unsere Existenz oder die Tatsache, dass überhaupt irgend etwas existiert, dass es so etwas wie eine Welt überhaupt gibt, müsste uns von früh bis spät umtreiben. Wenn Sie im Jetzt aus einem, bei Ihrer Ge­burt eingesetzten Schlaf erwachen würden, also ohne dem Hamsterrad angepasste Interessen, welchen Fragen gingen Sie dann nach? Was würde Sie faszinieren? Die Wettervorhersage für morgen? Doch wohl viel eher würden Sie ihre kostbare Zeit den wirklich wichtigen Fragen widmen wie „Wo komm ich her?“, „Wo geh ich hin?“, „Was ist der Sinn?“, „Wie können wir unseren Planeten zu einem besseren, gerechteren Ort machen, ohne Kriege, ohne Armut?“.

Natürlich ist es notwendig, sich mit Themen des Alltags zu beschäfti­gen, doch sollten wir uns die Frage stellen, ob die wirklich elementaren Rätsel, für deren Entschlüsselung wir leider nur ein Menschenleben Zeit haben, dabei nicht unter die Räder kommen.

Vor ca. 100 Jahren noch galten Wissenschaftler, welche sich mit dem „Warum“ beschäftigten, als die großen Stars und wurden gefeiert wie Helden. Vergleichbare Aufmerksamkeit und Popularität erlangen mittlerweile höchstens medial gepuschte Schauspieler, Musiker oder technische Geräte. Was ist passiert? Ist es nicht mehr chic, die Welt verstehen zu wollen oder ist es gar von jemandes Interesse, dass wir uns gewissen Dingen mit Fleiß und anderen gar nicht zuwenden?

Im Nachfolgenden versuche ich meine Gedanken und Überzeugungen lapidar zu erläutern. Es ist anzunehmen, dass Sie meinen Ausführun­gen nicht unisono folgen können. Ich bin mir jedoch sicher, dass Sie der Text zumindest zum Denken und mit etwas Glück zu Ihrer ganz per­sönlichen Suche nach einem Stückchen mehr Wahrheit anregen kann.

Das ist deine letzte Chance. Danach gibt es kein zurück.

Nimm die blaue Pille - die Geschichte endet, du wachst in deinem Bett auf und glaubst, was du auch immer glauben willst.

Nimm die rote Pille – du bleibst im Wunderland und ich werde dir zeigen, wie tief der Kaninchenbau reicht.“

(Morpheus)5

vom Mainstreamer zum Freidenker

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