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Realität oder Fiktion?

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Wenn Du mir gegenübersitzt und ich Dich sehe, dann bist Du real. Wenn Du zu mir sprichst und ich Dich höre, dann bist Du real. Wenn ich meine Hand ausstrecke, über Deine Wange streiche und Dich spüre, dann bist Du real. Doch wenn Du nicht da bist und ich an Dich denke, Deine Worte wieder höre, die Berührung wieder belebe, bist Du dann weniger real?

Wenn ich durch den Wald gehe und die verschiedensten Gerüche wahrnehme, dann ist es real. Wenn ich das Geräusch höre, das mir zugetragen wird, wenn der Wind durch die Blätter weht, dann ist es real. Wenn ich den Boden, die Wurzeln und die Blätter an meinen nackten Fußsohlen spüre, dann ist es real. Doch wenn ich Dir erzähle, von den Lichtspielen, die die Sonne zaubert, wenn ich durch den Wald spazierte, von den Gerüchen und Geräuschen und vom Erspüren meiner nackten Füße, ist das Erleben dann weniger real?

Wenn ich meinen Traum lebe, Aufgaben erfülle, dann ist es real. Wenn ich das Leben auskoste und aus dem Vollen schöpfe, bis zum letzten Tropfen ausschöpfe, dann ist es real. Wenn ich das Haus baue, in dem ich mich wohlfühle, dann ist es real. Doch wenn ich meine Träume zeiche, vor Dir und vor mir, wenn ich mir ausmale wie ein Leben aussieht, dass ich es auskosten und aus dem Vollen schöpfen kann, wenn der Himmel das Dach meines Hauses ist und die Welt die Grundfläche, ist es dann weniger real?

Ich will mich nicht länger entscheiden müssen, zwischen der Welt des Tages und der Welt der Nacht, wo ich doch in beiden zu Hause bin.

Ich will mich nicht länger entscheiden müssen zwischen Pflicht und Neigung, denn wo das eine recht ist, ist das andere billig und hat gleichermaßen Wert und Reiz.

Ich will mich nicht länger entscheiden müssen zwischen den Gedanken der Notwendigkeit, die am Boden kriechen und niederdrücken, und den Gedanken der Freiheit, die sich schwerelos und stolz in die Lüfte erheben, denn wir können gehen und fliegen.

Ich will mich nicht länger entscheiden müssen zwischen Fakten, die beweiskräftig und wohldurchdacht sind, und den Dingen der bloßen Vorstellung, die mich nicht müde werden lassen zu behaupten, dass es Mehr als Alles gibt, und natürlich die Blaue Blume, denn an ersteres kann ich mich halten, mich darauf verlassen und in zweiteres kann ich mich fallen lassen, ohne Netz und doppelten Boden.

Ich will mich nicht länger entscheiden müssen zwischen den Wurzeln, die mich fest und stark verankern, und den Ästen, die sich verbreitern und die Welt entdecken und den Himmel. Ich will der ganze Baum sein und mich, sicher verwurzelt, weit emporheben.

Ich will mich nicht länger entscheiden müssen zwischen Realität, die mir so glasklar vor Augen steht, nüchtern, kalt und einfallslos, und der Fiktion, die die realen Dinge mit Farbe und Glanz tauchen, sie in die Einmaligkeit erheben, denn nur in der mit Phantasie und Zauber bekränzten Welt wird der Mensch in all seinen Möglichkeiten.

Ich will mich nicht länger entscheiden müssen zwischen Dir und mir, sondern gänzlich in Dir beheimatet sein, so wie Du in mir, die Ketten gesprengt, die Grenzen verschwommen.

Du in mir und ich in Dir.

Realität oder Fiktion?

Komm, setz Dich zu mir ...

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