Читать книгу Komm, setz Dich zu mir ... - Daniela Noitz - Страница 8

Glückseligkeit

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„Weißt Du eigentlich wie es im Himmel, in der Glückseligkeit aussieht?“, fragte ich Dich unvermittelt, und es muss eine erschreckende Frage gewesen sein, denn Dir ist im selben Moment Dein Buch aus der Hand gefallen. „Natürlich nicht. Das weiß niemand, denn selbst wenn es diesen Himmel gibt, so kann doch niemand darüber Auskunft geben wie es dort aussieht, denn wer einmal dort ist, kehrt nicht mehr wieder.“, antwortetest Du. „Du bist immer von solch einer bestechenden Logik beseelt, da kann ich doch nur den Hut davor ziehen. Dennoch, gegen meine Erzählungen kommt sie nicht an.“, erwiderte ich launig, „Ich kann es mir nämlich ganz genau vorstellen.“ „Und was stellst Du Dir da so vor?“, fragtest Du mit skeptisch zusammengekniffenen Augenbrauen. „Natürlich, es ist nicht zwingend so.“, lenkte ich ein, „Aber Du wirst sehen, es ist eine durchaus ansprechende Vorstellung und wohl auch wünschenswert.“ „Dann erzähl doch schon endlich.“, entgegnetest Du. Also hatte ich es endlich geschafft Deine Neugierde zu wecken. Verschmitzt lächelte ich Dich an. Natürlich, allzu lange durfte ich das nicht machen, kannte ich Deine Ungeduld und Unruhe nur allzu genau. „Nun gut, hier meine Erzählung.“, begann ich nun doch meine Gedanken vor Dir auszubreiten, „Wie wir alle wissen, hat Gott die Welt, genauer den Raum und die Zeit erschaffen.“ „Ja, wenn Du so willst, gehen wir einmal davon aus, als eine Prämisse.“ „Gut, wenn Du es so sehen willst, soll es mir recht sein, schließlich will ich eine Geschichte erzählen und keinen theologischen Diskurs vom Zaun brechen. Also, zurück zur Geschichte: Mit der Welt, dem Raum und der Zeit hat Gott allerdings auch gleich den Himmel geschaffen, also einen Ort, an dem die Menschen nach ihrem Tod hinkommen und bleiben, zumindest für eine gewisse Zeit lang, denn schließlich wusste Er ja wie begrenzt ein solches Menschenleben ist, und irgendwie gefiel Ihm der Gedanke nicht so recht, dass der Mensch, der ja Sein Geschöpf ist, einfach so verschwindet, und um ihn, den Menschen, doch noch irgendwo unterzubringen, hat Er diesen Ort geschaffen.“, setzte ich fort. „Das ist ja alles recht nett.“, entgegnetest Du, „Aber Du wolltest mir doch erzählen wie es dort aussieht.“ „Mach ich auch, aber Du kannst das Treiben dort nicht verstehen, wenn Du um diese Umstände nichts weißt.“, warf ich ein. „Gut, aber jetzt sag endlich wie es dort aussieht.“, entfuhr es Dir voller Ungeduld. „Genau so wie bei uns.“, sagte ich lapidar, „Bloß, dass die Menschen dort nicht mehr der Sklave ihres Stoffwechsels sind, und vor allem auch nicht mehr atmen und schlafen müssen.“ „Das ist alles? Was soll daran neu sein? Eine leiblose Seele hat natürlich keine körperlichen Funktionen.“, fragtest Du, und warst nun ein klein wenig gereizt. „Siehst Du, und genau darin besteht der erste Irrtum. Wir kommen dort in unserer ganzen Körperlichkeit an, und nicht bloß als leiblose Seelen. In dieser Welt, oder genauer, in diesem Himmel kommen alle an, wie sie zum Zeitpunkt ihres Todes waren.“, erklärte ich. „Also wenn ich zerstückelt werde, komme ich in Einzelteilen an?“, fragtest Du spöttisch. „Nein, da wirst Du vorher zusammengesetzt. Gott ist ja nicht der Papst.“, sagte ich sinnend, „Und jetzt erzähle ich Dir von einer Ankunft.“

„Ich werde sie ein bisschen persönlicher erzählen, diese Ankunft, wenn es Dir recht ist.“, schlug ich vor. „Mir ist alles recht, mittlerweile.“, antwortetest Du resigniert, denn inzwischen warst Du wohl überzeugt davon, dass da niemals eine Geschichte draus werden würde. „Also, dann stell Dir vor, wir beide sterben, sagen wir einmal, jetzt.“, begann ich mit der etwas persönlicheren Variante. „Schöne Vorstellung ...“, warfst Du ein. „Und da wunderst Du Dich, dass ich nicht zum Erzählen komme, wenn Du mich dauernd unterbrichst.“, entgegnete ich prompt, „Nochmals, wir sterben und kommen direkt in den Himmel.“ „Entschuldige, aber das kann ich nicht, so stehen lassen. Wir kommen direkt in den Himmel? Was ist dann mit dem Fegefeuer und der Hölle und der Eingangsprüfung und so?“, fragtest Du entgeistert. „Gibt es alles nicht. Die Sachen sind alle nur erfunden worden, damit sich die Menschen nicht gleich nach ihrer Geburt wieder in den Himmel verabschieden wollen.“, gab ich zurück, um dann fortzufahren, „Wir kommen in den Himmel, ganz und zusammengesetzt, wenn nötig, und werden zunächst am Eingang vorstellig. Einer der bereits Eingesessenen nimmt uns unter seine Fittiche und führt uns zum Hausherrn, zu Gott. Neu Ankommende empfängt Er normalerweise am Ufer eines Sees, und Er weiß ja immer im Vorhinein, wenn jemand kommt. ‚Hallo ihr beiden!’, wird er sagen. ‚Hallo!’, werden wir antworten. ‚Ich würde euch bitten euch den Anwesenden vorzustellen.’, wird Er uns auffordern. ‚Und was sollen wir erzählen?’, wirst Du fragen, natürlich Du. ‚Ich denke zunächst genügt es, wenn ihr uns die Umstände eures Todes verratet und was ihr auf Erden gemacht habt.’, wird Er erklären. Das werden wir dann erzählen, und danach stellen sich uns die anderen vor und damit wird der Anstoß dazu gegeben sein mit all den Anderen in Kontakt zu treten, um einander zu begegnen und uns auszutauschen. Damit werden wir fortan unsere Zeit verbringen, oder besser gesagt, die Ewigkeit, denn Zeit vergeht dort ja nicht mehr.“, beschrieb ich diesen himmlischen Zustand, verlor mich an dieses Bild, das ich gemalt hatte und eine schwache Sehnsucht begann zu flattern. „Aber dann ist es ja ganz genau so wie auf der Erde, abgesehen von diesem Stoffwechselzeugs, das zugegebener Maßen recht lästig ist, aber eigentlich nichts Schlimmes.“, warfst Du herausfordernd ein. „Doch, es ist sogar ganz anders, denn es gibt keinen Streit mehr, ja nicht ein böses Wort. Die Kommunikation ist eine vollkommene, d.h. alles Gesagte wird in dem Sinne verstanden, in dem es gesprochen wurde. Die Annahme des Du ist eine allumfassende. Da gibt es keine Ressentiments mehr, keine Vorurteile und keine Barrieren. Da sprechen wir wahrlich Du zu Du, und das gilt für jeden und immer und überall.“, versuchte ich das himmlische Miteinander in Worte zu fassen. „Das soll der Himmel sein? Soll so die ewige Glückseligkeit aussehen? Friede, Freude, Eierkuchen die ganze lange Ewigkeit hindurch? Das, was Du da beschreibst klingt mir eher nach einer Beschreibung der Hölle, nach unerträglicher, schrecklicher Langeweile. Natürlich, eine Zeit lang ist das vielleicht auszuhalten, aber irgendwann würde ich durchdrehen.“, entgegnetest Du sinnend. „Genau so ist es, endlich hast Du es verstanden.“, entgegnete ich erleichtert, „Aber auch das hat Gott gewusst und vorgesorgt, denn schließlich kennt niemand den Menschen so gut wie Sein Schöpfer.“ „Und wie sieht diese Vorsorge aus?“, fragtest Du.

Der Mond stand schon in seinem Zenit, und ich hatte Deine volle Aufmerksamkeit. Das gefiel mir und ich wollte sie auskosten, aber nicht übertreiben, bloß nicht zu weit treiben. „Noch einmal zurück zu der Vorstellung, dass wir jetzt gestorben sind, in den Himmelkommen, eingewiesen wurden in die Gegebenheiten und nun schon diese Einigkeit, Harmonie und Vertrautheit genossen haben, wobei ich nicht von lange oder kurz sprechen kann, denn in der Ewigkeit gebt es solche Begriffe nicht mehr. Jedenfalls denkst Du Dir, Dir ist langweilig. Dann gehst Du zu Gott und sagst Ihm, dass Du eine Herausforderung brauchst, ein wenig Leid und Schmerz und Trauer, Missverständnis und Gegeneinander, also mit einem Wort, all die Dinge, die ein Leben auf der Erde in seiner Unvollkommenheit mit sich bringt. Dann wird Er Dich fragen wie groß diese Herausforderung sein soll. Du wirst kurz in Dich hineinhorchen, überlegen wie stark Du bist, aber auch wie beherrschend und bedrückend die Langeweile. Ja nachdem wird Dir ein neues Leben zugeteilt, ein neues Leben auf der Erde. „D.h., ich werde wiedergeboren? Einfach so, nach meinen Vorgaben und nicht nach meinem Betragen in meinem jetzigen Leben?“, fragtest Du irritiert. „Natürlich, denn Gott besieht Sein Geschöpf in Seine Entscheidung nicht nur mit ein, mehr, Er traut es Seiner Schöpfung zu sich selbst zu entscheiden.“, antwortete ich überzeugt. „D.h. wenn ich in meinem nächsten Leben ein Straßenkind in Rumänien bin oder ein unterernährtes in Äthiopien, dann deshalb, weil ich eine große Herausforderung suchte. Und all die anderen Kinder sind auch blß Menschen, die diese Entscheidung getroffen haben?“, fragtest Du weiter. „Nein, das natürlich nicht. Ich stelle mir vor, da gibt es einen Topf mit kleinen, einen mit mittleren und einen großen Herausforderungen. Du wählst einen, springst hinein, und der Zufall befördert Dich an einen Platz. Kann auch sein, dass Du noch eine Aufgabe zu erfüllen hast. Auch dazu kannst Du Gelegenheit bekommen.“, versuchte ich zu erklären. „Oder eine offene Rechnung, die ich zu begleichen habe.“, ergänztest Du. „Das nicht, denn Gott hält nichts von Rache und wird so etwas nicht unterstützen. Wiedergutmachung, das ja, aber keine Vergeltung.“, unterstrich ich nachdrücklich. „Da habe ich im Alten Testament aber was ganz anderes gelesen.“, warfst Du ein. „Zunächst, hat Gott die Bibel geschrieben oder buchstäblich diktiert? Nein, das hat er nicht, und der Mensch kann nur das schreiben was er versteht. War es doch schon ein großer Fortschritt, dass der Mensch sich nicht selbst als denjenigen sah, der die Rache übte, sondern es Gott überließ.“, antwortete ich. „Der Mensch hat es also einfach Gott in die Schuhe geschoben, wenn er Vergeltung übte? Also alles wie gehabt, nur mit einer angemaßten Autorität.“, entgegnetest Du. „Genau. Aber wenn wir jetzt sterben würden, dann könntest Du alles Gott selbst fragen.“, schlug ich vor. „Das kann ich später auch noch machen, viel später. Jetzt, jetzt möchte ich das Leben mit Dir genießen, diesen lebendigen Moment im Miteinander.“, sagtest Du, und nahmst mich in den Arm, „Aber grundsätzlich eine schöne Vorstellung vom Himmel.“

Komm, setz Dich zu mir ...

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