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Einleitung

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Wozu Menschenkenntnis? Sind nicht alle Menschen einander ähnlich, sind die anderen nicht etwa so wie ich selbst, kann ich nicht von mir auf sie, auf mein Gegenüber schließen? Das ist ein weit verbreiteter Irrtum mit negativen Folgen, leider auch unter Fachleuten. Vielleicht ist es Wunschdenken, dass alle anderen so wären wie ich. Das Leben würde dadurch einfacher, aber auch eintöniger, ärmer und reizloser.

Tatsächlich haben wir keine Wahl: Menschen sind auf eine dramatische Weise verschieden. Doch das ist nur eine Seite der Wahrheit. Sie sind sich auch erstaunlich ähnlich – je nachdem, ob sie vom Persönlichkeitstyp her unterschiedlich oder gleich sind. Dieses Wissen ist nicht neu, doch es ist über einen langen Zeitraum verdrängt, vergessen worden.

Praktisches Wissen oder Erfahrungswissen wurde in der Psychologie, in der Pädagogik, in der Psychosomatik und in anderen Disziplinen, die es mit dem Menschen zu tun haben, in den letzten Jahrzehnten beiseite geschoben. Es galt als unwissenschaftlich. Heute fängt man an umzudenken. Man besinnt sich wieder auf das Wissen, das sich in der Praxis bewährt und schon bewährt hat.

‚Menschenkenntnis der Persönlichkeitstypen‛ ist kein neues Thema. Gäbe es dazu nicht eine Fülle von Erkenntnissen, so müsste man sich überhaupt fragen, ob dieses Thema eine lohnende Aufgabenstellung bietet. Und doch bringt diese Darstellung etwas entscheidend Neues: bisherige Typologien waren überwiegend beschreibend, phänomenologisch – diese ist ‚prozessorientiert‛. Sie geht aus von den unterschiedlichen Strukturen und Prozessen, die die Persönlichkeitstypen ausmachen.

Die Persönlichkeitstypen werden also nicht mehr ‚von außen‛, von ihren beobachtbaren Eigenschaften und Verhaltensweisen her beschrieben, sondern ‚von innen‛, von ihrer ‚Funktionsweise‛ her. Das ist nicht mit einer pragmatischen Vorgehensweise zu leisten, die sich allein auf Erfahrungswerte stützt, sondern es erfordert Wissen – Wissen über den Aufbau und die Strukturen unterschiedlicher Persönlichkeitstypen und über prozesshafte Abläufe.

Damit betreten wir notwendigerweise Neuland, denn die moderne lösungs- und ressourcenorientierte Psychotherapie ist weitgehend dem Pragmatismus oder Konstruktivismus verpflichtet und beide stehen psychologischem Wissen äußerst skeptisch gegenüber. Sie sehen die Psyche als einen freien, nicht determinierten Raum, in dem alles möglich ist. Hier soll gezeigt werden, dass sich unsere Psyche auf die Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten unserer Lebenswirklichkeit hin organisiert hat. Wir haben es dann mit einer Freiheit in der Abhängigkeit zu tun.

Fortschritte in der Praxis sind nur möglich, wenn man bereit ist, sich auf neue Wege des Denkens einzulassen; die Geschichte der praktischen Psychologie ist schon bisher durch wiederholte Paradigmenwechsel geprägt.1 Dieses neue Denken ist weder dogmatisch noch willkürlich, sondern ganz und gar realistisch. Das bedeutet, es muss in jedem Schritt nachprüfbar sein und sich in der Praxis bewähren.

Was bringt eine prozessorientierte Persönlichkeitstypologie? Sie ist wesentlich genauer und anwendungsrelevanter als die bisherigen, beschreibenden Typologien. Sie kann feiner und trennschärfer unterscheiden. Und sie kann den gemeinsamen Nenner unterschiedlicher Typologien ebenso deutlich machen wie ihren speziellen Beitrag zum Thema Menschenkenntnis. Sie ist darüber hinaus geeignet als Integrationsmodell2 zu dienen für unterschiedliche Schulen der Menschenkenntnis.3

Im ersten Kapitel wird die prozessorientierte Persönlichkeitstypologie dargestellt, gezeigt, dass die Strukturen unserer Persönlichkeit spiegelbildlich sind zu der uns umgebenden Lebenswirklichkeit. Es werden die drei Grundtypen – der Beziehungstyp, der Sachtyp und der Handlungstyp – beschrieben sowie die Voraussetzungen für ihre psychische Stabilität, Persönlichkeitsentwicklung und Autonomie. Dann wird die Frage beantwortet, ob die Persönlichkeitstypen etwas Natürliches, ob sie Realitäten sind oder künstliche Unterscheidungen.

Im zweiten Kapitel werden die Gesetzmäßigkeiten unserer Lebenswirklichkeit dargestellt. Dieser Ausflug in die philosophische Ontologie ist deshalb lohnend, weil die Strukturen unserer Persönlichkeit auf diese Lebenswirklichkeit hin organisiert sind. Dieses Wissen trägt zum Verständnis der Persönlichkeitstypen bei. Wer weniger philosophisch interessiert ist, kann dieses Kapitel zunächst einmal überschlagen.

Auch für die folgenden Kapitel gilt, dass die Reihenfolge nicht zwingend ist. Im dritten und vierten Kapitel wird das negative, eingeschränkte Verhalten und Erleben der Persönlichkeitstypen beschrieben. Spiele und Skripts sind ursprünglich Themen der Transaktionsanalyse4 und werden hier typspezifisch dargestellt. Wichtig dabei ist die Frage nach den Alternativen: Was hilft mir, Spiele zu vermeiden, d.h. nicht mich und andere zu manipulieren und statt dessen meine Beziehungen und mein Leben konstruktiv zu gestalten?

Im fünften und sechsten Kapitel wird gezeigt, dass sich sowohl in den Märchen als auch den Dramen die Persönlichkeitstypen widerspiegeln, von ihren Themen her, ihren Problemen, den Lösungen und der Sprache. Es wird deutlich, wie weitgehend das Erleben und Verstehen vom Persönlichkeitstyp geprägt wird und wie er sich seine Wirklichkeit schafft. Zugleich wird damit altes und tief gehendes Wissen zu den Themen der Menschenkenntnis und Persönlichkeitsentwicklung erschlossen.

Im siebten Kapitel werden drei der bekanntesten Modelle der Menschenkenntnis zusammengefasst und der Bezug zur prozessorientierten Persönlichkeitstypologie hergestellt: relativ kurz die psychoanalytische Charakterkunde von Freud über Riemann bis König und ausführlicher das in den letzten Jahren recht bekannt gewordene Enneagramm sowie die homöopathischen Konstitutionstypen. Dabei lasse ich mich von dem Interesse und der Aufgabenstellung leiten, zu zeigen, wie dieses reiche Wissen integriert werden kann, so, dass es sich gegenseitig bestätigt, ergänzt und befruchtet. Die ersten fünf Kapitel sind Neubearbeitungen aus früheren Veröffentlichungen,5 die inzwischen vergriffen sind, Kapitel 7 ist völlig neu.

Die drei Persönlichkeitstypen und ihre Lebensstrategien

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