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Die innerdeutsche Grenze hat in den 45 Jahren ihres Bestehens in vielfältiger Weise einschneidende Auswirkungen auf das Leben unserer Landsleute beiderseits dieser Trennungslinie gehabt. In den ersten Jahren nach Kriegsende war die sogenannte Demarkationslinie, welche die Interessengebiete der sowjetischen, britischen und im Süden der amerikanischen Besatzungsmächte trennte, praktisch eine „grüne Grenze“. Millionen Menschen überschritten allein im Gebiet des Südharzes in beiden Richtungen die nur schwach bewachte, aber keineswegs ungefährliche Demarkationslinie. Das waren Evakuierte, Vertriebene, ehemalige Wehrmachtssoldaten und Fremdarbeiter auf dem Weg in ihre Heimat oder auf der Suche nach Familienangehörigen oder einer sicheren Bleibe. Da die „Rote Armee“ und die in ihrem Interessengebiet eingesetzten Behörden, bedingt durch deren Rücksichtslosigkeit und Willkür, keinen guten Ruf genossen, suchten viele Menschen mehr Sicherheit in den Interessengebieten der westlichen Alliierten. Dazu gehörten insbesondere die um ihre persönliche Freiheit fürchtenden ehemaligen Mandatsträger des „Dritten Reiches“, aber auch leitende Angestellte aus Behörden und Wirtschaft.

Obwohl das Überschreiten der Demarkationslinie durch Anordnungen des Alliierten Kontrollrates, dem zunächst maßgeblichen gemeinsamen Verwaltungsorgan der vier Siegermächte, verboten war, nahmen viele, die damit verbundenen Gefahren ignorierend, den Weg über die Grenze, insbesondere im Südharz. Die Eisenbahnstrecke, die einstmals das sächsische Industriegebiet mit dem an Rhein und Ruhr verband, war seit dem 7. Juli 1945 unterbrochen und endete auf östlicher Seite in Ellrich und auf westlicher Seite in Walkenried. Dazwischen lag für die Grenzgänger eine Strecke von vier bis fünf Kilometern, die meistens mit umfangreichem Gepäck unter Umgehung der Grenzwachen zu Fuß durch die Wälder und Felder zurückgelegt werden mussten. Auf den Bahnhöfen Ellrich oder Walkenried erreichten die Grenzgänger dann die immer überfüllten Züge in Richtung ihres Reisezieles. Der Weg von einem Bahnhof zum anderen war nicht ungefährlich. Die sowjetischen Grenzwachen machten bei Fluchtversuchen rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch. Im Grenzgebiet gestellte Frauen wurden oftmals von den sowjetischen Soldaten vergewaltigt, Grenzgänger festgenommen und ausgeraubt. Aber auch sonst drohte den Grenzgängern der Diebstahl oder der Raub ihrer Habseligkeiten und sogar Mord durch andere Grenzgänger. Die von britischen Soldaten festgenommenen Grenzgänger wurden meistens zurückgeschickt oder auch den deutschen Gerichten übergeben. Da die Militärstreifen beider Seiten nicht in der Lage waren, den Personen- und insbesondere den Warenverkehr über die Demarkationslinie nur annähernd einzudämmen, wurden schon ab 1946 Deutsche zur Grenzüberwachung herangezogen. Vorrangiges Ziel auf beiden Seiten war es, den illegalen Warenverkehr zu unterbinden. Die über den persönlichen Bedarf hinausgehenden Waren wurden beschlagnahmt und der örtlichen Versorgung zugeführt. Die Postendichte auf östlicher Seite wurde ständig erhöht, so dass der Grenzgängerverkehr allmählich abnahm und dann 1952 mit der Einführung des Grenzregimes der DDR nahezu zum Stillstand kam. Von da an erreichte die Demarkationslinie eine neue Qualität mit ihrem von DDR-Seite betriebenen pioniermäßigen Ausbau mit Zäunen, Türmen und Minenfeldern, die das Überschreiten der Grenze nahezu vollständig verhinderten. Bis zur Grenzöffnung im November 1989 wurden die Sperranlagen von DDR-Seite ständig perfektioniert. Durchbrüche gelangten nur noch unter höchster Lebensgefahr. Versuche, die DDR illegal zu verlassen, wurden entsprechend den Grenzgesetzen der DDR streng geahndet.

Auf westlicher Seite wurden die Maßnahmen der DDR an der Grenze von den dafür eingesetzten Zollbeamten, deren Aufgabe, den Warenverkehr zu überwachen, weggefallen war, ständig genauestens verfolgt und registriert. Die hoheitliche Sicherung der Grenze zur DDR oblag dem Bundesgrenzschutz.

Das Anliegen des Verfassers ist es, die Ereignisse an der Demarkationslinie von deren Entstehung an bis zu ihrer Aufhebung möglichst genau und umfassend zu dokumentieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass die in den ersten Nachkriegsjahren erfolgten Ereignisse dabei einen größeren Raum einnehmen als die nach der Einführung des DDR-Grenzregimes, wo vorrangig nur spektakuläre Fluchten Gegenstand der Dokumentation wurden. Umgekehrt ist die Ausbeute an aktuellen Fotos und Dokumenten aus den ersten Jahren der Grenze deutlich geringer als aus späteren Jahren, unter anderem, weil noch vor der Wiedervereinigung in größerem Umfang Bild- und Aktendokumentationen von DDR-Seite vernichtet wurden. Trotzdem lässt sich aus den in Archiven lagernden Unterlagen und aus Zeitzeugenberichten ein weitgehend aussagefähiges Bild der Ereignisse an der innerdeutschen Grenze zeichnen. Der Verfasser hat sich dabei auf das räumlich begrenzte Gebiet des Südharzes konzentriert, weil nur so eine eingehendere Darstellung der Auswirkungen der Trennungslinie auf das Leben der Menschen im Grenzgebiet möglich ist.

Die deutsch-deutsche Grenze 1945–1990

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