Читать книгу Auf der Suche nach Wärme - Ella Mackener - Страница 16

Kapitel 14

Оглавление

Vor dem Hotel bleibe ich stehen. Unschlüssig. Wo soll ich hin?

Ich schaue nach links, ich mache einen Schritt nach rechts... Vor lauter Hektik steige ich zur U-Bahn hinunter. Schnellstmöglich aus dem Sichtfeld verschwinden. Schnellstmöglich vom Erdboden verschluckt werden. U3, U5 - all diese Bahnen können mich nur hamburg-weit entführen. Sollte ich hier Zuflucht finden? Da, wo man vielleicht letzten Endes am wenigsten suchen wird? Irgendwo im Umland?!

Ich habe es immer gehasst, wenn die Leute mitten im Wege stehen blieben. Wenn man ein Päuschen einlegen will, kann man das doch getrost am Wegesrande machen. Und nun bin ich es, die verloren in der Mitte der U-Bahnhaltestelle steht und auf dem Schildern "U3" und "U5" nach einem Wegweiser sucht. Aber so lange ich die Schilder auch anstarre - sie verändern sich nicht. Meine Schultern senken sich. Die Anspannung, die mich die ganze bei Atem gehalten hatte, wird von dem Gefühl des Verlorensein erstickt.

Man rempelt mich an. Einige entschuldigen sich flüchtig, andere werfen mir genervte Blicke zu. Sonst hätte ich wohl eher zu letztere Gruppe gehört.

Aber da fällt mein Blick auf das Schild "ZOH" - den Busbahnhof. Ein Flixbus. Oder irgendein anderes Busunternehmen. Ich werde einfach irgendeinen Bus nehmen. Der nächste, der fährt. Und dann geradewegs in eine andere Stadt.


Ein kastanienbrauner Schopf begrüßt mich mürrisch.

"Moin! Was kann ich für sie tun?", sie lunzt mich über ihre rahmenlose Lesebrille an, die Augen tief in ihren Höhlen. Ich muss sie wohl bei ihren Kreuzworträtseln gestört haben.

"Wann und wohin geht der nächste Bus?"

Sie hebt eine Augenbraue. Sie hebt alleinig eine Augenbraue und schaut mich für den Bruchteil einer Sekunde zu lange an.

"Da scheint es wohl jemand ziemlich eilig zu haben, hm?!", sie legt ihren Kopf schief und setzt ihren üppigen, alten Körper schwerfällig in Bewegung.

Ich mache mir nicht die Mühe ihre Neugierde zu befriedigen.

Hochnäsig starrt sie auf ihren Computer. Auf ihre Uhr. Und wieder auf ihren Computer.

"Wie eilig hast du es?"

Herausfordernd schaue ich sie an und sie antwortet mit einem Kopfnicken in meine Richtung: " Der da fährt in 5 Minuten. Fährt nach Berlin. Sin noch ´n paar Plätze frei", ihr Kinn zeigt auf den Bus unmittelbar hinter mir.

Ich überlege nur eine Sekunde und beginne in meiner Tasche nach meinem Portemonnaie zu kramen.

"Den nehme ich"

Sie grinst. Sie glaubt wohl, mich zu 100% lesen zu können, diese alte Schachtel.

"Macht 11,99 Euro", ungeduldig schiebt sie ihre Hand durch den Schlitz.

"Ist das all ihr Gepäck?", schielt sie auf meine Handtasche. Ich scheine sie zu amüsieren. Als Antwort drücke ich ihr meine Kreditkarte in die Hand. Sie schüttelt fast unmerklich mit dem Kopf und brabbelt irgendetwas vor sich hin, was ich -Gott sei Dank- nicht verstehe.

Als sie mir meine Kreditkarte wiedergibt und die Tickets rüberreicht, reiße ich ihr alles förmlich aus der Hand und stürze in Richtung Bus. Heute mache ich mir wohl keine Freunde.

Der Bus ist wohlig temperiert. Mein Blick huscht blitzschnell über die wenigen Gesichter, aber dieses Mal sehe ich nicht in lauter bekannte. Ich lasse mich von der Dunkelheit des Busses einlullen und wiege mich in Sicherheit. An einer der getönten Scheiben vergrabe ich meinen Kopf, meine Tasche auf dem Nachbarssitz, um ungewollten Gesprächspartnern zu entgehen. Ich bin dankbar für die Haare, die mir ins Gesicht fallen und mich vor weiteren Blicken schützen.

Meine Augen brennen und die graue Außenwelt verschwimmt.

Die Luft der Klimaanlage trifft auf meine glühenden Wangen und kühlt meine heißen Tränen.

Es sind Tränen der Trauer, aber auch Tränen des Abschieds. Des Abschieds von Tom, des Abschieds von Hamburg - der Stadt, die ich mit ihm so lieben gelernt hatte. Tränen des Abschieds von mir und dem Leben, welches ich hier geführt hatte, denn das lasse ich hiermit hinter mir.


Auf der Suche nach Wärme

Подняться наверх