Читать книгу Auf der Suche nach Wärme - Ella Mackener - Страница 18

Kapitel 16

Оглавление

Ich fahre in Richtung Zentrum. Aus der Gewohnheit heraus, steige ich am Potsdamer Platz aus. Hier war ich immer hergefahren, um in der Staatsbibliothek zu Berlin zu recherchieren. In dem ersten Hotel, was in mein Blickfeld rutschen würde, würde ich mir vorübergehend ein Zimmer nehmen.

Sowie ich die Rolltreppe hinauffahre, taucht langsam das Logo „Der Bäcker Feihl“ vor mir auf. Wie oft hatte mir hier ein Käsebrötchen als Frühstück gedient?!

Ich muss umgeben sein von Hotels. Hier sind einige der touristischen Hauptattraktionen: Hochhausensemble kämpfen neben dem Sony Center und der historischen Bedeutung des Potsdamer Platz selbst um die Aufmerksamkeit des Besuchers. Dennoch: Weil ich nie danach gesucht hatte, weiß ich nicht, wohin ich gehen soll. Also entschließe ich mich für den einzig bekannten Weg: den, der in Richtung Bibliothek führt.

Mein Blick wandert die Häuser-Fassaden entlang. Ich passiere Andys Diner & Bar, The Mandala Hotel und das Legoland Discovery Center und fast gewinne ich den Eindruck, dass sich alle möglichen Unterkünfte vor mir versteckt halten. Bis es mir aus dem Augenwinkel zuzwinkert: mein neues Zuhause.

Es kann sich nicht mit dem Nobelschuppen messen, indem ich meine letzte Nacht verbrachte. Aber das gibt mein Geldbeutel auch nicht auf Dauer her. Es ist eher eines dieser neumodischen Business-Hotels, die vor Modernität und Kreativität strotzen. Anstelle des Schlüssels mit dem riesenhaften langen Messingglobus gibt es hier Schlüsselkarten. Und, um der breiten Masse zu gefallen, werden Gegenstände, die einen persönlichen Touch verleihen könnten, strikt vermieden. Eins, zwei, drei könnte sich noch jemand heimisch fühlen.

Ich klinge verbittert. Das bin ich wohl auch. Trauer wird zu Taubheit und wird dann wieder von Wut übertrampelt. Eigentlich will ich nur sagen, dass ich kleine Pensionen bevorzuge, aber für die eine Woche wird dieses Hotel seinen Dienst tun.

Ich habe mir ein Zimmer für eine Woche genommen. Ich muss den Kopf frei kriegen; mir einen Plan machen, wie es weitergehen soll.

Auf meinem Zimmer angekommen, nehme ich erst einmal eine ausgedehnte Dusche. Die Trauer, bilde ich mir ein, habe ich hinter mir gelassen. Es geht jetzt auf zu neuen Ufern. Aber auch die Reise hat Spuren hinterlassen. Mein Gesicht fühlt sich trocken an. Salzige Tränen haben ihm die Feuchtigkeit entzogen. Der Schweiß der Nervosität entdeckt zu werden, klebt noch an meiner Haut. Ich genieße wie heiße Tropfen auf mein Gesicht plätschern und stelle mir vor, wie sie bei ihrem Aufprall bis an die verglaste Duschwand spritzen. Ich genieße wie sich noch warme Rinnsale meinen Nacken herunterbahnen; wie das Wasser von meinen mittlerweile durchnässten Haarspitzen tropft. Für einen Moment gewinne ich den Eindruck, als könnte mich die Dusche von meinen Sorgen reinwaschen; für einen Moment schaffe ich zu vergessen. Die letzten Spuren der Vergangenheit rubble ich mit dem Handtuch weg.

Doch sowie ich zurück ins Zimmer laufe und mein Blick auf mein Kostüm fällt - mein Outfit der ganzen letzten Tage und mein einziges Outfit vor Ort - merke ich schnell, dass es mehr braucht, als eine heiße Dusche, um die Vergangenheit zu bewältigen.

Es ist höchste Zeit, dass ich wieder mehr aus mir mache und meinen Kleiderschrank aufzubessern, ist kein schlechter Anfang. Ich befinde also Shoppen als den nächsten Schritt in mein neues Leben. So schlüpfe ich also zum x-ten Mal in mein Kostüm, schnappe mir meine Handtasche und bin auf dem Weg zur Einkaufsstraße, bevor ich "a" sagen kann.

Es ist schön, mich wieder in aufregenderen Klamotten wiederzufinden. Ich bin kein Model, gehöre nicht zu den herausragenden Schönheiten, aber ich habe eine ansehnliche Figur und durchaus ein attraktives Erscheinungsbild. Mein Verlobter hat mir nie Restriktionen bezüglich meiner Kleidung gemacht, aber ich wusste, dass ihm allzu aufreizende oder außergewöhnliche Outfits an mir missfielen und da ich auch ihm gefallen wollte, orientierte ich mein Einkaufs-Verhalten daran.

Erst jetzt fällt mir auf, wie ich es ausnutze, mich nach niemanden als mir selbst und meinem Geschmack zu richten. Ich habe mich in meiner Beziehung nie eingeschränkt gefühlt und dennoch habe ich das Gefühl, mich nun neu zu entfalten.

In Kürze werde ich Job-Interviews führen müssen und dazu mit angemessener Kleidung ausgestattet sein, aber erst einmal kaufe ich all das, was mir schlichtweg gefällt - ohne jegliche Beeinflussung.

Und dann spricht mich dieses verführerische Cocktail-Kleid vom Schaufenster an. Es ist schwarz mit einem aufgedruckten Blumenmuster, aber es wirkt überhaupt nicht fraulich. Mit seinem tiefen Ausschnitt bis fast auf Höhe des Bauchnabels wirkt es viel eher sexy und dennoch verspielt. Außergewöhnlich! Mit einem außergewöhnlichen Preis, wie ich feststellen muss, sowie ich in die Boutique gestürmt bin.

Ich habe auf meiner Arbeit gut verdient, aber ich werde den hiesigen Lebensstil nicht ewig führen können. Dennoch landet das Schmuckstück in meinen Einkaufstüten. Ich war schon immer der Typ, der sich ab und an gerne einmal etwas gönnte und ich halte fest, dass in der momentanen Situation, alles, was dazu führt, dass sich meine Stimmung aufhellt, gestattet ist.

Zurück im Hotelzimmer lasse ich mich erschöpft auf´s Bett fallen. Zum ersten Mal seit der Schreckensnachricht spüre ich neben der Schwärze, die mein Leben eingenommen hat, auch ein Gefühl der Befriedigung.

Als ich meine Augen wieder öffne, ist die Außenwelt bereits in ein schummriges Dämmerlicht gelullt. Ich muss wohl erschöpfter gewesen sein, als ich dachte. Meine Einkaufstüten liegen über Bett und Boden verteilt. Ich greife nach MEINEM Kleid. Der Stoff ist seidig weich und elastisch. Ich stülpe es über und erfreue mich daran, wie betörend es meine Hüften umschmiegt. "Ich sollte dich ausführen", murmle ich vor mich hin. Und das tue ich! Es ist 6 Uhr. Kein schlechter Zeitpunkt für einen Cocktail, befinde ich. Ich binde meine Haare zu einem legeren Zopf. Viel mehr gibt das wenige Equipment, was ich bei mir habe nicht her. Aber ich habe genügend Schminke, womit ich den Rest ordentlich aufpoliere. Um einiges mehr, als ich das für gewöhnlich tun würde. Selbstsicher bewundere ich das Resultat im Spiegel. Ich BIN eine attraktive Frau! Bewaffnet mit einer Clutch, die ich mir passend zum Kleid besorgt habe, begebe ich mich in Richtung Hotelbar, welche die Krone des Hotels im bildet. Á la "Sex and the City" und passend zur Metropole Berlin bestelle ich mir einen "Cosmopolitan" und versuche die Aussicht in mich aufzunehmen. Was mir nicht wirklich gelingt, denn ich kann dieser grauen Stadt nach wie vor nicht viel abgewinnen.

"Puh! Und ich dachte schon, ich wäre der Einzige, der sich um diese Zeit einen Drink genehmigt!", werde ich aus meinen Gedanken gerissen.

Ich schaue von ihm zu meinem Drink und zurück zu ihm.

"Ich schätze, ich kann Ihnen das nicht als Limo verkaufen, was?!", entgegne ich schmunzelnd.

Als Antwort legt er seinen Kopf schräg und verzieht seine Lippen zu einem gequälten Lächeln. Antwort genug.

"Darf ich?", er zeigt auf den Platz gegenüber.

Er ist um Einiges älter als ich. 10 Jahre wahrscheinlich. Sein volles Haar ist am Ansatz ergraut. Sein Gesicht ist vom Leben gezeichnet und dennoch strahlt er eine Anziehungskraft wie George Clooney aus. Er hat einen sexy Drei-Tage-Bart, der seinem perfekt-sitzenden, azurblauen Anzug mit passender Krawatte die Steifheit nimmt.

Ich bin aus der Übung und normalerweise hätte ich jeden Flirt ausgeschlagen aus Angst ihn mit Schüchternheit schnell zum Erliegen zu bringen. Aber die hiesige Situation ist alles andere als angespannt. Er strahlt eine Ruhe aus, die sich auf mich zu übertragen schien.

"Bitte", ich gebe ihm mit einem ruhigen, langsamen einzigen Nicken zu verstehen, dass er willkommen sei.

"Bruno", er reicht mir die Hand quer über den Tisch, nachdem er sich gesetzt hat.

"Maria", entgegne ich ihm mit einem Lächeln.

Sein Händedruck ist fest und warm. Nicht so fest, als dass es den Eindruck erwecken würde, dass er mir etwas zu beweisen hätte. Fest als ein Zeichen von Sicherheit. Seine Hand ist nicht schwitzig oder kalt vor Nervosität. Ihre Wärme durchflutet meinen Körper angenehm.

Er dreht sich zur Bar und gibt dem Kellner zu verstehen, dass wir das jeweilige Getränk ein zweites Mal wünschen.

Bruno ist sicher nicht aus der Übung.


Auf der Suche nach Wärme

Подняться наверх