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Dem Text die Persönlichkeit nehmen

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Allerdings liest nicht jeder die Bibel auf diese Weise und viele wollen es auch gar nicht. Viele finden Sie aus anderen Gründen interessant oder haben andere Verwendung für sie. Die Bibel hat sich über die Jahrhunderte als Autorität etabliert und man betrachtet sie auf vielerlei Weise als nützlich oder interessant oder hilfreich und sieht sie nicht notwendigerweise als Text, der uns in die Offenbarung Gottes hineinnimmt.

Es gibt beispielsweise schon immer eine große Zahl von Menschen, die von den intellektuellen Herausforderungen der Bibel fasziniert ist. Wer über einen neugierigen Geist verfügt und die Herausforderung sucht, der kann fast nichts Besseres tun, als Bibelgelehrter zu werden. Gehen Sie in eine theologische Bibliothek und wandern Sie durch die Gänge mit säuberlich katalogisierten Büchern, die über die Bibel und ihre verschiedenen Teile geschrieben wurden, und Sie werden erstaunt sein. Nehmen Sie irgendeines der Bücher heraus und sie werden mit großer Sicherheit das Ergebnis eines großartigen Geistes in Händen halten, der diese Sätze auf der Suche nach Wahrheit durchstöbert hat und mit höchst beeindruckenden und interessanten Ergebnissen aufwarten kann. Sprache, Geschichte, Kultur, Ideen, Geografie, Dichtung – suchen Sie sich ein Gebiet aus, die Bibel liefert es Ihnen. Ein Mensch kann sein ganzes Leben mit der Bibel verbringen – sie lesen, studieren, lehren und darüber schreiben – und nie zum Ende kommen.

Dann gibt es wiederum andere, die mit eher praktischen Absichten zur Bibel kommen. Sie wollen ein gutes Leben führen und wünschen sich das auch für ihre Kinder und Nachbarn. Sie wissen, dass die Bibel vernünftige Ratschläge bereithält und eine zuverlässige Richtung vorgibt, um in der Welt voranzukommen, was im Allgemeinen ja bedeutet, gesund, reich und weise zu werden. Die Bibel steht in dem Ruf, einen guten Kurs für persönliches und soziales Verhalten vorzugeben, und genau davon wollen diese Menschen profitieren. Generell ist man der Ansicht: Menschen sind ein störrischer Haufen, der dazu tendiert, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Diese Bibel bewahrt uns vor Fallstricken und leitet uns auf einem geraden, schmalen Weg.

Und dann gibt es natürlich noch die große Zahl von Menschen, die die Bibel zu ihrer sogenannten Inspiration lesen. Es gibt so viele schöne und tröstliche Passagen in der Bibel. Wenn wir einsam sind oder trauern oder auf der Suche nach Worten sind, die uns dem alltäglichen Stumpfsinn entreißen, was gibt es Besseres als die Bibel? Die bewegenden Geschichten von Elia, der großartige Rhythmus der Psalmen, der kunstvolle Donner in Jesajas Predigten, die charmanten Parabeln von Jesus, die geladene Energie in der Lehre von Paulus. Wenn es dir um andächtige, behagliche Bibellektüre geht, dann musst du dir nur den passenden Abschnitt heraussuchen – es gibt in der Bibel große Passagen, die dich entweder einschläfern oder die ganze Nacht wachhalten. Allerdings gibt es in den meisten christlichen Buchläden kleine Spickzettel, die dir genau vorgeben, welche Abschnitte der Bibel du lesen musst, wenn du Trost suchst oder Beistand – oder was auch immer du im Augenblick gerade brauchst.

Ich will über keine dieser Gruppen von Bibellesern ein zu hartes Urteil fällen, insbesondere weil ich selbst viel Zeit in jeder dieser Gruppen zugebracht habe, aber ich will auf die augenfällige Tatsache hinweisen, dass, egal in welcher Gruppe du dich befindest, du die Bibel für deine eigenen Zwecke verwendest und dazu musst du unter Umständen keine Beziehung eingehen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass man offen und ehrlich an die Bibel herangeht, sich auf ihre intellektuellen Herausforderungen oder ihre moralische Führung einlässt oder die geistliche Ermutigung, die man erhält, und sich nicht einen Moment mit dem sich selbst offenbarenden Gott auseinandersetzt, der einen Plan für mich hat.

Oder um es in den Worten zu sagen, mit denen wir begonnen haben: Man kann die Bibel aus vielen verschiedenen Blickwinkeln lesen und aus mancherlei Gründen, ohne sich mit Gott, wie er sich selbst offenbart hat, auseinanderzusetzen, ohne sich unter die Autorität des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu stellen, der in allem, was wir sind und tun, lebendig und gegenwärtig ist.

Um es deutlich auszudrücken: Nicht jeder, der sich für die Bibel interessiert oder sich sogar dafür begeistert, will auch wirklich etwas mit Gott zu tun haben.

Doch es ist Gott, um den es in diesem Buch geht. In seinem letzten Buch schrieb C. S. Lewis von zwei Arten des Lesens: das Lesen, bei dem wir das Buch für unsere eigenen Zwecke verwenden und das Lesen, bei dem wir die Absicht des Schriftstellers aufnehmen. Das erste führt nur zu schlechtem Lesen. Das zweite hat das Potenzial zu gutem Lesen:

Wenn wir es „aufnehmen“, bemühen wir unsere Sinne und unsere Vorstellungskraft und verschiedene andere Kräfte entsprechend einem vom Künstler erdachten Muster. Wenn wir es „gebrauchen“, behandeln wir es als Hilfe für unsere eigenen Betätigungen. … „Gebrauchen“ ist dem „Aufnehmen“ unterlegen, weil die Kunst, wenn sie gebraucht, statt aufgenommen wird, unser Leben nur erleichtert, aufhellt, entspannt oder beschönigt, aber nicht bereichert.“15

Aus diesem Grund ist es bei der Annäherung an dieses Buch, die Bibel, so wichtig, dass wir erkennen, was die Kirche als Dreieinigkeit formuliert hat. Wir lesen, um Anteil zu haben an der Offenbarung Gottes, der so nachdrücklich personal ist. Wir lesen die Bibel so, wie sie auf uns zukommt, und nicht, wie wir auf sie zukommen. Wir unterwerfen uns den unterschiedlichen und sich ergänzenden Handlungen Gottes des Vaters, Gottes des Sohnes und Gottes des Heiligen Geistes. Wir empfangen diese Worte, um jetzt und für alle Ewigkeit zur Ehre Gottes gestaltet zu werden.



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