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Weltuntergangsstimmung wegen eines »Schnupfens«?

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So machten wir uns Ende Januar 2020 also über das Virus mit dem merkwürdigen Namen lustig und die medizinisch etwas Bewanderten unter uns konnten sich nicht erklären, weshalb vonseiten der Medien so viel Aufhebens betrieben wurde. Coronaviren, das wussten wir noch vom Studium, gehörten neben anderen Biestern, wie beispielsweise den Rhinoviren, zu den klassischen Verursachern milder »grippaler« Infekte. Wir hatten die letzten Jahre damit verbracht, Patienten die Harmlosigkeit einer derartigen Infektion zu erklären und immer wieder auf den eklatanten Unterschied zur echten Grippe, also der Virusinfluenza, hinzuweisen. Und plötzlich herrschte in China Weltuntergangsstimmung nur wegen eines »Schnupfens«.

Etwas mulmig wurde uns allerding schon ob der Bilder, die zunehmend zu uns herüberschwappten. Ganze Städte wurden abgesperrt, Menschen in Schutzanzügen liefen durch verlassene U-Bahn-Stationen und desinfizierten jeden Millimeter. Und all das wegen eines simplen grippalen Infektes? Nach und nach kamen in uns und einigen Kollegen Zweifel auf. Was sollte das denn? Die Chinesen waren nicht unbedingt für Überreaktionen bekannt und auch, dass sie eben mal so ihre eigene Wirtschaft herunterfuhren, schien doch sehr verdächtig. War also doch was dran am Coronavirus? Nach und nach wurde das Thema immer prominenter in den Medien platziert und es gab erste Berichte von Fällen außerhalb Wuhans und dann auch außerhalb Chinas. Und weil sich immer noch keiner so richtig erklären konnte, weshalb Fabriken geschlossen und das öffentliche Leben heruntergefahren wurde, passierte das, was passieren musste: Es kamen Verschwörungstheorien auf. Was wusste die chinesische Regierung über den Erreger? War es vielleicht doch ein missglücktes Experiment aus den Biotech-Laboren von Wuhan? Steckte mehr dahinter als eine normale Grippe?

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VIRUS

Unter einem Virus verstehen Wissenschaftler und Mediziner eine organische Struktur, die selbst aber keine Zelle ist und nicht lebt. Schon allein an dieser Beschreibung merkt man, dass wir es bei Viren mit einem hochinteressanten Objekt zu tun haben. Allen Viren gemein ist die Abhängigkeit von einer sogenannten Wirtszelle. Denn nur durch die Nutzung echter, lebender Zellen können Viren sich vermehren. Das gefällt den Betroffenen verständlicherweise gar nicht. Und so kommt es meist zu einer starken Immunantwort, weil der Körper den Eindringling erkennt und versucht, ihn unschädlich zu machen. Man bekommt Fieber und fühlt sich eine Zeit lang nicht besonders gut. In seltenen Fällen gelingt es dem Virus, der Immunantwort zu trotzen – dann wird der Befallene richtig krank.

Die Art und Weise, wie Viren andere Zellen nutzen, um sich selbst am Leben zu erhalten, ist faszinierend. Dabei docken sie an der Zellmembran der Wirtszelle an und schleusen das eigene Genmaterial in deren Inneres. Diese RNA oder DNA (je nach Virustyp) wird dann von der befallenen Zelle behandelt wie das eigene Genmaterial. Denn es enthält den Bauplan zur Produktion weiterer Viruspartikel. Die befallene Zelle wird also gekapert und zur Virenproduktionsstelle umfunktioniert. Sind genug Kopien des Ursprungsvirus angefertigt worden, platzt die Zelle förmlich und entlässt Tausende und Abertausende neuer Viren in den Körper. Die greifen ihrerseits wieder gesunde Zellen an und funktionieren auch diese zu Virenproduktionsfirmen um.

Es entsteht ein richtiger Teufelskreis, denn eine infizierte Zelle führt zu hunderten, ja tausenden neuen Virenpartikeln. Die berühmte exponentielle Vermehrung findet also schon im Kleinen – im Vermehrungszyklus des Virus – statt.

Der belogene Patient

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