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Die Paulusbriefe

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Der Bericht in der Apostelgeschichte lässt sich durch die Briefe, die Paulus auf seinen Missionsreisen geschrieben hat, teilweise ergänzen, modifizieren und korrigieren. Sie sind ebenfalls in griechischer Sprache verfasst. Da der in Tarsus aufgewachsene Paulus diese Sprache gut beherrschte, konnte er sich vielen Menschen gegenüber verständigen. Bei Zusammenkünften der christlichen Gemeinden wurden sie vorgelesen, um möglichst viele Gläubige zu erreichen. Die Briefe wurden abgeschrieben und an andere Städte weitergeleitet. So kamen sie im Laufe der Zeit in den Besitz von Menschen, die die Texte kommentierten und interpretierten.

|24|Wie bei den anderen Schriften des Neuen Testaments ist eine genaue Datierung nicht möglich. Mehr noch: Von längst nicht allen Briefen lässt sich mit Sicherheit sagen, dass sie tatsächlich von Paulus geschrieben wurden. In das Neue Testament wurden 14 „Paulusbriefe“ aufgenommen, in 13 dieser Briefe wird Paulus als Verfasser genannt. Sieben davon können ihm zweifelsfrei zugerechnet werden: Römer, 1 und 2 Korinther, Galater, Philipper, 1 Thessalonicher und Philemon. Die Urheberschaft der sechs anderen Briefe – Epheser, Kolosser, 2 Thessalonicher, 1 und 2 Timotheus und Titus – ist umstritten, doch heute wird hauptsächlich die Meinung vertreten, dass sie kürzere oder längere Zeit nach seinem Tod von Schülern des Paulus geschrieben wurden, die in seinem Sinne zu handeln glaubten und deshalb seinen Namen unter ihre Schriften setzten. Dass sie dabei möglicherweise eine Deutung seines Gedankenguts vermittelten, die Paulus selbst nicht niedergeschrieben hätte, nahmen sie in Kauf.

Der Römerbrief wird immer als der erste genannt, weil er mit 7094 Wörtern der längste ist. Mit 328 Wörtern ist der Brief an Philemon der kürzeste. Mit ihrer zeitlichen Reihenfolge hat der Umfang der Briefe jedoch nichts zu tun. Die meisten Paulus zugeschriebenen Briefe sind in die 50er-Jahre zu datieren und damit gehen sie der schriftlichen Niederlegung der ersten Evangelien weit voraus.

Die Bewohner der Stadt Thessalonich waren die Ersten, die ein Schreiben von Paulus empfingen. Im Jahr 49 hatte er in dieser Stadt die Basis für eine christliche Gemeinschaft gelegt. Etwa zwei Jahre später, als er über längere Zeit in Korinth predigte, wollte er die Thessalonicher wissen lassen, wie tief verbunden er sich ihnen fühlte. Sein zweiter Brief richtete sich an die Galater. Vermutlich schrieb er ihn 53 in Ephesus, wo er sich von 52 bis 54/55 aufhielt. Von Ephesus aus wandte er sich in diesem Jahr auch an die Philipper und die Korinther. Im Jahr 56, noch bevor er einen Fuß auf die Straßen Roms gesetzt hatte, sollte er auch den Bewohnern der Hauptstadt des Reiches Mut zusprechen. Mit seinen Briefen war Paulus der Erste, der sich schriftlich über den Glauben an Christus geäußert hat. Dabei hatte er Jesus nie als Prediger erlebt, sondern sich aus Erzählungen der Apostel und anderer Zeitzeugen ein Bild von ihm machen müssen.

Paulus lässt in seinen Briefen keinen Zweifel daran, wer er ist und welche Ziele er verfolgt. Er nennt sich einen Diener Jesu Christi, einen berufenen |25|Apostel, auserwählt, die frohe Botschaft Gottes zu verkünden. Über sein persönliches Tun und Lassen auf seinen Reisen sagt er nichts. Über seine Reiserouten können wir manchmal nur Vermutungen anstellen; ebenso können wir nur schwer nachvollziehen, wie er vorging, wenn seine Predigten in einer Stadt Anklang gefunden hatten und er eine neue christliche Gemeinde gründen konnte.

Was er jedoch in seinen Briefen zum Ausdruck bringt, sind Emotionen. Manchmal zeigt er sich mitfühlend und teilt die Sorgen und Ängste der Menschen, an die er sich wendet. Er kann jedoch auch austeilen und seine Widersacher beschimpfen, so zum Beispiel in seinem Brief an die Galater. Den Leuten, die dort Unruhe stiften, ruft er zu, sie „sollen sich doch gleich entmannen lassen“ (Gal 5, 12). Wenn es um die Glaubensverkündigung ging, die er sich aufgetragen hatte, gab es für Paulus kein Wenn und Aber und er scheute auch nicht vor harten und beleidigenden Worten zurück.

Paulus verkündete in seinen Briefen keine in sich geschlossene Theologie; er hatte keinen konsistenten Rahmen für alles und jedes zu bieten. Mit Ausnahme vielleicht des Römerbriefes sind seine Briefe Ansammlungen ungebundener Gedanken über Probleme, mit denen er auf seinen Missionsreisen konfrontiert wurde. Und diese Probleme unterschieden sich von Ort zu Ort. In Korinth spielten andere Dinge eine Rolle als in Thessalonich oder Ephesus. Für die Christen in diesen Städten waren Paulus’ Ratschläge ein willkommener Rückhalt. Im Verlauf der Zeit nahm der Aktualitätswert seiner Worte natürlich ab, da in diesen Städten gesellschaftliche Veränderungen eintraten und das Bedürfnis nach zeitgebundenen Empfehlungen verschwand. Der Popularität der Briefe tat das keinen Abbruch. Sie wurden in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen, mit der verblüffenden Folge, dass von heutigen Christen erwartet wird, Lehren aus Hilfestellungen zu ziehen, die ein reisender Glaubensverkünder vor fast 2000 Jahren kleinen christlichen Gemeinden in einer feindlich gesinnten heidnischen Welt gab.

Paulus

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