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1.2 „Liturgischer Raum“ und „öffentlicher Raum“? – kirchliche Stellungnahmen zum Thema ‚Kirchengebäude‘ und ‚Kirchenraum‘

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a) Positionen der katholischen Kirche

Im Jahr 1988 wurde eine Handreichung der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht: „Leitlinien für den Bau und die Ausgestaltung von gottesdienstlichen Räumen“7. Darin heißt es u.a.: Der gottesdienstliche Raum soll dem Menschen „die Begegnung miteinander und mit Gott“, die sich in den gottesdienstlichen Versammlungen realisiert, ermöglichen und erleichtern. Dabei kommt dem durch Architektur und Kunst ausgestalteten Raum als zeichenhafter Ausdruck wie als Träger von Bedeutungen, die über das Materielle hinausweisen, großes Gewicht zu. „Wenn sowohl der Zeichencharakter des Raumes als auch seine liturgische Eignung stimmen, sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Mysterium Christi und seiner Kirche angemessen gefeiert und erfahren werden kann“ (9). Der Kirchenraum ist mehr als nur ‚Raumhülle‘ für die Feier des Gottesdienstes. So, wie in der Liturgie „die Dialektik konkreter Gestaltwerdung (Vergegenwärtigung) und ehrfurchtsvoller Anerkennung der Unfassbarkeit Gottes (Doxologie) aufgehoben wird“, so wird der Raum, ja der gesamte Kirchenbau „zum Ort der Anschaulichkeit des Wortes, er wird Gestalt gewordene Theologie oder ‚Doxologie in Stein‘“ (11). So kann auch davon gesprochen werden, dass „kulturell wertvolle Kirchen … die Gegenwart Gottes im öffentlichen Raum repräsentieren“ (18).

2003 wurde in derselben Reihe ein Heft mit dem Titel „Räume der Stille“ veröffentlicht. Im Blick auf den Kirchenraum wird der Horizont der Gottesdienstfeier überschritten, wenn es heißt, dass „auch außerhalb der liturgischen Feier … die Vermittlung dieser Erfahrung der göttlichen Gegenwart die eigentliche Bestimmung des gottesdienstlichen Raumes“8 sei.

Ein ebenfalls 2003 veröffentlichter Text weitet die Wahrnehmungsperspektive noch einmal aus: „Ein Kirchenraum wirkt auf sehr unterschiedliche Weise auf die Besucher. Die einen lassen sich von der Stille des Raumes und von der Bildkraft der Ausgestaltung in den Bann ziehen, die anderen fühlen sich ermutigt ein persönliches Gebet zu sprechen, eine Kerze anzuzünden und einen Augenblick niederzuknien.“9

b) Positionen der evangelischen Kirchen

1951 hatte der Arbeitsausschuss des Evangelischen Kirchbautages „Grundsätze für die Gestaltung des gottesdienstlichen Raumes der evangelischen Kirchen“ aufgestellt („Rummelsburger Richtlinien“). Darin heißt es u.a.: „Evangelischer Gottesdienst kann grundsätzlich überall gehalten werden, in jedem Raum und auch im Freien. Aber schon aus praktischen Gründen ist für eine an einen Ort gebundene Gemeinde ein Kirchengebäude notwendig. Dieses Gebäude muß so ausgestattet sein, daß in ihm das Wort Gottes verkündigt und die Sakramente gereicht werden können. Der gottesdienstliche Bau und Raum soll sich um seines Zweckes willen klar unterscheiden von Bauten und Räumen, die profanen Aufgaben dienen.“10 Damit wurde die bislang immer wieder konstatierte Spannung zwischen der reinen Pragmatik und Funktionsbestimmung sowie der eigenständigen Formgebung bei jedem Kirchengebäude lediglich fortgeschrieben.

Vierzig Jahre später beschloss der Arbeitsausschuss des Evangelischen Kirchbautages den Text „Der Evangelische Kirchenraum“. Hier heißt es: „Der gottesdienstliche Raum ist ein gestalteter Raum, der deutlich zu erkennen gibt, was in ihm geschieht. Er soll so beschaffen sein, daß in ihm durch Lesung, Predigt, Gebet, Musik und bildende Kunst das Wort Gottes verkündigt und gehört werden kann und die Sakramente gefeiert werden können.“11 Deutlich wird hier die weiterhin einseitige Ausrichtung auf die Feier des Gottesdienstes, auch wenn Musik und bildende Kunst als eigenständige Medien der Verkündigung neben der Wortverkündigung Berücksichtigung finden.

Auf einen weiteren, nun immer wichtiger werdenden Aspekt macht schließlich die Kundgebung der EKD-Synode von 2003 aufmerksam: „Kirchen dienen der christlichen Gemeinde zum Gottesdienst. Dazu sind sie gebaut. Aber sie sind mehr: Sie haben eine Ausstrahlungskraft weit über die Gemeinden hinaus, denen sie gehören. … Die Synode ermutigt die Gemeinden, Kirchen neu als öffentliche Räume zu begreifen, als Orte, an denen man in erster Linie, aber nicht nur, durch den Gottesdienst Vertrautem und Gewohntem, sondern auch Fremdem und Neuem begegnen kann.“12 Damit ist der Kirchenraum als besonders gestalteter Raum, der auch außerhalb des Gottesdienstes eine Wirkung auf ihn besuchende Menschen ausübt, in das Blickfeld gerückt.

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