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Kapitel 5

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Julie stellte sich als eine sehr quirlige und offene Person heraus, die mich mit Fragen bombardierte, sodass Barbara sie schon ein wenig ausbremsen musste.

I‘ve never been to Germany. It must be so exciting!“, sagte Julie. Und irgendwie schien alles, was ich sagte, irgendwie exciting zu sein. Und dann kamen wir zu dem Punkt, an dem sie fragte, wie denn meine Pläne für die nächste Zeit waren. Ich erklärte ihr, dass es momentan nicht so wirklich einen gab und Jack erzählte ihr, was wir unternommen hatten. Julie hörte interessiert zu. Dann überlegte sie einen Moment und sagte schließlich: „My sister has a farm on Vancouver Island and she always needs people who can help her.“ Ich traute meinen Ohren kaum. Julies Idee konnte meine Probleme für eine Weile lösen. „That would be awesome“, freute sich auch Barbara. Julie versprach, gleich morgen ihre Schwester anzurufen und nachzufragen. Obwohl noch überhaupt nichts in trockenen Tüchern war, konnte ich nicht aufhören, den ganzen Abend über zu grinsen.

Ich erkundigte mich nach Oscars Kindern. Maxwell und John waren nur etwas älter als ich – Anfang zwanzig – und studierten in Ottawa und Vancouver. Oscar erklärte mir, dass Maxwell schon immer mehr der Familienmensch gewesen war und deswegen lieber nebenan wohnte (als ich die Entfernung später googlete, staunte ich nicht schlecht, dass nebenan viereinhalb Autostunden hieß!). John war schon immer mehr der Freigeist und wollte lieber weit weg von der Familie sein.

„Eigentlich sind die beiden unzertrennlich und doch so grundverschieden“, sagte Oscar mit einem Lächeln.

Ich erzählte ein wenig über Rena und mich. Ich dachte eigentlich immer, dass wir ziemlich ähnlich waren – wir ähnelten uns sogar vom Äußeren – aber je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir bewusst, dass es auch viele Dinge gab, in denen wir so unterschiedlich war. Auch Rena blieb liebe in der Nähe von zu Hause, während ich schon immer so weit weg wie möglich davon sein wollte.

Zum Abschied umarmte mich Julie herzlich und versprach mir mehrmals, dass sie so bald wie möglich mit ihrer Schwester sprechen würde.

She is lovely“, sagte Barbara mit einem leichten Seufzen in der Stimme. „Ich bin froh, dass sie und Oscar sich gefunden haben. „Weißt du, Oscar hat lange gebraucht. Wir dachten zuerst, er sei schwul, weil er einfach kein Mädchen mit nach Hause gebracht hat, aber offensichtlich hat er einfach nur auf die Richtige gewartet.“

Es war mir schon fast ein wenig peinlich, wie meine Großtante da so aus dem Nähkästchen plauderte. „Also bei John mussten wir schon immer aufpassen, dass er uns nicht zu früh zu Oma und Opa macht“, meinte sie lachend.

„Babs…“, sagte nun Jack mit leichter Ermahnung in der Stimme, so, als ging ihm das auch langsam ein wenig zu weit. Ich warf ihm einen Blick zu, der Dankbarkeit ausdrücken sollte.

„Also ich bin ein wenig müde. Ich glaube, das ist immer noch der Jetlag“, sagte ich und begab mich in Richtung Treppe. „Und...bevor ich es vergesse. Habt ihr vielleicht WLAN hier?“

„Na, was glaubst du denn, wo wir leben?“, sagte Barbara leicht empört. „Natürlich haben wir hier Internet. Jack, sei so gut und such das Passwort raus“, bat sie meinen Großonkel.

„Auf der Rückseite vom Router....unter dem Fernseher“, rief Jack mir zu, der er sich inzwischen schon wieder auf der Couch gemütlich gemacht hatte.

„Danke“, sagte ich und folgte seinen Anweisungen. „Ich geh dann mal nach oben. Gute Nacht.“

„Gute Nacht, Liebes“, wünschte mir meine Großtante.

Sweet Dreams“, kam es von meinem Großonkel.

In meinem Zimmer schaltete ich meinen Laptop an, gab das Passwort ein und freute mich, endlich wieder online zu sein. Ich checkte meine Mails und sah sofort, dass ich fünf Nachrichten von meiner Mutter bekommen habe, die nach und nach immer panischer wurden. Von Hallo, mein Schatz, wie geht es dir? Bist du gut angekommen? Bis zu Warum meldest du dich nicht????!!!! Muss ich eine Vermisstenanzeige aufgeben??? Natürlich, irgendwie hatte ich total vergessen, ihr irgendwie mitzuteilen, dass ich heil angekommen war und mein Handy funktionierte hier ja auch nicht. Ich schrieb ihr zurück, beruhigte sie, dass alles gut war und noch dazu, dass es mir hier bis jetzt ziemlich gut gefiel. Na ja, zu Letzterem konnte ich bislang ja noch nicht so viel sagen, aber ich wusste, dass sie das beruhigen würde.

Dann schrieb ich auch noch an meine Freundinnen und erzählte ihnen, was mir bisher alles passiert war, inklusive der Geschichte mit dem Koffer, die ich meiner Mutter lieber verschwiegen hatte, damit sie sich keine Sorgen machte. Und dann überkam mich wieder diese Jetlag-Müdigkeit. Ich legte den Laptop zur Seite, ging ins Bad und sobald ich mich ins Bett gelegt hatte, schlief ich ein.

Am nächsten Morgen begrüßte mich Barbara freudestrahlend: „Julie hat bereits angerufen. Sie hat mir ihrer Schwester telefoniert und die hat gesagt, dass sie sich über jede helfende Hand auf dem Hof freut.“ Ich konnte mein Glück kaum fassen. „Ehrlich?“, war das einzige, was ich herausbrachte. „Würde Babs es dir sonst sagen?“, meinte Jack ein wenig nüchtern. „Och, Jack…“, erwiderte meine Großtante ein wenig genervt von diesem Kommentar.

„Wann kann ich los?“, fragte ich ungeduldig.

„Quasi sofort, das hängt nur ein bisschen von den Flügen ab, die sind natürlich spontan n bisschen teurer und natürlich ist dein Gepäck ja immer noch nicht aufgetaucht.“ Damit holte sie mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. „Aber das wird schon, Annie“, meinte sie beruhigend, als sie mein wahrscheinlich trauriges Gesicht sah. Ich mochte es, wie sie Annie sagte, fast noch lieber als Anne. „Können wir nicht mal beim Flughafen anrufen?“, fragte ich fast schon bettelnd.

„Können wir machen, aber ich glaube nicht, dass das etwas bringt. Die werden sich schon melden.“ Ich konnte wirklich wohl nur abwarten und das war etwas, was ich hasste. Meine Mutter hatte mich schon früher ständig einen unruhigen Geist genannt, weil ich nie lange stillsitzen konnte.

Und als hätte es der Zufall so gewollt, kam am Nachmittag ein Anruf vom Flughafen, dass endlich ein Koffer mitgekommen war, der auf meine – doch recht spärliche – Beschreibung passte. Ich tanzte vor Freude auf und ab und war immer noch ganz aufgeregt, als Jack und ich losfuhren, um ihn abzuholen.

Als ich ihn dann tatsächlich sah, wäre ich dem Mann am Schalter am liebsten um den Hals gefallen. „Looks like you have been waiting for this“, sagte er lachend. „She did“, bestätigte mein Großonkel an meiner Stelle.

Wanna some champagne? Cause we have to celebrate, right?“, sagte er, nachdem wir vom Schalter weggegangen waren. „Ich hätte lieber nen Kaffee“, sagte ich schmunzelnd. Das setzten wir auch dann gleich in die Tat um und wir buchten vor Ort auch gleich einen Flug nach Vancouver Island für die nächste Woche.

Auch Barbara freute sich für mich, dass ich meine Habseligkeiten wieder beisammenhatte. „Jetzt kann es ja weitergehen“, stellte sie fest. „Genau“, bestätigte ich.

Die falsche Ecke der Heide

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