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Beo und Enna

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Es klingelte an der Haustür. Genauer gesagt: Es klingelte nicht, es summte dezent. Das machte in diesem Fall aber keinen Unterschied, weil Beo Wulf sich vorübergehend von der Außenwelt verabschiedet hatte. Er saß an seiner Hammond-Orgel A 100, einem original amerikanischen Modell aus den 1960er Jahren, und spielte The Shadow of your Smile. Mit diesem Schmusesong hatte er schon unzählige Zuhörer beeindruckt; besonders weibliche.

Zu denen gehörte auch Enna, die seit zwei Jahren Tisch, Bett und Weinkeller mit Beo teilte und in seiner Detektei als ‚Vorzimmermaus’ fungierte. Die üblichen Berufsbezeichnungen wie Empfangsdame, Sekretärin oder einfach nur Mitarbeiterin fanden beide nicht passend. Deshalb hatten sie sich auf dieses possierliche Tierchen geeinigt, das im Moment allerdings nicht präsent war.

‚Enna-Maus’ - so wurde sie meistens, jedenfalls, wenn Friede im Haus Wulf herrschte, von Beo gerufen - stöberte gerade mit drei befreundeten anderen Mäusen durch die Weseler Fußgängerzone: vom Großen Markt über Viehtor, Kreuzstraße, Korbmacherstraße, Hohe Straße bis zum Berliner-Tor-Platz und wieder zurück. Die Vier fanden die deutlich in die Jahre gekommene Fußgängerzone an sich zwar nicht übermäßig attraktiv. Sie hofften deshalb auf die bevorstehende Neugestaltung nach den Plänen eines Berliner Architekten-Duos. Aber die Vielfalt der Läden und des Angebotes sagte ihnen trotzdem zu. Deshalb waren sie oft und gern in Wesel unterwegs, statt - wie viele andere - nach Bocholt oder Duisburg zu fahren.

Helen und Lola-Marie waren frühere Kolleginnen aus dem Schreibpool der Kreispolizeibehörde. Mit ihnen unternahm Enna nach ihrem Wechsel von der Polizei in Beos Büro immer noch regelmäßige Klön- und Shoppingtouren. Ihre beste Freundin Anne kannte Enna schon seit der gemeinsamen Sandkastenzeit.

Beo hörte das inzwischen zu einem nervigen Dauerton mutierte Summen sehr wohl, er ließ sich aber nicht stören.

„Klingel von mir aus bis morgen früh“, brummelte vor sich hin und blätterte seine Noten um. Mittwochnachmittags war die Detektei nämlich nicht besetzt - so war es auch auf dem gut sichtbaren Hinweis-schild neben der Haustür zu lesen - und Beo sah absolut keinen Grund, diese Regelung zu durchbrechen. Nach seinen abenteuerlichen Erlebnissen im Zusammenhang mit der Ermordung des Weseler Kriminal-Hauptkommissars Gregor Obermann vor zwei Jahren war Beo bekannt wie ein bunter Hund. Er hatte in der Angelegenheit zwar einen etwas ambivalenten Eindruck hinterlassen, als wichtigster Zeuge aber wesentlich zu der Aufklärung des Falles beigetragen. Die Strafverfolgung wegen mehrerer kleinerer Delikte, in die ihn der Haupttäter hineingezogen hatte, war wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Seitdem war Beo jedenfalls der bekannteste Detektiv weit und breit, und über einen Mangel an lukrativen Aufträgen konnte er sich weiß Gott nicht beklagen.

Es summte noch einmal kurz, dann gab der Störenfried draußen vor der Tür auf. Beo hörte kurz danach, wie der Deckel des Briefkastens zuklappte. „Na also“, murmelte er und rief dem unbekannten Besucher noch ein freundliches „Dankeschön“ hinterher. Dann blätterte er wieder in seinen Notenbüchern und konzentrierte sich ganz auf sein geliebtes Hobby, das Orgelspielen.

Beo hatte in seiner Schulzeit Orgelspielen gelernt und danach mehrere Jahre in einer Amateur-Band musiziert. Den letzten Schliff auf dem Instrument hatte er später in einer Ausbildung zum C-Kirchenmusiker erhalten.

Zur Abwechslung legte Beo eine Übung von Bernard Drukker auf das Notenpult, sortierte seine Finger und legte los.

Stunden später kam Enna von ihrer ausgedehnten Shop-ping-Tour zurück. Sie stellte ihr Auto, einen kleinen knallroten Fiat 500, in der Garage ab, räumte diverse Einkaufstaschen aus dem Kofferraum und marschierte fröhlich trällernd zum Hauseingang. Bevor sie die Tür aufschloss, nahm sie ihr immer griffbereites kleines Mikrofasertuch aus der Handtasche, hauchte kurz auf das neben der Haustür befestigte Firmenschild - Bengt-Ole und Enna Wulf / Privat-Detektei / Termine nach Vereinbarung / Mittwochnachmittags geschlossen - und polierte ein paar scheinbar vorhandene Flecken weg. Eine Zeremonie, die Enna nie versäumte. Sie war stolz auf ihre gemeinsame Firma. Zwar war Beo der eigentliche Detektiv, und Enna erledigte nur den anfallenden Schreibkram. Aber sie fand ihren Part mindestens genau so wichtig wie Beos ‚Schnüffelei’.

Der Fall de Mol

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