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Improvisation

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Enna öffnete den Briefkasten und befreite ihn von seinem üblichen Mittwochs-Inhalt: diverse Prospekte mit ‚supergünstigen’ Möbel-, Elektronik-, Gartenbedarf- und Baumarktangeboten; das Neueste von den Aldi-, Lidl-, Penny- und Plus-Märkten; die aktuellen Ausgaben des Weseler und der Niederrhein-Nachrichten; der Detektiv-Kurier, den es einmal im Monat gab; ein paar Rechnungen und - ganz unten, fast hätte Enna ihn übersehen - ein kleiner unscheinbarer Notizzettel mit einer Handy-Nummer.

Enna packte alles vorsichtig in eine ihrer Tragetaschen. In der befanden sich schon zwei Sommerblusen, die sie ‚super-stylish’ fand. Dann betrat sie die kleine Diele, von der aus es rechts in die privaten Räume ging. Von links, aus dem Bürotrakt, hörte sie ein paar Takte eines Bach-Präludiums, die ständig wiederholt wurden. Beo bereitete sich offenbar auf seinen nächsten ‚Dienst’ in der Drevenacker Dorfkirche vor. Seit Jahren wartete er schon immer voller Ungeduld auf die Sonntage, an denen er den hauptamtlichen Organisten vertreten durfte. Früher hatte er dafür immer in der Kirche geübt. Seit er und Enna aber in einer geräumigen Doppelhaushälfte in Obrighoven wohnten und Beo sich die Hammondorgel mit Vollpedal angeschafft hatte, konnte er sich zuhause beziehungsweise in seinem Büro austoben, wann immer er Zeit und Lust dazu hatte; beispielsweise an Mittwochnachmittagen.

Enna setzte sich in der Diele in einen der beiden herrlich bequemen Kiefernsessel. Sie lehnte sich in das dunkelblaue Lederpolster, schloss die Augen und hörte Beo beim Orgelspielen zu. Sie bewunderte ihn, der sich - so-weit sie das beurteilen konnte - routiniert und stilsicher in den verschiedensten Musikbereichen von Barock bis Jazz bewegte und manchmal sogar fröhlich vor sich hin improvisierte. Diese Fähigkeit kam ihm bei seinen Einsätzen in der Kirche sehr zugute. Er hatte für jede Gelegenheit die passende Literatur, und notfalls improvisierte er über bekannte oder unbekannte Themen. Einmal hatte er sogar, ohne dass das irgendjemand mitbekommen hätte, eine ‚barocke‘ Choral-Improvisation über den Beatles-Ohrwurm Yesterday abgeliefert. Der Pastor und die Gemeinde hatten ergriffen zugehört.

Was Beo zuhause auf seiner Orgel spielte, hing oft von seiner oder der Stimmung im Hause Wulf ab. Das konnte I married an Angel sein oder auch Stormy Weather. Je nachdem. Beo konnte sich dabei wunderbar abreagieren und erholen.

Enna nahm die gesammelte Post aus der Tragetasche und betrat das Büro. Beo kam ihr schon entgegen.

„Na, Enna-Maus, hast du schöne Sachen gefunden?“

„Ja. Ich hätte noch viel mehr kaufen können, aber die Zeit war wie immer zu knapp.“

„Zeig mal“, forderte Beo.

„Nö, jetzt nicht“, entgegnete Enna.

„Wie, heute keine Modenschau?“, fragte Beo verwundert. Normalerweise führte Enna ihm ihre Neuerwerbungen immer sofort vor.

„Ich habe jetzt keine Lust“, sagte Enna. „Hier ist deine Post.“

Beo warf einen flüchtigen Blick auf den Stapel. Den Detektiv-Kurier nahm er heraus. Den Rest legte er auf seinen Schreibtisch.

„Das nehme ich mir morgen vor. Heute nicht mehr.“

„Hier ist noch ein Zettel mit einer Handynummer“, sagte Enna. „War auch im Briefkasten. Ist vielleicht wichtig.“

„So wichtig kann das gar nicht sein, dass es nicht bis morgen früh Zeit hätte“, entgegnete Beo.

Der Fall de Mol

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