Читать книгу Jesus nach 2000 Jahren - Gerd Ludemann - Страница 7

Vorwort

Оглавление

Dieses Buch, das ich hiermit in vierter, verbesserter Auflage vorlege, möchte eine Lücke in der theologischen Literatur schließen. Sie ist unter all denen besonders fühlbar, die mit Kirche und Christentum zu tun haben: Geistlichen, Religionslehrern und Religionslehrerinnen sowie vor allem den im steigenden Maße an Jesus Interessierten. Sie alle werden verunsichert von einer widersprüchlichen Fülle von modernen Jesusbüchern, aber auch durch die widersprüchlichen Jesusbilder im Neuen Testament selbst. Dazwischen liegen zwanzig Jahrhunderte, in denen man Jesus in völlig unterschiedlicher Weise verstanden hat.

Die vor rund 250 Jahren entwickelte historisch-kritische Jesusforschung ist zwar zum wissenschaftlichen Standard geworden, konnte aber trotzdem kaum einen allgemeinen Konsens anbahnen. Außerdem haben die letzten zwanzig Jahre, besonders auch aus dem englischsprachigen Bereich, eine Springflut von wissenschaftlicher und populärer Jesusliteratur erlebt, deren Quelle unerschöpflich scheint und sich in die unterschiedlichsten Richtungen ergießt. So erhält der uneingeweihte Leser den Eindruck einer Planlosigkeit, Widersprüchlichkeit und Ausweglosigkeit der Forschung. Sie läßt ihn entweder in Resignation versinken oder um so fester an seinem Glauben festhalten, der über historische Fragen erhaben ist.

Nun sind Resignation oder uninformierter Glaube keine sinnvollen Einstellungen – schon gar nicht in einer Zeit, die einen ungeahnten Schatz an Wissen zu Tage gefördert hat und im gleichen Zuge die eher bescheidene Stellung des Menschen im Kosmos täglich vor Augen führt. Mir scheint es daher überfällig zu sein, die historische Bilanz einer zweihundertfünfzigjährigen kritischen Beschäftigung mit der zentralen Person des Christentums, Jesus von Nazareth, zu ziehen. Dies soll weder themenzentriert noch in einer umfassenden Darstellung von Forschungsergebnissen anderer geschehen, wie sie Albert Schweitzer in seiner klassischen Geschichte der Leben-Jesu-Forschung (6. Auflage, 1951) für das 19. Jahrhundert und Walter P. Weaver (The Historical Jesus in the Twentieth Century 1900-1950, 1999) für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgelegt haben. Auch ist dies keine Biographie Jesu. Es handelt sich vielmehr nur um eine Rekonstruktion der Worte und Taten Jesu als Voraussetzung einer heute noch nicht möglichen Darstellung des Lebens Jesu (vgl. aber immerhin den Versuch in Kapitel V). Ich möchte wichtige erhaltene Jesusüberlieferungen der ersten zwei Jahrhunderte neu übersetzen und sie dann auf ihre historische Glaubwürdigkeit hin untersuchen, und zwar so, daß auch der interessierte Laie den Gedankengang nachvollziehen kann.

Eine wichtige Anregung zu einem solchen Unternehmen haben das von Robert W. Funk ins Leben gerufene Jesusseminar und die von seinen Mitgliedern verfaßten Bände The Five Gospels (1993) und The Acts of Jesus (1998) gegeben, in denen der Grad der Historizität der Worte und Taten Jesu mit verschiedenen Farben markiert wird. Einig mit der Absicht des Jesusseminars, dem ich selbst als »Fellow« angehöre, zu den Worten und Taten des historischen Jesus vorzustoßen, ziehe ich es jedoch vor, auf Farbmarkierungen jeglicher Art zu verzichten, dafür aber die zweifelsfrei auf die jeweiligen Evangelisten zurückgehenden Aussagen in kursiven Buchstaben zu setzen. Denn die Erkenntnis der redaktionellen Bearbeitung in einem ersten Schritt ist die Voraussetzung, um in einem zweiten Schritt die benutzten Überlieferungen zu rekonstruieren und in einem dritten Schritt die mutmaßlich echten Jesusworte und -taten zu erheben. Diese Methode habe ich in einem Werk über die Apostelgeschichte (Gerd Lüdemann: Das frühe Christentum nach den Traditionen der Apostelgeschichte, 1987) erprobt und weiter vertieft in einem Buch über die Auferstehung Jesu (Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrung, Theologie, 1994, [Neuausgabe Die Auferweckung Jesu von den Toten, 2002]), dessen Analysen der Grabes- und Auferstehungsgeschichten dem vorliegenden Jesusbuch zugrunde liegen.

Die Maßstäbe für diese Untersuchung sind die in der kritischen Bibelwissenschaft der letzten zweihundertfünfzig Jahre entwickelten Methoden, die so lange Gültigkeit behalten, bis neue, bessere an ihre Stelle treten.

Wegen der Fülle der zu behandelnden Texte und des daraus folgenden Gebots der Knappheit habe ich in der Darstellung fast vollständig auf die ausdrückliche Erörterung von Sekundärliteratur verzichtet, aber relativ häufig mit Seitennachweisen in Klammern die Namen von Forschern erwähnt, deren Voten zu bestimmten Fragen ich zitiere oder auf sie verweise. Ich nenne einige mir wichtige Bücher: Walter Bauer: Wörterbuch zum Neuen Testament, 19715; Hans Dieter Betz: Studien zur Bergpredikt, 1985; Rudolf Bultmann: Die Geschichte der synoptischen Tradition, 19799; Hans Conzelmann: Die Mitte der Zeit, 19776; Martin Dibelius: Botschaft und Geschichte I, 1953; Martin Dibelius: Die Formgeschichte des Evangeliums, 19593; Robert W. Funk / Roy W. Hoover: The Five Gospels, 1993; Joachim Gnilka: Das Evangelium nach Markus. 2 Bände, 1978/79; Joachim Gnilka: Das Matthäusevangelium. I. Teil, 1986. II. Teil, 1988; Ernst Haenchen: Der Weg Jesu, 1966; Joachim Jeremias: Die Gleichnisse Jesu, 19657; Adolf Jülicher: Die Gleichnisse Jesu. Zwei Teile in einem Band, 1963; Erich Klostermann: Das Matthäusevangelium, 19714; Erich Klostermann: Das Markusevangelium, 19715; Erich Klostermann: Das Lukasevangelium, 19753; Dieter Lührmann: Das Markusevangelium, 1987; Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus. 3 Bände, Mt 1–25, 1985–1997; Adalbert Merx: Die Evangelien des Markus und Lukas, 1909; Gerhard Schneider: Das Evangelium nach Lukas. 2 Bände, 1979; Tim Schramm / Kathrin Löwenstein: Unmoralische Helden. Anstößige Gleichnisse Jesu, 1986; Ethelbert Stauffer: Jesus. Gestalt und Geschichte, 1957; Georg Strecker: Die Bergpredigt, 1984; Gerd Theißen / Annette Merz: Der historische Jesus, 1996; Johannes Weiß: Das Lukas-Evangelium, in: ders.: (Hg.): Die Schriften des Neuen Testaments, neu übersetzt und für die Gegenwart erklärt von Otto Baumgarten, Wilhelm Bousset (u.a.), 19072. Band 1. Die drei älteren Evangelien. Die Apostelgeschichte, S. 406–525; Julius Wellhausen: Evangelienkommentare, 1987; Paul Wernle: Die synoptische Frage, 1899.

Markierungen der Übersetzungen dienen zur besseren Durchdringung des Textes. Wichtige Zitate aus dem Alten Testament sind rechtsbündig gedruckt und poetische bzw. traditionelle Stücke eingerückt. Die kritische Textausgabe Nestle-Aland, 27. Aufl., liegt der Übersetzung zugrunde.

Zum Aufbau des Werkes ist hier folgendes zu bemerken:

Die Einleitung nennt seine Voraussetzungen und entfaltet Vorgehensweise sowie Methode.

Das erste Kapitel enthält die Übersetzung und Analyse des ältesten Evangeliums, des Evangeliums nach Markus.

Daran schließen sich im zweiten und dritten Kapitel Übersetzung und Analyse der unabhängig voneinander auf das Markusevangelium aufbauenden Evangelien des Matthäus und des Lukas an.

Die Kapitel über das Johannesevangelium und die apokryphen Jesustraditionen, die noch in den ersten beiden Auflagen standen, entfallen. Sie tragen für die Frage nach dem historischen Jesus noch weniger aus, als ich vor einem Jahrzehnt dachte.

Das vierte Kapitel enthält die Übersetzung und Analyse des Thomasevangeliums.

Das fünfte Kapitel bietet eine Kurzvita Jesu. Ich versuche hier, ausgehend von dem sicheren historischen Material, das Leben und Schicksal Jesu von Nazareth nachzuzeichnen. Die Lektüre dieses Abschlußkapitels empfehle ich als Einstieg in das ganze Buch.

Ein Register aller echten Worte und Taten Jesu, ein Autorenverzeichnis sowie ein Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen schließen das Buch ab. Dr. Frank Schleritt möchte ich auch an dieser Stelle für seine freundliche Hilfe bei den ersten beiden Auflagen dieses Buches danken, Ronja Bornemann, Volker Speer und Walter Höfig für ihren unermüdlichen Einsatz bei der vierten Auflage.

Jesus nach 2000 Jahren

Подняться наверх