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Wie zu lesen sei

Vorwort

Philosophie genügt nur dort sich selbst,

wo sie mehr ist als ein Fach.

Th. W. Adorno

Man kann Gotthold Ephraim Lessing nur zustimmen: Ein dickes Buch ist ein großes Übel. Dieses Übel in unserem Fall nicht radikal genug bekämpft zu haben, lässt sich nur mit der objektiven Weitläufigkeit der Sache entschuldigen, und damit, dass die Philosophie nicht nur ein Fach neben anderen ist.

Eine Hilfe, das Buch dennoch mit großem Vergnügen zu lesen, kann darin bestehen, die Lektüre aufzuteilen. Denn jedes seiner vier größeren Kapitel kann für sich allein gelesen werden. Dabei dürfte es für die, die mit der Philosophie beginnen, von Vorteil sein, die Unterkapitel der vier großen Teile nacheinander zu lesen, sie bauen aufeinander auf und erläutern sich wechselseitig. Das Buch ist in erster Linie für sie gedacht; was aber nicht ausschließt, dass auch die, die sich in der Materie auskennen, auf das stoßen (können), was der große französische Schriftsteller Paul Valéry einmal die „Überraschung durch das Erwartete“ genannt hat.

Das Buch richtet sich an alle, die wissen möchten, was in und mit der Philosophie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis in die jüngste Gegenwart passiert ist: welche Fragen sie diskutiert, welche Sichtweisen sie entfaltet, welche historischen und gesellschaftlichen Veränderungen und Ereignisse sie zum Anlass genommen hat, über sich und die Welt nachzudenken. Über den näheren Inhalt informiert die Einleitung „Die Philosophie aufheben – Eine Geschichte der Philosophie im 20. Jahrhundert“.

In seiner Darstellung orientiert sich das Buch sowohl an den Namen herausragender Philosophen als auch an den Hauptströmungen der Philosophie. Passagen des temperierten Überblicks wechseln mit paradigmatisch angelegten Fallstudien. Diese Geschichte der Philosophie geht davon aus, dass Information und Reflexion – auch wenn sie schwerlich miteinander zu versöhnen sind – sich so wenig ausschließen müssen wie ein stärker narrativer und ein argumentativer Denkstil. Die größte Schwierigkeit liegt in der Wahl des richtigen Abstands zum Gegenstand: Zwischen Fach- und Weltwissen (Weisheit), philosophischer Terminologie und Alltagssprache das richtige Maß zu finden. Und das liegt bekanntlich zwischen den Extremen, aber nicht in der Mitte.

Es wäre der Tod der Philosophie, sie nur als Lehre zu betrachten. Um sie zu praktizieren, muss man mitdenken; um Philosophieren zu lernen, muss man sich auf die Sache konzentrieren und darauf hoffen, dass sie sich uns assimiliert. Es ist wie mit allen anthropologischen und kulturellen Praktiken, die man nur erwirbt, ausbildet und festigt, wenn und solange man sie praktiziert. Man lernt Schwimmen nur dadurch, dass man sich ins Wasser wagt, und Denken nur dadurch, dass man entlang der Gedanken von anderen sich seine eigenen Gedanken macht. Eine Besonderheit philosophischen Denkens besteht freilich darin, im Tagesgeschäft innezuhalten. Darin liegt etwas Befremdliches, aber auch Befreiendes, es ermöglicht uns, die Dinge mit anderen Augen zu sehen.

In diesem Sinne zielt diese Geschichte der Philosophie des 20. Jahrhunderts nicht auf eine Ahnengalerie abgelegter Geister. Sie möchte verhindern, dass philosophische Systeme oder Positionen zu toter Meinung oder bloßer Vergangenheit werden. Eine Voraussetzung, um der Vergleichgültigung durch die Geschichte entgegenwirken zu können, nennt der Philosoph Hegel, wenn er schreibt, dass der lebendige Geist, der in einer Philosophie wohnt, um sich zu enthüllen, danach verlange, durch einen verwandten Geist geboren zu werden.

Damit einem dicken Buch trotz allem ein gutes Ende beschieden ist, braucht es der tatkräftigen Unterstützung vieler dienstbarer Geister. Besonders bedanken möchte ich mich bei der Programmleitung des Primus-Verlags – bei Regine Gamm – für den alltäglich sanften Druck, im Schreiben, Ordnen und Kürzen des Textes nicht nachzulassen, um ja dem großen Übel, das Lessing prophezeit, nicht weiter zu erliegen. Unterstützt haben mich bei dieser Aufgabe vor allem Anja-Maria Foshag durch ihre gründlichen stilkritischen Lektüren, Andreas Schulz durch seine umfangreichen Literaturrecherchen und nicht zuletzt Nicole Gerstner, Katarzyna Adamiak und Catherine Janssen durch ihre unermüdliche und sorgfältige Hilfe bei der Erstellung des Textes, auch ihnen gilt mein aufrichtiger Dank.

Philosophie im Zeitalter der Extreme

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