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Hans Ambühl

Zur gesamtschweizerischen Verantwortung für die gymnasiale Maturität

Bildungsrechtliche und bildungspolitische Anmerkungen

1Ausgangslage

Die geltenden gesamtschweizerischen Regelungen der gymnasialen Maturität und des gymnasialen Bildungsweges, nämlich das Reglement der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) (1995) bzw. die Verordnung des Bundesrates über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (Schweizerischer Bundesrat & EDK, 1995) sowie der gymnasiale Rahmenlehrplan der EDK (1994), stammen vom Beginn der 1990er Jahre und sind seit 1995 in Kraft. Seither sind grundlegende Entwicklungen vonstattengegangen und teilweise einschneidende Veränderungen eingetreten: Das Wissen hat sich in hohem Tempo vermehrt und ist jederzeit und überall verfügbar geworden; Wissenschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt spielen sich in einem umfassend globalisierten Kontext ab; die Digitalisierung hat alle Lebensbereiche erfasst – die Industriegesellschaft ist zur Informationsgesellschaft geworden.

Die vor bald dreißig Jahren definierten Inhalte und Strukturen des gymnasialen Bildungsweges entsprechen zwangsläufig der dadurch entstandenen Situation nicht mehr, und es ist fraglich, ob sie den gewandelten Anforderungen noch in jeder Hinsicht zu genügen vermögen. Sie müssen überprüft und soweit erforderlich neu ausgerichtet werden – darüber scheint sich mittlerweile ein gewisser Konsens abzuzeichnen. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass die übrigen Bildungsstufen und Bildungsbereiche – namentlich die Studiengänge an den abnehmenden Universitäten, aber auch die zuführende obligatorische Schule – sich im fraglichen Zeitraum verändert haben.

Die im Auftrag von Bund und Kantonen unter der Leitung von Prof. Dr. Franz Eberle vor über zehn Jahren durchgeführte Evaluation der gymnasialen Matura (EVAMAR II) (Eberle et al., 2008) beinhaltete den erstmaligen – und meines Erachtens gelungenen – Versuch, die Anforderungen der universitären Studierfähigkeit in drei Fächern (Erstsprache, Mathematik und Biologie) zu definieren. Die gestützt darauf vorgenommenen Prüfungen der fachlichen Kompetenzen der Maturae und Maturi erbrachten ein grundsätzlich zufriedenstellendes Resultat, wiesen jedoch große Disparitäten und auch gewisse Mängel nach – nicht zuletzt im Bereich basaler fachlicher Kompetenzen, die für praktisch jedes universitäre Studium von Belang sind –, die zu beheben mit zum Ziel der Anstrengungen um eine weiterhin gute Qualität der Schweizer Matura gehören muss. Die von der EDK als Reaktion auf EVAMAR II eingeleiteten Maßnahmen (EDK, 2016) sind ein erster Schritt in diese Richtung.

In den Fokus des bildungspolitischen Diskurses sind überdies vermehrt Fragen der Bildungsgerechtigkeit geraten, nachdem die Quote der gymnasialen Maturandinnen und Maturanden sich zwischen den Kantonen bzw. Regionen noch immer stark unterscheidet – von knapp 15 Prozent eines Jahrgangs bis zum Doppelten (SKBF, 2018, S. 140ff.).2 Diese Disparitäten werfen auf gesamtschweizerischer Ebene auch qualitative Fragen auf, denn die Quote der Maturandinnen und Maturanden korreliert gemäß EVAMAR II mit deren Leistung: je höher die Quote, desto tiefer liegt der Durchschnitt der erzielten Leistung. Es stellt sich daher die Frage: Wie vergleichbar ist im Ergebnis die eine «schweizerische» Matura?

Damit sind schließlich auch Fragen der Governance berührt: Wie wird auf der Ebene des schweizerischen Bildungssystems die Qualitätssorge hinsichtlich der gymnasialen Maturität wahrgenommen und durch wen? Ist die Qualitätssicherung auf systemischer Ebene ausreichend? Fragen, die wenig gestellt und kaum diskutiert werden, obwohl – oder weil? – die gymnasiale Matura seit langer Zeit gesamtschweizerisch normiert und von Kantonen und Bund verantwortet wird. Demgegenüber standen praktisch alle anderen Bildungsstufen und -bereiche seit der neuen Bildungsverfassung von 20063 hinsichtlich einer Harmonisierung ihrer Dauer und ihrer Ziele (Art. 62 Abs. 4 Bundesverfassung)4 und hinsichtlich ihrer koordinierten Governance im Fokus.

Vieles spricht dafür, die aufgeworfenen Fragen rund um die schweizerische gymnasiale Maturität nun anzugehen. Dabei kommt meines Erachtens den inhaltlichen Aspekten Priorität zu, es braucht aber auch prozedurale Klärungen.

2Die inhaltlichen Anforderungen der gymnasialen Maturität mit Blick auf die gewandelten Verhältnisse überprüfen

2.1Prämissen

Das Gymnasium und die gymnasiale Maturität müssen nicht neu erfunden werden. Weder besteht ein generelles systemisches Durcheinander, noch haben wir die Zeit, über Baupläne für irgendwelche Luftschlösser zu debattieren. Vielmehr gibt es Prämissen, über die ein breiter bildungspolitischer Konsens besteht und die den bevorstehenden Arbeiten in aller Klarheit vorangestellt gehören.

Das übergeordnete Ziel der gymnasialen Maturität ist ein zweifaches:

(1.1)Maturi und Maturae sind befähigt, ein universitäres Studium zu absolvieren;

(1.2)Maturi und Maturae sind in der Lage und gewillt, besondere Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen.

Diese (Doppel-)Funktion der gymnasialen Maturität wird in keiner Weise infrage gestellt. Das schweizerische Bildungssystem und das Land sind darauf angewiesen, dass die gymnasiale Maturität sie erfüllt.

(2)Die allgemeinen Bildungsziele, welche dieser Funktion der gymnasialen Maturität entsprechen, sind grundsätzlich in Art. 5 des geltenden MAR bzw. der geltenden MAV in gültiger Weise formuliert. Die Aufgabe von Art. 5 mit dem Titel «Bildungsziel» ist es, auf der normativen Ebene den allgemeinen Bildungsgehalt der gymnasialen Maturität zu beschreiben. Diese Aufgabe erfüllt sein Wortlaut nach meinem Dafürhalten noch immer exzellent. Ich finde darin auch die neuerlich mit der Digitalisierung in den Fokus gerückten Kompetenzen hervorragend umschrieben. Der Artikel will die Allgemeinbildung beschreiben, um die es bei der gymnasialen Maturität im Ergebnis geht, nicht aber «eine fachspezifische oder berufliche Ausbildung», wie der Artikel – ohne damit Fachlichkeit per se zu negieren – es selbst ausdrückt und wie es meines Erachtens das richtige Verständnis ist. Zum selben Schluss kommt Franz Eberle in seiner einlässlichen Analyse der einzelnen Inhalte von Art. 5 MAR/MAV (Eberle & Brüggenbrock, 2013, S. 10–13). Daher kann ich die Kritik an dieser Formulierung und an Art. 5 MAR/MAV insgesamt, wie sie sich in Peter Bonatis umfassender Analyse der gymnasialen Lehrpläne findet (Bonati, 2017, S. 196), nicht teilen, so sehr ich im Übrigen seinem Postulat nach mehr fächerbezogener Klarheit und Vergleichbarkeit in curricularer Hinsicht zustimme (vgl. nachstehend 2.2).

(3)Die gymnasiale Maturität vermittelt den generellen prüfungsfreien Zugang zu einem Studium an einer schweizerischen Universität und an einer schweizerischen pädagogischen Hochschule (Art. 2 MAR/MAV). Dies ist eine im helvetischen Verständnis des Bildungssystems tief verankerte Konstituente. Sie begründet umgekehrt eine Art Bringschuld der gymnasialen Maturität: Sie hat die universitäre Studierfähigkeit zu erbringen.

(4)Die Zulassung zum gymnasialen Bildungsweg und zur gymnasialen Maturität entscheidet sich an persönlichen Voraussetzungen einzelner Menschen und an qualitativen Leistungskriterien, nicht an quantitativen Steuerungsquoten. Qualitätsorientierung anstelle einer Bewirtschaftung statistischer Quoten: Falls das auch künftig gelten soll, wird es sich freilich mit dem Gebot einer verbesserten landesweiten Vergleichbarkeit verbinden müssen (nachstehend Punkt 4 unter 2.2).

(5)In der Gestaltung des gymnasialen Bildungsweges kommt den Schulen, ihren Leitungen und Lehrkräften eine hohe Eigenverantwortlichkeit zu. Auch diese ausgeprägt partizipatorische Verantwortung vor Ort liegt tief in der schweizerischen Tradition begründet und wirkt zweifellos motivierend und qualifizierend.

(6)Die Gestaltung der formalen Bildungswege erfolgt in unserem mehrsprachigen, kleinräumig strukturierten und nach dem Grundsatz der Subsidiarität funktionierenden Land in Respekt gegenüber den verschiedenen kulturellen Traditionen und Ausprägungen. Ein gewisses Maß an regionalen Unterschieden ist daher auch in Zukunft zu akzeptieren.

2.2Ziele

Diesen Prämissen entsprechend, geht es auch inhaltlich nicht um eine Revolution, sondern um ein Aggiornamento:

(1)Das gymnasiale Fächerangebot und die entsprechenden Anforderungen der gymnasialen Maturität sind mit Blick auf die gewandelten Verhältnisse in Wissenschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt grundlegend zu überprüfen und soweit erforderlich den heutigen und künftigen Anforderungen anzupassen. Es wird gleichsam um eine Vergewisserung gehen, wie sich die allgemeinen Bildungsziele des bestehenden MAR-/MAV-Schlüsselartikels (Art. 5) in den heutigen Verhältnissen erreichen lassen, mit welchen Schwerpunkten und Akzentsetzungen. Das Hauptaugenmerk hinsichtlich Fächerangebot und Stoffplan muss darauf gelegt werden, dass es nicht einfach immer noch mehr und mehr werden kann. Wir stehen hier gleichsam vor einer curricularen Dringlichkeit und werden uns für bestimmte Optionen entscheiden müssen. Dies geht trefflich einher mit Peter Bonatis Forderung, das mit der Matura zu erreichende Wissen und Können sei künftig klarer zu umschreiben (ebd., S. 197f.).

(2)Die propädeutische Funktion der gymnasialen Maturität für das universitäre Studium ist zu klären und in inhaltlicher und methodischer Hinsicht zu definieren. Dies ist gleichsam die selbstverständliche Folgerung aus der vorgenannten Zielsetzung. Der Dialogprozess Gymnasium–Universität, veranstaltet vom Verein Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer (VSG) und von der Vereinigung der Schweizerischen Hochschuldozierenden (VSH), hat hierzu namentlich an der Konferenz 2017 viele wertvolle Impulse und Anhaltspunkte geliefert (VSG, 2017).

(3)Die gymnasialen Bildungswege sind vermehrt so zu gestalten, dass die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten Neugier und Kreativität entwickeln, Interesse und Initiative zeigen und zu guten Entscheidungen bezüglich ihrer Studien- und Berufswahl kommen. Dieses Desiderat ist im Wesentlichen bereits im allgemeinen Bildungsziel von Art. 5 MAR/MAV angelegt. Mit Blick auf einschlägige Defizite verdient es aber besondere Beachtung. Denn für ein hinsichtlich gymnasialer Matura und Universitätszugang so selektives System wie das unsere ist der Anteil an Weggängen und Studienabbrüchen heute zu hoch (SKBF, 2018, S. 210ff.).

(4)Die dezentral gestaltete «schweizerische Maturität» muss in Zukunft gesamtschweizerisch vergleichbarer und die diesbezügliche Chancengerechtigkeit zwischen den verschiedenen Regionen des Landes – bei aller Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden – ausgeglichener sein. Die höhere Vergleichbarkeit ist, wie bereits angesprochen, nicht nur ein Gebot der Bildungsgerechtigkeit, sondern auch eines der Qualität: Es geht um eine «schweizerische» Matura, auf gesamtschweizerischer Ebene normiert und anerkannt, mit derselben Wirkung für die ganze Schweiz, nämlich dem prüfungsfreien Universitätszugang. MAR und MAV halten in Art. 2 («Wirkung der Anerkennung») denn auch fest: «Mit der Anerkennung wird festgestellt, dass die Maturitätsausweise gleichwertig sind» (Abs. 1), sie gelten «als Ausweise für die allgemeine Hochschulreife» (Abs. 2). Peter Bonati fordert nunmehr, dass das MAR bzw. die MAV künftig die Vergleichbarkeit inhaltlich definieren müsse, und in den Rahmenlehrplänen der Fächer seien vergleichbare Maturitätsanforderungen umzusetzen (Bonati, 2017, S. 196ff.). Letzterem stimme ich vorbehaltlos zu; das ist auch dem Harmonisierungsgebot von Art. 62 Abs. 4 BV geschuldet.

2.3Vorgehen

Die Klärung und Neuausrichtung der curricularen Inhalte und Strukturen im vorbeschriebenen Sinn ist vorrangig. Es empfiehlt sich, in erster Priorität den gesamtschweizerischen Rahmenlehrplan auf die genannten Ziele hin zu überprüfen und in einem noch zu klärenden Format zu überarbeiten. Das Format hat sich danach zu richten, dass es eindeutig identifizierbare Fachinhalte und vergleichbare Maturitätsanforderungen auszuweisen vermag. Ob die rechtliche Abstützung eines höheren Konkretisierungsgrades des Rahmenlehrplans und einer höheren Vergleichbarkeit seiner Anforderungen zusätzlicher Bestimmungen in MAR bzw. MAV bedarf, ist fraglich – das geltende Gebot der Gleichwertigkeit (Art. 2 MAR/MAV) würde schon heute eine hinlängliche Instrumentierung auf gesamtschweizerischer Ebene rechtfertigen.

Die revidierten gesamtschweizerischen Grundlagen werden sodann in der dezentralen Verantwortung der Kantone weiter konkretisiert und umgesetzt werden müssen. Der Zeitplan hierfür wäre sinnvollerweise gesamtschweizerisch koordiniert.

Die spätere Evaluation der Wirkungen sollte wiederum gemeinsam auf gesamtschweizerischer Ebene, jedoch zügiger erfolgen als die Evaluation von MAR/MAV 1995.

3Die gesamtschweizerische Governance der gymnasialen Maturität kontinuierlich und aktiv wahrnehmen

Aufgrund seiner Zuständigkeit für die Regelung der Medizinalberufe und mithin des medizinischen Studiums war der Bund seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch an der Definition der entsprechenden Studiervoraussetzungen, nämlich: der gymnasialen Maturität beteiligt. Die gleichlautende Normierung der gymnasialen Maturität auf gesamtschweizerischer Ebene durch Kantone und Bund von 1995 und die mit Verwaltungsvereinbarung zwischen Bundesrat und EDK (Schweizerischer Bundesrat & EDK, 1995) erfolgte Einrichtung einer gemeinsamen Anerkennungsinstanz stellen einen gleichsam avant la lettre gestalteten Akt im Sinn und Geist der Bildungsverfassung von 2006 dar. Die dadurch geschaffene Rechtslage weist besondere Merkmale auf.

3.1Gesamtschweizerische Anerkennungsbedingungen

(1)Während die Gymnasien als solche Teil der je kantonalen Schulhoheit sind, bildet ihr Abschluss, die gymnasiale Maturität, Gegenstand einer gesamtschweizerischen Governance von Bund und (allen) Kantonen. Auf schweizerischer Ebene geht es also nicht um die Führung der Gymnasien; es geht nur, aber immerhin, um die Definition ihres Abschlusses und um die Sicherstellung von dessen Wirkung. Entsprechend regeln MAR und MAV denn auch «die schweizerische Anerkennung von kantonalen und kantonal anerkannten gymnasialen Maturitätsausweisen» (vgl. die Titel der Erlasse sowie den Wortlaut ihres jeweiligen ersten Artikels). Anerkannt werden also zunächst die Maturitätsausweise, mittelbar jedoch auch die sie abgebenden Schulen (vgl. den Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 Verwaltungsvereinbarung).

(2)Folgerichtig stehen die Anerkennungsbedingungen im Mittelpunkt der gesamtschweizerischen Normierung gemäß MAR/MAV: Kantonale Maturitätsausweise werden schweizerisch anerkannt, wenn die Anerkennungsbedingungen von MAR/MAV erfüllt sind (Art. 3). Diese sind zwar recht zahlreich und unterschiedlich, aber mit Ausnahme des bereits angesprochenen Artikels 5 («Bildungsziel»), der den allgemeinen Bildungsgehalt der gymnasialen Maturität beschreibt (vgl. vorstehend 2.1.2), weitgehend formaler Natur: Art der Schulen (Art. 4), Mindestdauer bis zur Maturität (Art. 6), Qualifizierung der Lehrkräfte (Art. 7), Vorliegen kantonaler oder kantonal genehmigter Lehrpläne (Art. 8), prozentuale Anteile der Fachbereiche (Art. 11), Prüfungsfächer (Art. 14) und Notensetzung (Art. 15). Die verschiedenen Unterrichtsfächer werden zwar in einer bestimmten Kategorisierung (Grundlagen-, Schwerpunkt- und Ergänzungsfächer) vorgegeben (Art. 9–13), aber ohne inhaltlichen Kanon oder inhaltliche Zielsetzungen. Immerhin müssen die kantonalen oder kantonal genehmigten Lehrpläne gemäß Art. 8 sich auf den – freilich breit und offen angelegten – gesamtschweizerischen Rahmenlehrplan der EDK abstützen. Hier setzt heute die erwähnte Kritik hinsichtlich mangelnder Verbindlichkeit und Vergleichbarkeit an (vgl. vorstehend 2.2.4).

3.2Gemeinsame Anerkennungsinstanz

Das Vorliegen der Anerkennungsbedingungen ist durch die «Schweizerische Maturitätskommission» (SMK) zu prüfen. Diese ist in der Verwaltungsvereinbarung von Bundesrat und EDK als «gemeinsame Anerkennungsinstanz» (so lautet der II. Titel der Vereinbarung) eingesetzt worden (Art. 2). Sie stellt nach erfolgter Prüfung dem Vorstand der EDK und dem Vorsteher des Eidg. Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) Antrag betreffend Anerkennung von Maturitätszeugnissen kantonaler oder kantonal anerkannter Schulen. Auch organisiert sie die schweizerische Maturitätsprüfung sowie die Ergänzungsprüfungen (sog. Passerellen). Ferner begutachtet sie zuhanden von WBF und EDK Fragen der Maturitätsanerkennung.

Bislang offenbar nicht beachtet und von der SMK selber nicht ins Werk gesetzt wurde die Aufgabe gemäß Art. 3 Abs. 2 der Verwaltungsvereinbarung: «Sie (die Kommission) überprüft die Einhaltung der Anerkennungsbedingungen durch die anerkannten Schulen.» Diese Aufgabe muss die Kommission noch an die Hand nehmen. Dabei wird es nicht um formalbürokratische Kontrollübungen quer übers Land gehen können oder wollen. Vielmehr dürften Dialoge mit einzelnen Kantonen oder Gruppen von Kantonen (z. B. mit Regionalkonferenzen der EDK) über spezifische Aspekte im Vordergrund stehen, welche der Kommission aufgefallen sind – etwa im Zusammenhang mit der Qualifikation der Lehrkräfte oder mit der Durchführung der Maturaarbeit. Auch wäre eine gewisse Reziprozität wünschbar in dem Sinne, dass Kantone vorgesehene Änderungen bei anerkannten Schulen (beispielsweise hinsichtlich Angebotsstruktur oder Lehrplänen) vermehrt proaktiv melden und den Dialog mit der Kommission von sich aus in Gang bringen.

Für die Aufgabe der SMK, bei einmal anerkannten Schulen die (fortgesetzte) Einhaltung der Anerkennungsbedingungen zu überprüfen, ist sodann nicht ohne Relevanz, dass auch Art. 5 MAR/MAV («Bildungsziel») zu diesen Anerkennungsbedingungen gehört. Auch wenn die konkrete Überprüfung des Erreichens von allgemeinen Bildungszielen anspruchsvoll ist, so bietet diese Bestimmung doch zahlreiche Anknüpfungspunkte für einen substanziellen Dialog über eine auf die Ziele der Maturität ausgerichtete Qualitätsentwicklung. Und zum zentralen Maturitätsziel gemäß Art. 5, der universitären Studierfähigkeit, gibt es in der Bundesstatistik ja auch eine einschlägige Datenlage (in Form der Studienerfolgsquoten der einzelnen Gymnasien), die ebenfalls Gegenstand eines Dialogs zwischen der SMK und einem Trägerkanton sein kann. Obwohl also bei den Anerkennungsbedingungen formale Kriterien überwiegen, kann die vom Recht verlangte Überprüfung anerkannter Schulen durchaus sinnhaft angegangen werden.

3.3EDK-Anerkennung der Lehrdiplome für Maturitätsschulen

Die Darstellung des Dispositivs für die gesamtschweizerische Governance der gymnasialen Maturität wäre unvollständig, wenn hier nicht auch auf die gesamtschweizerische Anerkennung der Lehrdiplome für Maturitätsschulen durch die EDK hingewiesen würde. Die Diplomanerkennung stützt sich – wie jene für die Lehrberufe der übrigen Bildungsstufen – auf ein Konkordat der Kantone aus dem Jahre 1993 (EDK, 1993) sowie auf ein spezifisches Reglement für die Lehrkräfte an gymnasialen Maturitätsschulen (EDK, 1998). Die entsprechenden Lehrdiplome weisen den Abschluss einer Hochschulausbildung aus, die zum Unterrichten von Fächern befähigt, welche in MAR bzw. MAV aufgeführt sind. Anerkennungsvoraussetzungen sind ein fachwissenschaftliches Studium, d. h. in der Regel ein universitärer Master, sowie eine berufliche Ausbildung in fachdidaktischer, erziehungswissenschaftlicher und berufspraktischer Hinsicht im Umfang von insgesamt sechzig ECTS-Punkten. Anerkennungsinstanz ist der Vorstand der EDK. Die Begutachtung der von Universitäten und pädagogischen Hochschulen eingereichten Anerkennungsgesuche sowie die periodische Überprüfung der Anerkennungsvoraussetzungen obliegen einer Anerkennungskommission, die zurzeit von Prof. Dr. Franz Eberle präsidiert wird.

Die Bedeutung der EDK-Anerkennung der Lehrdiplome für gymnasiale Maturitätsschulen erschließt sich aus der Natur von MAR bzw. MAV. In Anbetracht des überwiegend formalen Charakters der darin festgelegten Anerkennungsbedingungen kommt der in Art. 7 stipulierten Bedingung, wonach im Maturitätslehrgang der Unterricht von Lehrkräften zu erteilen ist, die das Lehrdiplom für Maturitätsschulen erworben haben, selbstredend eine herausragende Funktion zu. Denn wo konkrete inhaltliche Anerkennungskriterien hinsichtlich Unterricht und Maturitätsprüfung fehlen, gründet sich das Vertrauen in deren Wertigkeit auf das Vertrauen in die entsprechende Qualität der Lehrkräfte.

4Fazit

Ein gesamtschweizerischer Abschluss wie die gymnasiale Maturität bedarf nicht nur hinlänglich konkreter Zielnormen, sondern auch einer auf der gesamtschweizerischen Ebene kontinuierlich wahrgenommenen Beobachtung und Pflege. In beiderlei Hinsicht gibt es noch zu tun.

Literatur

Bonati, P. (2017). Das Gymnasium im Spiegel seiner Lehrpläne. Bern: hep.

Eberle, F., & Brüggenbrock, C. (2013). Bildung am Gymnasium. Bern: Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren.

Eberle, F., Gehrer, K., Jaggi, B., Kottonau, J., Oepke, M. & Pflüger, M. (2008). Evaluation der Maturitätsreform 1995 (EVAMAR). Schlussbericht zur Phase II. Bern: Staatssekretariat für Bildung und Forschung. Online: www.sbfi.admin.ch/dam/sbfi/de/dokumente/evamar_evaluationdermaturitaetsreform1995phaseii.pdf.download.pdf/evamar_evaluation-dermaturitaetsreform1995phaseii.pdf [9.9.2018].

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EDK (1994). Rahmenlehrplan für die Maturitätsschulen vom 9. Juni 1994. Empfehlung an die Kantone gemäss Art. 3 des Schulkonkordats vom 29. Oktober 1970. Bern: EDK. Online: https://edudoc.ch/record/17476/files/D30a.pdf [9.9.2018].

EDK (1995). Reglement über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (Maturitäts-Anerkennungsreglement, MAR) vom 16. Januar 1995. Bern: EDK. Online: https://edudoc.ch/record/38112/files/VO_MAR_d.pdf [9.9.2018].

EDK (1998). Reglement über die Anerkennung der Lehrdiplome für Maturitätsschulen vom 4. Juni 1998. Bern: EDK. Online: https://edudoc.ch/record/38130/files/AK_Mat_d.pdf [9.9.2018].

EDK (2016). Empfehlungen zur langfristigen Sicherung des prüfungsfreien Hochschulzugangs mit der gymnasialen Maturität. Verabschiedet von der Plenarversammlung der EDK am 17. März 2016. Bern: EDK. Online: https://edudoc.ch/record/121447/files/gym_maturitaet_empfehlungen_d.pdf [9.9.2018].

Schweizerischer Bundesrat & EDK (1995). Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) über die Anerkennung von Maturitätszeugnissen vom 16. Januar/15. Februar 1995. Bern: EDK. Online: https://edudoc.ch/record/38066/files/Verw_Vereinbar_d.pdf [9.9.2018].

SKBF (2018). Bildungsbericht Schweiz 2018. Aarau: Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung.

VSG (2017). Konferenz Übergang Gymnasium–Universität 3. Online: www.vsg-sspes.ch/detailansicht/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=529&cHash=11d151f.b83e6f.c29ee4136480ba101 [9.9.2018].

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