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4 BINDUNG UND BINDUNGSQUALITÄT

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Nach Atkinson und Kollegen (2001, S. 91) beschreibt der Begriff der Bindung »die Tendenz eines Säuglings, die Nähe zu bestimmten Personen zu suchen und sich in ihrer Gegenwart sicher zu fühlen«. Die stammesgeschichtliche Funktion von Bindung ist der Schutz der Jungen (vgl. Grossmann & Grossmann 2001) oder noch genauer: die Grundbedürfnisse Ernährung, Pflege, Schutz und Fortbewegung zu sichern. Findet ein Kleinkind bei seinen Bezugspersonen Sicherheit, bildet dies eine optimale Ausgangslage für Explorationen (vgl. Bischof-Köhler 1998).

Die Qualität einer Bindungsbeziehung zeichnet sich durch das Vertrauen in die Erreichbarkeit sowie durch die Zuwendung der Bindungsperson aus, wenn sie zur Linderung von Leid gebraucht wird. Dazu gehört außerdem das begründete Vertrauen in die Wirksamkeit dieser Zuwendung zur eigenen Beruhigung (vgl. Buchheim 2005). Diese Qualität kann ganz verschiedenartig sein. In der Literatur werden vier Kategorien von Bindungsmustern unterschieden (siehe Tabelle 1).

Bindungstypen Merkmale der Kinder
Sichere Bindung •Zeigen offen ihren Kummer über die Trennung •Suchen bei der Wiedervereinigung Nähe •Erhalten den Kontakt •Beruhigen sich schnell und nehmen das unterbrochene Erkunden wieder auf
Unsicher-vermeidende Bindung •Lassen kein Trennungsleid erkennen •Verhalten sich gegenüber der zurückkehrenden Bindungsperson vermeidend (drehen ihr bspw. den Rücken zu) •Wenden sich stattdessen dem Spielzeug zu •Sind – wie Kinder mit sicheren Bindungen – bei einer Trennung ebenfalls beunruhigt
Unsicher-ambivalente Bindung •Suchen zwar Nähe, weisen sie aber gleichzeitig zurück •Brechen den aufgesuchten Körperkontakt ab oder wenden sich ab •Finden so kaum Beruhigung durch den Kontakt mit der Bindungsperson
Desorganisierte Bindung •Zeigen ein deutlich desorientiertes, nicht auf eine Bezugsperson bezogenes Verhalten •Zeigen inkonsistentes und emotional widersprüchliches Bindungsverhalten •Zeigen keine durchgängigen Verhaltensstrategien, die darauf gerichtet sind, die kindliche Gefühlswelt unter Einbezug der Bindungsperson zu stabilisieren

Tabelle 1: Klassifikation der Bindungstypen in der »Fremde-Situation«[1] sowie in anderen Untersuchungskonstellationen (nach: Ainsworth et al. 1978; Hédervári-Heller 2011; Röper, von Hagen & Noam 2001; Stegmaier o. J.)

Für Deutschland beschreiben Gloger-Tippelt, Vetter und Rauh (2000), dass ungefähr 45 Prozent der Kinder als »sicher«, 28 Prozent als »vermeidend«, 7 Prozent als »ambivalent« und 20 Prozent als »desorganisiert« in der Testsituation eingestuft werden können.

Primäre, tragfähige Bindungsbeziehungen zeichnen sich durch emotionale Sicherheit und Vertrautheit aus. Das Bindungsverhalten zielt darauf ab, dass Nähe zu einer (erwachsenen) Person und damit Schutz und Sicherheit für den unreifen und unerfahrenen Nachwuchs gegeben ist. Betreuungs- bzw. Bindungspersonen helfen dem Kind durch ihre Nähe, Angst oder Hilflosigkeit zu bewältigen. Eine hohe Verfügbarkeit ist daher Voraussetzung für eine Sensitivität in der Betreuung. Bindungsmuster beziehen sich auf die Beziehung eines Kindes zu einer bevorzugten Person und sind keine Persönlichkeitsmerkmale. Sie beschreiben, in welchem Ausmaß und in welcher Weise das Gefühl emotionaler Sicherheit besteht (vgl. Ahnert 2008a). Largo zeigt als Kinderarzt und Forscher im Bereich der kindlichen und jugendlichen Entwicklung in seinem Modell die bindungstheoretischen Voraussetzungen für Entwicklungsverläufe in Beziehungen auf. Es wird deutlich, dass sich im Laufe der Kindheit und Jugendzeit ein Wechsel im Fokus auf die Personengruppen vollzieht (vgl. Largo & Czernin 2013).


Abbildung 2: Wandel und Stärke der Bindungen im Verlauf der Entwicklung. Die Flächen bezeichnen die interindividuelle Variabilität der Bindungsbereitschaft (hypothetisches Modell) (nach Largo & Czernin 2013, S. 365)

Im Lauf des Lebens kristallisieren sich immer wieder neue soziale Beziehungen, Positionen, Rollen und Gruppierungsformen heraus. Diese basieren nicht ausschließlich auf biologischen Gesetzmäßigkeiten. Vielmehr sind sie auch in einem gesellschaftlich-kulturellen Zusammenhang begründet. So bestehen gesellschaftliche Anforderungen und kontextuell gebundene Erwartungen, die durch das jeweilige Individuum auf seine eigene Art und Weise im vorgegebenen Rahmen ausgestaltet werden (vgl. Kron 1971).

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