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Bibeldidaktik ist simpel – Bibeldidaktik ist facettenreich

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Die Aufgabe der Bibeldidaktik lässt sich zunächst sehr einfach beschreiben:

Die Bibel auf der einen Seite und der Rezipient, die Lernende, auf der anderen Seite müssen irgendwie zu einander kommen, was in der folgenden Abbildung durch eine Brücke zum Ausdruck gebracht wird (s. Abb. 1). Hinter diesen drei Aspekten leuchten allgemeine didaktische Dimensionen wie Unterrichtsgegenstand, Lernender und Methode hervor. Die Frage nach der exemplarischen Bedeutung, Gegenwartsbedeutung und Zukunftsbedeutung im Rahmen der didaktischen Analyse nach Klafki oder die Frage nach elementaren Strukturen, Erfahrungen, Zugängen usw. im Rahmen des Elementarisierungsmodells (nach Nipkow/Schweitzer) können immer als spezifisches Wechselspiel mindestens dieser drei Komponenten beschrieben werden.


Abb. 1: Bibeldidaktisches Dreieck (einfache Form)

Dieses grundlegende Dreieck der Bibeldidaktik wird breite Zustimmung finden.[25] Allerdings steckt die Tücke auch hier im Detail. So ist der Rezipient keineswegs nur ein Kind oder zugespitzt wie im Schaubild ein kleiner Junge. Vielmehr |8|können Lesende ganz unterschiedlicher Altersgruppen (vom Kleinkind bis zum alten Menschen), Individuen und Gruppen, Menschen aus verschiedenen Milieus und mit divergierenden religiösen Sozialisationsgraden etc. unterschieden werden.[26] Die Kontexte der Rezipienten bzw. Lernenden sind ebenso vielfältig wie die jeweilige Absicht der Zuwendung zur Bibel. Neben einem kulturbeflissenen Bildungsinteresse gibt es die Verstehensbemühungen von gläubigen Menschen, die Lebenshilfe erwarten, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Entsprechend müssen auch die ‚Kontexte‘ oder ‚Horizonte‘[27] der anderen beiden Haftpunkte im hermeneutisch-didaktischen Dreieck ausdifferenziert werden. Die Bibel gibt es nicht an und für sich. Es stellt sich schon die Frage nach der Übersetzung, ästhetischen Erscheinungsform oder medialen Performanz (z.B. als QR-Code auf dem Handy), in der die Bibel zur Darstellung kommt. Zudem ist die Bibel nicht nur ein Buch, sondern eine zweigeteilte Schrift (Altes/Erstes Testament und Neues Testament), näher betrachtet sogar eine ganze Bibliothek. Auch die Textbasis für die Übersetzung (z.B. ca. 6000 verschiedene Handschriften allein zum NT) bzw. den Kanon (z.B. Septuaginta oder Masoretischer Text) ist keineswegs eindeutig. Die Schriften des ATs und des NTs sind in heute nicht mehr für Alltagskommunikation genutzten Sprachen verfasst; um ihre Bedeutung zu verstehen, bedarf es z.B. der Kenntnisse in historischer Semantik. Sie müssen darüber hinaus in ihrem historischen Entstehungskontext betrachtet werden, was eine Zeitspanne von ca. 1000 Jahren umfasst. Ferner können die Texte in vielfältiger Weise methodisch analysiert werden, sei es als Quellen der Tradition, die z.B. hinsichtlich ihrer Überlieferungsgeschichte wahrzunehmen sind, sei es als literarische Kunstwerke, die etwa mit Methoden der Narratologie oder Metapherntheorie besser zu verstehen sind. Der Unterrichtsgegenstand ‚Bibel‘ ist also eine Welt für sich, die es entsprechend differenziert wahrzunehmen gilt.

Schließlich ist auch die Brücke selbst facettenreich. Wie kommen Bibeltext und Lernender zusammen? Wie kann der Kontakt zwischen Text und Lernenden hergestellt werden? Wie kommt es zu den das Lernen anregenden „Bewegungen zwischen Textwelt und Leserwelt“[28]? Wendet sich der Rezipient als Lesender |9|spontan dem biblischen Text zu? Oder wird der Kontakt durch Rahmenbedingungen und Lernumgebungen, wie z.B. dem schulischen Religionsunterricht, mitbestimmt? Wird eine Vermittlungsperson (ein Lehrender) zum Brückenbauer und welche Rolle nimmt sie ein: Tritt sie als Experte auf, der historische Sachverhalte als Verstehensvoraussetzungen erläutert oder stellt sie insbesondere den Text bereit, damit die Lernenden, wie z.B. in der Kindertheologie, eigene Entdeckungen machen können? Die Brücke kann auf recht unterschiedlichen Methodenpfeilern stehen, die kognitive, emotive und affirmative Dimensionen einschließen.


Abb. 2: Bibeldidaktisches Dreieck (facettenreich)

Die Unterscheidung der drei Perspektiven darf jedoch keine Scheidung bedeuten, sondern ist eher heuristischer Art. So sind es die Rezipienten, die auf der Brücke gehen müssen, oder es ist der Text, der in seiner ästhetischen Gestalt dem Lernenden begegnet oder – theologisch gesprochen – Gottes Geist, der im Medium der Texte ansprechen und inspirieren kann. In phänomenologischer oder auch konstruktivistischer Perspektive gibt es ‚den Text‘ als ideales Objekt ohnehin nicht, vielmehr entsteht er jeweils neu im Akt der Rezeption oder kommt in der intentionalen Bezogenheit zwischen Lernendem und Gegenstand zur Darstellung. Ebenso wenig kann es einen einzigen Zielpunkt des biblischen |10|Lernprozesses geben: Aus den „vielfältigen Sinnperspektiven eines Textes“[29] und den „komplexen, mehrperspektivischen Wirklichkeitskonstruktionen von Rezipientinnen und Rezipienten“ sowie der „Vielfalt von Vermittlungs- und Rezeptionsperspektiven“ ergibt sich ein facettenreiches Spiel an Sinnmöglichkeiten. Gegenüber einem postmodernen Wahrheitsverzicht plädieren wir jedoch dafür, dass dieses Spiel immer wieder neu im konkreten Unterrichtsgeschehen zur Endlichkeit gelangt. Es inkarniert sich gewissermaßen und bewahrt gerade so die Offenheit vor Beliebigkeit und Relativismus.[30]

Wenn wir die drei Dimensionen der Bibeldidaktik jedoch als heuristische Unterscheidungen betrachten, können sie helfen, das hermeneutische Geschehen, das sich zwischen Bibeltext und Lernendem ereignet, präziser zu erfassen. In dieser Weise wurde es dann auch richtungsweisend für die Konzeption dieses Handbuchs.

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