Читать книгу Dürfen Lehrer ihre Meinung sagen? - Группа авторов - Страница 11

3 Mitteilen und Vermitteln

Оглавление

In der Einleitung wurde davon ausgegangen, dass das Ziel, Lernende zur Akzeptanz bestimmter Auffassungen zu bringen, konstitutiv für den Begriff des direktiven Unterrichtens ist. Ausgehend hiervon könnte man es als charakteristisch für das bloße Mitteilen von Meinungen sehen, dass dieses Ziel von der Lehrperson nicht verfolgt wird. Allerdings kann das Mitteilen der eigenen Meinung durchaus die Wirkung haben, jemanden zu überzeugen, insbesondere wenn es mit der Angabe von überzeugenden Gründen verbunden ist. Zugleich ist klar, dass nicht jede pädagogische Kommunikation, die das Ziel hat, etwas zu vermitteln, damit erfolgreich ist. Hinsichtlich ihrer Wirkung lassen sich Mitteilen und Vermitteln also nicht scharf unterscheiden.

Kompliziert wird die Sache dadurch, dass es nicht grundsätzlich illegitim ist, wenn Lernende von einer Meinungsäußerung der Lehrperson überzeugt werden: Es scheint normal, dass Schülerinnen und Schüler sich an den in der Diskussion präsentierten Positionen und Begründungen orientieren und aufgrund dessen bisweilen ihre Meinung ändern. Man kann also nicht sagen, dass das Mitteilen der eigenen Meingung genau dann ethisch gerechtfertigt ist, wenn es diese Wirkung nicht hat. Dies bedeutet aber nicht, dass jede Meinungsäußerung gerechtfertigt ist, die nicht mit der expliziten Ziel zur Beeinflussung der Lernenden einhergeht. Jemand, der dieses Ziel nicht bewusst verfolgt, kann dennoch in einer Weise auftreten und kommunizieren, die es wahrscheinlich macht, dass manche Lernende seine Meinung übernehmen. Gerade in hierarchisch strukturierten Konstellationen wie der Unterrichtssituation ist zu erwarten, dass Zuhörende häufig nicht klar zwischen einer blossen Meinungsäußerung und einem Vermittlungsversuch unterscheiden können.

Vor diesem Hintergrund könnte man zu einer Rechtfertigung der Position der strikten Neutralität gelangen: Selbst wenn man Mitteilen und Vermitteln hinsichtlich der verfolgten Ziele unterscheiden kann, so die Argumentation, ist stets damit zu rechnen, dass das Mitteilen der eigenen Meinung problematische Wirkungen hat. Um eine ungerechtfertigte Beeinflussung der Lernenden zu verhindern, sollten Lehrpersonen deshalb auf Meinungsäußerungen verzichten.

Meiner Auffassung nach geht diese Sichtweise zu weit, da es viele Unterrichtskonstellationen gibt, in denen Lehrpersonen sich äußern können, ohne befürchten zu müssen, dass die Lernenden dadurch unter Druck geraten, die vertretene Meinung zu übernehmen. Allerdings ist die Gefahr ungerechtfertigter Beeinflussung in manchen Kontexten durchaus gegeben: Dies kann in der jeweiligen Situation ein Grund für die Lehrperson sein, mit ihrer Meinung zurückzuhalten. Wenn also z. B. eine Lehrperson den Eindruck hat, mit ihrem Stellungsbezug zu Gunsten einer Legalisierung der aktiven Sterbehilfe viele der Lernenden in diese Richtung zu lenken, sollte sie darauf verzichten. Schätzt sie die Situation hingegen so ein, dass die Lernenden fähig sind, sich von ihrer Meinungsäußerung abzugrenzen, wird sie bedenkenlos ihre Meinung sagen können.

Geht man vom Problem der ungerechtfertigten Beeinflussung aus, könnte man auch eine andere Überlegung anstellen: Hat die Lehrperson in einer Frage eine klare Meinung, äußert diese aber nicht, könnte dies dazu führen, dass die Lernenden in unterschwelliger Weise beeinflusst werden, etwa durch den Aufbau der Unterrichtseinheit oder die Auswahl der Materialien. Zeigt man etwa einen Filmausschnitt, in der sich eine sympathisch und vernünftig wirkende schwerkranke Person zu ihrem Sterbewunsch äußert, kann dies den Lernenden eine zustimmende Haltung zur Suizidbeihilfe nahelegen. Macht die Lehrperson ihre eigene Einstellung klar – und weist die Lernenden zugleich auf die dem Film innewohnende Tendenz hin – so dürfte es ihnen dies erleichtern, sich selbst eine Meinung zu bilden.

Dürfen Lehrer ihre Meinung sagen?

Подняться наверх