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IV.

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In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass das Stück parallel zu der Geschichte des vermeintlichen Poltergeistes auch eine Liebesgeschichte erzählt und solchermaßen von dem Ineinander zweier Handlungsstränge strukturiert wird, die in dem Haus des Spenglers zusammenlaufen: Angelica, der Tochter des unglücklichen Meisters Simplicius, wird von einem namentlich nicht bezeichneten Architectus der Hof gemacht. Die Handlung setzt ein mit einem galanten Schreiben, in dem er ihr seine Liebe gesteht. Angelica wird zunächst von widerstreitenden Gefühlen bestimmt. Einerseits fühlt sie sich geschmeichelt, andererseits misstraut sie seiner Emphase. Im Verlauf der Handlung stellt sich heraus, dass der Architectus verschiedenen Frauen zugleich den Hof macht, so auch der Magd Angelicas. Letzteres geschieht in der Absicht, über die Neigung der Dienerin das Herz der Herrin zu gewinnen. Es parodiert damit eine alte, bereits in der Ars amatoria des römischen Dichters Ovid dargelegte persuasive Strategie.

Auch hier entsteht die komische Wirkung des Bühnengeschehens dadurch, dass den Zuschauern bereits zu Beginn der Handlung die Zusammenhänge und Motivationen der Figuren enthüllt werden. In diesem Fall sind dies die unredlichen Absichten des Architectus. So werden in seinem Monolog im zweiten Auftritt des ersten Aktes seine den moralischen Vorstellungen der Zeit entgegenlaufenden Haltungen und seine ebenso verwerfliche Selbstverliebtheit deutlich herausgestellt:

Courage! es ist mir schon ein mancher Liebes-Handel angegangen und muß mir dieser auch sein gewünschtes Ende erreichen. Was wolt ich zweiffeln? Ich bin wohl gemacht als wann mich der Dädalus selbst geschnitzelt hätte. Was fehlt der Beredsamkeit meines Mundes? […] Mein Verstand ist ein gemeiner Anlaß zum Discurs in der Stadt und auf dem Land gelte ich wie ein Orackel.1

In weiteren Verlauf des Selbstgespräches wird zudem auf eine ironisch-hintergründige Weise die „flüchtige und zugleich liebliche Untreu bey den Manns-Personen“ betont, so dass keinerlei Zweifel an der Unredlichkeit seiner Absichten bleiben.2 Dass Angelica sich nachfolgend von dem Werben zuerst rühren und endlich überzeugen lässt, erscheint vor diesem Hintergrund lächerlich. Aus dem Kontrast ihrer naiven Ernsthaftigkeit und seiner schönen Worte sowie seiner effektvollen, aber zugleich leeren Gesten erwächst jener Kontrast, welcher das Gelächter des Publikums bewirkt. Auch sind die komischen Effekte des Stückes voraussehbar: Diese Antizipation der komischen Zwischenfälle und Ereignisse seitens der Zuschauer ist ebenfalls ein charakteristisches Mittel, mit dem in der Komödie Gelächter erzeugt wird.

Sowohl der Architectus als auch Angelica sind aus sich selbst heraus komisch. Ihre Handlungen und Meinungen sind übertrieben; ihnen fehlt das Feingefühl für das, was semantisch, stilistisch, situativ angemessen ist (aptum). Sie wirken komisch durch einen Erwartungshorizont, der zunächst evoziert und dann in doppelter Hinsicht unterlaufen wird: Die Rhetorik seines Werbens rekurriert auf das Liebesideal der Tragödie und die zögernde Unsicherheit, mit der sie seinem Drängen schließlich nachgibt, korrespondiert ebenfalls mit jenem Verhalten weiblicher Figuren, das höhere literarische Stillagen vorhalten. Indem die solchermaßen „heroischen Ideal[e]“, um einen Gedanken von Hans Robert Jauß aufzunehmen, herabgesetzt werden, entsteht eine Gegenläufigkeit, die zum Anlass des Komischen wird.3

Zugleich kontrastiert das Werben des Architectus um Angelica mit seinem Werben um deren Magd. Während er bei der Tochter des Spenglers einen hohen Ton anschlägt, ist er bei der Magd mit schmeichlerischen Worten und materiellen Versprechungen erfolgreich, beispielsweise mit einem Paar der damals bei Frauen beliebten „Hamburger-Strümpffe“.4 (Diese sind in der Hansestadt erstmals „drey und vier drähtig gestrickt“ worden, woraus sich die bis in das 19. Jahrhundert gebräuchliche Qualitätsbezeichnung ableitet.5) Die manifesten Strukturen und damit verbundenen Konventionen der ständischen Gesellschaft im frühen 18. Jahrhundert werden somit auch im Figurenspiel abgebildet.

Interessant werden die Liebeshändel des Architectus an der Stelle, da Angelica das Unredliche seines Verhaltens entdeckt:

Ha! du falscher Hund! ich hab dir und meiner Neben-Buhlerin nicht länger mehr zuhöhren und zusehen können / und ich soll dir getreu verbleiben? Ich soll dich eintzig bis in das Grab lieben / du aber in meinem eignen Hauß hast das Hertz dasselbe zum Theater deines Muthwillens zu machen und ich soll dir getreu seyn? Du bist so unverschähmt mit der Magd der jenigen / die du zu deinem eintzigen Engels-Kind erwehlet zu haben vorgiebst / zu courtoisieren und ich soll dir nicht untreu seyn?6

Der weitere Verlauf der Handlung ist damit jedoch keineswegs vorgezeichnet; vielmehr vollzieht sich in den letzten beiden Auftritten eine unerwartbare und damit ironisch zu wertende Wendung. Der Architectus liebt „sie beyde gleich“, wie er zu Beginn des neunten Auftritts des vierten Aktes bekennt, und „beyde haben einen Eyd geschworen / keine Eyffersucht“ seinetwegen „gegeneinander zu empfinden oder zu hegen“.7 Diese veränderte Haltung, die sowohl den moralischen Vorstellungen wie den gesellschaftlichen Konventionen der Zeit widerspricht, wird nicht psychologisch begründet, weshalb das Unvermittelte dieses Schlusses die Provokation, mit der das Stück sein Publikum konfrontierte, betont. So kommentiert Angelica den Vorgang:

Wann ich alles recht erwege / so muß ich gestehen / daß die Ungleichheit deß Stands in der Liebe keinen Scrupel mache / also mag ich wohl leiden / daß Monsieur Architectus neben mir meine Magd gleichfalls karreßiere […].8

Und die Magd ergänzt: „Ich will meiner Jungfer gern die Oberhand lassen / wann aber Monsieur Architectus mich ein bißgen schätzen will / so kan ich es ihm ja nicht wehren.“9

Das geistige Straßburg im 18. und 19. Jahrhundert

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