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II. Das Leben des Eulogius Schneider

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Im Würzburger Jungenkonvikt fiel Schneider auf, weil er Schriften von Friedrich Gottlieb Klopstock und Christian Fürchtegott Gellert las und selbst erste Rokoko-Gedichte schrieb. Er übersetzte Anakreon aus dem Griechischen, einen Vorreiter lustfreundlich-optimistischer Lyrik. Zunächst trat er aber doch 1777 dem Bamberger Franziskaner-Orden bei und wurde 1786 zum Hofprediger an den württembergischen Hof Carl Eugens berufen, wo er aber auch bald mit seiner Kritik aneckte. 1789 ging Schneider als Professor für Literatur und Schöne Künste nach Bonn. Dort schrieb er eine Rede über den gegenwärtigen Zustand und die Hindernisse der schönen Litteratur im katholischen Deutschland (1789) und veröffentlichte seine ersten Gedichte, meist im tändelnden Rokokostil, nahm aber auch Stellung für eine aufgeklärte Poesie. Im Vorwort schreibt er: „Diese eigensinnige Pflanze (die Poesie) gedeihet nur durch anhaltende Cultur, und nur auf dem Boden der Freiheit, welche an Höfen nicht viel mehr einheimisch ist, als in den Zellen der Mönche“.1 Wegen dieser kritischen Schriften wurde er 1791 entlassen und emigrierte aus politischen Gründen ins revolutionäre Frankreich nach Straßburg, das er als Reich der Freiheit preist:2

Gefallen ist des Despotismus Kette,

Beglücktes Volk! von deiner Hand:

Des Fürsten Thron ward dir zur Freiheitsstätte

Das Königreich zum Vaterland.

Kein Federzug, kein: „Dies ist unser Wille“,

entscheidet mehr des Bürgers Los.

Dort lieget sie im Schutte, die Bastille,

Ein freier Mann ist der Franzos!3

Er war zunächst bischöflicher Vikar, Professor am Seminarium, Prediger im Straßburger Münster. Schließlich entfernte er sich immer weiter von seinem Priesteramt und wandte sich der revolutionären Bewegung zu. Er wurde Ratsherr, Herausgeber und verantwortlicher Redakteur der ab Juni 1792 veröffentlichten Zeitschrift Argos und zeitweilig Präsident des Straßburger „Klubs der Jakobiner und Sansculotten“. Dieser setzte sich gegen den gemäßigten „Club des amis de la Constitution“ um den Straßburger Bürgermeister Philippe-Frédéric Baron de Dietrich durch, der für eine Beibehaltung der Monarchie plädierte. De Dietrich war Baron, Industrieller, Protestant und deutschsprachig und versuchte zwischen Adel und Jakobinern zu vermitteln. 1792 wird er abgesetzt und 1793 in Paris guillotiniert. Schneider muss de Dietrich in persönlichen Attacken scharf angegriffen haben, dies wird auch durch seine Hetzgedichte deutlich. Als de Dietrich sich gegen die Amtsenthebung Ludwig XVI. einsetzt, schreibt Schneider:

Ihr fraget mich, ob Ludwig sterben soll?

So fraget auch, ob Tugend etwas sey,

Und ob man nicht des Lasters schonen müsse,

Sobald es sich mit einer Krone deckt. […]

Nein! Sorget nicht, nein! Setzt ihn auf den Thron;

Und fallet wieder hin zu seinen Füßen,

Und küsst die Hand, die einer Nation

Den Dolch ins Herz zu stechen sich bemühte!

Vergesset, dass ihr Menschen seyd, vergesset,

Was Freiheit ist, und werdet wieder Vieh!4

1792 wurde Schneider kommissarischer Bürgermeister in Hagenau und ab 1893 „öffentlicher Ankläger“ beim Revolutionstribunal und damit verantwortlich für die Guillotinierung von 30 Personen im Elsass. Gleichzeitig machte er sich aber auch die Vertreter des jakobinischen Konvents Saint-Just und Lebas zu Feinden. Im Herbst 1793 wurde Louis Antoine de Saint-Just (1767 bis 1794) zusammen mit Philippe-François-Joseph Le Bas (1764 bis 1794) in das Elsass zur Überwachung der Truppen gesandt. Die beiden „Volksvertreter mit außerordentlicher Vollmacht bei der Rheinarmee“ hatten demnach militärische Aufgaben, die aber auch auf die Organisation der öffentlichen Ordnung ausgeweitet wurden. In einer ausführlichen Darstellung zu Saint-Just von Ernest Hamel geht dieser intensiv auf die Sicht von Saint-Just auf Eulogius Schneider ein: Er legt ihm etwa zur Last, dass er ja nur deshalb sich für die Revolution engagiert habe, weil er so seinem Priesterrock entkommen konnte:

Aussi se laissa-t-il complaisamment entrainer au torrent révolutionnaire, et s’il sacrifia aux idées nouvelles, ce fut surtout, je pense, pour jeter aux orties un froc qui lui était devenu pesant, et pour satisfaire une soif de voluptés d’autant plus impatiente qu’elle avait été plus longtemps comprimé.5

1793 heiratet der entlaufene Priester denn auch Sara Stamm, die Tochter eines Straßburger Weinhändlers. Um diese Hochzeit gibt es verschiedene Gerüchte: War Stamm „un aristocrate en jugement“ und hatte Schneider ihn unter Druck gesetzt („aurait fait voir au père la guillotine“)?6 Hat sich die frisch Verheiratete zu Saint-Just gerettet, um ihren eigenen Mann anzuklagen und ihn dem Schafott zuzuführen?7 Oder handelt es sich wirklich um eine Liebesheirat? Das alles ist nicht wirklich zu ergründen. Klar ist aber: Wenige Stunden nach seiner Hochzeit wurde Schneider am 15. Dezember auf Anweisungen von Saint-Just und Le Bas verhaftet und auf dem Straßburger „Paradeplatz“ an die Guillotine gebunden. Begründung: Schneider, „vormals Priester und geborener Untertan des (deutschen) Kaisers“, umgebe sich mit übermäßiger Pracht:

Ce jour-lá, Schneider revenait d’une tournée triomphale, et, sans le moindre souci de l’égalité républicaine, il était entré à Strasbourg, dans un carrosse de parade, attelé de six chevaux magnifiques; vingt-cinq cavaliers l’escortaient, le sabre nu à la main.8

Schneider war damit sicher auch Opfer von Ränkespielen aus Paris: Robespierre musste nach der Liquidierung der Girondisten um Danton nun als Zugeständnis an die Bourgeoisie gegen die sozialrevolutionären Sansculotten vorgehen, als deren Vertreter Schneider galt.

Auch seine deutsche Herkunft muss ihm hierbei negativ angelastet worden sein, mit ihm sollten auch die anderen „sogenannten Fremden oder Deutschen“ getroffen werden, aber auch der Kosmopolitismus der Girondisten, die Robespierre gerade durch die Ausmerzung von Danton überwunden glaubte. So schreiben Saint-Just und Lebas an Robespierre am 14. Dezember 1793:

Wir liefern dem Wohlfahrtsausschuss den Öffentlichen Ankläger beim Straßburger Revolutionstribunal ein. Es ist ein ehemaliger Priester, als Untertan des Kaisers geboren. Ehe er aus Straßburg fort kommt, wird er auf dem Schafott der Guillotine an den Pranger gestellt werden. Diese Strafe, die er sich durch sein freches Betragen zugezogen hat, war auch von der Notwendigkeit geboten, einen Druck auf die Fremden auszuüben. Glauben wir nicht an die kosmopolitischen Scharlatane, und vertrauen wir nur auf uns selbst. Wir umarmen Sie von ganzem Herzen.9

Das geistige Straßburg im 18. und 19. Jahrhundert

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