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Einleitung

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Zwölf Jahre sind nun verflossen, seitdem ich Europa verließ, um das Innere des Neuen Kontinents zu durchreisen. Von Jugend auf mit dem Studium der Natur beschäftigt, empfänglich für die wilde Schönheit eines mit Gebirgen und alten Wäldern bedeckten Bodens, fand ich auf dieser Reise Genüsse genug, die mich für die Entbehrungen, die mit einem arbeitsamen, oft unruhigen Leben verbunden sind, entschädigt haben. Jene Genüsse, die ich mit den Lesern meiner Betrachtungen ›Über die Steppen‹ und meiner ›Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse‹ [s. Studienausgabe Band V], zu teilen versucht habe, waren indessen nicht die einzigen Früchte einer Unternehmung, deren Zweck auf die Erweiterung der physikalischen Wissenschaften gerichtet war. Seit langer Zeit hatte ich mich auf die Beobachtungen vorbereitet, die das Hauptziel meiner Reise in die heiße Zone waren. Ich war mit Instrumenten der vorzüglichsten Meister, die sich geschwind und leicht handhaben ließen, versehen; ich genoß den besonderen Schutz einer Regierung, die mir, weit davon entfernt, meinen Forschungen Hindernisse entgegenzusetzen, beständige Beweise von Anteilnahme und Vertrauen gab; ich wurde endlich durch einen Freund voll Mut und Kenntnissen unterstützt, und – was ein seltenes Glück für den Erfolg eines gemeinschaftlichen Unternehmens ist – dessen Eifer und gleichbleibender Charakter mitten unter Strapazen und Gefahren, denen wir uns zuweilen ausgesetzt sahen, niemals widerlegt worden sind.

Während wir auf diese Art unter solch günstigen Umständen Regionen durchreisten, die seit Jahrhunderten den meisten Völkern Europas, ja ich möchte sagen, selbst Spanien fast unbekannt geblieben waren, brachten wir, Herr Bonpland und ich, eine beträchtliche Menge Materialien zusammen, deren Publikation für die Historie der Völker und die Kenntnis der Natur einiges Interesse zu bieten schien. Da aber die Gegenstände unserer Forschungen sehr mannigfaltig gewesen waren, konnten wir die Resultate nicht in der gewöhnlichen Form eines Tagebuches mitteilen. Wir taten es daher in mehreren einzelnen Werken, die aber in einem Geiste bearbeitet und durch die Natur der darin abgehandelten Phänomene miteinander verbunden sind. Diese Art der Redaktion, bei der die Unvollkommenheit der einzelnen Arbeiten eher sichtbar wird, ist für die Eigenliebe des Reisenden nicht eben vorteilhafter; aber sie ist bei allen physischen und mathematischen Wissenschaften vorzuziehen, weil selten dieselbe Klasse von Lesern deren verschiedene Zweige zu betreiben pflegt.

Ich hatte mir bei der Reise, deren ›Relation Historique‹ [den historischen (= erzählenden) Bericht] ich heute veröffentliche, ein doppeltes Ziel gesetzt. Ich wünschte, die Länder, die ich besuchte, kennenzulernen und charakteristische Tatsachen zur Erhellung einer Wissenschaft zu sammeln, die noch kaum skizziert ist und unbestimmt genug Physik der Erde, Theorie der Erde oder Physikalische Geographie genannt wird. Von diesen beiden Zielen schien mir das zweite das bedeutendste zu sein. Ich liebte die Botanik und einige Teile der Zoologie leidenschaftlich; ich durfte mir schmeicheln, daß unsere Forschungen neue Arten den schon beschriebenen hinzufügen würden. Da ich aber die Verknüpfung längst beobachteter der Kenntnis isolierter, obgleich neuer Tatsachen immer vorgezogen hatte, schien mir die Entdeckung eines unbekannten Geschlechtes weit minder wichtig als eine Beobachtung über die geographischen Beziehungen der Vegetabilien, über die Wanderungen der gesellschaftlichen Pflanzen und über die Höhengrenze, zu der sich ihre verschiedenen Stämme gegen den Gipfel der Cordilleren erheben [Hervorhebung vom Hrsg.].

Die physikalischen Wissenschaften sind durch die gleichen Bande verknüpft, die alle Erscheinungen der Natur verbinden. Die Klassifikation der Arten, die man als den grundlegenden Teil der Botanik betrachten muß und deren Studium durch die Einführung natürlicher Methoden anziehender und schöpferischer geworden ist, verhält sich zur Geographie der Pflanzen wie die beschreibende Mineralogie zum Verzeichnis der Gesteine, welche die äußere Kruste der Erde zusammensetzen. Will der Geologe die Gesetze aufstellen, welchen diese Gesteine in ihrer Lagerung folgen, will er das Alter ihrer allmählichen Bildung und ihrer Identität in den entferntesten Regionen bestimmen, so muß er vor allen Dingen die einfachen Fossilien [= Minerale] kennen, welche die Masse der Gebirge bilden, deren Charakter und Nomenklatur die Oryktognosie lehrt. Ebenso ist es mit dem Teil der Physik der Erde, der von den Beziehungen handelt, die – sei es zwischen den Pflanzen untereinander selbst, sei es zwischen ihnen und dem Boden, worauf sie wachsen, sei es zwischen ihnen und zwischen der Luft, die von ihnen eingeatmet und verändert wird – bestehen. Die Fortschritte der Geographie der Pflanzen hängen größtenteils von den Fortschritten der beschreibenden Botanik ab. Man schadet der Erweiterung der Wissenschaft, wenn man sich zu allgemeinen Ideen erheben will und dabei die einzelnen Tatsachen vernachlässigt.

Diese Betrachtungen haben mich im Lauf meiner Forschungen geleitet. Immer sind sie meinem Geist in der Zeit meiner vorbereitenden Studien gegenwärtig gewesen. Als ich die große Zahl von Reisen, die einen solch interessanten Teil der modernen Literatur ausmachen, zu lesen anfing, bedauerte ich, daß die gebildetsten Reisenden selten in den isolierten Zweigen der Naturgeschichte genügend vielfältige Kenntnisse vereint hatten, um aus allen Vorteilen den Nutzen zu ziehen, den ihre Lage ihnen darbot. Es schien mir, daß die Bedeutung der bis jetzt erhaltenen Resultate nicht gänzlich den ungeheuren Fortschritten entspräche, die in mehreren Wissenschaften, und namentlich in der Geologie, in der Geschichte der Modifikation der Atmosphäre, in der Physiologie der Tiere und der Pflanzen zu Ende des 18. Jahrhunderts gemacht worden waren. Ich bemerkte schmerzlich, und alle Gelehrten teilen dieses Gefühl mit mir, daß, während sich die Anzahl genauer Instrumente täglich vermehrte, uns doch die Höhe so vieler Gebirge und Plateaus, die periodischen Schwingungen des Luftmeers, die Grenze des ewigen Schnees unter dem Polarkreis und an den Rändern der heißen Zone, die variable Intensität der magnetischen Kraft und so viele andere gleich wichtige Erscheinungen noch völlig unbekannt geblieben waren.

See-Expeditionen, Reisen um die Welt haben mit Recht die Namen der Naturforscher und Astronomen verherrlicht, welche die Regierungen berufen haben, um die Gefahren zu teilen. Allein wenn diese Reisen auch noch so genaue Nachrichten über die äußere Bildung der Länder, über die physische Geschichte des Ozeans, über die Produkte der Inseln und der Küsten liefern, so scheinen sie gleichwohl für die Erweiterung der Geologie und anderer Teile der allgemeinen Naturkunde überhaupt weniger charakteristisch zu sein als Reisen in das Innere eines Kontinents. Bei einer Seereise wird das Interesse der Naturwissenschaften dem Interesse der Geographie und der nautischen Astronomie untergeordnet. Während einer Seefahrt von mehrern Jahren bietet sich die Erde dem Reisenden nur selten zum Beobachten dar, und wenn er ihr nach langen Wartezeiten begegnet, ist sie oft ihrer schönsten Produkte entblößt. Zuweilen bemerkt er jenseits einer kahlen Küste eine grüne Gebirgswand, deren Entfernung sie seinen Nachforschungen entzieht, und dieses Schauspiel vergrößert nur sein Bedauern.

Landreisen bieten große Schwierigkeiten für den Transport der Instrumente und Sammlungen. Aber diese Schwierigkeiten werden von reellen Vorteilen aufgewogen, deren Aufzählung hier überflüssig ist. Auf einer bloßen Küstenreise kann man gar nicht die Richtung der Gebirge und ihre geologische Constitution, weder das eigentümliche Klima jeder Zone noch seinen Einfluß auf die Formen und Gewohnheiten organisierter Wesen [Pflanzen und Tiere] erkennen. Je breiter Kontinente sind, desto mehr findet man auf der Oberfläche des Bodens den Reichtum der vegetabilischen und animalischen Hervorbringungen entwickelt; je mehr der zentrale Kern der Gebirge von den Ufern des Ozeans entfernt ist, desto mehr beobachtet man im Innern der Erde diese Mannigfaltigkeit von Gesteinsschichten, deren regelmäßige Folge uns die Geschichte unseres Planeten enthüllt. Ebenso wie jedes Wesen, isoliert betrachtet, von einem eigentümlichen Typus geprägt ist, so wird ein solcher in gleicher Weise in der Anordnung des in den Gesteinen vereinigten Rohstoffes in der Verteilung und den Wechselbeziehungen der Pflanzen und Tiere wiedererkannt. Die Bestimmung der Form dieser Typen, der Gesetze dieser Wechselbeziehungen und der ewigen Bande, welche die Erscheinungen des Lebens mit denen der unbelebten Natur verknüpfen: das ist das große Problem der Physik der Erde.

Wenn ich die Motive darlege, die mich zur Unternehmung einer Reise in das Innere eines Kontinents bewegt haben, gebe ich nur die allgemeine Richtung meiner Ideen in einem Alter an, wo man seine Kräfte noch nicht richtig zu beurteilen vermag. Indes wurden die Pläne meiner frühen Jugend nur sehr unvollkommen ausgeführt. Meine Reise erhielt nicht die gesamte Ausdehnung, die ich ihr bei meiner Abreise nach Südamerika zu geben gedachte; ebensowenig lieferte sie die Anzahl allgemeiner Resultate, die ich zu sammeln gehofft hatte. Der Hof zu Madrid hatte mir 1799 die Erlaubnis gewährt, mich nach vollendeter Reise durch die Kolonien des Neuen Kontinents auf der Galeone von Acapulco einzuschiffen, um auch die Marianischen und Philippinischen Inseln zu besuchen. Ich nahm mir damals vor, durch den großen asiatischen Archipel [Insulinde], über den Persischen Meerbusen und Bagdad nach Europa zurückzukehren. Man wird in der Folge erfahren, warum ich meine Rückreise zu beschleunigen gezwungen war. Was die von Herrn Bonpland und mir herausgegebenen Werke betrifft, so schmeicheln wir uns, daß ihre Unvollkommenheit, die wir nicht verkennen, weder dem Mangel an Eifer während der Durchführung unserer Forschungen noch der zu großen Eile bei ihrer Publikation zugeschrieben werden wird. Ein starker Wille und eine aktive Ausdauer genügen nicht immer zur Überwindung der Hindernisse.

Nachdem ich an das allgemeine Ziel erinnert habe, das ich mir auf meiner Reise gesteckt hatte, werde ich noch einen schnellen Blick auf das Ganze unserer Sammlungen und Beobachtungen werfen, die wir zurückgebracht haben und welche die doppelte Frucht jeder scientifischen Reise sind. Da der Seekrieg während unseres Aufenthaltes in Amerika die Verbindung mit Europa äußerst erschwerte, sahen wir uns, um die Möglichkeiten des Verlustes zu vermindern, genötigt, drei verschiedene Sammlungen anzulegen. Die erste schickten wir nach Spanien und Frankreich, die zweite nach den Vereinigten Staaten und England, die dritte blieb fast ständig unter unseren Augen. Sie war die beträchtlichste von allen und bestand gegen das Ende unserer Reise aus zweiundvierzig Kisten, mit einem Herbar von sechstausend Äquinoktialpflanzen, Sämereien, Muscheln, Insekten, und, was noch gar nicht nach Europa gekommen war, geologischen Suiten vom Chimborazo, von Neu-Granada und von den Ufern des Amazonenflusses. Nach der Orinoco-Reise ließen wir einen Teil dieser Sammlung auf der Insel Cuba, um sie bei unserer Rückkehr von Peru und Mexico wieder mitzunehmen. Der Rest begleitete uns fünf Jahre lang, auf der Andenkette wie durch Neu-Spanien, von den Küsten des Pazifischen Ozeans bis zu denen des Antillenmeeres. Der Transport dieser Objekte und die minutiöse Sorgfalt, die sie erforderten, verursachte uns Beschwerden, von denen man sich unmöglich eine genaue Idee bilden kann, selbst wenn man die unkultiviertesten Teile Europas durchreist hat. Unser Reiseweg ist verzögert worden durch die dreifache Notwendigkeit, während fünf- bis sechsmonatigen Reisen zwölf, fünfzehn und manchmal über zwanzig beladene Maultiere hinter uns her zu ziehen; alle acht bis zehn Tage durch den Wechsel dieser Tiere und schließlich durch die Überwachung der Indianer, die als Führer einer solch großen Karawane dienten. Oft, wenn wir unseren Sammlungen neue Mineralsubstanzen hinzufügen wollten, sahen wir uns gezwungen, andere längst gesammelte zurückzulassen. Diese Opfer waren uns nicht weniger schmerzlich wie mancher zufällige Verlust. Eine unangenehme Erfahrung belehrte uns ziemlich spät, daß wir wegen der Hitze des feuchten Klimas und den häufigen Stürzen der Saumtiere weder die in der Eile präparierten Tierhäute noch die Fische und die Reptilien in den mit Alkohol gefüllten Flaschen konservieren konnten. Diese an sich sehr wenig interessanten Umstände glaubte ich anführen zu sollen, um zu erweisen, daß es nicht von uns abhing, mehrere zoologische und anatomische Objekte, die wir beschrieben und abgebildet haben, in natura mitzubringen.

Trotz dieser Hindernisse und der Transportkosten für die Sammlungen habe ich mich zu diesem vor meiner Abreise gefaßten Entschluß zu beglückwünschen gehabt, nur die Doubletten unserer Naturalien nach und nach nach Europa abgehen zu lassen. Man kann es nicht genug wiederholen: Wenn die Meere mit bewaffneten Schiffen zur Kaperfahrt bedeckt sind, darf der Reisende nur auf die Gegenstände zählen, die er mit sich führt. Von allen Doubletten, die wir während unseres Aufenthaltes in Amerika nach dem alten Kontinent absandten, wurde nur eine kleine Zahl gerettet. Der größte Teil fiel in die Hände von Personen, denen die Wissenschaften fremd waren; denn wenn ein Schiff in einem Überseehafen festgehalten wird, werden die Kisten mit getrockneten Pflanzen oder Mineralien keineswegs den Gelehrten zugesandt, an die man sie adressiert hat, sondern geraten in Vergessenheit. Einige unserer geologischen Sammlungen, die in der Südsee gekapert wurden, hatten indessen ein glücklicheres Schicksal. Wir verdanken ihre Erhaltung der großzügigen Tätigkeit des Ritters Banks, Präsident der Königlichen Sozietät der Wissenschaften zu London, der inmitten der politischen Stürme Europas nie aufgehört hat, die Bande, wodurch die Gelehrten aller Nationen vereinigt sind, immer enger zu knüpfen.

Dieselben Ursachen, die unsere Verbindungen erschwerten, waren auch seit unserer Heimkehr der Herausgabe eines Werkes, das seiner Natur nach mit vielen Karten und Kupferstichen begleitet sein muß, in hohem Grade hinderlich. Wenn sich diese Schwierigkeiten manchmal selbst bei solchen Unternehmungen zeigten, die auf Kosten und von der Freigebigkeit von Regierungen durchgeführt wurden, um wieviel größer mußten sie nicht für einfache Privatpersonen sein? Es würde uns unmöglich gewesen sein, sie zu überwinden, wäre der Eifer der Verleger nicht von einem ungewöhnlichen Wohlwollen des Publikums unterstützt worden. Über zwei Drittel unseres Werkes sind schon veröffentlicht worden. Die Karten des Orinoco, des Casiquiare, des Magdalenenflusses, auf meine astronomischen Beobachtungen gegründet, und mehrere hundert Platten einfachen Kupferstichs sind der Vollendung nahe; ich werde meine Reise nach Asien nicht eher antreten, als bis das Ganze der Resultate meiner ersten Expedition in den Händen des Publikums ist.

In den Abhandlungen, die zur Vertiefung der verschiedenen Gegenstände unserer Forschungen bestimmt sind, haben Herr Bonpland und ich die Betrachtung jeder Erscheinung unter verschiedenen Aspekten und die Einordnung unserer Beobachtungen nach den Beziehungen, die sie untereinander darboten, versucht. Um eine richtige Idee des Weges zu geben, den wir befolgt haben, werde ich mit wenigen Worten die Aufzählung der Materialien darlegen, die wir zur Kenntnis der Vulkane Antisana und Pichincha sowie des Jorullo besitzen, desselben, der in der Nacht zum 29. September 1759 zum Vorschein kam und 263 Toisen über die benachbarten mexicanischen Ebenen erhaben ist. Die Lage dieser bemerkenswerten Berge wurde nach Länge und Breite durch astronomische Beobachtungen bestimmt. Die verschiedenen Teile haben wir mit Hilfe des Barometers nivelliert, wir haben die Inklination der Magnetnadel und die Intensität der magnetischen Kräfte bestimmt. Unsere Sammlungen enthalten die Pflanzen, die den Abhang dieser Vulkane bedecken, und die verschiedenen übereinander liegenden Gesteine, welche die äußere Hülle bilden. Hinlänglich genaue Messungen erlauben uns für jede Pflanzengruppe und für jedes vulkanische Gestein die Angabe der Höhe, in der man sie über dem Niveau des Meeres findet. Beobachtungsserien über die Feuchtigkeit, die Temperatur, die elektrische Ladung und den Grad der Durchsichtigkeit der Luft an den Kraterrändern des Pichincha und Jorullo sind enthalten in unseren Tagebüchern. Man findet dort auch topographische Pläne und geologische Profile dieser Berge, die zum Teil auf Messungen vertikaler Basen und auf Höhenwinkel gegründet sind. Jede Beobachtung ist nach Tafeln und Methoden berechnet worden, die bei dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse als die exaktesten gelten. Um den Grad des Vertrauens, den diese Resultate verdienen, beurteilen zu können, haben wir jedes Detail der partiellen Operationen aufgehoben.

Es wäre möglich gewesen, diese verschiedenen Materialien in einem Werk aufgehen zu lassen, das ausschließlich der Beschreibung der Vulkane Perus und Neu-Spaniens gewidmet wäre. Im Naturgemälde einer einzigen Provinz hätte ich, was Geographie, Mineralogie und Botanik betrifft, für sich behandeln können. Aber wie lassen sich die Erzählung einer Reise, Betrachtungen über die Sitten, die Ansichten der Natur oder die großen Erscheinungen der allgemeinen Naturkunde überhaupt durch die ermüdende Aufzählung der Landesprodukte, durch die Beschreibung neuer Tier- und Pflanzenarten und das trockene Detail astronomischer Beobachtungen unterbrechen? Bei einer Art der Redaktion, die in ein und demselben Kapitel alle über einen und denselben Punkt der Erdkugel gemachten Beobachtungen vereinigte, hätte ich ein unmäßig langes Werk verfassen und besonders auf jene Klarheit verzichten müssen, die großenteils aus der methodischen Anordnung der Materien entsteht. Trotz der Anstrengungen, die ich in dieser ›Relation‹ meiner Reise zur Vermeidung der Klippen, die ich zu fürchten hatte, unternommen habe, fühle ich lebhaft, daß ich nicht immer erfolgreich die Detailbeobachtungen von ebendiesen allgemeinen Ergebnissen trennte, die alle aufgeklärten Menschen interessieren. Diese Resultate umfassen zu gleicher Zeit das Klima und seinen Einfluß auf organisierte [gestaltete] Wesen [Pflanzen und Tiere], die Ansicht der Landschaft, wie sie nach der Natur des Bodens und der vegetabilischen Bekleidung variiert ist, die Richtung der Gebirge und Flüsse, die ebenso die Menschengeschlechter wie die Pflanzenstämme trennen. Endlich die Modifikationen, die der Zustand der Völker unter verschiedenen Breiten und unter mehr oder weniger günstigen Umständen zur Entwicklung ihrer Fähigkeiten erleidet. Ich fürchte nicht, der Aufmerksamkeit derart würdige Gegenstände zu sehr vermehrt zu haben. Denn einer der schönen Charakterzüge, welche die gegenwärtige Zivilisation von der entfernter Zeiten unterscheiden, ist es, die Masse unserer Ideen vergrößert und eine bessere Wahrnehmung der Bezüge zwischen der physischen und intellektuellen Welt bewirkt zu haben sowie ein allgemeines Interesse für Gegenstände, die früher nur eine kleine Zahl von Gelehrten beschäftigten, weil man sie isoliert und nach beschränkten Ansichten betrachtete, ausgebreitet zu haben.

Wahrscheinlich wird das Werk, das ich heute erscheinen lasse, die Aufmerksamkeit einer größeren Zahl von Lesern fesseln als das Detail meiner rein scientifischen Beobachtungen oder meine Untersuchungen über die Bevölkerung, den Handel und die Bergwerke Neu-Spaniens. Es sei mir infolgedessen erlaubt, hier an die Arbeiten, die Herr Bonpland und ich bereits früher publiziert haben, zu erinnern. Wenn mehrere Werke eng miteinander verbunden sind, ist es immer für die Leser von einigem Interesse, die Quellen zu kennen, aus denen er ausführlichere Belehrung schöpfen kann. In der Reise von Pallas, die durch Genauigkeit und Tiefe der Untersuchungen bemerkenswert ist, enthält ein und derselbe Atlas geographische Karten, Trachten verschiedener Völker, Reste des Altertums, Gestalten von Pflanzen und Tieren. Nach dem Plan unseres Werkes fanden diese Kupferstiche notwendig in den verschiedenen Abteilungen Platz. So sind sie auf die beiden physisch-geographischen Atlanten, welche die ›Relation‹ dieser Reise und den ›Essai politique sur le royaume de La Nouvelle-Espagne‹ begleiten, und die ›Vues des Cordillères et monumens des peuples indigènes de l’Amérique‹, die ›Plantes équinoxiales‹, die ›Monographie des Melastomacées‹ und den ›Recueil d’observations zoologiques‹ verteilt. Da ich zur Anführung dieser verschiedenen Werke ziemlich oft gezwungen sein werde, will ich in Anmerkungen die Abkürzungen angeben, deren ich mich bediene, um an die [vollständigen] Titel zu erinnern.

[Es folgt an dieser Stelle Humboldts kurze Besprechung einiger zu seinem Reisewerk gehörenden Bände: 1. Recueil d’observations astronomiques; 2. Plantes équinoxiales; 3. Monographie des Melastomacées (2. u. 3. hrsg. v. Aimé Bonpland); 4. Essai sur la géographie des plantes; 5. Recueil d’observations et d’anatomie comparée; 6. Essai politique sur le royaume de la Nouvelle-Espagne; 7. Vues des Cordillères. – Er nennt dann einen ›Essai sur la pasigraphie géologique‹, der nicht mehr erschienen ist. – Zur genauen Bibliographie der angeführten Werke s. Studienausgabe Band I, S. 26–28. – Zur Kürzung des Textes s. Relation Historique (in Zukunft abgekürzt: RH), I, S. 16–26; bei Paulus Usteri und anderen (in Zukunft abgekürzt: P.U.u.a.), Erster Teil, S. 17 unten bis S. 30 oben. Es sei darauf hingewiesen, daß die unter 3. und 5. angeführten Werke erst 1823 bzw. 1833 abgeschlossen vorlagen; zur Datierung s. Ulrike Leitner: Alexander von Humboldts Werk. Probleme damaliger Publikation und heutiger Bibliographie, Berlin 1992, S. 36–37.]

Die astronomischen, geodätischen und barometrischen Beobachtungen, die ich von 1799–1804 machte, wurden gleichmäßig nach korrespondierenden Beobachtungen und nach den genauesten Tafeln von Herrn Oltmanns, Professor der Astronomie und Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, berechnet. Dieser tätige Gelehrte hatte die Güte, die Herausgabe meines astronomischen Tagebuchs zu übernehmen, das er mit den Resultaten seiner Forschungen über die Geographie Amerikas, über die Beobachtungen der spanischen, französischen und englischen Reisenden und durch die Wahl der von den Astronomen benutzten Methoden bereichert hat. Ich hatte während meiner Reise zwei Drittel meiner eigenen Beobachtungen selbst berechnet, deren Resultate teilweise vor meiner Heimkehr in der ›Connoissance des temps‹ und in den ›Ephemeriden‹ des Baron von Zach publiziert worden sind. Die unbedeutenden Unterschiede, die sich zwischen diesen Resultaten und denen Oltmanns finden, rühren daher, daß Oltmanns meine sämtlichen Beobachtungen einer strengen Berechnung unterwarf und sich der Burgschen Mondtafeln sowie korrespondierender Beobachtungen von Greenwich bediente, während ich nur die ›Connoissance des temps‹ nach Massons Tafeln benutzt hatte.

Die Beobachtungen über die Inklination der Magnetnadel, die Intensität der magnetischen Kräfte und die kleinen stündlichen Variationen der Deklination werden in einer besonderen Abhandlung erscheinen, die meinem ›Essai sur la pasigraphie géologique‹ beigefügt werden soll. Dieses Werk, das ich 1803 in Mexico zu redigieren begann, wird Profile enthalten, welche die Lagerung der Gesteine betreffen, deren Typus Herr Leopold v. Buch und ich in beiden Kontinenten zwischen 12 ° südlicher und 71 ° nördlicher Breite beobachtet haben. Indem ich aus den Erkenntnissen dieses großen Geologen Nutzen zog, der Europa von Neapel bis zum Nordkap in Lappland durchreist hat und mit dem ich das Glück hatte, auf der Bergakademie zu Freiberg meine ersten Studien zu betreiben, konnte ich den Plan eines Werkes ausweiten, das zur Verbreitung einigen Lichtes über die Konstruktion der Erde und über das relative Alter der Formationen bestimmt ist.

Nachdem alles zur Astronomie, Botanik, Zoologie, der politischen Beschreibung Neu-Spaniens und der Geschichte der alten Zivilisation einiger Völkerschaften des Neuen Kontinents Gehörige in einzelnen Werken für sich abgehandelt worden war, blieb doch noch eine große Anzahl allgemeiner Resultate und Ortsbeschreibungen übrig, die ich in besonderen Abhandlungen hätte mitteilen können. Im Verlauf meiner Reise hatte ich mehrere davon vorbereitet: über die Menschenrassen des Südlichen Amerika, über die Mission am Orinoco, über die Hindernisse, die Klima und Kraft der Vegetation den Fortschritten der Gesellschaft in den Äquinoktialregionen entgegensetzen, über den Charakter der Landschaften in der Andenkette, verglichen mit dem der Alpen der Schweiz, über die Beziehungen zwischen den Gesteinen in beiden Hemisphären, über die physische Constitution der Luft in den Äquinoktialregionen usw. Ich hatte Europa mit dem festen Entschluß verlassen, nicht zu schreiben, was man übereingekommen ist, eine relation historique [den historischen Bericht] einer Reise zu nennen, sondern die Frucht meiner Untersuchungen in rein beschreibenden Werken zu publizieren. Ich hatte die Tatsachen nicht in der Ordnung, in der sie sich nach und nach präsentierten, sondern nach den Beziehungen, die sie untereinander hatten, angeordnet. Inmitten einer erhabenen Natur, lebhaft mit den Erscheinungen beschäftigt, die sie bei jedem Schritt bietet, ist der Reisende kaum versucht, in seinen Tagebüchern das, was sich auf ihn selbst bezieht, und minutiöse Einzelheiten des Lebens aufzuführen.

Während unserer Fahrt auf den südamerikanischen Flüssen und auf unseren langen Landreisen führte ich allerdings ein sehr gedrängtes Itinerar. Auch beschrieb ich ziemlich regelmäßig und fast immer an den Orten selbst die Exkursionen zum Gipfel eines Vulkans oder irgendeines durch seine Erhebung bemerkenswerten Berges. Aber die Niederschrift eines Tagebuches ist jedesmal unterbrochen worden, wenn ich mich in einer Stadt aufhielt oder mir andere Geschäfte die Fortsetzung einer Arbeit nicht erlaubten, die damals nur von untergeordnetem Interesse für mich war. Indem ich mich voll und ganz der Sache ergab, hatte ich kein anderes Ziel, als einige dieser vereinzelten Ideen zu bewahren, die sich einem Naturforscher präsentieren, der fast sein ganzes Leben im Freien verbringt, und vorläufig eine Menge von Tatsachen, die ich aus Mangel an Zeit nicht ordnen konnte, aufzuzeichnen und endlich die ersten angenehmen oder widrigen Eindrücke, die ich von der Natur und den Menschen empfangen hatte, zu beschreiben. Damals war ich weit davon entfernt zu glauben, daß diese in großer Eile geschriebenen Blätter einmal die Grundlage eines ausführlichen, dem Publikum vorzulegenden Werkes bilden würden; denn es schien mir, daß meine Reise, wenn sie auch einige nützliche Daten für die Wissenschaften lieferte, indessen viel zu wenige dieser Zwischenfälle enthielt, die eigentlich den wesentlichen Charme einer Route ausmachen.

Die Schwierigkeiten, die ich seit meiner Rückkehr bei der Ausarbeitung einer beträchtlichen Zahl von Beiträgen erlebte, die dazu bestimmt waren, gewisse Klassen von Phänomenen bekanntzumachen, haben mich meinen äußersten Widerwillen bei der Niederschrift der Relation meiner Reise überwinden lassen. Als ich mir diese Aufgabe auflud, ließ ich mich von den Ratschlägen einer großen Zahl achtbarer Persönlichkeiten führen, die mich mit einer besonderen Anteilnahme ehren. Ich glaubte, sogar eine so entschiedene Vorliebe für dieses Genre zu bemerken, daß Gelehrte, nachdem sie ihre Untersuchungen über Produkte, Sitten und politische Verhältnisse der von ihnen durchreisten Länder einzeln mitgeteilt haben, keine Genugtuung in ihrer Verpflichtung dem Publikum gegenüber empfinden, wenn sie nicht ihre Reisebeschreibung veröffentlicht haben.

Eine Relation Historique umfaßt zwei sehr verschiedene Gegenstände: die mehr oder weniger wichtigen Ereignisse, die mit dem Ziel des Reisenden in Verbindung stehen, und die Beobachtungen, die er während seiner Reisen gemacht hat. Die Einheit der Komposition, welche die guten Werke von den schlecht durchdachten unterscheidet, kann nicht strikt bewahrt werden, als insofern man mit Lebhaftigkeit beschreibt, was man mit eigenen Augen sah, und insofern als die Hauptaufmerksamkeit weniger auf wissenschaftliche Beobachtungen als auf Völkersitten und die großen Phänomene der Natur gerichtet worden ist. Das treueste Sittengemälde ist das, welches die Beziehungen der Menschen untereinander am besten erkennen läßt. Der Charakter einer wilden oder kultivierten Natur zeigt sich lebendig, sei es in den Hindernissen, die sich dem Reisenden entgegenstellen, sei es in den Empfindungen, die er fühlt. Er selbst ist es, den man unaufhörlich mit den Gegenständen, die ihn umgeben, in Berührung sehen will, und sein Bericht interessiert uns um so mehr, als eine lokale Färbung der Beschreibung der Landschaft und der Bewohner ausgebreitet ist. Hierin liegt der Grund des großen Interesses, das die Geschichte der ersten Seefahrer darstellt, die, weniger von ihrer Wissenschaft als durch edle Unerschrockenheit geleitet, gegen die Elemente kämpften und in unbekannten Meeren eine neue Welt suchten. Das ist der unwiderstehliche Charme, der uns mit dem Schicksal des unternehmenden Mungo Park verbindet, der, groß an Begeisterung und Willen, allein in das Zentrum Afrikas eindringt, um inmitten der Barbarei der Völker die Spuren einer alten Zivilisation zu entdecken.

In dem Maß, wie die Reisen von unterrichteteren Personen unternommen oder auf beschreibende naturgeschichtliche Untersuchungen, auf Geographie oder politische Ökonomie gerichtet wurden, haben die Reisebeschreibungen teilweise diese Einheit der Komposition und diese Unbefangenheit verloren, die sie von denen früherer Jahrhunderte unterscheiden. Es ist fast nicht mehr möglich, soviel verschiedene Materialien mit der Erzählung der Ereignisse zu verbinden, und der Teil, den man den dramatischen nennen kann, wird von rein beschreibenden Textstücken ersetzt. Die große Zahl der Leser, die eine angenehme Entspannung einer soliden Unterrichtung vorziehen, hat bei diesem Tausch nicht gewonnen, und ich fürchte, man wird wenig Lust haben, Reisende auf ihren Wegen zu folgen, die einen beträchtlichen Apparat von Instrumenten und Sammlungen mit sich herumschleppen.

Um meinem Werk mehr Mannigfaltigkeit in der Form zu geben, habe ich häufig den erzählenden Teil mit einfachen Beschreibungen unterbrochen. Zuerst stelle ich die Erscheinungen in der Ordnung dar, wie sie sich darboten; dann betrachte ich sie im ganzen ihrer individuellen Verbindungen. Dieser Weg ist in der Reise Herrn de Saussures mit Erfolg beschritten worden, in seinem vortrefflichen Werk, das mehr als irgendein anderes zum Fortschritt der Wissenschaft beigetragen hat und das inmitten der oft trockenen meteorologischen Diskussionen mehrere Gemälde voller Charme enthält, wie die vom Leben der Gebirgsbewohner, von den Gefahren der Gemsenjagden oder von den Gefühlen, die man auf dem Gipfel der hohen Alpen hat.

Es gibt Details des alltäglichen Lebens, deren Aufzeichnung in Reisebeschreibungen von Nutzen ist, weil sie denen zur Ordnung der Ausführung dienen, welche die gleichen Gegenden nach uns durchreisen. Ich habe eine kleine Anzahl mitgeteilt; aber ich habe die meisten dieser persönlichen Zwischenfälle unterdrückt, die keine wahrhafte Anteilnahme an der Lage der Dinge darstellen und auf die allein die Perfektion des Stils Anmut verbreiten kann.

Was die Länder betrifft, die den Gegenstand meiner Untersuchungen ausgemacht haben, verberge ich nicht die großen Vorteile, die gegenüber den Amerika-Reisenden die haben, welche Griechenland, Ägypten, die Ufer des Euphrats und die Inseln des Pazifischen Ozeans beschreiben. In der Alten Welt sind es die Völker und die Abstufung ihrer Zivilisation, die dem Gemälde seinen Hauptcharakter geben; in der Neuen hingegen verschwindet, sozusagen, der Mensch mit seinen Hervorbringungen inmitten einer wilden und gigantischen Natur. Das menschliche Geschlecht bietet hier nur einige Überreste eingeborener, wenig in der Kultur fortgeschrittener Horden oder diese Einförmigkeit der Sitten und Institutionen, die von europäischen Kolonisten an fremde Ufer verpflanzt worden sind. Was uns zur Geschichte unserer Gattung, zu den mannigfaltigen Regierungsformen, zu den Kunstdenkmälern, zu den Landschaften, die große Erinnerungen ins Gedächtnis rufen, hinzieht, berührt uns weit lebhafter als die Beschreibung dieser weiten Einsamkeit, die nur zur Entwicklung des vegetabilischen Lebens und zur Herrschaft der Tiere bestimmt scheint.

Die amerikanischen Wilden, die der Gegenstand so vieler systematischer Träumereien gewesen sind und über die in unseren Tagen Beobachtungen voller Weisheit und Gerechtigkeit Herr de Volney veröffentlicht hat, flößen weit geringere Anteilnahme ein, seit berühmte Reisende uns mit den Einwohnern der Inseln der Südsee bekanntmachten, deren Charakter eine erstaunliche Mischung von Sanftheit und Lasterhaftigkeit zeigt. Der Zustand der Halbzivilisation, in dem man diese Insulaner antrifft, gibt der Beschreibung ihrer Sitten eine besondere Anmut; bald ist es ein König, der, von einem zahlreichen Gefolge begleitet, selbst die Früchte seines Gartens darbringt, bald eine Totenfeier, die mitten in einem Walde bereitet wird. Unbezweifelt reizen diese Gemälde weit mehr als die düstere Schwermut der Indianer am Missouri oder Marañón.

Wenn indessen auch Amerika keinen ausgezeichneten Platz in der Geschichte des Menschengeschlechtes und in den alten Revolutionen, die diese belebt haben, behauptet, so bietet es den Arbeiten des Physikers [Naturforschers] ein desto weiteres Feld. Nirgends anderswo ruft ihm die Natur so lebhaft zu, sich zu allgemeinen Ideen über die Ursache der Erscheinungen und ihre gegenseitige Verknüpfung zu erheben [Hervorhebung vom Hrsg.]. Diese Kraft der Vegetation, diese ewige Frische des organischen Lebens, diese in Stockwerken am Abhang der Cordilleren angeordneten Klimate und diese ungeheuren Ströme, die ein berühmter Schriftsteller, Chateaubriand, uns mit bewundernswürdiger Treue beschrieben hat, werde ich nicht anführen. Längst ist bekannt, wieviel für Geologie und allgemeine Naturkunde in der Neuen Welt gewonnen werden kann. Glücklich der Reisende, der sich schmeicheln kann, seine Lage genutzt und zur Masse der vorhandenen einige neue Wahrheiten hinzugefügt zu haben!

In der ›Geographie der Pflanzen‹ und in der Einleitung zu den ›Plantes équinoxiales‹ habe ich bereits darauf hingewiesen, daß alle Werke, welche die Frucht unserer Arbeit sind, von Herrn Bonpland und mir gemeinschaftlich herausgegeben werden, wie wir denn sowohl während des Verlaufes unserer Reise als auch späterhin durch die innigsten Freundschaftsbande verbunden gewesen sind. Daran hier zu erinnern, ist fast zwecklos. Ich habe versucht, die Tatsachen so, wie wir sie zusammen beobachtet haben, darzustellen. Da aber diese ›Relation‹ nach den Aufzeichnungen, die ich vor Ort geschrieben habe, redigiert worden ist, sollten die Ungenauigkeiten, die sich in meinem Bericht finden können, mir allein zugeschrieben werden.

Die während unserer Reise gemachten Beobachtungen wurden auf sechs große Abteilungen verteilt. Die erste umfaßt die ›Relation Historique‹; die zweite Zoologie und vergleichende Anatomie; die dritte den ›Essai politique sur le royaume de la Nouvelle Espagne‹; die vierte Astronomie; die fünfte Naturkunde und Geologie; die sechste die Beschreibung der in beiden Amerika neu gefundenen Pflanzen. Die Verleger haben einen lobenswerten Eifer entfaltet, diese Werke der Nachsicht des Publikums würdiger zu machen. Anführen muß ich besonders das Frontispiz dieser Reisebeschreibung. Es ist von Herrn Gérard, mit dem ich seit fünfzehn Jahren befreundet bin, der die Güte hatte, sich um meinetwillen einige Augenblicke seinen Arbeiten zu entziehen. Ich fühle die ganze Bedeutung dieser öffentlichen Bezeugung seiner Achtung und seiner Freundschaft [s. in diesem Band das Frontispiz].

Ich habe in diesem Werk sorgfältig die Gelehrten angeführt, die mir gütigst ihre Beobachtungen mitgeteilt haben. Den Herren Gay-Lussac und Arago, meinen Kollegen im Institut [Institut de France], kann ich nicht umhin, meine Dankbarkeit gleich in der Einleitung abzustatten. Beide haben ihren Namen mit bedeutenden Arbeiten verbunden; beide besitzen jene Erhabenheit des Charakters, zu der stets eine brennende Liebe für die Wissenschaften führen muß. Da ich in der glücklichen Lage bin, mit ihnen in innigstem Kontakt zu leben, so konnte ich sie täglich mit Nutzen über Gegenstände aus der Chemie, Naturlehre und mehreren Zweigen der angewandten Mathematik befragen. Was ich der Freundschaft von Herrn Arago schulde, habe ich bereits in der Sammlung meiner ›Observations astronomiques‹ angeführt. Es ist derselbe, der nach Vollendung der spanischen Meridianmessung so viel Gefahren ausgesetzt gewesen und zugleich talentvoller Astronom, Geometer und Naturforscher ist. Mit Herrn Gay-Lussac diskutierte ich im Augenblick meiner Heimkehr besonders die verschiedenen Erscheinungen der Meteorologie und physikalischen Geologie, die ich auf meinen Reisen gesammelt hatte. Seit acht Jahren wohnten wir in Frankreich, Deutschland oder Italien beinahe fast ständig unter demselben Dach. Wir beobachteten zusammen eine der größten Eruptionen des Vesuvs [12. 8. 1805]; wir stellten mehrere gemeinschaftliche Versuche über die chemische Analyse der Atmosphäre und über die Veränderungen des Erdmagnetismus an. So war ich in der Lage, die tiefen und ingeniösen Ansichten dieses Chemikers oft zu benutzen, und meine Ideen über Gegenstände, die ich in dieser ›Relation Historique‹ behandle, zu berichtigen.

Seit ich Amerika verlassen habe, ist in den spanischen Kolonien eine dieser großen Revolutionen ausgebrochen, die von Zeit zu Zeit die Menschheit bewegen. Sie scheint, indem sie sich aus einer Hemisphäre in die andere, von den Ufern des La Plata und von Chile bis in das nördliche Mexico fortpflanzt, zur Vorbereitung eines neuen Loses von vierzehn Millionen Einwohnern bestimmt. Tiefer Haß, von der kolonialen Gesetzgebung erweckt und von einer mißtrauischen Politik unterhalten, ließ in Ländern, die drei Jahrhunderte lang, ich sage nicht Glück, aber einen ununterbrochenen Frieden genossen, Blut fließen. Schon fielen in Quito die tugendhaftesten und aufgeklärtesten Bürger als Opfer ihrer Ergebenheit für das Vaterland; und bei der Beschreibung der Regionen, deren Andenken mir so teuer geworden ist, begegne ich in jedem Augenblick Orten, die mich an den Verlust einiger Freunde erinnern.

Wenn man über die großen politischen Bewegungen der Neuen Welt nachgedacht hat, bemerkt man, daß sich die spanischen Amerikaner nicht in einer ebenso günstigen Lage befinden wie die Bewohner der Vereinigten Staaten, die durch den langen Genuß einer wenig beschränkten konstitutionellen Freiheit zur Unabhängigkeit vorbereitet waren. In Ländern, wo die Zivilisation noch keine tiefen Wurzeln geschlagen hat und wo durch den Einfluß des Klimas Wälder bald wieder ihre Herrschaft über urbar gemachte Böden zurückgewinnen, sind immer innere Zwistigkeiten besonders zu fürchten. Ebenso ist zu besorgen, daß eine lange Reihe von Jahren hindurch kein ausländischer Reisender die sämtlichen von mir besuchten Provinzen werde betreten können. Dieser Umstand vermehrt vielleicht das Interesse an einem Werk, das den Zustand des größeren Teiles der spanischen Kolonien zu Anfang des 19. Jahrhunderts darstellt. Indem ich mich schöneren Hoffnungen überlasse, schmeichle ich mir sogar, daß es auch dann noch der Aufmerksamkeit würdig sein werde, wenn die Leidenschaften besänftigt sein und diese Länder unter dem Einfluß einer neuen gesellschaftlichen Ordnung schnelle Fortschritte zur öffentlichen Wohlfahrt gemacht haben werden. Wenn dann noch einige Seiten meines Werkes das Vergessen überlebt haben, so werden die Uferbewohner des Orinoco und Atabapo mit Entzücken sehen, daß volkreiche Handelsstädte, daß von freien Händen bestellte Felder die Stelle der undurchdringlichen Wälder und des überschwemmten Geländes einnehmen, die ich zur Zeit meiner Reise allein dort vorfand.

Paris, im Februar 1812

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