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Erstes Buch Kapitel I

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Vorbereitungen – Instrumente – Abreise von Spanien – Aufenthalt auf den Canarischen Inseln

Wenn eine Regierung eine jener Seereisen anordnet, die bestimmt sind, einen Beitrag zur genauen Kenntnis der Erde und zur Förderung der Naturwissenschaften zu liefern, so setzt sich nichts der Ausführung ihrer Absichten entgegen. Der Zeitpunkt der Abreise und die Richtung des Weges können festgesetzt werden, sobald die Ausrüstung der Schiffe beendet ist und die Astronomen und Naturforscher ausgewählt sind, die unbekannte Meere durchfahren sollen. Die Inseln und Küsten, deren Produkte diese Reisenden untersuchen wollen, sind dem Einfluß der europäischen Politik nicht unterworfen. Wenn langwierige Kriege die Freiheit der Meere gefährden, so werden von den kriegführenden Mächten wechselweise Pässe bewilligt; der Haß schweigt, wenn es sich um die Förderung der Wissenschaften handelt, welche die allgemeine Angelegenheit aller Völker ist.

Anders verhält es sich, wenn ein einfacher Privatmann auf seine Kosten eine Reise in das Innere eines Kontinents unternimmt, über den sich Europas Kolonisationssystem erstreckt. Der Reisende mag einen für den Gegenstand seiner Nachforschungen und für den politischen Zustand der zu durchreisenden Länder noch so zweckmäßigen Plan aussinnen und mag noch so sehr die Hilfsmittel sammeln, die ihm, entfernt von seinem Vaterland, seine Unabhängigkeit sichern; unvorhergesehene Hindernisse setzen sich seinen Absichten selbst in dem Augenblick entgegen, wo er sie auszuführen imstand zu sein glaubt. Wenige Reisende haben größere Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, als die waren, die sich mir vor meiner Abreise ins spanische Amerika entgegenstellten; ich hätte sie gern mit Stillschweigen übergangen und meine Erzählung mit der Reise auf den Gipfel des Pics von Teneriffa angefangen, wenn nicht meine ursprünglichen, fehlgeschlagenen Pläne deutlich die Richtung beeinflußt hätten, die ich seit meiner Rückkehr vom Orinoco meinen Unternehmungen gab. Ich werde daher flüchtig diese Begebenheiten erzählen, die zwar kein Interesse für die Wissenschaften haben, die ich aber doch in ihrem wahren Licht zu zeigen wünsche. Da die öffentliche Neugier oft mehr Anteil an den Personen der Reisenden als an ihren Werken nimmt, so hat man auf eine sonderbare Art das entstellt, was sich auf die ersten Pläne bezieht, die ich mir gemacht hatte.

Ich hatte seit meiner ersten Jugend den glühenden Wunsch nach einer Reise in entfernte und von den Europäern wenig besuchte Länder. Dieser Wunsch charakterisiert einen Zeitraum unseres Lebens, in dem uns dieses wie ein Horizont ohne Grenzen erscheint, wo nichts größeren Reiz für uns hat als die starken Bewegungen der Seele und das Bild physischer Gefahren. In einem Land erzogen, das keine unmittelbare Verbindung mit den Kolonien beider Indien unterhält, und nachher Bewohner von Gebirgen, die, entfernt von den Küsten, durch ausgebreiteten Bergbau berühmt sind, fühlte ich in mir die lebhafte Leidenschaft für das Meer und für lange Seefahrten sich fortschreitend entwickeln. Die Gegenstände, die wir nur durch die belebten Schilderungen der Reisenden kennen, haben einen besondern Reiz; unsere Einbildungskraft gefällt sich in allem, was undeutlich und unbegrenzt ist; die Genüsse, welche wir entbehren müssen, scheinen uns größere Vorzüge zu haben als die, welche uns täglich im engen Kreis einer sitzenden Lebensweise zuteil werden. Der Geschmack an botanischen Wanderungen, das Studium der Geologie, eine flüchtige Reise nach Holland, England und Frankreich, die ich mit einem berühmten Mann machte, Georg Forster, der das Glück gehabt hatte, den Kapitän Cook auf seiner zweiten Reise um die Welt zu begleiten – alles dieses trug dazu bei, den Reiseplänen, die ich in einem Alter von 18 Jahren gemacht hatte, eine bestimmte Richtung zu geben.

Es war jetzt nicht mehr das Streben nach Bewegung und nach einem Wanderleben, sondern der Wunsch, eine wilde, erhabene und in ihren Hervorbringungen mannigfaltige Natur aus der Nähe zu sehen; es war die Hoffnung, einige für die Fortschritte der Wissenschaften nützliche Tatsachen zu sammeln, was meine Wünsche zu diesen schönen Ländern hintrieb, die unter der heißen Zone liegen. Da meine persönliche Lage mir damals nicht erlaubte, die Pläne auszuführen, die meinen Geist so lebhaft beschäftigten, so hatte ich Muße, mich während sechs Jahren auf die Beobachtungen vorzubereiten, die ich in dem Neuen Kontinent anstellen sollte, verschiedene Teile Europas zu durchreisen und die hohe Kette der Alpen zu durchwandern, mit deren innerem Bau ich nachher den der Anden von Quito und Peru vergleichen konnte. Da ich nach und nach mit Instrumenten von verschiedener Konstruktion arbeitete, so richtete ich meine Wahl auf die, welche mir zugleich die genaueren und beim Transport am wenigsten zerbrechlichen schienen; ich hatte Gelegenheit, Messungen zu wiederholen, die nach den strengsten Methoden angestellt waren, und selbst die Grenze der Irrtümer kennenzulernen, denen ich ausgesetzt sein konnte.

Ich hatte im Jahr 1795 einen Teil Italiens durchwandert, aber ich hatte den vulkanischen Boden von Neapel und Sizilien noch nicht besuchen können. Ich verließ ungern Europa, ohne Vesuv, Stromboli und Ätna gesehen zu haben; ich erkannte wohl, daß, um einen großen Teil des geologischen Phänomens und insbesondere die Natur der Gebirgsarten der Trapp-Formation richtig beurteilen zu können, man die Erscheinungen vor Ort untersuchen müßte, welche die noch jetzt tätigen Vulkane darbieten. Ich entschied mich deshalb, im November 1797 nach Italien zurückzukehren. Ich hielt mich lange in Wien auf, wo die prächtigen Sammlungen exotischer Gewächse und die Freundschaft der Herren v. Jacquin und Josef van der Schot mir für meine vorbereitenden Studien nützlich waren; ich durchreiste mit Herrn Leopold v. Buch, der seitdem ein vortreffliches Werk über Lappland veröffentlicht hat, mehrere Distrikte des Salzburgischen und der Steiermark, zwei Länder, die für den Geologen und den Landschaftsmaler gleich interessant sind; aber in dem Augenblick, als ich über die Tiroler Alpen gehen wollte, nötigten mich die Kriege, die damals ganz Italien erschütterten, auf meine Absicht, nach Neapel zu reisen, zu verzichten.

Kurze Zeit vorher hatte mir ein Mann, der ein leidenschaftlicher Freund der schönen Künste war und der, um ihre Denkmale zu beobachten, die Küsten von Illyrien und von Griechenland bereist hatte, vorgeschlagen, ihn auf einer Reise nach Ober-Ägypten zu begleiten. Diese Reise sollte nicht länger als acht Monate dauern; mit astronomischen Werkzeugen versehen und von geschickten Zeichnern begleitet, wollten wir den Nil bis Assuan hinaufreisen und dabei im Detail den Teil von Saïd [arab. Name für Ober-Ägypten] untersuchen, der zwischen Tentyris [bei Dendera, nö von Theben] und den Katarakten liegt. Obgleich bis jetzt meine Aufmerksamkeit nicht auf eine Gegend gerichtet war, die außerhalb der Wendekreise lag, so konnte ich doch der Versuchung nicht widerstehen, Gegenden zu besuchen, die in den Annalen der menschlichen Kulturgeschichte so berühmt geworden sind. Ich nahm diesen Vorschlag an, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß es mir freistehen sollte, nach der Rückkehr von Alexandria meine Reise allein durch Syrien und Palästina fortzusetzen. Ich richtete von nun an meine Studien dem neuen Plan gemäß ein, wovon ich nachher den Vorteil hatte, die Denkmäler aus der rohen Vorzeit der Mexicaner mit denen der Völker der Alten Welt vergleichen zu können. Ich hielt den Augenblick für nahe, wo ich mich nach Ägypten einschiffen könnte, als die politischen Ereignisse mich nötigten, einen Plan aufzugeben, der mir so viel Vergnügen versprach. Die Lage des Orients war so, daß ein einzelner Privatmann nicht hoffen konnte, Arbeiten verfolgen zu können, die selbst mitten im Frieden den Reisenden dem Mißtrauen der Regierungen aussetzen.

Man rüstete sich damals in Frankreich zu einer Entdeckungsreise ins Südmeer, deren Oberbefehl dem Kapitän Baudin anvertraut werden sollte. Der erste Plan, den man entworfen hatte, war groß, kühn und würdig, von einem einsichtsvollen Anführer ausgeführt zu werden. Man sollte die spanischen Besitzungen im südlichen Amerika von der Mündung des La-Plata-Stroms bis ins Königreich Quito und bis an die Landenge von Panamá besuchen. Nach einer Fahrt durch den Archipel des großen Weltmeeres und der Besichtigung der Küsten von Neu-Holland [Australien], Vandiemensland [Tasmanien] bis zum Land von Nuyts [sü Westaustralien] sollten die beiden Korvetten in Madagaskar anhalten und über das Kap der Guten Hoffnung zurückkehren. Ich war gerade in Paris angekommen, als man die Vorbereitungen zu dieser Reise anfing. Ich hatte wenig Zutrauen zu dem persönlichen Charakter des Kapitäns Baudin, der dem Wiener Hof Ursache zur Unzufriedenheit gegeben hatte, als er beauftragt war, einen meiner Freunde, den jungen Botaniker van der Schot, nach Brasilien überzuführen; aber da ich nicht hoffen konnte, aus meinen eigenen Mitteln eine so umfassende Reise zu machen und einen so bedeutenden Teil der Erde zu sehen, beschloß ich, mich auf gut Glück anzuschließen. Ich erhielt die Erlaubnis, mich mit den Instrumenten, die ich zusammengebracht hatte, auf eine der Korvetten, die ins Südmeer bestimmt waren, einzuschiffen, und ich behielt mir das Recht vor, mich, wenn ich es für ratsam hielt, von dem Kapitän Baudin zu trennen. Herr Michaux, der schon Persien und einen Teil des nördlichen Amerikas besucht hatte, und Herr Bonpland, mit dem ich Bande der Freundschaft knüpfte, die uns seitdem vereinigen, waren bestimmt, als Naturforscher die Gesellschaft zu begleiten.

Während mehrerer Monate beschäftigte ich mich mit dem Gedanken, an Arbeiten teilzunehmen, die einen so großen und ehrenvollen Zweck hatten, als der in Deutschland und Italien wieder ausgebrochene Krieg die französische Regierung bestimmte, die zu dieser Entdeckungsreise bewilligten Summen zurückzuziehen und die Reise selbst auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Grausam betrogen in meinen Hoffnungen, indem ein einziger Tag die Pläne zerstörte, die ich während mehrerer Jahre meines Lebens entworfen hatte, überließ ich mich beinahe dem Zufall, das schnellste Mittel aufzufinden, um Europa zu verlassen und mich in eine Unternehmung zu stürzen, die mich über den Verlust, den ich empfand, trösten konnte.

Ich machte die Bekanntschaft eines schwedischen Konsuls, Herrn Skiöldebrands, der, beauftragt von seinem Hof, dem Bey von Algier Geschenke zu bringen, durch Paris ging, um sich in Marseille einzuschiffen. Dieser wackere Mann war lange Geschäftsträger an den Küsten Afrikas gewesen, und da er eine besondere Achtung bei der Regierung Algiers genoß, konnte er mir die Hilfsmittel verschaffen, um frei diesen Teil der Kette des Atlas zu durchwandern, der bis dahin noch nicht der Gegenstand der anziehenden Nachforschungen des Herrn Desfontaines gewesen war. Er schickte jährlich ein Schiff nach Tunis, auf dem sich die Pilger von Mekka einschifften, und er versprach mir, mich auf dem gleichen Weg nach Ägypten zu bringen. Ich zögerte keinen Augenblick, mir eine so günstige Gelegenheit zunutze zu machen, und glaubte im Begriff zu sein, einen Plan auszuführen, den ich vor meiner Ankunft in Frankreich entworfen hatte. Kein Mineraloge hatte noch die hohe Kette von Bergen untersucht, die sich im Königreich Marokko bis an die Grenze des ewigen Schnees erhebt. Ich konnte versichert sein, daß ich, nach Vollbringung einiger möglichen Untersuchungen in den Alpenhöhen der Berberei, in Ägypten von den schätzbaren Gelehrten, die seit einigen Monaten in dem Institut von Kairo vereinigt waren, dieselbe freundschaftliche Teilnahme genießen würde, womit sie mich während meines Aufenthalts in Paris überhäuft hatten. Ich vervollständigte in der Eile die Sammlung meiner Instrumente und schaffte mir die anderen an, die sich auf das Land bezogen, das ich besuchen wollte. Ich trennte mich von einem Bruder, der durch seinen Rat und durch sein Beispiel einen großen Einfluß auf die Richtung meiner Gedanken ausgeübt hatte. Er billigte die Gründe, die mich bestimmten, Europa zu verlassen; eine geheime Stimme sagte uns, daß wir uns wiedersehen würden. Diese Hoffnung, die nicht getäuscht wurde, versüßte den Schmerz einer langen Trennung. Ich verließ Paris in der Absicht, mich nach Algier und Ägypten einzuschiffen: Und durch den Wechsel der Begebenheiten, der über alle menschlichen Dinge herrscht, sehe ich meinen Bruder bei meiner Rückkehr vom Amazonenstrom und von Peru wieder, ohne das feste Land von Afrika berührt zu haben.

Die schwedische Fregatte, die Herrn Skiöldebrand nach Algier führen sollte, wurde zu Marseille in den letzten Tagen des Oktobers erwartet. Herr Bonpland und ich begaben uns um diese Zeit dahin und beeilten uns um so mehr zu der Reise, als wir beständig befürchteten, zu spät anzukommen und unsere Einschiffung zu verfehlen. Damals sahen wir die neuen Hindernisse nicht voraus, denen wir in kurzem ausgesetzt werden sollten.

Herr Skiöldebrand war ebenso ungeduldig wie wir, an dem Ort seiner Bestimmung anzukommen. Wir bestiegen mehrere Male des Tags den Berg Notre Dame de la Garde, von wo aus man eine weite Aussicht über das Mittelländische Meer hat. Jedes Segel, das man am Horizont erblickte, erregte in uns eine lebhafte Bewegung; aber nach zwei Monaten von Unruhe und vergeblicher Erwartung erfuhren wir aus den öffentlichen Blättern, daß die schwedische Fregatte, auf der wir reisen sollten, an den Küsten von Portugal viel durch Stürme gelitten hatte und daß sie zum Ausbessern genötigt worden war, in den Hafen von Cadiz einzulaufen. Privatbriefe bestätigten diese Nachricht und gaben uns die Gewißheit, daß die „Jaramas“ (dies war der Name der Fregatte) vor dem Anfang des Frühjahrs nicht in Marseille ankommen würde.

Wir fühlten uns nicht ermutigt, unseren Aufenthalt in der Provence so lange zu verlängern. Das Land und besonders das Klima gefiel uns herrlich, aber der Anblick des Meeres erinnerte uns ständig an unsere gescheiterten Pläne. Bei einem Ausflug, den wir auf die Hyèren und nach Toulon machten, sahen wir in diesem letzten Ort die Fregatte „La Boudeuse“, die Herr v. Bougainville auf seiner Reise um die Welt befehligt hatte, ihre Segel nach der Insel Korsika lichten. Dieser berühmte Seefahrer hatte mich während meines Aufenthalts in Paris mit seinem besonderen Wohlwollen beehrt, als ich mich rüstete, den Kapitän Baudin zu begleiten. Es würde mir schwer sein, den Eindruck zu beschreiben, den der Anblick eines Schiffs auf mich machte, auf dem Commerson auf die Inseln der Südsee geführt worden war. Es gibt Gemütszustände, in denen sich allen unseren Empfindungen ein schmerzhaftes Gefühl beimischt.

Wir beharrten immer noch auf dem Plan, uns an die Küsten von Afrika zu begeben, und wenig hätte gefehlt, so wäre uns diese Beharrlichkeit verderblich geworden. Es war um diese Zeit in dem Hafen von Marseille ein kleines Schiff, das bereit war, nach Tunis unter Segel zu gehen. Es schien uns vorteilhaft, eine Gelegenheit zu nutzen, die uns Ägypten und Syrien näher brächte. Wir kamen mit dem Kapitän über den Überfahrtspreis überein: Die Abreise war auf den morgigen Tag bestimmt; aber ein an sich unbedeutender Umstand verspätete glücklicherweise unsere Abreise. Das Vieh, das während der Reise zu unserer Nahrung bestimmt war, befand sich in der großen Kajüte. Wir verlangten, daß man einige für die Bequemlichkeit der Reisenden und für die Sicherheit unserer Werkzeuge höchst notwendige Einrichtungen treffe. Während dieser Zwischenzeit erfuhr man zu Marseille, daß die Regierung von Tunis gegen die in der Berberei angesiedelten Franzosen wüte und daß alle Individuen, die von einem französischen Hafen kämen, in die Gefängnisse geworfen würden. Diese Nachricht rettete uns von einer nahen Gefahr; wir sahen uns genötigt, die Ausführung unserer Absichten aufzuschieben, und entschlossen uns, den Winter in Spanien zuzubringen in der Hoffnung, uns im künftigen Frühjahr, wenn es der politische Zustand des Orients erlaubte, entweder in Cartagena oder Cádiz einzuschiffen.

Wir durchreisten Katalonien und das Königreich Valencia, um uns nach Madrid zu begeben. Wir besuchten die Ruinen von Tarragona und die des alten Sagunts. Wir machten von Barcelona einen Ausflug auf den Montserrat,∗∗ dessen schroffe Gipfel von Eremiten bewohnt sind und der durch den Kontrast einer kräftigen Vegetation und nackter, dürrer Felsmassen eine Landschaft von eigenem Charakter darstellt. Ich hatte Gelegenheit, die Lage mehrerer für die Geographie Spaniens wichtiger Punkte astronomisch zu bestimmen; ich maß mittels des Barometers die Höhe des zentralen Plateaus und machte einige Beobachtungen über die Neigung der Magnetnadel und über die Stärke der magnetischen Kraft. Die Resultate dieser Beobachtungen wurden separat publiziert, und ich werde mich nicht auf das Detail der physischen Geschichte eines Landes einlassen, in welchem ich mich nur sechs Monate aufhielt und das von so vielen unterrichteten Reisenden durchwandert wurde.

Als ich in Madrid ankam, hatte ich bald Ursache, mich über den Entschluß, die Halbinsel zu besuchen, zu beglückwünschen. Der Baron von Forell, sächsischer Gesandter am Hofe Spaniens, schenkte mir seine Freundschaft, die mir unendlich nützlich wurde. Er vereinigte ausgebreitete Kenntnisse in der Mineralogie mit dem reinsten Interesse für Unternehmungen, die geeignet sind, die Erweiterung unserer Kenntnisse zu fördern. Er ließ mich ahnen, daß ich unter der Administration eines aufgeklärten Ministers, des Chevalier Don Mariano Luis de Urquijo, hoffen könnte, die Erlaubnis zu erhalten, auf meine Rechnung das Innere des spanischen Amerikas zu bereisen. Nach allen Widerwärtigkeiten, die ich erfahren hatte, zauderte ich keinen Augenblick, diese Idee zu verfolgen.

Ich wurde im März 1799 dem Hofe von Aranjuez vorgestellt. Der König würdigte mich einer gütigen Aufnahme. Ich setzte ihm die Gründe auseinander, um derentwillen ich eine Reise in die Neue Welt und nach den Philippinen antreten wollte, und überreichte dem Staatssekretariat eine Abhandlung über diesen Gegenstand. Der Chevalier d’Urquijo unterstützte meine Bitte, und es gelang ihm, alle Hindernisse zu beseitigen. Das Verfahren dieses Ministers war um so großmütiger, als ich in keinen persönlichen Verhältnissen mit ihm stand.

Der Eifer, den er fortdauernd für die Ausführung meiner Pläne zeigte, hatte keinen anderen Grund als seine Liebe zu den Wissenschaften. Es ist ebensowohl Erfüllung einer Pflicht wie Vergnügen für mich, in diesem Werke das Andenken an die Dienste, die er mir leistete, hochzuachten.

Ich erhielt zwei Pässe, einen von dem ersten Staatssekretär, den anderen vom Rat von Indien. Nie wurde einem Reisenden unumschränktere Erlaubnis bewilligt, nie wurde ein Fremder mit mehr Zutrauen von der spanischen Regierung geehrt. Um jeden Zweifel, den die Vizekönige und Generalkapitäne, welche die königliche Gewalt in Amerika repräsentieren, über die Natur meiner Beschäftigungen erheben könnten, unmöglich zu machen, lautete der Paß der primera secretaria de estado, ich hätte das Recht, mich frei aller meiner physikalischen und geodätischen Instrumente zu bedienen; ich könnte in allen spanischen Besitzungen astronomische Beobachtungen machen, die Höhe der Berge messen, die Produkte des Bodens sammeln und alles vornehmen, was ich für die Fortschritte der Wissenschaften für möglich hielte. Diese Befehle des Hofs wurden genau befolgt, selbst nach den Ereignissen, die Herrn d’Urquijo nötigten, das Ministerium zu verlassen. Von meiner Seite suchte ich den Beweisen einer derart beständigen Teilnahme zu entsprechen. Ich teilte während meines Aufenthalts in Amerika den Gouverneuren der Provinzen Doubletten der Naturalien mit, die ich gesammelt hatte und welche, die die Hauptstadt interessieren konnten, indem sie einiges Licht über die Geographie oder Statistik der Kolonien verbreiteten. Dem Versprechen gemäß, das ich vor meiner Abreise gegeben hatte, schickte ich mehrere geologische Sammlungen dem Naturalienkabinett zu Madrid. Da der Zweck unserer Reise rein wissenschaftlich war, so glückte es Herrn Bonpland und mir, uns das Wohlwollen der Kolonisten wie der Europäer zu erwerben, die mit der Verwaltung dieser großen Ländereien beauftragt waren. Während der fünf Jahre, in denen wir den Neuen Kontinent durchwanderten, bemerkten wir nie das geringste Zeichen von Mißtrauen. Es ist mir eine süße Erinnerung, daß wir unter den schmerzlichsten Entbehrungen und im Kampf mit Hindernissen, die der wilde Zustand dieser Länder hervorruft, uns nie über die Ungerechtigkeit der Menschen zu beklagen hatten.

Mehrere Betrachtungen hätten uns verleiten sollen, unseren Aufenthalt in Spanien zu verlängern. Der Abbé Cavanilles, ebenso interessant durch die Mannigfaltigkeit seiner Kenntnisse wie durch die Freiheit seines Geistes, Hr. Née, der, mit Herrn Haenke vereint, der Expedition Malaspinas als Botaniker gefolgt war und der allein eine der größten Pflanzensammlungen zusammengebracht hat, die man je in Europa sah, Don Casimir Ortega, der Abbé Pourret und die gelehrten Herausgeber der Flora von Peru, die Herren Ruíz und Pavón, öffneten uns ohne Rückhalt ihre reichen Sammlungen. Wir untersuchten einen Teil der mexicanischen Pflanzen, die durch die Herren Sessé, Mociño und Cervantes entdeckt und wovon Zeichnungen in das Museum der Naturgeschichte zu Madrid geschickt worden waren. Diese große Sammlung, deren Aufsicht Herrn Clavijo anvertraut ist, dem man eine schöne Übersetzung der Werke von Buffon verdankt, bot uns, ich muß es gestehen, keine geologische Suite der Gebirgsarten der Cordilleren dar; aber Herr Proust, der infolge der Genauigkeit seiner chemischen Untersuchungen so bekannt ist, und ein ausgezeichneter Mineraloge, Herr Herrgen, gaben uns bemerkenswerte Aufschlüsse über mehrere amerikanische Fossilien [Minerale]. Es wäre uns nützlich gewesen, längere Zeit die Produkte der Länder zu studieren, die der Zweck unserer Untersuchungen sein sollten; aber wir waren zu ungeduldig, uns die vom Hof bewilligte Erlaubnis zunutze zu machen, um unsere Abreise länger zu verschieben. Seit einem Jahr war ich so vielen Schwierigkeiten begegnet, daß ich mich nur mit Mühe von der endlichen Erfüllung meiner sehnlichsten Wünsche überzeugen konnte.

Wir verließen gegen Mitte Mai Madrid. Wir durchreisten einen Teil von Altkastilien, die Königreiche Leön und Galicien und begaben uns nach Coruña, wo wir uns nach der Insel Cuba einschiffen sollten. Da der Winter sehr streng und lang war, so genossen wir während der Reise die milde Wärme des Frühjahrs, die unter einer solch südlichen Breite sonst nur dem Mai und April eigen ist. Der Schnee bedeckte noch die hohen Granitspitzen von Guadarrama; aber in den tiefen Tälern Galiciens, die an die malerischen Landschaften der Schweiz und Tirols erinnern, überzogen mit Blüten beladene Ciströschen und baumartige Heidekräuter alle Felsen. Man verläßt gern die Hochebene von Kastilien, die fast überall von Vegetation entblößt ist und auf der man im Winter eine ziemlich strenge Kälte und im Sommer eine drückende Hitze leidet. Nach den wenig zahlreichen Beobachtungen, die ich selbst machen konnte, bildet das Innere von Spanien eine weite, 548 m über die Oberfläche des Meeres erhabene Ebene, die mit sekundären Gebirgsarten, Sandstein, Gips, Steinsalz und Jurakalkstein bedeckt ist. Das Klima Kastiliens ist weit kälter als das von Toulon und Genua; denn seine mittlere Temperatur erhebt sich kaum auf 15 ° des hundertteiligen Thermometers. Man muß sich wundern, daß in der Breite von Kalabrien, von Thessalonien und Kleinasien die Orangen noch nicht im Freien vorkommen. Die Gebirgsfläche, die den Mittelpunkt einnimmt, ist von einem niederen und schmalen Gürtel umgeben, wo an verschiedenen Stellen der Chamærops, der Dattelbaum, das Zuckerrohr, die Banane und andere, Spanien und dem nördlichen Afrika eigene Gewächse gedeihen, ohne von der Strenge des Winters zu leiden. Unter dem 36. bis 40. Grad der Breite beträgt die mittlere Temperatur 17–20 °; und durch eine Vereinigung von Umständen, deren Entwicklung hier zu weit führen würde, ist diese glückliche Gegend der Hauptpunkt des Gewerbefleißes und der geistigen Ausbildung geworden.

Wenn man im Königreich Valencia von den Ufern des Mittelländischen Meeres zu den hohen Ebenen von La Mancha und beider Kastilien ansteigt, glaubt man ziemlich tief im Land, an den weit sich forterstreckenden schroffen Abhängen der Gebirge, die alten Küsten der Halbinsel zu erkennen. Diese sonderbare Erscheinung erinnert uns an die Traditionen der Samothrakier und andere geschichtliche Zeugnisse, nach denen der Einbruch der Gewässer durch die Dardanellen das Bassin des Mittelländischen Meeres vergrößerte und den südlichen Teil von Europa zerriß und verschlang. Wenn man zugibt, daß diese Tradition nicht bloßen geologischen Träumereien, sondern der Erinnerung einer alten Katastrophe ihren Ursprung verdankt, so sieht man ein, wie die zentrale Hochebene Spaniens den gewaltsamen Überschwemmungen widerstand, bis der Abfluß der Gewässer durch die Meerenge, die durch die Säulen des Herkules gebildet wird, allmählich die Erniedrigung der Oberfläche des Mittelländischen Meeres bewirkte und auf der einen Seite Niederägypten, auf der andern die fruchtbaren Ebenen von Tarragona, von Valencia und Murcia wieder trocken legte. Alles, was sich auf die Bildung dieses Meeres bezieht, das durch sein Dasein so mächtig auf die erste Zivilisation des menschlichen Geschlechts wirkte, bietet ein besonderes Interesse dar. Man könnte glauben, daß Spanien, das ein mitten in die Meere hineinreichendes Vorgebirge bildete, seine Erhaltung der Höhe seines Bodens verdankte; aber um diese systematischen Ideen zu begründen, müßte man vorher die Zweifel lösen, die man über die Durchbrechung so vieler querlaufender Dämme aufgeworfen hat; man müßte die Wahrscheinlichkeit untersuchen, daß das Mittelländische Meer ehemals in mehrere getrennte Bassins geteilt war, wovon Sizilien und Candia die alten Grenzen zu bezeichnen scheinen. Wir unternehmen es nicht, hier diese Aufgaben zu lösen, und wollen uns damit begnügen, die Aufmerksamkeit auf den auffallenden Unterschied zu leiten, den die Bildung des festen Landes an den östlichen und westlichen Grenzen von Europa darbietet. Zwischen dem Baltischen und dem Schwarzen Meer erhebt sich gegenwärtig das Erdreich kaum 50 Toisen über die Oberfläche des Ozeans, während das Plateau von La Mancha, wenn es zwischen den Ursprüngen des Njemens [Memel] und des Borysthenes [Dnjepr] läge, als eine Gebirgsgruppe von ansehnlicher Höhe erscheinen würde. Wenn es anziehend ist, die Ursachen zu erwägen, die die Oberfläche unseres Erdkörpers verändert haben können, so ist es sicherer, sich mit den Erscheinungen selbst zu beschäftigen, wie sie die Messungen und die Wahrnehmungen der Naturforscher darbieten.

Von Astorga bis La Coruña, besonders von Lugo an, erheben sich die Berge schrittweise. Die sekundären Gebirgsformationen verschwinden nach und nach und machen den Übergangsgebirgen Platz, die an die Nähe der Urgebirge erinnern. Wir fanden ansehnliche Berge des alten Sandsteins, den die Freiberger Schule mit dem Namen Grauwacke und Grauwackenschiefer bezeichnet. Ich weiß nicht, ob diese Bildung, die im Süden Europas nicht häufig ist, schon in einem anderen Teil Spaniens entdeckt worden ist. Eckige Bruchstücke von Lydischem Stein, die in den Tälern zerstreut lagen, schienen uns anzuzeigen, daß Übergangsschiefer unter der Grauwacke lägen. Nahe bei Coruña selbst erheben sich Spitzen von Granit, die sich bis an das Kap Ortegal erstrecken. Diese Granite, die mit denen der Bretagne und Cornwalls ehemals zusammengehangen zu haben scheinen, sind vielleicht die Überreste einer zerstörten und im Meer untergegangenen Gebirgskette. Große und schöne Kristalle von Feldspat charakterisieren diese Felsart: Zinnstein findet sich darin eingesprengt und ist für die Galicier der Gegenstand eines mühsamen und wenig ergiebigen Bergbaus.

Coruña fanden wir durch zwei englische Fregatten und ein Linienschiff blockiert. Diese Schiffe sollten die Verbindung zwischen Madrid und den amerikanischen Kolonien unterbrechen; denn damals ging von Coruña, und nicht von Cádiz, jeden Monat ein Paketboot (correo marítimo) nach Havanna und alle zwei Monate ein anderes nach Buenos-Aires oder an die Mündung des La-Plata-Stroms. Ich werde in der Folge dieses Werkes genaue Nachricht über die Post im Neuen Kontinent geben. Hier bemerke ich bloß, daß seit dem Ministerium des Grafen Florida-Blanca der Dienst der Landkuriere so gut organisiert ist, daß mittels ihrer allein ein Einwohner von Paraguay oder von der Provinz Jaén de Bracamorós [am oberen Amazonas] einen regelmäßigen Briefwechsel mit einem Bewohner von Neu-Mexico oder von den Küsten von Neu-Californien unterhalten kann, in einer Entfernung, die so groß ist wie die von Paris nach Siam oder von Wien nach dem Kap der Guten Hoffnung. Ebenso kommt ein Brief, den man in einem kleinen Städtchen Aragoniens auf die Post gibt, sicher in Chile oder in den Missionen am Orinoco an, wenn man nur genau den Namen des corregimiento oder des Distrikts bezeichnet, in welchem die indianische Stadt liegt, in die der Brief gelangen soll. Die Erinnerung an solche Einrichtungen, die man als die größte Wohltat der neuen Zivilisation ansehen muß, ist höchst angenehm. Die Einrichtung der See- und Landpost hat die Kolonien in eine genauere Verbindung unter sich und mit dem Mutterlande gebracht. Der Umtausch der Ideen wurde lebhafter, die Klagen der Kolonisten drangen eher nach Europa, und es gelang bisweilen der obersten Gewalt, Bedrückungen aufzuheben, die ihr wegen der Entfernung auf immer unbekannt geblieben wären.

Der Minister, erster Staatssekretär, hatte uns ganz speziell dem Brigadier Don Rafael Clavijo empfohlen, der seit einiger Zeit die Oberaufsicht über die Seepost hatte. Dieser Offizier, der durch sein Talent für den Schiffbau sehr ehrenvoll bekannt ist, war damit beschäftigt, neue Werften in Coruña zu errichten. Er tat alles, um uns unsern Aufenthalt in diesem Hafen angenehm zu machen, und riet uns, uns auf der Korvette∗∗∗ „Pizarro“ einzuschiffen, die nach Havanna und nach Mexico bestimmt war. Dieses Schiff, das die Briefe des Monats Juni mit sich führte, sollte gleichzeitig mit der „Alcudia“, dem Paketboot vom Mai, unter Segel gehen, das wegen der Blockade seit drei Wochen im Hafen aufgehalten worden war. Die „Pizarro“ stand nicht im Ruf des schnellsten Seglers; aber durch glückliche Zufälle begünstigt war sie auf der langen Seereise vom La Plata bis Coruña den Verfolgungen englischer Schiffe entgangen. Herr Clavijo befahl, daß man an Bord dieser Fregatte die nötigen Einrichtungen zur Aufstellung unserer Instrumente und zur Erleichterung der chemischen Versuche traf, die wir während der Überfahrt über die Luft anstellen wollten. Der Kapitän der „Pizarro“ erhielt den Befehl, auf Teneriffa so lange anzuhalten, wie wir zum Besuch des Hafens von Orotava und zur Besteigung des Gipfels des Pics für nötig erachten würden.

Wir mußten nur zehn Tage auf unsere Einschiffung warten, und doch kam uns dieser Aufschub noch sehr lang vor. Wir beschäftigten uns indessen mit der Zubereitung der Pflanzen, die wir in den schönen Tälern Galiciens gesammelt hatten, die noch kein Naturforscher besucht hatte; wir untersuchten die Tange und Mollusken, die die Flut von Nordwesten in großer Menge an den Fluß des schroffen Felsens wirft, auf dem der Wachtturm des Herkules erbaut ist. Dieser Turm, den man auch den eisernen nennt, wurde im Jahr 1788 restauriert. Seine Höhe beträgt 52 Fuß, seine Mauern sind 4½ Fuß dick, seine ganze Bauart beweist unwidersprechlich, daß er ein Werk der Römer ist. Eine Inschrift, die man nahe an den Fundamenten fand und deren Abschrift ich der Gefälligkeit des Herrn Laborde verdanke, zeigt, daß dieser Leuchtturm von Cajus Servius Lupus, Architekt der Stadt Aqua Flavia (Chaves), erbaut wurde und daß er dem Mars geweiht war. Warum trägt in diesem Lande der eiserne Turm den Namen des Herkules? Haben ihn vielleicht die Römer auf den Trümmern eines griechischen oder römischen Gebäudes errichtet? Wirklich versichert Strabon, daß Galicien, das Land der Callaeci [Kallaiker], von griechischen Kolonisten bevölkert war. Nach einer Nachricht des Asklepiades von Myrlea in seiner Geographie von Spanien hatten sich nach einer alten Tradition die Gefährten des Herkules in diesen Gegenden niedergelassen.

Ich machte die nötigen Beobachtungen, um mich des Ganges meines Chronometers von Louis Berthoud zu versichern, und das mit Vergnügen, daß es in seinem täglichen Zurückbleiben gleich geblieben war, trotz der Erschütterungen, denen es auf der Reise von Madrid nach Coruña ausgesetzt war. Dies war um so wichtiger, als noch viel Ungewißheit über die wahre Länge von Ferrol herrschte, welche Stadt mit ihrem Mittelpunkt 10′ 20″ östlich vom Turm des Herkules bei Coruña liegt. Eine Bedeckung des Aldebaran und eine große Reihe von Verfinsterungen der Jupitertrabanten, die von Admiral Mazarredo beobachtet und von Méchain berechnet wurden, scheinen zu beweisen, daß im Seeatlas von Tofiño, der sonst in der Angabe einzelner Entfernungen so genau ist, die absolute Lage von Coruña und von Ferrol um 2–3 lieues marines fehlerhaft angegeben sind. Mein Chronometer bestätigte diese Zweifel und sprach gegen die Bestimmungen von Torfiño. Ich fand das Observatorium der Marine zu Ferrol 0h 42′ 21″ westlich von Paris. Das Mittel aller Beobachtungen, die von spanischen Astronomen angestellt und kürzlich von Herrn Espinosa bekanntgemacht wurden, gibt 0h 42′ 21,5″. Ich habe bereits an einem anderen Ort bemerkt: Da viele Expeditionen von Ferrol ausgingen, habe die irrige Lage, die man diesem Seehafen gab, sehr fehlerhafte Bestimmungen der Länge mehrerer Städte Amerikas hervorgerufen, weil man dabei nicht von absoluten Beobachtungen ausging, sondern die bloße Berechnung der Zeit zugrunde legte. Die Seeuhren, sosehr sie die Masse unserer geographischen Kenntnisse vermehren, übertragen oft den Irrtum, der über die Länge des Orts, von dem man ausgeht, stattfindet, auf andere Orte, indem sie von diesem einzigen Punkt die Lage der Küsten in den entferntesten Ländern abhängig machen.

Die Häfen von Coruña und Ferrol liegen an der gleichen Bai, so daß das Schiff, das durch Stürme gegen das Land getrieben wird, in dem einen oder dem anderen dieser Häfen einlaufen kann, je nachdem es der Wind gestattet. Dies ist ein unschätzbarer Vorteil in Gegenden, wo das Meer fast immer flutend und stürmisch ist, wie zwischen dem Kap Ortegal und Finisterre, welche die Kaps Trileucum und Artabrum der alten Geographen sind. Ein enger Kanal, von steilen Granitfelsen umkränzt, führt zu dem zweiten Bassin von Ferrol. Ganz Europa bietet keinen Landungsplatz dar, der, so sonderbar gelegen, sich so sehr ins Innere des Landes erstreckte. Man würde sagen, dieser enge und geschlängelte Weg, durch welchen die Schiffe in den Hafen gelangen, sei entweder durch die einbrechenden Fluten oder durch die wiederholten Stöße heftiger Erdbeben eröffnet worden. In der Neuen Welt bietet an den Küsten von Neu-Andalusien die Laguna del Obispo genau dieselbe Gestalt des Hafens von Ferrol dar. Die sonderbarsten geologischen Phänomene sind in den größten Entfernungen auf der Oberfläche der Kontinente wiederholt; und die Naturforscher, die Gelegenheit hatten, verschiedene Teile der Erdkugel zu untersuchen, müssen über die außerordentliche Ähnlichkeit staunen, die man in Hinsicht der zerrissenen Gestalt der Küsten, der Einbuchtungen der Täler, der Physiognomie und Gruppierung der Gebirge beobachtet. Das zufällige Zusammentreffen gleicher Ursachen mußte überall dieselben Wirkungen hervorbringen; und mitten unter der Mannigfaltigkeit, welche die Natur darstellt, zeigt sich eine Ähnlichkeit des Baues und der Formen in der Anordnung der unorganischen Materien wie in der Organisation der Pflanzen und Tiere.

Während der Überfahrt von Coruña nach Ferrol machten wir über einer Untiefe, nahe beim weißen Signal, in der Bai, die nach d’Anville der portus magnus der Alten ist, mittels einer mit Ventilen versehenen thermometrischen Sonde einige Versuche über die Temperatur des Meeres und über die Abnahme der Wärme in den übereinander liegenden Wasserschichten. Das Instrument zeigte über der Untiefe an der Oberfläche 12,5 bis 13,3 ° der hundertteiligen Skala, während an allen anderen Stellen, wo das Meer sehr tief war, das Thermometer 15 bis 15,3 ° zeigte, bei einer Lufttemperatur von 12,8 °. Der berühmte Franklin und Herr Jonathan Williams, Verfasser des Werks über thermometrische Navigation, das in Philadelphia herauskam, leiteten zuerst die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf die Erscheinungen, welche die Temperatur des Meeres über Untiefen und in dem Umkreis der warmen Strömungen darbietet, die sich von dem Mexicanischen Meerbusen bis an die Ufer von Neufundland und die nördlichen Küsten Europas erstrecken. Die Bemerkung, daß die Nähe einer Sandbank durch eine plötzliche Abnahme der Temperatur des Meeres an seiner Oberfläche angezeigt wird, ist nicht nur für die Naturkunde interessant, sondern kann auch für die Sicherheit der Schiffahrt von großer Wichtigkeit werden. Der Gebrauch des Thermometers kann freilich den des Senkbleis nicht entbehrlich machen, aber Erfahrungen, die ich im Lauf dieser Beschreibung anführen werde, beweisen zur Genüge, daß Veränderungen in der Temperatur, die durch die unvollkommensten Instrumente bemerkbar sind, die Gefahr lange Zeit vorher ankündigen, ehe sich das Schiff über der Untiefe befindet. In diesem Falle kann die kältere Temperatur des Wassers den Steuermann veranlassen, das Senkblei an Stellen auszuwerfen, wo er sich in der größten Sicherheit glaubte. Wir werden an einem anderen Ort die physischen Ursachen dieser verwickelten Erscheinungen untersuchen; hier genüge die Bemerkung, daß das Wasser, das die tiefen Stellen bedeckt, großenteils seine verminderte Temperatur der Vermischung mit den unteren Wasserschichten verdankt, die an den Abhängen der Bänke gegen die Oberfläche aufsteigen.

Eine Flut von Nordwest hinderte uns in der Bai von Ferrol, unsere Versuche über die Temperatur des Meeres fortzusetzen. Die große Höhe der Wellen war die Folge eines stürmischen Windes, der gegen die hohe See blies und durch den die englischen Schiffe genötigt worden waren, sich von der Küste zu entfernen. Man wollte diese Gelegenheit benutzen, um auszulaufen; man schiffte sogleich unsere Werkzeuge, Bücher und unser sonstiges Gepäck ein, aber der Westwind, der immer stärker wurde, erlaubte uns nicht, die Anker zu lichten. Wir benutzten diesen Aufschub, um an unsere Freunde in Deutschland und Frankreich zu schreiben. Der Augenblick, wo man zum ersten Mal Europa verläßt, hat etwas Erhabenes. Man mag sich noch so sehr die häufigen Kommunikationsmittel zwischen der Alten und Neuen Welt vorstellen, noch so sehr die große Leichtigkeit, mit der man dank der Vervollkommnung der Schiffahrt den Atlantischen Ozean durchschifft, der im Vergleich mit dem großen Weltmeer nur ein Meeresarm von geringer Breite ist, ins Gedächtnis rufen – die Gefühle, die man bei dem Antritt einer ersten Reise von großer Entfernung empfindet, sind nichtsdestoweniger mit einer großen Rührung verbunden. Sie sind keinem der Eindrücke ähnlich, die wir von unserer frühesten Jugend an erhalten haben. Getrennt von den Gegenständen unserer zärtlichsten Neigungen, beim Eintritt in ein gleichsam neues Leben, sind wir genötigt, uns in uns selbst zurückzuziehen, und wir befinden uns in einer Absonderung, die wir vorher nie erfahren hatten.

Unter den Briefen, die ich im Augenblick unseres Einschiffens schrieb, war einer, der einen sehr großen Einfluß auf die Richtung unseres Reisens und auf die Arbeiten, denen wir uns nachher widmeten, hatte. Als ich Paris in der Absicht verließ, mich an die Küsten von Afrika zu begeben, schien die Entdeckungsreise in die Südsee auf mehrere Jahre vertagt. Ich war mit dem Kapitän Baudin übereingekommen, wenn gegen seine Erwartung seine Reise früher stattfände und ich die Nachricht davon zu rechter Zeit erhalten könnte, ich versuchen würde, von Algier aus in einen französischen oder spanischen Hafen zu reisen, um mich mit der Expedition zu vereinigen. Ich erneuerte dieses Versprechen bei meiner Abreise nach dem Neuen Kontinent. Ich schrieb Herrn Baudin, wenn die Regierung darauf beharrte, daß er den Weg ums Kap Hoorn nehmen sollte, würde ich ihn entweder zu Montevideo oder in Chile oder zu Lima oder wo er sich immer in den spanischen Kolonien aufhielte zu erreichen streben. Meinem Versprechen getreu, änderte ich den Plan meiner Reise, sobald die amerikanischen öffentlichen Blätter im Jahr 1801 ankündigten, daß die französische Expedition von Havre ausgelaufen sei, um die Reise um die Welt von Osten nach Westen auszuführen. Ich mietete eine kleine Barke, um mich von Batabanó auf der Insel Cuba nach Portobelo und von da mit einer Reise über die Landenge an die Küsten der Südsee zu begeben. Der Irrtum eines Journalisten veranlaßte uns, Herrn Bonpland und mich, eine Reise von mehr als 800 Meilen zu unternehmen, in einem Land, das wir nicht zu durchreisen die Absicht hatten [s. hierzu den Kommentar Kapitel 7]. Erst in Quito erfuhr ich durch einen Brief des Herrn Delambre, des ständigen Sekretärs der ersten Klasse des Instituts, daß der Kapitän Baudin den Weg nach dem Kap der Guten Hoffnung einschlüge, ohne die östlichen oder westlichen Küsten Amerikas zu berühren. Ich erinnere mich nicht ohne unangenehmes Gefühl an eine Expedition, die mit mehreren Ereignissen meines Lebens zusammenhängt und deren Geschichte soeben durch einen Gelehrten beschrieben worden ist, der ebenso ausgezeichnet ist durch die Menge der von ihm gemachten Entdeckungen wie durch die edle und mutige Ergebung, die er in seiner Laufbahn, mitten unter den grausamsten Entbehrungen und Leiden, an den Tag legte.

Als ich von Spanien abreiste, konnte ich nicht die gesamte Sammlung meiner physikalischen, geodätischen und astronomischen Instrumente mitnehmen. Ich hatte ihre Doubletten in Marseille gelassen, in der Absicht, sie mir geradewegs nach Algier oder Tunis nachschicken zu lassen, sobald ich eine Gelegenheit fände, an die Küsten der Berberei überzusetzen. In ruhigen Zeiten sollte man allen Reisenden ernstlich raten, nicht alle ihre Instrumente auf einmal mitzunehmen. Es ist ratsamer, sie nach und nach kommen zu lassen, damit die nach einigen Jahren ersetzt werden, die infolge des Gebrauchs und des Transports am meisten gelitten haben. Diese Vorsichtsmaßregel ist besonders da nötig, wo man gezwungen ist, eine große Anzahl von Punkten durch bloße chronometrische Mittel zu bestimmen. Aber während eines Seekriegs erfordert die Klugheit, daß man sich nicht von seinen Instrumenten, Manuskripten und Sammlungen trenne. Traurige Erfahrungen, von denen ich in der Einleitung zu diesem Werk sprach, bestätigten mir die Richtigkeit dieses Grundsatzes. Unser Aufenthalt zu Madrid und Coruña war zu kurz, als daß ich den meteorologischen Apparat, den ich in Marseille zurückgelassen hatte, hätte kommen lassen können. Ich verlangte vergeblich nach unserer Rückkehr vom Orinoco, daß man ihn mir nach Havanna schicke; weder dieser Apparat noch die achromatischen Fernrohre und das Chronometer von Arnold, die ich von London erhalten hatte, gelangten zu mir nach Amerika. Folgendes ist die Liste der Instrumente, die ich seit dem Jahre 1797 für meine Reise gesammelt hatte und die mir bis auf einige wenige, die leicht zu ersetzen sind, bis zum Jahr 1804 gedient haben.

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