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[Über Medusen]

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Seit unserer Abfahrt von Coruña bis zum 36. Grad der Breite hatten wir außer Seeschwalben und einigen Delphinen fast kein lebendes Wesen gesehen. Wir erwarten vergebens Tange und Mollusken. Am 11. Juni [1799] wurden wir durch ein sonderbares Schauspiel in Erstaunen gesetzt, das sich nachher aber oft in der Südsee wiederholte. Wir kamen in eine Zone, wo das ganze Meer von einer ungeheuren Menge Medusen bedeckt war. Das Schiff war fast ruhig, aber die Mollusken bewegten sich nach Südost mit einer Geschwindigkeit, viermal reißender als die Strömung. Ihr Zug dauerte beinahe drei Viertelstunden. Bald sahen wir nur noch einige zerstreute Individuen, die von ferne der Menge folgten, als seien sie von der Reise ermüdet. Kommen wohl diese Tiere aus der Tiefe des Meeres, die in diesen Gegenden vielleicht mehrere tausend Toisen beträgt? Oder machen sie in Zügen entfernte Reisen? Man weiß, daß die Mollusken die Untiefen lieben; und wenn die acht Felsen, die bis an die Oberfläche des Wasser ragen, die Kapitän Vobonne im Jahr 1732 nördlich der Insel von Porto Santo gesehen haben will, wirklich vorhanden sind, so kann man annehmen, daß diese unzählige Menge Medusen sich von ihnen gelöst hatte; denn wir waren nur 28 lieues von dieser Klippe. Wir erkannten außer der Medusa aurita von Blaster und der Medusa pelagica von Bosc, mit acht Tentakeln [Fangarme] (Pelagia denticulata, Péron) eine dritte Gattung, die sich der Medusa hysocella nähert, die Vandelli an der Mündung des Tajo fand. Sie unterscheidet sich durch ihre bräunlich-gelbe Farbe und durch ihre Tentakel, die länger als der Körper sind. Mehrere dieser Seenesseln hatten vier Zoll im Durchmesser; ihr beinahe metallischer Glanz, ihre in Violett und Purpur schillernden Farben bildeten einen angenehmen Kontrast mit der azurnen Färbung des Ozeans.

Mitten unter diesen Medusen beobachtete Herr Bonpland Knäuel der Dagysa notata, einer Molluske von sonderbarer Struktur, die Sir Joseph Banks zuerst bekanntgemacht hat. Es sind kleine gallertige Säcke, durchscheinend, zylindrisch, bisweilen vieleckig, von 13 Linien Länge und 2 bis 3 Linien Durchmesser. Diese Säcke sind an beiden Enden offen. An der einen Öffnung bemerkt man eine durchsichtige Blase, die von einem gelben Fleck bezeichnet ist. Die Zylinder sind der Länge nach aneinandergeklebt wie die Zellen der Bienen und bilden Schnüre von 6 bis 8 Zoll Länge. Ich versuchte vergeblich die galvanische Elektrizität an diesen Mollusken; sie brachte keine Zusammenziehung hervor. Die Gattung Dagysa, die um die Zeit der ersten Reise Cooks aufgestellt wurde, scheint zu den Salpen (Biphores von Bruguière) zu gehören, mit welchen Herr Cuvier die Thalia von Brown und die Thetis vagina von Tilesius vereinigt hat. Die Salpen wandern auch gruppenweise, indem sie sich rosenkranzartig verbinden, wie wir dies bei der Dagysa bemerkt haben.

Am 13. Juni [1799] morgens in 34 ° 33″ Breite sahen wir nochmals große Haufen von diesen letzten Mollusken vorbeischwimmen. Das Meer war vollkommen ruhig. Während der Nacht beobachteten wir, daß von den drei Arten Medusen, die wir gefangen hatten, keine leuchtete, nur im Augenblick eines sehr leichten Anstoßes. Dies ist also keine ausschließliche Eigenschaft der Medusa noctiluca, die Forskål in seiner ›Fauna aegyptiaca‹ beschrieben und die Gmelin, ungeachtet ihrer roten Tentakel und der bräunlichen Erhebungen an ihrem Körper, mit der Medusa pelagica von Löfling vereinigt hat. Wenn man eine sehr reizbare Meduse auf einen Zinnteller legt und mit irgendeinem Metall an diesen anschlägt, so sind die kleinen Vibrationen des Zinns hinreichend, das Tier leuchten zu lassen. Galvanisiert man Medusen, so erscheint das Leuchten bisweilen im Augenblick, wo man die Kette schließt, ungeachtet die Exzitatoren nicht in unmittelbarem Kontakt mit den Organen des Tieres sind. Die Finger, mit denen man es berührt hat, bleiben noch zwei oder drei Minuten leuchtend, wie man dies auch beobachtet, wenn man das Gehäuse der Pholaden zerbricht. Reibt man Holz mit dem Körper einer Meduse und die geriebene Stelle hat schon aufgehört zu leuchten, so fängt die Phosphoreszenz wieder von neuem an, wenn man mit der trockenen Hand über das Holz fährt. Erlöscht aber das Licht zum zweiten Mal, so kann man es nicht wieder hervorbringen, obgleich die geriebene Stelle noch feucht und klebrig ist. Wie soll man die Wirkung des Reibens oder des Anstoßens deuten? Dies ist eine schwer aufzulösende Frage. Ist es eine leichte Erhöhung der Temperatur, die das Leuchten begünstigt; oder entsteht das Licht von neuem, weil man die Oberfläche erneuert, indem man die tierischen Teile, die fähig sind, Phosphorwasserstoff zu entwickeln, mit dem Sauerstoff der atmosphärischen Luft in Berührung bringt? Ich habe durch Versuche, die ich im Jahr 1797 publizierte, festgestellt, daß leuchtendes Holz in Wasserstoff und in reinem Stickstoff aufhört zu leuchten und daß sein Schein sogleich wieder zum Vorschein kommt, sobald man die kleinste Blase Sauerstoff daruntermischt. Diese Tatsache, denen wir noch mehrere andere in der Folge beifügen werden, führt zu der Entdeckung der Ursachen der Phosphoreszenz des Meeres und des besonderen Einflusses, den der Stoß der Wellen auf die Hervorbringung des Lichts hat.

Als wir uns zwischen der Insel Madeira und den Küsten Afrikas befanden, hatten wir schwache Winde und Meeresstille, die den magnetischen Beobachtungen, mit denen ich mich auf dieser Überfahrt beschäftigte, sehr günstig waren. Wir konnten nicht aufhören, die Schönheit der Nächte zu bewundern; nichts gleicht der Klarheit und Helle des afrikanischen Himmels. Wir erstaunten über die Menge Sternschnuppen, die jeden Augenblick niedergingen. Je mehr wir nach Süden kamen, desto häufiger wurden sie, besonders in der Nähe der Canarischen Inseln. Ich glaube, auf meinen Reisen beobachtet zu haben, daß diese feurigen Meteore allgemein in einigen Gegenden der Erde häufiger und glänzender sind als in anderen. Ich habe sie nie so zahlreich gesehen wie in der Nachbarschaft der Vulkane der Provinz Quito und in dem Teil der Südsee, welcher die vulkanischen Küsten von Guatemala bespült. Der Einfluß, den der Ort, das Klima und die Jahreszeit auf die Sternschnuppen zu haben scheinen, unterscheidet diese Klasse von Meteoren von denen, die den Aerolithen ihre Entstehung geben und die sich wahrscheinlich außerhalb der Grenzen unserer Atmosphäre befinden. Nach den korrespondierenden Beobachtungen der Herren Benzenberg und Brandes hatten viele Sternschnuppen, die man in Europa sah, nur 30.000 Toisen Höhe. Man hat selbst eine gemessen, deren Höhe nicht über 14.000 Toisen oder fünf lieues marines betrug. Diese Messungen, deren Resultate nur Annäherungen geben können, verdienen wiederholt zu werden. In den heißen Klimaten, besonders unter den Wendekreisen, lassen die Sternschnuppen häufig einen Schweif hinter sich, der 12 bis 15 Sekunden lang leuchtend bleibt; andere Male scheinen sie zu platzen, indem sie sich in mehrere Funken teilen, und in der Regel sind sie viel niedriger als im Norden Europas. Man sieht sie nur bei einem heiteren blauen Himmel, vielleicht hat man sie noch nie unter einer Wolke bemerkt. Oft haben die Sternschnuppen während einiger Stunden einerlei Richtung, und diese ist dann die des Windes. In dem Meerbusen von Neapel haben wir, Herr Gay-Lussac und ich, [1805] leuchtende Erscheinungen beobachtet, die denen sehr ähnlich sind, welche während eines langen Aufenthalts in Mexico und Quito meine Aufmerksamkeit erregten. Diese Meteore werden vielleicht durch die Natur des Bodens und der Luft besonders modifiziert, so wie dies mit den Erscheinungen der Spiegelung und der terrestrischen Strahlenbrechung an den Küsten von Kalabrien und Sizilien der Fall ist.

Wir sahen auf unserer Fahrt weder die Inseln Desiertas noch Madeira. Ich hätte gewünscht, die Länge dieser Inseln verifizieren und die Höhenwinkel der Vulkane nehmen zu können, die sich im Norden von Funchal erheben. Herr de Borda berichtet, daß man diese Berge in einer Entfernung von 20 lieues sähe, was nur eine Höhe von 806 m bewiese; aber wir wissen nach neuen Messungen, daß der erhabenste Gipfel von Madeira 5162 englische Fuß oder 807 Toisen hoch ist, die kleinen Inseln Desiertas und Salvages, auf denen man die Orseille [Färberflechte] und das Eiskraut sammelt, haben nicht 200 Toisen senkrechte Höhe. Ich halte es für nützlich, die Aufmerksamkeit der Seefahrer auf diese Bestimmungen zu lenken, weil nach einer Methode, wovon in dieser Reisebeschreibung mehrere Beispiele vorkommen werden und die Borda, Lord Mulgrave, Herr v. Rossel und Don Cosme Churruca auf ihren Reisen mit Erfolg angewandt haben, man durch Höhenwinkel, die man mit guten Reflexionsinstrumenten genommen hat, mit hinreichender Genauigkeit die Entfernung berechnen kann, in welcher sich das Schiff von einem Vorgebirge oder einer bergigen Insel befindet.

Als wir uns 40 lieues östlich von Madeira befanden, setzte sich eine Schwalbe auf das Marssegel. Sie war so müde, daß sie sich leicht fangen ließ. Es war dies eine Rauchschwalbe [Hirundo rustica, Lin.]. Was kann einen Vogel veranlassen, in dieser Jahreszeit und bei so ruhiger Witterung so weit zu fliegen? Auf der Reise von d’Entrecasteaux sah man gleichfalls eine Rauchschwalbe in einer Entfernung von 60 lieues vom Kap Blanco; aber dies war gegen Ende Oktober, und Herr Labillardière glaubte, sie sei eben aus Europa angekommen. Wir aber durchquerten diese Gegenden im Monat Juni, zu einer Zeit, wo das Wasser schon lange nicht durch Stürme beunruhigt worden war; und ich führe diesen letzten Umstand besonders an, weil kleine Vögel und selbst Schmetterlinge bisweilen durch die Gewalt der Winde auf die hohe See gerissen werden, wie wir dies in der Südsee, im Westen der mexicanischen Küste, beobachteten.

Die „Pizarro“ hatte Befehl, auf der Insel Lanzarote, einer der sieben großen Canarischen Inseln, anzuhalten, um zu vernehmen, ob die Engländer die Reede von Santa Cruz auf Teneriffa blockierten. Seit dem 15. Juni [1799] war man wegen des Weges, den man zu nehmen hatte, unruhig. Bis jetzt hatten die Steuerleute, die im Gebrauch der Seeuhren nicht sehr bewandert sind, wenig Zutrauen in die Längen gesetzt, die ich ziemlich regelmäßig zweimal des Tages durch das Chronometer, und indem ich morgens und abends Stundenwinkel nahm, bestimmte. Sie zögerten, südöstlich zu steuern, aus Furcht, auf das Kap Nun zu stoßen oder wenigstens die Insel Lanzarote im Westen zu lassen. Endlich, den 16. Juni, um 9 Uhr morgens, als wir uns schon in 29 ° 26′ Breite befanden, änderte der Kapitän die Richtung und steuerte ostwärts. Die Genauigkeit des Chronometers von Louis Berthoud wurde bald erkannt; denn um 2 Uhr nachmittags sahen wir Land, das wie eine kleine, an den Horizont befestigte Wolke erschien. Um 5 Uhr, da die Sonne niedriger stand, kam die Insel Lanzarote so deutlich zum Vorschein, daß ich den Höhenwinkel eines kegelförmigen Berges nehmen konnte, der majestätisch die anderen Gipfel beherrscht und den wir für den großen Vulkan hielten, der in der Nacht vom 1. September 1730 so viel Zerstörung angerichtet hatte.

Die Strömung trieb uns schneller gegen die Küsten, als wir wünschten. Im Weitersegeln entdeckten wir zuerst die Insel Fuerteventura, berühmt durch die vielen Kamele∗∗∗∗∗, die sie nährt; und wenige Zeit nachher sahen wir die kleine Insel Lobos im Meeresarm, der Fuerteventura von Lanzarote trennt. Wir brachten einen Teil der Nacht auf dem Verdeck zu. Der Mond erhellte die vulkanischen Spitzen von Lanzarote, deren Abhänge, von Asche bedeckt, ein silberfarbenes Licht zurückwarfen. Antares glänzte nahe an der Scheibe des Mondes, der nur wenige Grade über dem Horizont stand. Die Nacht war bewundernswürdig klar und frisch, und obwohl wir wenig von den Küsten Afrikas und von der heißen Zone entfernt waren, stieg das hundertteilige Thermometer doch nicht über 18 °. Das Leuchten des Ozeans schien die Masse des in der Luft verbreiteten Lichtes zu vermehren. Ich konnte zum ersten Mal den Nonius eines Sextanten von Troughton von zwei Zoll, dessen Einteilung sehr fein war, ohne Licht lesen. Mehrere unserer Reisegesellschafter waren Canarier. Wie alle Inselbewohner rühmten sie mit Enthusiasmus die Schönheit ihres Landes. Nach Mitternacht bedeckten schwarze Wolken, die sich hinter dem Vulkan erhoben, von Zeit zu Zeit den Mond und das schöne Sternbild des Skorpions. Wir sahen Feuer, das man am Ufer hin und her trug: es waren wahrscheinlich Fischer, die sich zu ihren Geschäften rüsteten. Da wir uns während der ganzen Route damit beschäftigt hatten, die alten Reisen der Spanier zu lesen, so erinnerten uns diese beweglichen Lichter an die, welche Pedro Gutierrez, Page der Königin Isabella, in der merkwürdigen Nacht, welche der Entdeckung der Neuen Welt voranging, auf der Insel Guanahani sah.

Den 17. des Morgens war der Horizont neblig und der Himmel leicht mit Dünsten überzogen; die Umrisse der Berge von Lanzarote erschienen nur um so schärfer: Denn indem die Feuchtigkeit die Durchsichtigkeit der Luft vermehrt, scheint sie zugleich die Gegenstände näherzurücken. Diese Erscheinung ist denen gut bekannt, die Gelegenheit gehabt haben, hygrometrische Beobachtungen an Orten zu machen, wo man die Kette der hohen Alpen oder die der Anden sieht. Wir segelten, das Senkblei in der Hand, durch den Kanal, der die Insel Alegranza von Montaña Clara trennt. Wir untersuchten diesen Archipel kleiner Inseln, die im Norden von Lanzarote liegen und die sowohl auf der sonst sehr genauen Karte des Herrn v. Fleurieu wie auf der, die sich bei der Reiseschilderung der Fregatte „Flora“ befindet, sehr schlecht angegeben sind. Die Karte des Atlantischen Ozeans, die im Jahr 1786 auf Befehl des Herrn de Castries veröffentlicht wurde, hat die gleichen Fehler. Da die Strömungen in diesen Gegenden äußerst reißend sind, so ist die Bemerkung für die Sicherheit der Schiffahrt wichtig, daß die Lage der fünf kleinen Inseln Alegranza, Clara, Graziosa, Roca del Este und Infierno nur auf der Karte der Canarischen Inseln des Herrn de Borda und in dem Atlas von Tofiño genau angegeben ist, welche Angabe sich für diesen Fall auf die Beobachtungen des Don José Varda gründet, die mit denen der Fregatte „La Boussole“ ziemlich übereinstimmen.

Mitten in diesem Archipel, der selten von den nach Teneriffa bestimmten Schiffen durchfahren wird, wurden wir durch die Form der Küsten sehr in Erstaunen gesetzt. Wir glaubten uns zu den Euganeischen Bergen im Vicentinischen oder an die Ufer des Rheins bei Bonn versetzt [das Siebengebirge, von Hrn. Nose beschrieben]. Die Form der organischen Wesen wechselt mit dem Klima, und diese erstaunliche Mannigfaltigkeit macht das Studium der Geographie der Pflanzen und Tiere so anziehend; aber die Felsen, älter vielleicht als die Ursache, welche die Verschiedenheit der Klimate bewirkte, sind dieselben in beiden Hemisphären. Die Porphyre, die glasigen Feldspat und Hornblende enthalten, die Phonolithe (Werners Porphyrschiefer), die Grünsteine, die Mandelsteine und die Basalte haben fast ebenso beständige Formen angenommen wie die einfachen kristallisierten Materien. Auf den Canarischen Inseln wie in der Auvergne, im böhmischen Mittelgebirge wie in Mexico und an den Ufern des Ganges kündigt sich die Trappformation durch die symmetrische Ordnung der Berge, durch abgestumpfte Kegel an, die bald isoliert, bald paarweise stehen [Monti gemelli, Zwillingsberge], durch Plateaus, deren beide Enden mit einer runden Kuppe gekrönt sind.

Der ganze westliche Teil von Lanzarote, den wir aus der Nähe sahen, trägt das Gepräge eines erst kürzlich durch vulkanisches Feuer zerrütteten Landes. Alles ist schwarz, dürr und von Dammerde entblößt. Wir unterscheiden mit dem Fernrohr in ziemlich dünnen und sich stark neigenden Schichten gelagerten Basalt. Mehrere Hügel ähneln dem Monte Nuovo bei Neapel oder den kleinen Hügeln von Schlacken und Asche, welche die Erde, die sich öffnete, in einer Nacht am Fuß des Vulkans von Jorullo in Mexico aufwarf. Wirklich berichtet der Abbé Viera, daß 1730 mehr als die Hälfte der Insel ihre Gestalt veränderte. Der große Vulkan, von dem wir oben sprachen und den die Einwohner den Vulkan von Temanfaya nennen, zerstörte die fruchtbarste und bebauteste Gegend; neun Dörfer wurden damals durch das Anströmen der Lava völlig vernichtet. Ein heftiges Erdbeben war dieser Katastrophe vorangegangen, und gleich heftige Stöße dauerten mehrere Jahre lang fort. Diese letzte Erscheinung ist um so merkwürdiger, da sie sich selten nach einer Eruption ereignet, wenn die elastischen Dämpfe nach dem Ausfluß der geschmolzenen Materien durch den Krater entweichen konnten. Der Gipfel des großen Vulkans ist ein runder Hügel, der nicht völlig konisch ist. Nach den Höhenwinkeln, die ich von verschiedenen Entferungen aus genommen habe, scheint seine absolute Höhe nicht viel über 300 Toisen zu betragen. Die benachbarten Hügel und die von Alegranza und Isla Clara sind kaum 100 bis 120 Toisen hoch. Man ist erstaunt, diese Gipfel nicht höher zu finden, die, vom Meer aus gesehen, einen so imposanten Anblick geben. Aber nichts ist unsicherer als unser Urteil über die Größe der Winkel, unter denen uns Gegenstände nahe am Horizont erscheinen. Durch solche Täuschungen geschah es, daß die Seefahrer die Berge an der Magellan-Straße und die von Feuerland für äußerst hoch hielten, ehe die Messungen der Herren Churucca und Galeano auf dem Kap Pilar gemacht wurden.

Die Insel Lanzarote hieß ehemals Titeroigotra. Bei der Ankunft der Spanier zeichneten sich die Einwohner von anderen Canariern durch die Spuren einer weiter entwickelten Zivilisation aus. Sie hatten Häuser von gehauenen Steinen, während die [Guanchen] in Teneriffa nach Art wahrer Troglodyten in Höhlen wohnten. Auf Lanzarote herrschte damals eine höchst sonderbare Einrichtung, von der man nur ein Beispiel bei den Tibetanern findet. Eine Frau hatte mehrere Männer, welche abwechselnd die Vorrechte des Hausvaters genossen; jeder wurde immer nur einen Monat lang als Ehemann betrachtet, und während seine Rechte von den anderen ausgeübt wurden, lebte er in der Reihe der übrigen Hausgenossen. Es ist zu bedauern, daß die Geistlichen, die den Jean de Bétencourt begleiteten und die Geschichte der Eroberung der Canarischen Inseln schrieben, uns nicht mehr Nachrichten über die Sitten eines Volkes gegeben hatten, bei dem man so sonderbare Gebräuche vorfand. Im 15. Jahrhundert gab es auf der Insel Lanzarote zwei kleine Staaten, die durch eine Mauer geschieden und getrennt waren, eine Gattung von Monumenten, die den Nationalhaß überleben und die man auch in Schottland, Peru und China vorfindet.

Die Winde nötigten uns, zwischen den Inseln Alegranza und Montaña hindurchzufahren. Da niemand von denen, die an Bord waren, diesen Paß durchfahren hatte, so mußte man das Senkblei auswerfen. Wir fanden 25 und 32 Faden Tiefe. Das Blei brachte eine organische Substanz von so sonderbarer Struktur mit herauf, daß wir lange zweifelhaft waren, ob es ein Zoophyt oder eine Art von Tang sei. Die Zeichnung, die ich an Ort und Stelle entwarf, findet sich im zweiten Bande unserer ›Plantes équinoxiales‹ in Kupfer gestochen. Auf einem bräunlichen Stengel von 3 Zoll Länge erheben sich runde, in Lappen geteilte und an den Rändern gezähnte Blätter. Ihre Farbe ist ein zartes Grün; sie sind häutig und wie die Blätter der Andianten und des Ginkgo biloba gestreift. Ihre Oberfläche ist mit steifen und weißlichen Haaren besetzt; vor ihrer Entwicklung sind sie konkav und ineinandergeschachtelt. Wir beobachteten daran keine Spur von willkürlicher Bewegung, kein Zeichen von Reizbarkeit, selbst nicht bei Anwendung der galvanischen Kette. Der Stengel ist nicht holzartig, sondern beinahe von der Substanz des Horns, ähnlich der Achse der Gorgonen. Da man in mehreren kryptogamischen Gewächsen Phosphor und Stickstoff in Menge gefunden hat, so wäre es unnütz gewesen, die Chemie in Anspruch zu nehmen, um zu entscheiden, ob dieser organisierte Körper zum Pflanzen- oder zum Tierreich gehöre. Die große Ähnlichkeit, die er mit einigen Meerpflanzen hat, die dem Adianthum [Saumfarn] ähnliche Blätter haben, besonders mit dem Geschlecht Caulerpa des Herrn Lamoureux, wovon Fucus prolifer von Forskål eine der zahlreichen Arten ist, bestimmte uns, ihn vorläufig unter das Seegras (Varech) oder die Tange zu stellen und ihn Fucus vitifolius zu nennen. Die Haare, mit denen diese Pflanze besetzt ist, finden sich auch bei vielen anderen Tangen [Fucus lycopodioides und F. hirsutus]. Das Blatt, das im Augenblick, als man es aus dem Meer zog, mit dem Mikroskop untersucht wurde, zeigte zwar jene angehäuften Drüsen oder die undurchsichtigen Punkte nicht, die bei den Geschlechtern Ulva und Fucus die Fruktifikationsteile enthalten; aber wie oft sieht man nicht Arten von Varech in einem solchen Zustand, daß man in ihrem durchsichtigen Parenchym keine Spur von Körnern vorfindet.

Ich hätte diesen Gegenstand, der in die beschreibende Naturgeschichte gehört, nicht so genau abgehandelt, wenn der Tang mit Nebenblättern nicht eine physiologische Erscheinung von allgemeinerem Interesse darböte. Auf ein Stück einer Madrepore befestigt, vegetierte diese Seealge auf dem Boden des Ozeans in einer Tiefe von 192 Fuß, und doch waren ihre Blätter so grün wie die unserer Gräser. Nach den Beobachtungen von Bourguer wird das Licht bei einem Durchgang von 180 Fuß in einem Verhältnis geschwächt wie 1:1477,8. Der Varech von Alegranza bietet folglich ein neues Beispiel von Pflanzen dar, die in einer großen Dunkelheit vegetieren, ohne zu entarten. Mehrere noch in den Zwiebeln der Liliaceen eingehüllte Keime, der Embryo der malven- und rhamnusartigen Gewächse, der Embryo der Pistazie, des Viscum, der Zitrone, die Zweige einiger unterirdischer Gewächse, endlich die Vegetabilien, die man in Gruben bringt, wo die umgebende Luft Wasserstoffgas oder eine große Menge Stickgas enthält, werden ohne Licht grün. Nach diesen Tatsachen wird man versucht, anzunehmen, daß es nicht der Einfluß der Sonnenstrahlen allein ist, unter dem sich in den Organen der Pflanzen jene Verbindung von Kohle und Wasserstoff bildete, deren Gegenwart dem Parenchym eine mehr oder weniger sattgrüne Farbe gibt, je nachdem die Kohle in der Mischung vorherrscht.

Herr Turner, der uns so genau mit der Familie des Varechs bekannt gemacht hat, und viele andere berühmte Botaniker meinen, daß die meisten Tange, die wir auf der Oberfläche des Ozeans sammeln und die im 23. und 35. Grad der Breite und im 32. Grad der Länge dem Seefahrer das Schauspiel einer überschwemmten ungeheuren Wiese geben, ursprünglich auf dem Boden des Meeres wachsen und nur in ihrem ausgebildeten Zustand wandern, wenn sie durch die Bewegung der Wellen losgerissen werden. Wenn diese Meinung richtig ist, so muß man zugeben, daß die Familie der Seealgen den Physikern [= Naturforschern] große Schwierigkeiten darbietet, die auf der Meinung beharren, daß jede Abwesenheit des Lichts eine Verkümmerung oder ein Verwelken bewirken müsse; denn wie sollte es möglich sein, daß so viele Arten von Ulvaceen und Dictyoteen mit Stengeln und grünen Blättern, die auf der Oberfläche des Ozeans schwimmen, auf Felsen fast als Wasserpflanze gewachsen seien.

Nach den Notizen, die wir aus einem alten portugiesischen Routier schöpften, glaubte der Kapitän der „Pizarro“ sich einem nördlich von Teguise, der Hauptstadt der Insel Lanzarote, gegenüber liegenden Fort zu befinden. Man hielt einen Basaltfelsen für ein Schloß: Man salutierte es, indem man die spanische Flagge aufsteckte, und man warf das Boot aus, damit sich einer der Offiziere bei dem Kommandanten des vermeintlichen Forts erkundige, ob englische Schiffe in dieser Gegend kreuzten. Unser Erstaunen war ziemlich groß, als wir erfuhren, daß das Land, das man für die Verlängerung der Küste von Lanzarote gehalten hatte, die kleine Insel Graziosa sei und daß es mehrere lieues in der Runde keinen bewohnten Ort gebe.

Wir benutzten das Boot, um das Land kennenzulernen, welches den Umkreis einer weiten Bai umschloß. Nichts kann das Gefühl ausdrücken, welches ein Naturforscher empfindet, wenn er zum ersten Mal einen Boden berührt, der nicht europäisch ist [Hervorhebung vom Hrsg.]. Die Aufmerksamkeit heftet sich auf so viele Gegenstände, daß man Mühe hat, sich von den Eindrücken, die man erhält, Rechenschaft zu geben. Mit jedem Schritt glaubt man ein neues Naturerzeugnis zu finden; und in dieser Gemütsbewegung erkennt man die oft nicht, welche die gewöhnlichsten in unseren botanischen Gärten und naturhistorischen Sammlungen sind. Hundert Toisen von der Küste bemerkten wir einen Menschen, der mit der Leine fischte. Man richtete das Boot nach ihm; aber er ergriff die Flucht und verbarg sich hinter einem Felsen. Mit Mühe brachten ihn die Matrosen zurück. Der Anblick der Korvette, das Abfeuern einer Kanone an einem so einsamen Orte, der aber bisweilen von Korsaren aus der Berberei besucht wird, das Landen des Bootes, alles hatte diesen armen Fischer in Furcht gesetzt. Er benachrichtigte uns, daß die kleine Insel Graziosa, auf der wir gelandet waren, von Lanzarote durch einen engen Kanal, genannt El Río, getrennt sei. Er erbot sich, uns in den Hafen von Los Colorados zu führen, damit wir uns dort über die Blockade von Teneriffa unterrichten könnten; da er aber zugleich versicherte, seit mehreren Wochen kein Schiff auf offener See gesehen zu haben, so entschloß sich der Kapitän, seinen Weg nach Santa Cruz fortzusetzen.

Der kleine Teil der Insel Graziosa, den wir durchliefen, gleicht jenen Vorgebirgen von Lava, die man bei Neapel zwischen Portici und Torre del Greco beobachtet. Die Felsen sind nackt, entblößt von Bäumen und Gesträuch, am häufigsten ohne eine Spur von Dammerde. Einige gegliederte Flechten, Variolaria, Lepraria und Urceolaria, finden sich zerstreut auf dem Basalt. Die Laven, die nicht mit vulkanischer Asche bedeckt sind, bleiben Jahrhunderte lang ohne Spur von Vegetation; denn auf dem afrikanischen Boden halten die übermäßige Hitze und die lange Trockenheit die Entwicklung der kryptogamischen Gewächse zurück.

Die Basalte von Graziosa sind nicht säulenförmig abgesondert, sondern in Schichten, 10 bis 15 Zoll dick, abgeteilt. Diese Schichten fallen unter einem Winkel von 80 Grad nach Nordwest ein. Kompakter Basalt wechselt mit porösem und mergeligem Basalt. Das Gestein enthält kein Amphibol, aber große Kristalle von blättrigem Olivin, die eine dreifache Spaltung haben. Diese Substanz verwittert sehr schwer. Herr Haüy betrachtet sie als eine Abart des Pyroxens. Der poröse Basalt, der den Übergang zum Mandelstein bildet, hat längliche Höhlungen von 2 bis 8 Linien Durchmesser, die mit Chalcedon überzogen sind und Bruchstücke von kompaktem Basalt einschließen. Ich bemerkte nicht, daß die Höhlungen in einer Richtung liegen, noch daß das poröse Gestein auf kompakte Schichten aufgelagert sei, wie dies bei den Lavaströmen des Ätna und Vesuv der Fall ist. Der Mergel, der mehr als hundertmal mit dem Basalt abwechselt, ist gelblich, durch Verwitterung zerreiblich, im Inneren sehr fest und oft in unregelmäßige Prismen, denen des Trapps ähnlich, abgesondert. Die Sonne entfärbt ihre Oberfläche, wie sie mehrere Schiefer bleicht, indem sie die wasserstoffhaltige Kohle verbrennt, die mit diesen Erden verbunden zu sein scheint. Der Mergel auf Graziosa enthält viel Kalk und braust lebhaft mit Salzsäure auf, selbst an den Stellen, wo er mit dem Basalt in Berührung ist. Diese Tatsache ist desto bemerkenswerter, da diese Substanz nicht die Spalten des Gesteins ausfüllt, sondern ihre Schichten parallel mit denen des Basalts laufen; man kann daraus schließen, daß beide Fossilien [Minerale] Bildung von einerlei und von gemeinsamem Ursprung sind. Das Phänomen eines basaltischen Gesteins, das Massen von verhärtetem und in kleine Säulen gespaltenem Mergel eingeschlossen hat, findet sich ansonsten im Böhmischen Mittelgebirge. Als Herr Freiesleben und ich 1792 diese Gegenden besuchten, erkannten wir sogar in dem Mergel am Stiefelberg den Abdruck einer dem Cerastium oder der Alsine verwandten Pflanze. Verdanken wohl diese Mergelschichten, welche die Trappgebirge enthalten, schlammigen Eruptionen ihre Entstehung, oder muß man sie als neptunische Niederschläge ansehen, die mit den vulkanischen Ablagerungen wechseln? Diese letztere Hypothese scheint um so notwendiger, als nach den Untersuchungen von Sir James Hall über den Einfluß, den der Druck auf geschmolzene Materien hat, das Dasein von Kohlensäure in den Substanzen, die der Basalt einschließt, nichts Überraschendes darbietet. Viele Laven des Vesuvs zeigen ähnliche Phänomene. In der Lombardei, zwischen Vicenza und Albano, wo der Jurakalkstein große Massen Basalt enthält, sah ich letzteren an den Stellen, wo er den Kalkfelsen berührt, mit Säuren brausen.

Wir hatten nicht Muße, den Gipfel eines Hügels zu erreichen, der darin sehr merkwürdig ist, daß sein Fuß von Tonschichten gebildet wird, auf denen die Basaltschichten ruhen, gerade wie bei einem Berg in Sachsen [der Scheibenberger Hügel], der durch die Streitigkeiten der Vulkanisten und Neptunisten berühmt wurde. Diese Basalte waren mit einer Substanz von tropfsteinartiger äußerer Gestalt überzogen, die ich vergeblich auf dem Pic von Teneriffa suchte und die man mit dem Namen vulkanisches oder Müller-Glas, oder Hyalith, bezeichnet. Sie bildet den Übergang vom Opal zum Chalcedon. Wir machten mit Mühe einige schöne Muster los und mußten ganze Massen unberührt lassen, die 8 bis 10 Zoll im Quadrat hatten. Ich sah nie in Europa so schöne Hyalithe wie auf der Insel Graciosa und auf dem Porphyrfelsen el Peñol de los Baños am Ufer des Sees von Mexico.

Es gibt am Gestade zwei Arten von Sand; die eine ist schwarz und basaltisch, die andere weiß und quarzartig. An einer den Sonnenstrahlen ausgesetzten Stelle ließ die eine das Thermometer auf 51,2 ° steigen und die andere auf 40 °. Die Temperatur der Luft war im Schatten 27,0 ° oder 7,5 ° höher als die der Seeluft. Der quarzartige Sand enthält Fragmente von Feldspat. Er wird vom Meer ausgeworfen und bildet an der Oberfläche der Felsen gleichsam kleine Inseln, auf denen die Sukkulenten und die Salzpflanzen wachsen. Bruchstücke von Granit wurden auf Teneriffa beobachtet; die Insel Gomera enthält nach den Nachrichten, die mir Herr Broussonet mitgeteilt hat, einen Kern von Glimmerschiefer; der Quarz, der in dem Sand, den wir auf der Insel Graziosa fanden, zerstreut lag, ist eine den Laven und den Porphyren der Trappformation, die mit den vulkanischen Produkten in Verbindung stehen, fremde Substanz. Alle diese Tatsachen zusammen scheinen zu beweisen, daß sich die unterirdischen Feuer auf den Canarischen Inseln, wie auf den Anden von Quito, in der Auvergne, in Griechenland und auf dem größten Teil der Erde, mitten durch Urgesteinsarten den Weg nach außen gebahnt haben. Indem wir in der Folge eine große Anzahl heißer Quellen, die wir aus dem Granit, Gneis und Glimmerschiefer hervorkommen sahen, anzeigen, werden wir Gelegenheit haben, auf diesen Gegenstand, der einer der wichtigsten in der physikalischen Geschichte der Erde ist, zurückzukommen.

Da wir uns bei Sonnenuntergang wieder einschifften, gingen wir mit einem zu schwachen Wind unter Segel, um unseren Weg nach Teneriffa fortsetzen zu können. Das Meer war ruhig; ein rötlicher Dunst bedeckte den Horizont und schien die Gegenstände zu vergrößern. In dieser Einsamkeit, mitten unter so vielen unbewohnten Inseln, genossen wir lange Zeit den Anblick einer wilden und imposanten Natur. Die schwarzen Berge von Graziosa stellten senkrechte Mauern von 500 bis 600 Fuß Höhe dar. Ihre auf die Oberfläche des Ozeans geworfenen Schatten geben der Landschaft einen melancholischen Charakter. Ähnlich den Trümmern eines ungeheuren Gebäudes steigen die Basaltsäulen aus dem Schoß der Fluten empor. Ihr Dasein erinnert uns an die vergangene Zeit, wo Vulkane unter dem Meer neuen Inseln ihr Dasein gaben oder die Kontinente zerrissen. Alles, was uns umgab, schien Zerstörung und Unfruchtbarkeit zu verkünden; aber im Hintergrund dieses Gemäldes boten die Küsten von Lanzarote einen lachenden Anblick dar. In einer engen Schlucht, zwischen zwei von zerstreuten Baumgruppen gekrönten Hügeln, zog sich ein kleiner bebauter Erdstrich der Länge nach hin; die letzten Sonnenstrahlen beleuchteten das zum Ernten reife Getreide, und selbst die Wüste belebt sich, wenn man darin die Spuren der arbeitsamen Hand des Menschen entdeckt.

Wir versuchten, aus dieser Bucht durch die Meerenge hinauszukommen, welche die Inseln Alegranza und Montaña Clara trennt und durch die wir ohne Schwierigkeit hineingekommen waren, um an der nördlichen Spitze von Graziosa zu landen. Da der Wind sehr schwach wurde, trieben uns die Strömungen sehr nahe an eine Klippe, an der sich das Meer mit Gewalt brach und welche die alten Karten mit dem Namen der Hölle oder Infierno bezeichnen. Da wir diese Klippe in einer Entfernung von 240 Faden vor der Korvette erblickten, so erkannten wir, daß es eine Erhöhung von Lava, 3 bis 4 Toisen hoch, ist, voll Höhlen und mit Schlacken bedeckt, die dem coaks, oder der schwammigen Masse der entschwefelten Steinkohlen, ähnlich sind. Man kann annehmen, daß der Felsen Infierno, den die neuesten Karten Roca del Oeste nennen, durch vulkanisches Feuer in die Höhe gehoben wurde. Es ist selbst möglich, daß er ehemals viel höher war; denn die Neue Insel der Azoren, die man in den Jahren 1638 und 1719 zu wiederholten Malen aus dem Meer emporsteigen sah, hatte sich bis zu einer Höhe von 115 m erhoben; und als sie im Jahr 1723 völlig verschwand, fand man an der Stelle, die sie eingenommen hatte, 80 Faden Tiefe. Die Idee, welche ich über den Ursprung der basaltischen Klippe Infierno äußere, wird durch eine Erscheinung bestätigt, die gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts in diesen Gegenden beobachtet wurde. Beim Ausbruch des Vulkans von Temanfaya erhoben sich zwei pyramidale Hügel von steinartiger Lava vom Boden des Ozeans und vereinigten sich allmählich mit der Insel Lanzarote.

Da der schwache Wind und die Strömungen uns nicht erlaubten, aus dem Alegranza-Kanal hinauszufahren, so beschloß man, die Nacht über zwischen der Insel Clara und dem östlichen Felsen zu lavieren. Dieser Entschluß hätte für uns bald schlimme Folgen gehabt. Es ist sehr gefährlich, in der Nähe dieses letzten Felsens, gegen den die Strömung mit einer außerordentlichen Gewalt antreibt, Windstille zu haben. Um Mitternacht fingen wir an, die Wirkungen dieser Strömung zu bemerken. Die Nähe der Felsmassen, die sich senkrecht über das Wasser erheben, raubte uns den wenigen Wind, der wehte; die Korvette gehorchte fast nicht mehr dem Steuer, und jeden Augenblick fürchtete man anzustoßen. Es ist schwer zu begreifen, wie eine Basaltkuppe, mitten im weiten Ozean isoliert, eine so beträchtliche Bewegung der Fluten hervorbringen kann. Diese Erscheinungen, welche die Aufmerksamkeit der Naturforscher mit Recht verdienen, sind übrigens den Seefahrern wohlbekannt; man beobachtete sie auf eine furchtbare Art in der Südsee, besonders in dem kleinen Archipel der Galápagos-Inseln. Der Unterschied der Temperatur zwischen der Flüssigkeit und der Masse der Felsen kann die Richtung der Strömungen nicht erklären; und wie sollte man annehmen, daß sich das Wasser an der Grundfläche dieser Klippen, die öfters nicht vulkanischen Ursprungs sind, verliere und daß dieses beständige Verschwinden des Wassers die Wassermoleküle bestimme, den dadurch entstandenen leeren Raum auszufüllen.

Da der Wind den 18. [Juni 1799] des Morgens etwas frischer wurde, so gelang es uns, durch den Kanal zu kommen. Wir näherten uns nochmals sehr dem Infierno und erkannten große Spalten, durch die wahrscheinlich die Gase bei der Erhebung dieser basaltischen Kuppe drangen. Wir verloren die kleinen Inseln Alegranza, Montaña Clara und Graziosa aus den Augen, die niemals von den Guanchen bewohnt worden zu sein scheinen. Man besucht sie heutzutage bloß, um Orseille [Färberflechte] zu sammeln; dieses Produkt ist übrigens weniger gesucht, seit so viele flechtenartige Pflanzen des nördlichen Europas kostbare Materialien für die Färberei liefern. Montaña Clara ist wegen der schönen Kanarienvögel, die man dort findet, berühmt. Der Sang dieser Vögel ist in verschiedenen Kolonien verschieden, wie er bei unseren Finken oft in zwei benachbarten Montaña Clara ernährt auch Ziegen, zum Beweis, daß das Inselchen weniger dürr ist als die Küsten, die wir beobachtet haben. Der Name Alegranza bedeutet soviel wie „die Fröhliche“ und wurde der Insel von den ersten Eroberern der Canarischen Inseln, zwei normannischen Baronen, Jean de Bétencourt und Gadifer de Salle, gegeben. Es war dies der erste Punkt, wo sie landeten. Nachdem sie einige Tage zu Graziosa verweilt hatten, wovon wir einen kleinen Teil untersucht haben, faßten sie den Entschluß, sich der benachbarten Insel Lanzarote zu bemächtigen, wo Guadarfia, der Souverän der Guanchen, sie mit der gleichen Gastfreundschaft aufnahm, die Cortés im Palast Moctezumas fand. Der König, ein Hirte, der keinen anderen Reichtum als seine Ziegen hatte, wurde ebenso niederträchtig verraten wie der mexicanische Sultan.

Wir fuhren längs der Küsten von Lanzarote, der Insel Lobos und von Fuerteventura hin. Die zweite dieser Inseln scheint ehemals zu den beiden anderen gehört zu haben. Diese geologische Hypothese wurde schon im 17. Jahrhundert von dem Franziskanermönch Juan Galindo vertreten. Dieser Schriftsteller nahm sogar an, der König Juba habe deswegen nur sechs canarische Inseln benannt, weil zu seiner Zeit drei von ihnen zusammenhingen. Ohne diese nicht wahrscheinliche Hypothese anzunehmen, glaubten gelehrte Geographen im canarischen Archipel die beiden Inseln Junonias, die Insel Nivaria, Ombrios, Canaria und Capraria der Alten zu erkennen.

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