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Ich rief beim Möbelmuseum an. Es war noch geschlossen, und es würde auch geschlossen bleiben, weil der Engländer sich dort einquartiert hatte, wie mir der Anrufbeantworter widerspruchssicher mitteilte. Ich musste also umdisponieren wegen der Vereidigung meiner Regierungsmannschaft. Ich beschloss, sie vorerst gar nicht zu vereidigen, dann konnten die Minister auch gegen nichts verstoßen und ihre Freiheit so komplett für das Regieren in einem vorvereidigten Zustand verwenden, was den Reibungsverlust im unvereidigtem Amt praktisch auf Null reduzierte. Das war bisher in der Praxis noch niemals gelungen. So war nun ein altes, ungelöstes Problem auf kunstvolle, theoretische Art gelöst, und das mit der Leichtigkeit eines einohrigen Zapfhahns, der zufrieden auf seinem Mist krähte.

Aber damit wollte ich mich auf keinen Fall zufrieden geben. Ich wollte den Reibungsverlust der Null auf jeden Fall noch deutlich unterbieten. Die damit gewonnene Energie reichte locker dazu aus, den Bedarf aller Kaffeeautomaten in allen Ministerien zu decken und so einen wichtigen Beitrag zu leisten. Das Energieproblem hatte ich damit also schon gleich am Anfang besiegt, natürlich auch dieses vorbildlich und unnachahmlich wie alles übrige auf rein theoretischer und umweltschonender Basis. Doch jetzt, beim nächsten Schritt des Fortschritts, ging es um die Praxis, und die lauerte bereits auf mich an der Bar mit ihrem scharfen Cocktailkleid. Es ging darum, diesen wichtigen Beitrag nun mit einem Leben zu erfüllen, das diesen Namen auch verdiente. Ohne Regierungspersonal waren nämlich auch die Kaffeeautomaten nutzlos und die schöne Energieersparnis wüsste dann auch nicht wohin mit sich und würde bestimmt unrasiert in der Gegend herum vagabundieren wie eine Gruppe Junggesellen im Frühling. Das war eine aufregende Aussicht. Die sich daraus ergebende Information war für mich mehr wert als tausend schöne Worte, und ich zog mich mit ihr zurück auf die schneebedeckten Gipfel Ostfrieslands. Nur hier konnte ich das Problem der Theorie – Praxis – Polarität lösen. In der unverdünnten Luft dort würde die aufregende Aussicht sich in reine Materie verwandeln, in ein neues, unbekanntes Element, an dem meine Wissenschaftler sich ihre Zahnimplantate ausbeißen konnten. Ich hatte eben für jeden einen schönen Knochen in der Tasche. Kein Wunder, dass ich für diese fürsorgliche Einstellung auch einen Ehrentitel bekam. Natürlich war ich viel zu bescheiden, um ihn selbst öffentlich zu verbreiten. Mit dieser Aufgabe wollte ich meine zukünftigen Minister betrauen.

Bald schon kam es zu einer unvermeidlichen Geburt. Es war die Geburt einer Idee. Vielleicht waren die Kaffeeautomaten in den Ministerien ja gar nicht nutzlos. Vielleicht konnten sie ja einfach die Amtsgeschäfte der Minister übernehmen, solange die noch nicht da waren. Möglicherweise war das mit einigen, wenigen Handgriffen zu erledigen. Ich rief meinen Ornithologen an. Er hatte sicher nichts dazu zu sagen. Und er enttäuschte mich nicht. Er war ein guter Mann. Männer wie er waren ein Glücksfall. Sie waren überall zu finden. Überall Glück und Glück und noch mehr Glück. Das wollte ich auf Dauer keinem zumuten. Schon aus machttaktischen Gründen änderte ich die Welt und erhob den seltenen Glücksfall zur neuen Norm. Die Sache mit den Kaffeeautomaten hatte ich daraufhin im Licht dieser neuen Lage vertagt bis spät in die Nacht. Ich wollte das erst noch von meiner Kellnerin durchkalkulieren lassen. Wenn sie ihr O.K. gab, würde ich ernst machen.

Die Kaffeeautomaten blieben derweil ruhig. Sie regte diese Aussicht ebenso wie jede andere Aussicht nicht im geringsten auf. Unbeeindruckt kochten sie weiter Kaffee, souverän und stoisch. Sie waren keine aufgeregten Hühner. Das war natürlich schade, denn jetzt konnte ich erkennen, dass sie die als Ersatz für die abwesenden Minister ungeeignet waren. Die Qualität ihres Handelns war einfach zu zielgerichtet und hätte die künftigen Minister dadurch nur unnötig einem zu hohen Leistungsdruck ausgesetzt, was aber schlecht für Herz und Kreislauf war und somit gesetzlich verboten. Ja, als Ministerpräsident hatte ich die Pflicht, an alles und alle zu denken. Damit war die gerade erst geborene Idee schon gestorben. Manchmal ging es sehr schnell, schneller als ein Kaffeeautomat kochen konnte.

Ein Lachen aus weiter Ferne erreichte mich. Ich spitzte meine abgerundeten Ohren. Es war das Lachen des doppelköpfigen Hamsters, meines alten Meisters, der mich beim Regieren beobachtet hatte. Er war also, genau wie ich, wieder unter den Lebenden, und ich überlegte, ob ich das ändern musste. Ich war schließlich der Regierende. Und da gab es nichts zu lachen. Für keinen. Und außerdem gab es für kaum etwas so viele Punkte beim Wahlvolk, wie wenn einer dem doppelköpfigen Hamster eins auswischte. Der Grund dafür lag in der schönen, unvergrauten, weiß gewaschenen Vorzeit, die dieser Nostalgiker unbedingt wieder einführen wollte. Er war einfach zu konservativ für das Wahlvolk, das am liebsten rudimentär dachte. Ich wusste das und nutzte dieses Wissen bedenkenlos aus, indem ich drohte, ihm das Ministerium für lockere Sitten zu übertragen. Augenblicklich erstarb das hämische Lachen des doppelköpfigen Hamsters und nicht nur das.

Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2

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