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Ich passierte das Ortsschild und betrat den Ortsteil Eben. Im gleichen Moment war ich wieder allein. Der Gummibär hatte es noch so eben nach Drumrum geschafft. Er war wirklich ein guter Mann und überdies ausgestattet mit der überragenden Technik eines modernen Maulwurfs. Ich holte mein berüchtigtes Notizbuch hervor und notierte. Er hatte es wirklich verdient, notiert zu werden. Ich setzte meinen schärfsten Kanarienvogel auf ihn an. Er durfte ihn auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Eines Tages würde ich ihm nämlich ein Angebot unterbreiten, dass er am liebsten ablehnen würde. Aber davon sagte ich dem Kanarienvogel natürlich nichts. Scharfe Kanarienvögel waren oft knapp bei Kasse. Bei denen wusste man nie. Die kamen manchmal auf ganz komische Ideen. Außerdem hatten sie einfach keine Ahnung davon, wie man vertrocknete Zahnpasta am besten aus der Tube drückte. Mehr musste ich in diesem Fall wohl nicht sagen.

Der Ortsteil Eben war zu meiner Überraschung völlig eben und kein bißchen hügelig, wie immer behauptet worden ist. Da steckte bestimmt jemand dahinter oder möglicherweise auch irgendjemand. Im Augenblick hatte ich aber keine Zeit, mich um die genauen Details zu kümmern, weil ich Wichtigeres zu tun hatte. Wenn aber meine Regierungsmaschinerie demnächst alles in ihrem liebevollen Würgegriff hatte, würde ich den Leuten aus Eben eine Hügellandschaft vor die Nase setzen, dass sie glaubten, sie lebten auf einem Golfplatz. Auf die Löcher würde ich allerdings verzichten und stattdessen lieber mit dem dafür eingesparten Geld eine Statue von mir in Auftrag geben und sie dann am Haupteingang aufstellen lassen. Eine Ministerpräsidentenstatue in ganz groß schwebte mir da vor. Es war wichtig dem Wahlvolk einen Platz zu geben, damit es auch wusste, wohin mit den vielen Gefühlen für seinen gewählten Ministerpräsidenten.

Auf der völlig ebenen Hauptstraße kam mir eine laut lärmende Prozession entgegen. Ich wollte drumrum, aber man versperrte mir den Weg dorthin. Weder über rechts noch über links ging es nach Drumrum. Da bemerkte ich, dass die ganze Prozession aus lauter Ehepartnern bestand. Zur genaueren Untersuchung schickte ich sie in ein Labor. Als Ministerpräsident brauchte ich absolute Gewissheit. Da stellte sich heraus, dass es alles meine eigenen Ehepartner waren, die ich einst aus geschäftlichen Gründen zu dem beliebten Ehepartnerberg aufgetürmt hatte, während der Zeit meines Wahlkampfs. Nun wollten sie mir zeigen, wie sehr sie mich liebten und mich einfach nicht drumrum lassen.

Ihre kindliche Naivität berührte mich tief in meinen Eingeweiden, und ich wollte schon anfangen zu weinen, da kam mir der Gedanke, diese Tätigkeit doch lieber Leuten zu überlassen, die davon mehr Ahnung hatten. Ich buchte, sie kamen und weinten meisterlich. Jetzt weinten auch meine Ehepartner. Besser hätte ich das auch nicht hingekriegt. Endlich hatten wir eine belastbare Basis für ein Gespräch gefunden.

„Warum weint ihr denn?“fragte ich sie. „ Ich bin doch da.“

„Weil du drumrum willst“, antworteten sie wie aus einem Mund.

Es hörte sich fast so an, als hätten sie das in einem Tagungshaus ein ganzes Wochenende lang eingeübt.

„Ich muss“, erklärte ich ihnen mein Tun.

„Warum?“ fragten sie.

„Aus beruflichen Gründen,“ sagte ich.

„Welche könnten das wohl sein?“ fragten sie mit einer gewissen neugierigen Hinterhältigkeit.

„Auf meiner Liste sind es die Gründe 7 a bis 11,01“, gab ich Auskunft, kurz und bündig, klar, deutlich und konkret, so wie es meine Art war.

„Das ist natürlich etwas anderes“, sagten sie daraufhin kleinlaut. „Das haben wir nicht gewusst.“

„Macht euch keine Vorwürfe“, antwortete ich. „Es reicht, wenn ihr euch ganz schnell verpisst.“

Spontan begannen sie, sich mit lauter Stimme, sogar mit sehr lauter Stimme, bei mir für meinen Großmut zu bedanken. Ich beruhigte sie mit meinem beruhigenden Lächeln, serviert auf braunem Zahnschmelz, und versprach ihnen das Blaue vom Ei. Das gab ihnen einen solch gewaltigen, libidonösen Energieschub in meine Richtung, dass es nur so staubte. Und nur diesem Staub hatte ich es zu verdanken, dass ich ungesehen drumrum kam. Der Weg nach Drumrum war nun frei.

Feierlich hielt ich Einzug. Zuerst war ich sehr erschrocken. Alles stand dumm rum. Häuser, Straßenlaternen, Bäume, Autos, Lebewesen mit einem Bein oder auch zwei oder drei. Wie der Chor der tausend Pferde mir musikalisch gekonnt mitteilte, war das die traditionelle Lebensweise in Drumrum und drum herum. Jetzt war mir klar, dass hier das ideale Versteck für meine flüchtigen Minister war. Hier waren sie unsichtbar, und zwar ohne sich übermäßig dafür anstrengen zu müssen. Sie mussten einfach nur stehen, und zwar dumm rum in Drumrum, so wie alle.

„Danke“, rief ich laut und deutlich durch mein Megaphon, so dass es auch die hören konnten, die sich im Keller versteckt hatten, „das war's, ihr könnt jetzt alle rauskommen! Mit erhobenen Händen, bitteschön!“

Es passierte aber nichts, und das obwohl ich frische Brötchen für mich mitgebracht hatte. Es schien, als hätte hier an diesem Ort die Macht der frischen Brötchen ihren Meister gefunden. Ich setzte mich, weil mir von dem ganzen dumm rumstehen schon der Rücken weh tat, in ein Café und vertiefte mich in eine alte, zahnlose Zeitung. Da las ich, dass die flüchtigen Minister schon längst irgendwoanders waren. Ich applaudierte anerkennend. Gute Leute wussten immer, wann es Zeit war nach irgendwoanders zu gehen. Und ich wusste, dass ich den Richtigen auf der Spur war. Ich würde nicht eher ruhen, bis sie alle in ihre Ministerien getragen worden wären, einzeln und in einer zugemauerten Sänfte.

Die vier starken Burschen würden sich freuen, endlich wieder neue Aufträge zu haben. Ich konnte nach diesen guten Nachrichten erst einmal duschen gehen. Ich nahm an, dass es hier nicht anders zuging als anderswo auch. Einer duschte die andere, so wie es sich gehörte. Doch sofort merkte ich, dass ich fast einer Illusion aufgesessen wäre. Hier war es tatsächlich anders als anderswo. Denn anders als anderswo duschte hier die andere den einen. Es war also genau umgekehrt. Neumodische Sitten, so wie diese, das war klar, konnten sich unter meiner Regierung schon einmal warme Sachen kaufen gehen. Nützen würden die ihnen aber nichts. Erst müssten sie auf den Prüfstand, und dann würde ich sie mit einer gezielten Überdosis Güte aus der Tiefkühltruhe meines so herzhaften Herzens einfach abschaffen, ohne mit der kleinsten Wimper zu zucken. Andere Zuckungen waren selbstverständlich erlaubt. Die Hygiene, mit der ich schon so viel erlebt hatte, würde mir für mein entschlossenes Handeln in dieser infektiösen Sache sicherlich einen langen Fernsehabend widmen. Bevor ich mich aber in meinem Massagesessel vor dem Bildschirm niederlassen konnte, hatte ich noch etwas Geschäftliches zu erledigen.

Trilogie der reinen Unvernunft Bd. 2

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