Читать книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Оноре де'Бальзак, Honoré de Balzac, Balzac - Страница 54

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Als es nach der Ver­ab­schie­dung des Etats durch die Kam­mer Früh­ling ge­wor­den war, flüch­te­te die Fa­mi­lie, ein ech­tes Ab­bild der par­la­men­ta­ri­schen Fa­mi­li­en von jen­seits des Kanals, die in al­len Ver­wal­tungs­zwei­gen drin ste­hen und zehn Par­la­ments­sit­ze zu ver­ge­ben ha­ben, wie eine Vo­gel­he­cke in die schö­nen Ge­gen­den von Aul­nay, Ant­ony und Cha­ten­ay. Der rei­che Ge­ne­ral­ein­neh­mer hat­te kürz­lich hier ein Land­haus für sei­ne Frau ge­kauft, die sich nur wäh­rend der Kam­mer­ses­sio­nen in Pa­ris auf­hielt. Ob­gleich die schö­ne Emi­lie das Bür­ger­pack ver­ach­te­te, ging die­se Emp­fin­dung doch nicht so weit, daß sie die An­nehm­lich­kei­ten ei­nes von Bour­geois zu­sam­men­ge­brach­ten Ver­mö­gens ver­schmäh­te; sie be­glei­te­te also ihre Schwes­ter in die kost­ba­re Vil­la, we­ni­ger aus Freund­schaft für ihre Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­gen, die sich dort­hin zu­rück­zo­gen, als weil der gute Ton, von je­der Frau, die et­was auf sich hält, ge­bie­te­risch ver­langt, daß sie Pa­ris wäh­rend des Som­mers mei­det. Die grü­nen Fel­der von Sceaux er­füll­ten vor­treff­lich die Be­din­gun­gen, die der gute Ton und die Ver­pflich­tun­gen ge­gen­über der Öf­fent­lich­keit ver­lang­ten.

Da es ziem­lich zwei­fel­haft er­scheint, ob der Ruf des länd­li­chen Bal­les von Sceaux je­mals über die Gren­zen des Sei­ne­de­par­te­ments hin­aus be­kannt ge­wor­den ist, müs­sen not­wen­di­ger­wei­se ei­ni­ge Ein­zel­hei­ten über die­ses all­wö­chent­li­che Fest ge­ge­ben wer­den, das in­fol­ge sei­ner Be­deu­tung eine öf­fent­li­che Ein­rich­tung zu wer­den schi­en. Die Um­ge­bung der klei­nen Stadt Sceaux ge­nießt einen gu­ten Ruf in­fol­ge ih­rer Lage, die als rei­zend gilt. Sie mag viel­leicht ziem­lich ge­wöhn­lich sein und ihre Berühmt­heit nur der An­spruchs­lo­sig­keit der Pa­ri­ser Bour­geois ver­dan­ken, die, wenn sie aus der Tie­fe ih­rer Stein­kas­ten, in de­nen sie be­gra­ben sind, her­aus­kom­men, so­gar im­stan­de wä­ren, die kah­len Ebe­nen der Beau­ce zu be­wun­dern. Im­mer­hin, da sich in dem poe­ti­schen schat­ti­gen Wal­de von Aul­nay, auf den Hü­geln von Ant­ony und in dem Tal von Bièvre auch et­li­che Künst­ler, die die Welt ge­se­hen hat­ten, Frem­de, die sehr wäh­le­risch wa­ren, und eine An­zahl hüb­scher Da­men, die einen gu­ten Ge­schmack be­sa­ßen, auf­hiel­ten, so kann man wohl an­neh­men, daß die Pa­ri­ser recht hat­ten. Aber Sceaux be­sitzt noch eine an­de­re, nicht we­ni­ger mäch­ti­ge An­zie­hungs­kraft auf den Pa­ri­ser. In­mit­ten ei­nes Gar­tens mit ent­zücken­den Aus­bli­cken be­fin­det sich eine rie­si­ge, nach al­len Sei­ten of­fe­ne Rotun­de, mit ei­nem un­ge­heu­ren leich­ten Dach, das von zier­li­chen Pfei­lern ge­tra­gen wird. Die­ser länd­li­che Bal­da­chin be­schirmt einen Tanz­saal. Sel­ten nur ver­säu­men es selbst die zu­rück­hal­tends­ten Guts­be­sit­zer aus der Nach­bar­schaft, ein- oder zwei­mal wäh­rend der Sai­son nach die­sem Palas­te der dörf­li­chen Terp­si­cho­re zu pil­gern, ent­we­der in glän­zen­der Ka­val­ka­de zu Pfer­de oder in leich­ten, ele­gan­ten Wa­gen, die die zu Fuß wan­dern­den Phi­lo­so­phen in Staub­wol­ken ein­hül­len. Die Hoff­nung, hier Da­men der vor­neh­men Ge­sell­schaft zu be­geg­nen und von ih­nen ge­se­hen zu wer­den, die sel­te­ner ge­täusch­te Er­war­tung, hier jun­ge Bäue­rin­nen zu se­hen, die eben­so schlau sind wie Ad­vo­ka­ten, läßt am Sonn­tag zu dem Ball von Sceaux Schwär­me von Ad­vo­ka­ten­schrei­bern, Äs­ku­lap­schü­lern und jun­ge Leu­te, de­nen die feuch­te Luft der Pa­ri­ser Hin­ter­lä­den ihre blas­se Ge­sichts­far­be und krank­haf­te Fri­sche er­hal­ten hat, her­bei­strö­men. Auch eine gan­ze An­zahl von Ehe­bünd­nis­sen der Bür­ger­krei­se ha­ben ihre ers­te An­knüp­fung bei der Mu­sik des Or­che­s­ters, das im Mit­tel­punk­te die­ses kreis­run­den Saals un­ter­ge­bracht ist, er­fah­ren. Wenn das Dach re­den könn­te, wie vie­le Lie­bes­ge­schich­ten hät­te es zu er­zäh­len? Die­se in­ter­essan­te Mi­schung mach­te da­her den Ball von Sceaux an­zie­hen­der als ei­ni­ge an­de­re Tanz­lo­ka­le in der Um­ge­bung von Pa­ris, vor de­nen er auch noch durch sei­ne Rotun­de, sei­ne schö­ne Lage und sei­nen hüb­schen Gar­ten un­be­streit­ba­re Vor­zü­ge be­saß. Emi­lie ließ als die ers­te den Wunsch laut wer­den, sich auf die­sem Be­zirks­ball »un­ter das Volk zu mi­schen«, da sie sich ein au­ßer­or­dent­li­ches Ver­gnü­gen da­von ver­sprach, sich in­mit­ten die­ser Ge­sell­schaft zu be­we­gen. Man war er­staunt über ih­ren Wunsch, sich in ein sol­ches Ge­wühl zu wa­gen; aber hat das In­ko­gni­to für die Gro­ßen nicht eine sehr star­ke An­zie­hungs­kraft? Fräu­lein von Fon­taine be­rei­te­te es ein Ver­gnü­gen, sich die­se fest­lich ge­klei­de­ten Bür­gers­leu­te vor­zu­stel­len, sie ver­ge­gen­wär­tig­te sich, wie die Erin­ne­rung an einen Blick oder ein be­zau­bern­des Lä­cheln von ihr in mehr als ei­nem Bür­ger­her­zen haf­ten wür­de, sie lach­te schon im vor­aus über die Prä­ten­tio­nen der Tän­ze­rin­nen und spitz­te be­reits ih­ren Blei­stift für die Sze­nen, mit de­nen sie die Sei­ten ih­res Ka­ri­ka­tu­ren­al­bums zu fül­len ge­dach­te. Da­her konn­te der Sonn­tag nicht früh ge­nug für ihre Un­ge­duld her­an­kom­men. Die Ge­sell­schaft der Vil­la Pla­nat mach­te sich zu Fuß auf den Weg, um den Rang der Per­sön­lich­kei­ten, die den Ball mit ih­rer Ge­gen­wart beeh­ren woll­ten, nicht zu ver­ra­ten. Man hat­te zei­tig ge­speist. Der Mai­mo­nat be­güns­tig­te die­se ari­sto­kra­ti­sche Lau­ne mit sei­nem herr­lichs­ten Aben­de. Fräu­lein von Fon­taine war höchst er­staunt, in der Rotun­de meh­re­re Qua­dril­len von Leu­ten tan­zen zu se­hen, die zur gu­ten Ge­sell­schaft zu ge­hö­ren schie­nen. Sie be­merk­te wohl hier und da ei­ni­ge jun­ge Leu­te, die ihre Mo­nats­er­spar­nis­se dar­an ge­wen­det hat­ten, an ei­nem Tage glanz­voll auf­zu­tre­ten, und un­ter­schied meh­re­re Pär­chen, de­ren zu aus­ge­las­se­ne Lus­tig­keit nicht auf ein ehe­li­ches Ver­hält­nis schlie­ßen lie­ßen; aber statt der er­war­te­ten Ern­te blieb ihr nur die Nach­le­se. Sie war er­staunt, zu se­hen, daß das Ver­gnü­gen im Per­kal­klei­de dem in Sei­de so durch­aus ähn­lich war, und daß die Bour­geoi­sie mit eben­so­viel Gra­zie, und zu­wei­len noch mit mehr, zu tan­zen ver­stand, wie der Adel. Die meis­ten Toi­let­ten wa­ren ein­fach aber ge­schmack­voll. Die­je­ni­gen, die in die­ser Zu­sam­men­kunft die Lehns­her­ren des Ter­ri­to­ri­ums re­prä­sen­tier­ten, näm­lich die Bau­ern, ver­hiel­ten sich, was sie nie ge­glaubt hät­te, takt­voll still in ih­rem Win­kel. Fräu­lein Emi­lie muß­te erst eine ge­wis­se Prü­fung der ver­schie­de­nen Ele­men­te, aus de­nen sich die­se Ge­sell­schaft zu­sam­men­setz­te, vor­neh­men, ehe sie einen An­laß zum Be­spöt­teln fand. Aber es blieb ihr we­der die Zeit für ihre bos­haf­ten kri­ti­schen Be­mer­kun­gen, noch die Mög­lich­keit, eine von den auf­fal­len­den Äu­ße­run­gen, die die Ka­ri­ka­tu­ris­ten so gern sam­meln, zu er­hor­chen. Das stol­ze Ge­schöpf traf auf die­sem wei­ten Ge­fil­de plötz­lich, um eine der Jah­res­zeit ent­spre­chen­de Me­ta­pher zu ge­brau­chen, auf eine Blu­me, de­ren Glanz und Far­ben auf sie mit al­lem Zau­ber des Neu­en wirk­ten. Es be­geg­net uns häu­fig, daß wir ein Kleid, eine Ta­pe­te, ein Stück wei­ßes Pa­pier all­zu zer­streut be­trach­ten, um so­fort einen Fleck oder eine her­vor­leuch­ten­de Stel­le wahr­zu­neh­men, die uns spä­ter plötz­lich so ins Auge fal­len, als ob sie erst in dem Au­gen­blick, da wir sie se­hen, ent­stan­den sei­en; ver­mö­ge ei­nes in­ne­ren, die­sem ähn­li­chen, Vor­gangs sah Fräu­lein von Fon­taine plötz­lich in ei­nem jun­gen Mann den In­be­griff der äu­ße­ren Vor­zü­ge, die sie seit so lan­ger Zeit sich er­träumt hat­te, leib­haft vor sich.

Sie hat­te sich auf ei­nem der plum­pen Stüh­le, die den Saal um­ga­ben, nie­der­ge­las­sen, und zwar auf dem äu­ßers­ten Platz der Grup­pe, die ihre Fa­mi­lie bil­de­te, um auf­ste­hen oder nach ih­rem Be­lie­ben her­um­ge­hen und die le­ben­den Bil­der und Grup­pen, die sich hier wie bei ei­ner Mu­se­ums­aus­stel­lung dar­bo­ten, be­trach­ten zu kön­nen; un­ge­niert mus­ter­te sie mit ih­rer Lor­gnet­te eine Per­son, die sich zwei Schrit­te vor ihr be­fand, und prüf­te sie, wie man einen ge­mie­te­ten Stu­dien­kopf oder eine Gen­re­sze­ne kri­ti­siert. Nach­dem ihr Blick über das ge­sam­te große le­ben­de Bild des Saa­l­es hin­ge­gan­gen war, blieb er plötz­lich auf dem Ge­sicht haf­ten, das wie ab­sicht­lich an ei­ner Stel­le des Ge­mäl­des in der schöns­ten Be­leuch­tung an­ge­bracht zu sein und mit der gan­zen Per­sön­lich­keit au­ßer je­dem Ver­hält­nis zu dem üb­ri­gen Rest zu ste­hen schi­en. Der ein­sam und träu­me­risch da­ste­hen­de Un­be­kann­te hat­te sich leicht an eine der Säu­len, die das Dach tru­gen, ge­lehnt und hielt sich mit ge­kreuz­ten Ar­men und ge­neig­tem Haup­te in ei­ner Stel­lung, als ob er sich von ei­nem Ma­ler por­trä­tie­ren las­sen woll­te. Ob­gleich vol­ler Stolz und An­mut, hat­te sei­ne Hal­tung doch nichts Af­fek­tier­tes. Kei­ne Ges­te ver­riet, daß er sei­nem Ge­sicht die Drei­vier­tel­an­sicht, und sei­nem Kop­fe die leich­te Nei­gung nach rechts, wie Alex­an­der, Lord By­ron und ei­ni­ge an­de­re große Män­ner, nur ge­ge­ben hat­te, um die Auf­merk­sam­keit auf sich zu zie­hen. Sein Blick folg­te un­ver­rückt den Be­we­gun­gen ei­ner Tän­ze­rin und ver­riet tie­fe An­teil­nah­me an ihr. Sei­ne schlan­ke, schön ent­wi­ckel­te Fi­gur er­in­ner­te an die ed­len Ver­hält­nis­se ei­nes Apol­lo­kör­pers. Schö­nes schwar­zes Haar lock­te sich na­tür­lich über sei­ner ho­hen Stirn. Mit ei­nem ein­zi­gen Blick be­merk­te Fräu­lein von Fon­taine sei­ne fei­ne Wä­sche, sei­ne neu­en zie­gen­le­der­nen Hand­schu­he, die bei ei­nem gu­ten Hand­schuh­ma­cher ge­kauft wa­ren, und sei­ne zier­li­chen Füße mit gut sit­zen­den Stie­feln aus ir­län­di­schem Le­der. Er hat­te sich nicht mit den ge­schmack­lo­sen Ber­lo­cken be­hängt, die die frü­he­ren Zier­ben­gel der Na­tio­nal­gar­de und die Lo­ve­la­ces der Kon­to­re an sich zu tra­gen pfle­gen. Nur ein schwar­zes Band, an dem sein Au­gen­glas be­fes­tigt war, hing über die Wes­te von un­ta­de­li­gem Schnitt her­ab. Nie­mals hat­te die schwer zu be­frie­di­gen­de Emi­lie bei ei­nem Man­ne Au­gen mit so lan­gen und so ge­schwun­ge­nen Wim­pern ge­se­hen. Me­lan­cho­lie und Lei­den­schaft spra­chen aus die­sem männ­li­chen, oliv­far­be­nen Ant­litz. Der Mund schi­en im­mer zum Lä­cheln und zum Öff­nen der be­red­ten Lip­pen be­reit zu sein; aber so, daß sich dar­in nicht Froh­sinn, son­dern eine ge­wis­se lie­be­vol­le Trau­er aus­drück­te. Der Cha­rak­ter die­ses Kop­fes war zu be­deu­tend und zu ei­gen­ar­tig, als daß man hät­te sa­gen mö­gen: Das ist ein schö­ner oder ein hüb­scher Mann! Nein, er er­reg­te auch den Wunsch, ihn nä­her ken­nen­zu­ler­nen. Auch der scharf­sich­tigs­te Beo­b­ach­ter hät­te ge­ste­hen müs­sen, daß er ihn für einen Mann von her­vor­ra­gen­der Be­ga­bung hal­te, den ir­gend­ein be­son­de­res In­ter­es­se zu die­sem dörf­li­chen Fest her­ge­führt habe.

Die­se Fül­le von Beo­b­ach­tun­gen mach­te Emi­lie in ei­nem ein­zi­gen auf­merk­sa­men Mo­ment, in dem die­ser be­vor­zug­te Mann nach stren­ger Prü­fung der Ge­gen­stand heim­li­cher Be­wun­de­rung wur­de. Jetzt sag­te sie nicht: es muß ein Pair von Frank­reich sein! Son­dern nur: Oh, wenn er von Adel wäre, und das muß er sein … Ohne ih­ren Ge­dan­ken zu Ende zu den­ken, er­hob sie sich und nä­her­te sich, ge­folgt von ih­rem Bru­der, dem Ge­ne­ral­leut­nant, der Säu­le, wäh­rend sie schein­bar die lus­ti­gen Qua­dril­len be­trach­te­te; aber ver­mö­ge ei­nes op­ti­schen Kunst­griffs, der den Frau­en ge­läu­fig ist, ver­lor sie kei­ne ein­zi­ge Be­we­gung des jun­gen Man­nes, dem sie sich nä­her­te, aus den Au­gen. Der Un­be­kann­te mach­te den bei­den Heran­kom­men­den höf­lich Platz und lehn­te sich an eine an­de­re Säu­le. Emi­lie, die von der Höf­lich­keit des Frem­den eben­so be­trof­fen war, wie sie es von ei­ner Un­höf­lich­keit ge­we­sen wäre, be­gann nun eine Un­ter­hal­tung mit ih­rem Bru­der, wo­bei sie lau­ter sprach, als es der gute Ton ge­stat­te­te; sie nahm ver­schie­de­ne Kopf­hal­tun­gen an, be­weg­te sich leb­haft und lach­te ohne An­laß, we­ni­ger um ih­ren Bru­der zu un­ter­hal­ten, als um die Auf­merk­sam­keit des teil­nahm­lo­sen Un­be­kann­ten auf sich zu zie­hen. Aber kei­ner die­ser Kunst­grif­fe woll­te ver­fan­gen. Fräu­lein von Fon­taine folg­te jetzt der Rich­tung der Bli­cke des jun­gen Man­nes und er­kann­te nun, wes­halb er sich nicht um sie küm­mer­te.

In der Qua­dril­le vor ihr tanz­te eine jun­ge blas­se Per­son, die an die schot­ti­schen Göt­tin­nen er­in­ner­te, wel­che Gi­ro­det auf sei­nem Rie­sen­ge­mäl­de »Fran­zö­si­sche Krie­ger von Os­si­an emp­fan­gen« dar­ge­stellt hat. Emi­lie glaub­te in ihr eine be­rühm­te Lady zu er­ken­nen, die seit ei­ni­ger Zeit ein be­nach­bar­tes Land­gut be­wohn­te. Ihr Ka­va­lier war ein jun­ger Mann von fünf­zehn Jah­ren mit ro­ten Hän­den, Nan­king­ho­sen, ei­nem blau­en Rock und wei­ßen Schu­hen, der be­wies, daß ihre Tanz­lei­den­schaft sie nicht wäh­le­risch in be­zug auf ih­ren Part­ner mach­te. Ihren Be­we­gun­gen merk­te man ihre an­schei­nen­de Schwä­che nicht an; nur eine leich­te Röte ver­brei­te­te sich über ihre blas­sen Wan­gen, und ihr Teint fing an sich zu be­le­ben. Fräu­lein von Fon­taine nä­her­te sich der Qua­dril­le, um die Frem­de, wenn sie auf ih­ren Platz zu­rück­ging, wäh­rend die Vi­sa­vis die glei­che Fi­gur aus­führ­ten, bes­ser be­ob­ach­ten zu kön­nen. Aber der Un­be­kann­te trat jetzt vor, beug­te sich zu der hüb­schen Tän­ze­rin her­ab, und die neu­gie­ri­ge Emi­lie konn­te deut­lich die in be­feh­len­dem, aber sanf­tem Tone ge­spro­che­nen Wor­te ver­ste­hen:

»Kla­ra, mein Kind, tan­ze nicht mehr.«

Kla­ra mach­te ein et­was är­ger­li­ches Ge­sicht, nick­te aber ge­hor­sam mit dem Kop­fe und lä­chel­te schließ­lich. Nach dem Tan­ze leg­te der jun­ge Mann mit al­ler Vor­sorg­lich­keit ei­nes Lie­ben­den einen Kasch­mir­schal um die Schul­tern des jun­gen Mäd­chens und wies ihr einen Sitz an, wo sie vor dem Win­de ge­schützt war. Bald dar­auf folg­te Fräu­lein von Fon­taine, die sie auf­ste­hen und au­ßen um den Saal her­um­ge­hen sah, wie Leu­te, die auf­bre­chen wol­len, ih­nen un­ter dem Vor­wan­de, daß sie die Aus­sichts­punk­te des Gar­tens auf­su­chen wol­le. Ihr Bru­der füg­te sich mit spöt­ti­scher Gut­mü­tig­keit die­ser Lau­ne, drau­ßen so um­her­zu­schwei­fen. Emi­lie sah nun, wie das Paar einen ele­gan­ten Til­bu­ry be­stieg, bei dem sich ein Kut­scher in Li­vree be­fand: erst in dem Mo­ment, da der jun­ge Mann oben auf dem Kut­scher­sit­ze die Zü­gel ord­ne­te, traf sie ein Blick von ihm, der nicht an­ders war, als wie man mit ei­nem sol­chen acht­los eine Men­schen­men­ge streift; nach­her hat­te sie noch die schwa­che Ge­nug­tu­ung, daß sie ihn zwei­mal nach­ein­an­der den Kopf um­wen­den sah, und die jun­ge Un­be­kann­te tat des­glei­chen. War das Ei­fer­sucht?

»Ich den­ke, du hast den Gar­ten nun ge­nü­gend be­wun­dert,« sag­te ihr Bru­der, »und wir kön­nen den Tanz­saal wie­der auf­su­chen.«

»Gern«, er­wi­der­te sie. »Glaubst du, daß das eine Ver­wand­te von Lady Dud­ley war?«

»Lady Dud­ley kann einen Ver­wand­ten bei sich zu Be­such ha­ben,« ant­wor­te­te der Baron von Fon­taine, »aber eine Ver­wand­te, nein.«

Am nächs­ten Mor­gen gab Fräu­lein von Fon­taine dem Wun­sche Aus­druck, einen Aus­ritt zu ma­chen. Un­merk­lich ge­wöhn­te sie ih­ren al­ten On­kel und ihre Brü­der dar­an, sie auf sol­chen Mor­gen­rit­ten zu be­glei­ten, die, wie sie be­haup­te­te, ih­rer Ge­sund­heit sehr zu­träg­lich wa­ren. Ei­gen­ar­ti­ger­wei­se be­vor­zug­te sie hier­bei die Um­ge­bun­gen des Dor­fes, wo Lady Dud­ley wohn­te. Trotz ih­res Um­her­strei­fens zu Pfer­de sah sie den Frem­den nicht so schnell wie­der, wie die hoff­nungs­freu­di­ge Su­che nach ihm sie er­war­ten ließ. Wie­der­holt be­such­te sie den Ball von Sceaux wie­der, ohne dort den jun­gen Eng­län­der zu fin­den, der wie vom Him­mel her­ab­ge­fal­len war, um ihre Träu­me zu be­schäf­ti­gen und zu ver­schö­nern. Ob­gleich nichts die ent­ste­hen­de Lie­be ei­nes jun­gen Mäd­chens so an­sta­chelt wie ein Hin­der­nis, so kam doch für Fräu­lein Emi­lie von Fon­taine ein Mo­ment, da sie im Be­grif­fe war, die­se merk­wür­di­ge heim­li­che Ver­fol­gung auf­zu­ge­ben, weil sie an dem Er­fol­ge ei­nes Un­ter­neh­mens ver­zwei­fel­te, des­sen Ei­gen­ar­tig­keit einen Be­griff von der Kühn­heit ih­res Cha­rak­ters ge­ben kann. Sie hät­te in der Tat auch noch lan­ge um das Dorf Gha­ten­ay her­u­mir­ren kön­nen, ohne ih­ren Un­be­kann­ten wie­der­zu­se­hen. Die jun­ge Kla­ra – mit die­sem Na­men hat­te Fräu­lein von Fon­taine sie ja nen­nen hö­ren – war kei­ne Eng­län­de­rin, und der für einen Frem­den Ge­hal­te­ne wohn­te nicht in den blü­hen­den, duf­ten­den An­la­gen von Cha­ten­ay.

Ei­nes Abends, als Emi­lie mit ih­rem On­kel aus­ge­rit­ten war, dem seit Be­ginn der schö­nen Tage sei­ne Gicht ziem­lich lan­ge Ruhe ge­las­sen hat­te, be­geg­ne­te sie der Lady Dud­ley. Ne­ben der be­rühm­ten Frem­den saß in der Ka­le­sche Herr von Van­den­es­se. Emi­lie er­kann­te das hüb­sche Paar, und ihr Ver­dacht war so­fort ver­schwun­den, wie Träu­me schwin­den. Är­ger­lich wie eine ver­geb­lich war­ten­de Frau, riß sie so scharf an den Zü­geln, daß ihr On­kel die größ­te Mühe hat­te, ihr zu fol­gen, so hat­te sie ihr Pony los ja­gen las­sen.

»Ich bin an­schei­nend zu alt ge­wor­den, um die­se zwan­zig­jäh­ri­gen Geis­ter zu ver­ste­hen,« sag­te sich der See­mann und setz­te sein Pferd in Ga­lopp, »oder viel­leicht ist die heu­ti­ge Ju­gend der ehe­ma­li­gen nicht mehr ähn­lich. Aber was hat denn mei­ne Nich­te? Jetzt läßt sie auf ein­mal ihr Pferd so lang­sam ge­hen, wie ein Gen­darm in Pa­ris auf der Stra­ße pa­trouil­liert. Man möch­te bei­na­he sa­gen, daß sie den bra­ven Bour­geois dort stel­len will, der aus­sieht wie ein träu­men­der Poet, denn er hat, wie mir scheint, ein Al­bum in der Hand. Aber wie dumm bin ich! Soll­te das nicht der jun­ge Mann sein, nach dem wir auf der Su­che sind?«

Bei die­sem Ge­dan­ken mä­ßig­te der alte See­mann den Gang sei­nes Pfer­des, um sich sei­ner Nich­te ohne Geräusch nä­hern zu kön­nen. Der Vi­zead­mi­ral hat­te sel­ber zu vie­le Strei­che im Jah­re 1771 und den fol­gen­den, in der Epo­che, da die ga­lan­ten Aben­teu­er be­liebt wa­ren, ge­macht, um nicht so­fort zu ver­mu­ten, daß Emi­lie rein durch Zu­fall den Un­be­kann­ten vom Ball von Sceaux wie­der­ge­trof­fen hat­te. Un­ge­ach­tet des Schlei­ers, den das Al­ter über sei­ne grau­en Au­gen ge­brei­tet hat­te, konn­te der Graf von Ker­ga­rou­et bei sei­ner Nich­te die Zei­chen un­ge­wöhn­li­cher Er­re­gung er­ken­nen, trotz der Un­be­weg­lich­keit, zu der sie ihr Ge­sicht zu zwin­gen ver­such­te. Der durch­drin­gen­de Blick des jun­gen Mäd­chens war mit ei­ner Art star­ren Stau­nens auf den Frem­den ge­rich­tet, der ru­hig vor ihr her­ging.

»So ist es!« sag­te sich der See­mann, »sie wird ihn ver­fol­gen, wie ein Han­dels­schiff einen Kor­sa­ren ver­folgt. Und wenn sie ge­se­hen ha­ben wird, daß er sich ent­fernt, dann wird sie in Verzweif­lung sein, daß sie nicht weiß, ob er sie liebt und ob es ein Mar­quis oder ein Bür­ger­li­cher ist. Die jun­gen Men­schen müß­ten im­mer eine alte Perücke wie mich bei sich ha­ben …«

Er trieb sein Pferd aufs Ge­ra­te­wohl vor­wärts, so daß das sei­ner Nich­te wei­ter­ging und schob es so schnell zwi­schen sie und den jun­gen Spa­zier­gän­ger, daß er ihn zwang, schnell auf den grü­nen Ra­sen­strei­fen zu tre­ten, der den Weg ein­säum­te. Wäh­rend er sein Pferd jetzt an­hielt, rief der Graf ihm zu:

»Kön­nen Sie denn nicht aus­wei­chen?«

»Oh, Ver­zei­hung, mein Herr«, ant­wor­te­te der Un­be­kann­te. »Ich wüß­te nicht, daß ich mich bei Ih­nen zu ent­schul­di­gen hät­te, da Sie mich bei­na­he über­rit­ten ha­ben.«

»Ach, Freund­chen, kei­ne Re­den wei­ter«, er­wi­der­te der See­mann scharf und in ei­nem Tone, des­sen höh­ni­scher Klang et­was Be­lei­di­gen­des hat­te.

Gleich­zei­tig er­hob der Graf sei­ne Reit­peit­sche, als ob er sei­nem Pfer­de einen Hieb ver­set­zen woll­te und streif­te da­bei die Schul­ter sei­nes Geg­ners, wäh­rend er sag­te: »Die li­be­ra­len Bour­geois sind Kan­ne­gie­ßer, und je­der Kan­ne­gie­ßer soll­te vor­sich­tig sein.«

Der jun­ge Mann stieg bei die­ser höh­ni­schen Be­mer­kung die Stra­ßen­bö­schung hin­auf, stell­te sich hier mit ge­kreuz­ten Ar­men hin und er­wi­der­te in sehr er­reg­tem Tone:

»Mein Herr, wenn ich Ihr wei­ßes Haar sehe, kann ich ei­gent­lich nicht an­neh­men, daß es Ih­nen noch Spaß macht, ein Duell zu pro­vo­zie­ren.«

»Wei­ßes Haar?« schrie der See­mann, ihn un­ter­bre­chend, »das lügst du in dei­nen Hals hin­ein, grau sind sie erst.«

Der so be­gon­ne­ne Dis­put wur­de nach we­ni­gen Se­kun­den so heiß, daß der jun­ge Geg­ner den ge­mä­ßig­ten Ton, den er bis da­hin fest­zu­hal­ten sich be­müht hat­te, fal­len ließ. So­bald der Graf von Ker­ga­rou­et sei­ne Nich­te mit al­len An­zei­chen leb­haf­ter Un­ru­he sich ih­nen nä­hern sah, nann­te er sei­nem Wi­der­sa­cher sei­nen Na­men und er­such­te ihn, vor der jun­gen Dame, die sei­ner Hut an­ver­traut war, Schwei­gen zu be­wah­ren. Der Un­be­kann­te konn­te ein Lä­cheln nicht un­ter­drücken, über­reich­te dem al­ten See­mann eine Kar­te, in­dem er ihn dar­auf auf­merk­sam mach­te, daß er ein Land­haus in Che­vreu­se be­wohn­te, und ent­fern­te sich dann schnell, nach­dem er es ihm nä­her be­zeich­net hat­te.

»Bei­na­he hät­test du die­sen ar­men Zi­vi­lis­ten ver­letzt, mei­ne lie­be Nich­te«, sag­te der Graf, der sich be­eilt hat­te, Emi­lie ent­ge­gen­zu­rei­ten. »Du hast dein Pferd nicht fest im Zü­gel. Du läßt mich da mei­ne Wür­de aufs Spiel set­zen, da­mit ich dei­ne Tor­hei­ten de­cke; wärst du bei mir ge­blie­ben, so hät­te ein ein­zi­ger Blick oder ein freund­li­ches Wort von dir, wie du sie so nett zu sa­gen weißt, wenn du nicht rück­sichts­los sein willst, al­les in Ord­nung ge­bracht, wäh­rend er so einen Arm­bruch hät­te da­von­tra­gen kön­nen.«

»Aber, lie­ber On­kel, es war doch Ihr Pferd und nicht meins, das die Schuld trägt. Ich glau­be wahr­haf­tig, Sie kön­nen nicht mehr rei­ten; Sie sind nicht mehr der gute Rei­ter, der Sie noch im letz­ten Jah­re wa­ren. Aber an Stel­le die­ses lee­ren Ge­re­des …«

»Teu­fel noch­mal! Das nennst du lee­res Ge­re­de, wenn du dei­nem On­kel Grob­hei­ten sagst?«

»Müs­sen wir uns nicht er­kun­di­gen, ob der jun­ge Mann nicht ver­letzt ist? Se­hen Sie doch, On­kel, er hin­kt ja.«

»Ach nein, er rennt. Ich habe ihm or­dent­lich den Kopf zu­recht­ge­setzt.«

»Ah so, On­kel, dar­an er­ken­ne ich Sie.«

»Halt, mei­ne lie­be Nich­te«, sag­te der Graf und hielt Emi­lies Pferd am Zü­gel fest. »Ich sehe kei­ne Not­wen­dig­keit, we­gen ir­gend­ei­nes be­lie­bi­gen La­den­schwen­gels Um­stän­de zu ma­chen, der über­glück­lich sein müß­te, wenn er von ei­nem rei­zen­den jun­gen Mäd­chen oder dem Kom­man­dan­ten der ›Bel­le-Pou­le‹ nie­der­ge­rit­ten wor­den wäre.«

»Wes­halb mei­nen Sie denn, daß er ein Ple­be­jer ist, lie­ber On­kel? Mir scheint, daß er sehr gute Ma­nie­ren hat.«

»Alle Welt hat heu­te gute Ma­nie­ren, mein Kind.«

»Nein, lie­ber On­kel, alle Welt hat nicht das Auf­tre­ten und die Hal­tung, die nur der stän­di­ge Ver­kehr mit der gu­ten Ge­sell­schaft ver­leiht; ich bin gern be­reit, mit Ih­nen zu wet­ten, daß der jun­ge Mann zum Adel ge­hört.«

»Du hast nicht ge­ra­de viel Zeit ge­habt, um ihn ge­nau an­zu­se­hen.«

»Ich sehe ihn ja nicht zum ers­ten Male.«

»Und es ist auch nicht das ers­te­mal, daß du auf der Su­che nach ihm bist«, er­wi­der­te der Ad­mi­ral la­chend.

Emi­lie wur­de rot, und ihr On­kel wei­de­te sich dar­an, sie eine Zeit­lang in ih­rer Ver­le­gen­heit zu las­sen; dann sag­te er: »Emi­lie, du weißt, daß ich dich wie mein ei­ge­nes Kind lie­be, und zwar ge­ra­de des­halb, weil du die ein­zi­ge in der Fa­mi­lie bist, die den Ah­nen­stolz be­sitzt, den eine vor­neh­me Ge­burt ver­leiht. Wer, beim Teu­fel, hät­te ah­nen kön­nen, daß sol­che wich­ti­gen Grund­sät­ze heu­te so sel­ten ge­wor­den sein wür­den? Also, ich will dein Ver­trau­ter sein. Ich sehe wohl, Klei­ne, daß die­ser jun­ge Gent­le­man dir nicht gleich­gül­tig ist. Still! Die Fa­mi­lie wür­de uns aus­la­chen, wenn wir un­ter falscher Flag­ge se­gel­ten. Du weißt, was das be­deu­tet. Also laß mich dir hel­fen, Kind. Hal­ten wir die Sa­che ge­heim, und ich ver­spre­che dir, daß ich ihn in un­ser Haus brin­gen wer­de.«

»Und wann, lie­ber On­kel?«

»Mor­gen.«

»Aber, lie­ber On­kel, das ver­pflich­tet mich doch noch zu nichts?«

»Ab­so­lut zu nichts, und du kannst ihn be­schie­ßen, ihn in Brand ste­cken und ihn dann wie eine ge­brauch­te alte Tas­se ste­hen­las­sen, wenn es dir be­liebt. Er wird dann nicht der ers­te Sol­che sein, nicht wahr?«

»Du bist so gut, lie­ber On­kel!«

So­bald der Graf heim­ge­kehrt war, setz­te er sei­ne Bril­le auf die Nase, zog heim­lich die Kar­te aus der Ta­sche und las: »Ma­xi­mi­li­an Lon­gue­ville, Rue de Sen­tier.«

»Sei be­ru­higt, mei­ne Lie­be,« sag­te er zu Emi­lie, »du kannst mit al­ler Ge­wis­sens­ru­he nach ihm an­geln, er ge­hört ei­ner un­se­rer his­to­ri­schen Fa­mi­li­en an; und wenn er noch nicht Pair von Frank­reich ist, so wird er es un­fehl­bar wer­den.«

»Und wo­her wis­sen Sie das?«

»Das ist mein Ge­heim­nis.«

»Ken­nen Sie denn sei­nen Na­men?«

Der Graf nick­te mit sei­nem grau­en Haup­te, das ei­nem al­ten Ei­chen­stamm glich, um den ei­ni­ge Blät­ter, die die Herbst­käl­te zu­sam­men­trock­nen ließ, sich rank­ten; auf die­ses Zei­chen hin be­gann sei­ne Nich­te, ihn die im­mer wie­der neue Macht ih­rer Ko­ket­te­ri­en füh­len zu las­sen. Sie ver­stand die Kunst, den al­ten See­mann zu um­schmei­cheln, und über­häuf­te ihn mit den kind­lichs­ten Zärt­lich­kei­ten und den sü­ßes­ten Wor­ten; sie ging selbst so­weit, ihn zu um­ar­men, um das ihr so wich­ti­ge Ge­heim­nis zu er­fah­ren. Der Alte, der sei­ne Zeit da­mit ver­brach­te, sich von sei­ner Nich­te sol­che Sze­nen vor­spie­len zu las­sen, und sie oft mit ei­nem Schmuck oder der Über­las­sung sei­ner Loge im Théâtre des Ita­li­ens be­zahl­te, ge­fiel sich dies­mal dar­in, sich bit­ten und vor al­lem, sich lieb­ko­sen zu las­sen. Da er aber sein Ver­gnü­gen zu lan­ge aus­deh­nen woll­te, so wur­de Emi­lie böse, ging von Zärt­lich­kei­ten zu bos­haf­ten Be­mer­kun­gen über, schmoll­te und nä­her­te sich ihm dann doch wie­der, von ih­rer Neu­gier ge­trie­ben. Der schlaue See­mann ließ sich von ihr das fei­er­li­che Ver­spre­chen ge­ben, in Zu­kunft zu­rück­hal­ten­der, sanf­ter, we­ni­ger ei­gen­sin­nig und spar­sa­mer zu sein, vor al­lem aber, daß sie ihm al­les sa­gen wür­de. Die­ser Ver­trag wur­de ge­schlos­sen und mit ei­nem Kus­se be­sie­gelt, den er auf Emi­li­ens wei­ße Stirn drück­te; dann nahm er sie in einen Win­kel des Zim­mers mit sich, setz­te sie auf sei­ne Knie, nahm die Kar­te zwi­schen zwei Fin­ger, um sie zu ver­de­cken, ent­hüll­te Buch­sta­be für Buch­sta­be den Na­men Lon­gue­ville und wei­ger­te sich hart­nä­ckig, sie mehr se­hen zu las­sen. Die­ser Vor­gang er­höh­te noch Fräu­lein von Fon­tai­nes heim­li­ches Seh­nen, die einen großen Teil der Nacht in den herr­lichs­ten Traum­bil­dern, wie sie ih­rer Ein­bil­dungs­kraft vor­ge­schwebt hat­ten, schwelg­te. Dank die­sem Vor­fall, den sie so oft her­bei­ge­sehnt hat­te, konn­te Emi­lie jetzt et­was ganz an­de­res als eine Chi­mä­re als Quel­le all der vor­ge­stell­ten Reich­tü­mer an­se­hen, mit de­nen sie ihr künf­ti­ges Ehe­le­ben aus­ge­schmückt hat­te. Wie alle jun­gen Per­so­nen, die die Ge­fah­ren der Lie­be und Ehe nicht ken­nen, schwärm­te sie für die trü­ge­ri­schen Äu­ßer­lich­kei­ten der Ehe und der Lie­be. Und so keim­te in ihr ein Ge­fühl auf, wie fast alle sol­che lau­nen­haf­ten Ge­füh­le im ju­gend­li­chen Al­ter ent­ste­hen, die­se sü­ßen und doch so bit­te­ren Irr­tü­mer, die einen so un­heil­vol­len Ein­fluß auf die Exis­tenz jun­ger Mäd­chen aus­üben, die so un­er­fah­ren sind, daß sie die Sor­ge für ihr zu­künf­ti­ges Glück al­lein auf sich neh­men. Am an­dern Mor­gen, wäh­rend Emi­lie noch schlief, be­gab sich ihr On­kel ei­ligst nach Che­vreu­se. Hier fand er auf dem Hofe ei­ner ele­gan­ten Vil­la den jun­gen Mann vor, den er am Abend vor­her so rück­sichts­los be­lei­digt hat­te; mit der lie­bens­wür­di­gen Höf­lich­keit der al­ten Her­ren am frü­he­ren Hofe ging er auf ihn zu.

»Mein ver­ehr­ter Herr, wer hät­te ge­dacht, daß ich im Al­ter von drei­und­sieb­zig Jah­ren noch in eine Af­fä­re mit dem Soh­ne oder dem En­kel ei­nes mei­ner bes­ten Freun­de ver­wi­ckelt wer­den könn­te! Ich bin Vi­zead­mi­ral, mein Herr. Das darf wohl hei­ßen, daß mich ein Duell so we­nig be­küm­mert wie das Rau­chen ei­ner Zi­gar­re. Zu mei­ner Zeit konn­ten zwei jun­ge Leu­te erst in­ti­me Freun­de wer­den, nach­dem sie die Far­be ih­res Blu­tes ge­se­hen hat­ten. Aber ges­tern, beim hei­li­gen Kreuz, hat­te ich et­was zu viel Rum ge­la­den und bin an Ih­nen ge­ken­tert. Mer­ken Sie sich: ich wür­de mich lie­ber hun­dert Zu­recht­wei­sun­gen von sei­ten ei­nes Lon­gue­ville aus­set­zen, als sei­ner Fa­mi­lie den ge­rings­ten Kum­mer be­rei­ten.«

Wie kühl sich auch der jun­ge Mann ge­gen den Gra­fen Ker­ga­rou­et zu be­neh­men such­te, lan­ge konn­te er doch nicht der frei­mü­ti­gen Herz­lich­keit sei­nes Geg­ners wi­der­ste­hen und ließ sich von ihm die Hand drücken.

»Sie woll­ten aus­rei­ten,« sag­te der Graf, »las­sen Sie sich nicht stö­ren. Wenn Sie aber nichts an­de­res vor­ha­ben, dann be­glei­ten Sie mich, ich lade Sie heu­te zum Es­sen in die Vil­la Pla­nat ein. Mein Nef­fe, der Graf von Fon­taine, ist ein Mann, den Sie ken­nen­ler­nen müs­sen. Potz Wet­ter, ich habe die Ab­sicht, Sie zur Ent­schä­di­gung für mei­ne Grob­heit fünf der hüb­sche­s­ten Frau­en von Pa­ris vor­zu­stel­len. Ha, ha, jun­ger Mann, Ihre Stirn glät­tet sich. Ich lie­be die Ju­gend und freue mich, wenn ich sie glück­lich sehe. Das ruft mir die schö­nen Jah­re mei­ner Ju­gend zu­rück, der we­der Aben­teu­er noch Duel­le ge­fehlt ha­ben. Wie war man da­mals lus­tig! Heu­te seid ihr Klug­red­ner ge­wor­den, man sorgt sich um al­les, als ob es nie­mals ein fünf­zehn­tes und sech­zehn­tes Jahr­hun­dert ge­ge­ben hät­te.«

»Aber, ver­ehr­ter Herr, ha­ben wir nicht recht da­mit? Das sech­zehn­te Jahr­hun­dert hat Eu­ro­pa die Re­li­gi­ons­frei­heit ge­schenkt, das neun­zehn­te wird ihm die po­li­ti­sche Frei …«

»Ach, re­den wir nicht von Po­li­tik. Ich bin ein hart­ge­sot­te­ner Re­ak­tio­när, wis­sen Sie. Aber ich hin­de­re die jun­gen Leu­te nicht, Re­vo­lu­tio­näre zu sein, wenn sie nur dem Kö­nig ge­stat­ten, ihre Auf­läu­fe zu zer­streu­en.«

Ei­ni­ge Schrit­te wei­ter, als der Graf und sein jun­ger Beglei­ter mit­ten im Ge­hölz wa­ren, sah der See­mann eine jun­ge, ziem­lich schlan­ke Bir­ke, hielt sein Pferd an, zog eine sei­ner Pis­to­len her­aus und schoß auf fünf­zehn Schritt Ent­fer­nung eine Ku­gel mit­ten in den Baum.

»Sie se­hen, mein Lie­ber, ich brau­che ein Duell nicht zu scheu­en,« sag­te er mit ko­mi­scher Wür­de und sah Herrn Lon­gue­ville an.

»Ich auch nicht,« er­wi­der­te die­ser, zog schnell sei­ne Pis­to­le, ziel­te auf das Loch, das die Ku­gel des Gra­fen ge­macht hat­te, und pla­zier­te die sei­ni­ge dicht da­ne­ben.

»Das nen­ne ich einen wohl­er­zo­ge­nen jun­gen Mann,« rief der See­mann mit ei­ner ge­wis­sen Be­geis­te­rung.

Wäh­rend des Rit­tes, den er mit dem Man­ne mach­te, den er schon als sei­nen Nef­fen an­sah, fand er tau­send An­läs­se, ihn über all die Klei­nig­kei­ten aus­zu­fra­gen, de­ren ge­naue Kennt­nis, nach sei­nem be­son­de­ren Ko­dex, ihn erst zu ei­nem voll­kom­me­nen Gent­le­man mach­te.

»Ha­ben Sie Schul­den?« frag­te er sei­nen Beglei­ter schließ­lich nach vie­len an­dern Fra­gen.

»Nein.«

»Wie, Sie be­zah­len al­les, was Sie kau­fen?«

»Pünkt­lich, mein Herr. Sonst wür­den wir je­den Kre­dit und jede Ach­tung ein­bü­ßen.«

»Aber Sie ha­ben doch we­nigs­tens mehr als eine Ge­lieb­te? Was, Sie wer­den rot, Ka­me­rad? … Wie ha­ben sich die Sit­ten ge­än­dert. Mit die­sen Ide­en von ge­setz­mä­ßi­ger Ord­nung, mit dem Kan­tis­mus und der Frei­heit ist die Ju­gend ver­dor­ben wor­den. Ihr habt we­der eine Gui­mard, noch eine Duthé, noch Gläu­bi­ger, und ihr ver­steht nichts von He­ral­dik; aber, jun­ger Freund, dann habt ihr ja gar kei­ne ›Er­zie­hung‹ ge­nos­sen! Mer­ken Sie sich; wer sei­ne Dumm­hei­ten nicht im Früh­ling macht, der macht sie im Win­ter. Wenn ich mit sieb­zig Jah­ren acht­zig­tau­send Fran­ken Ren­te habe, so ist das wahr­schein­lich des­halb, weil ich mit drei­ßig Jah­ren das Ka­pi­tal auf­ge­zehrt hat­te … oh, in al­len Ehren, mit mei­ner Frau. Aber Ihre Un­voll­kom­men­hei­ten wer­den mich nicht hin­dern, Ihren Be­such in der Vil­la Pla­nat an­zu­kün­di­gen. Den­ken Sie dar­an, daß Sie mir ver­spro­chen ha­ben, hin­zu­kom­men, ich er­war­te Sie dort.«

»Was für ein merk­wür­di­ger klei­ner Al­ter,« sag­te sich der jun­ge Lon­gue­ville, »wie ein jun­ger Teu­fels­kerl; aber wenn er sich auch den An­schein ei­nes Bie­der­man­nes gibt – ich traue ihm nicht.«

Am an­dern Tage ge­gen vier Uhr, als die Ge­sell­schaft sich in den Sa­lons und im Bil­lard­zim­mer auf­hielt, mel­de­te ein Die­ner den Be­woh­nern der Vil­la Pla­nat »Herrn von Lon­gue­ville«. Beim Na­men des Günst­lings des Gra­fen von Ker­ga­rou­et ström­te die gan­ze Ge­sell­schaft, bis auf den Bil­lard­spie­ler, der im Be­griff war, einen Fehl­stoß zu ma­chen, zu­sam­men, um Fräu­lein von Fon­tai­nes Hal­tung zu be­ob­ach­ten und den Phö­nix in Men­schen­ge­stalt zu prü­fen, der, im Ge­gen­satz zu so vie­len Ri­va­len, sich eine eh­ren­vol­le Er­wäh­nung ver­dient hat­te. Sei­ne eben­so vor­neh­me wie ein­fa­che Klei­dung, sei­ne lie­bens­wür­di­gen Ma­nie­ren, sein höf­li­ches We­sen, sei­ne wei­che Stim­me, de­ren Klang zu Her­zen ging, ge­wan­nen Herrn Lon­gue­ville das Wohl­wol­len der gan­zen Fa­mi­lie. Die Pracht der Woh­nung des rei­chen Ge­ne­ral­ein­neh­mers schi­en ihm nichts Un­ge­wohn­tes zu sein. Sei­ne Un­ter­hal­tung war die ei­nes Man­nes von Welt, aber je­der konn­te leicht mer­ken, daß er eine vor­züg­li­che Er­zie­hung ge­nos­sen hat­te und die bes­ten und aus­ge­dehn­tes­ten Be­zie­hun­gen be­saß. Er zeig­te sich bei ei­nem harm­lo­sen Ge­spräch über Schiffs­bau­ten, das der alte See­mann be­gon­nen hat­te, in der Ma­te­rie so be­wan­dert, daß eine der Da­men be­merk­te, er müs­se die po­ly­tech­ni­sche Schu­le be­sucht ha­ben. »Gnä­di­ge Frau,« ant­wor­te­te er, »ich glau­be, man kann es als einen Ruh­mes­ti­tel an­se­hen, wenn man dort auf­ge­nom­men wird.«

Trotz leb­haf­ten Drän­gens lehn­te er höf­lich aber be­stimmt die Bit­te ab, zum Es­sen da­zu­blei­ben, und schnitt die Ge­gen­grün­de der Da­men mit der Be­mer­kung ab, daß er der Hip­po­kra­tes sei­ner jun­gen Schwes­ter sei, de­ren zar­te Ge­sund­heit sei­ne be­son­de­re Sorg­sam­keit er­for­de­re.

»Der Herr ist wohl Arzt?« frag­te eine Schwä­ge­rin Emi­lies iro­nisch.

»Der Herr hat die po­ly­tech­ni­sche Schu­le be­sucht,« ent­geg­ne­te freund­lich Fräu­lein von Fon­taine, de­ren Ant­litz sich mit blü­hen­der Far­be be­leb­te, als sie ver­nahm, daß das jun­ge Mäd­chen auf dem Bal­le Herrn Lon­gue­vil­les Schwes­ter war.

»Aber, mei­ne Lie­be, man kann doch ein Arzt sein und trotz­dem die po­ly­tech­ni­sche Schu­le be­sucht ha­ben, nicht wahr, mein Herr?«

»Dem steht nichts im Wege, gnä­di­ge Frau,« er­wi­der­te der jun­ge Mann.

Al­ler Au­gen rich­te­ten sich jetzt auf Emi­lie, die mit ei­ner ge­wis­sen ängst­li­chen Neu­gier den ver­füh­re­ri­schen Un­be­kann­ten be­trach­te­te. Sie at­me­te erst wie­der auf, als er lä­chelnd hin­zu­füg­te: »Ich selbst habe nicht den Vor­zug, ein Arzt zu sein, und ich habe so­gar dar­auf ver­zich­tet, eine Stel­lung bei der Wege- und Was­ser­bau­ver­wal­tung an­zu­neh­men, um mir mei­ne Un­ab­hän­gig­keit zu be­wah­ren.«

»Und Sie ha­ben wohl dar­an ge­tan,« sag­te der Graf. »Aber wie kön­nen Sie es als einen Vor­zug an­se­hen, ein Arzt zu sein?« füg­te der vor­neh­me Bre­to­ne hin­zu. »Für einen Mann wie Sie, mein jun­ger Freund …«

»Herr Graf, ich habe eine un­be­grenz­te Hochach­tung vor al­len Be­ru­fen, die einen nütz­li­chen Zweck ha­ben.«

»Oh, dar­in sind wir ei­nig: ich neh­me an, daß Sie vor die­sen Be­ru­fen den­sel­ben Re­spekt ha­ben, wie ein jun­ger Mann vor ei­ner al­ten Stifts­da­me.«

Der Be­such des Herrn Lon­gue­ville war we­der zu lang noch zu kurz. Er emp­fahl sich, so­bald er wahr­nahm, daß er all­ge­mein ge­fal­len und je­den neu­gie­rig be­züg­lich sei­ner Per­son ge­macht hat­te. »Das ist ein schlau­er Bru­der,« sag­te der Graf, als er in den Sa­lon zu­rück­kehr­te, nach­dem er ihn hin­aus­be­glei­tet hat­te.

Fräu­lein von Fon­taine, die al­lein von die­sem Be­such vor­her un­ter­rich­tet war, hat­te sehr sorg­fäl­tig Toi­let­te ge­macht, um die Bli­cke des jun­gen Man­nes auf sich zu zie­hen; aber sie muß­te, was ihr et­was Kum­mer ver­ur­sach­te, be­mer­ken, daß er ihr nicht so viel Auf­merk­sam­keit schenk­te, wie sie zu ver­die­nen glaub­te. Die Fa­mi­lie war ziem­lich er­staunt über das Schwei­gen, das sie be­wahrt hat­te. Ge­wöhn­lich ent­fal­te­te Emi­lie vor neu­en Be­su­chern ihre Ko­ket­te­rie, ihr geist­rei­ches Ge­schwätz und die un­er­schöpf­li­che Be­red­sam­keit ih­rer Bli­cke und ih­rer At­ti­tü­den. War es nun die me­lo­di­sche Stim­me des jun­gen Man­nes oder sein an­zie­hen­des We­sen, was sie ent­zück­te, oder war es, daß sie ernst­haft Lie­be emp­fand und daß die­ses Ge­fühl sie um­ge­wan­delt hat­te: ihr We­sen hat­te al­les Af­fek­tier­te ver­lo­ren.

Wenn sie sich so ein­fach und na­tür­lich gab, muß­te sie noch schö­ner er­schei­nen. Ei­ni­ge ih­rer Schwes­tern und eine alte Dame, eine Freun­din der Fa­mi­lie, hiel­ten dies Be­neh­men für raf­fi­nier­te Ko­ket­te­rie. Sie nah­men an, daß Emi­lie, wenn sie den jun­gen Mann für ih­rer wür­dig hielt, sich wahr­schein­lich vor­ge­nom­men hat­te, ihre Vor­zü­ge nur lang­sam zu ent­wi­ckeln, um ihn dann, wenn er ihr ge­fal­len ha­ben wür­de, plötz­lich völ­lig zu blen­den. Alle Fa­mi­li­en­glie­der wa­ren be­gie­rig, zu er­fah­ren, wie das lau­ni­sche Mäd­chen über den Frem­den dach­te; aber als wäh­rend des Di­ners ein je­der sich dar­in ge­fiel, an Herrn Lon­gue­ville einen neu­en Vor­zug zu rüh­men und be­haup­te­te, daß er al­lein ihn ent­deckt hät­te, blieb Fräu­lein von Fon­taine eine Zeit­lang stumm; eine klei­ne spöt­ti­sche Be­mer­kung ih­res On­kels weck­te sie plötz­lich aus ih­rer Apa­thie und sie be­merk­te ziem­lich spitz, daß eine sol­che gött­li­che Voll­kom­men­heit ir­gend­ei­nen großen Feh­ler ver­de­cken müs­se, und daß sie sich hüte, auf den ers­ten Blick über einen so ge­wand­ten Men­schen ein Ur­teil ab­zu­ge­ben. »Wer der­art al­ler Welt ge­fällt, ge­fällt nie­man­dem«, füg­te sie hin­zu, »und der schlimms­te Feh­ler ist, wenn man kei­nen Feh­ler hat.« Wie alle ver­lieb­ten jun­gen Mäd­chen schmei­chel­te sich Emi­lie mit der Hoff­nung, sie kön­ne ihr Füh­len im tiefs­ten Her­zen ver­bor­gen hal­ten und die Ar­gus­au­gen ih­rer Um­ge­bung ir­re­füh­ren; aber nach Ver­lauf von vier­zehn Ta­gen war je­des Mit­glied der zahl­rei­chen Fa­mi­lie in das häus­li­che Ge­heim­nis ein­ge­weiht. Beim drit­ten Be­su­che, den Herr Lon­gue­ville mach­te, glaub­te Emi­lie zu er­ken­nen, daß sie der Haupt­an­laß dazu sei. Die­se Ent­de­ckung ver­ur­sach­te ihr eine so be­rau­schen­de Freu­de, daß sie sel­ber in Er­stau­nen ge­riet, als sie dar­über nach­dach­te. Denn es lag dar­in et­was, was ih­ren Stolz schmerz­lich be­rühr­te. Ge­wöhnt, sich zum Mit­tel­punk­te der Ge­sell­schaft zu ma­chen, muß­te sie nun eine Macht an­er­ken­nen, die sie ge­gen ih­ren Wil­len an sich zog; sie ver­such­te, sich da­ge­gen auf­zu­leh­nen, aber sie konn­te das ver­füh­re­ri­sche Bild des jun­gen Man­nes nicht aus ih­rem Her­zen ver­ban­nen. Dazu ka­men bald noch an­de­re Beun­ru­hi­gun­gen. Zwei Ei­gen­schaf­ten des Herrn Lon­gue­ville stan­den der all­ge­mei­nen Neu­gier­de und be­son­ders der des Fräu­leins von Fon­taine ent­ge­gen, näm­lich sei­ne un­er­war­te­te Zu­rück­hal­tung und sei­ne Be­schei­den­heit. Den ge­schick­ten Fra­gen, die Emi­lie in die Un­ter­hal­tung ein­flie­ßen ließ, und den Fal­len, die sie da­bei stell­te, um dem jun­gen Man­ne Nä­he­res über sein Le­ben zu ent­lo­cken, wuß­te er mit der Ge­wandt­heit ei­nes Di­plo­ma­ten, der sein Ge­heim­nis hü­ten will, aus­zu­wei­chen. Sprach sie über Ma­le­rei, so ant­wor­te­te ihr Herr Lon­gue­ville als Ken­ner. Mach­te sie Mu­sik, so be­wies ihr der jun­ge Mann, ohne sich da­mit zu brüs­ten, daß er ein gu­ter Kla­vier­spie­ler war. An ei­nem Aben­de ent­zück­te er die gan­ze Ge­sell­schaft, als er sei­ne wun­der­vol­le Stim­me mit der Emi­lies in ei­nem der schöns­ten Duet­te Ci­ma­ro­sas ver­ei­nig­te; wenn man aber ver­such­te, ihn aus­zu­for­schen, ob er ein Künst­ler wäre, so scherz­te er mit sol­cher Ge­wandt­heit dar­über hin­weg, daß er die­sen Da­men, die so ge­übt in der Kunst des Ge­dan­ken­le­sens wa­ren, kei­ne Mög­lich­keit ge­währ­te, her­aus­zu­be­kom­men, zu wel­cher ge­sell­schaft­li­chen Sphä­re er ge­hör­te. Wie kühn auch der alte On­kel sei­nen En­ter­ha­ken ge­gen die­ses Schiff schleu­der­te, Lon­gue­ville ver­stand ihm aus­zu­wei­chen und den Reiz des Ge­heim­nis­vol­len zu be­wah­ren; und es wur­de ihm um so leich­ter, in der Vil­la Pla­nat »der schö­ne Un­be­kann­te« zu blei­ben, als die Neu­gier­de nie­mals die Gren­zen der Höf­lich­keit über­schritt. Emi­lie, die die­se Zu­rück­hal­tung pein­lich emp­fand, hoff­te bei der Schwes­ter ein bes­se­res Re­sul­tat ver­trau­li­cher Er­öff­nun­gen zu er­zie­len, als bei dem Bru­der. Un­ter­stützt von dem On­kel, der sich auf der­ar­ti­ge Ma­nö­ver wie auf Schiffs­ma­nö­ver ver­stand, ver­such­te sie, die bis­her stum­me Per­sön­lich­keit des Fräu­leins Kla­ra Lon­gue­ville auf die Sze­ne zu brin­gen. Die Ge­sell­schaft der Vil­la be­zeug­te bald den drin­gen­den Wunsch, eine so lie­bens­wür­di­ge Per­son ken­nen­zu­ler­nen und ihr et­was Zer­streu­ung zu ver­schaf­fen. Ein zwang­lo­ser Ball wur­de in Vor­schlag ge­bracht und ak­zep­tiert. Die Da­men wa­ren ziem­lich hoff­nungs­voll, daß sie ein jun­ges Mäd­chen von sech­zehn Jah­ren wür­den zum Re­den brin­gen kön­nen. Trotz der klei­nen Wol­ken, die der Ver­dacht zu­sam­men­zog und die Neu­gier­de ent­ste­hen ließ, hat­te doch hel­ler Son­nen­schein über Fräu­lein von Fon­tai­nes See­le sich er­gos­sen, die einen köst­li­chen Ge­nuß dar­in fand, sich mit ei­nem an­de­ren We­sen ver­bun­den zu füh­len. Sie be­gann jetzt auch, die ge­sell­schaft­li­chen Pf­lich­ten bes­ser zu ver­ste­hen. Sei es, daß das Glück uns bes­ser macht, sei es, daß sie zu sehr mit sich selbst be­schäf­tigt war, um an­de­re zu quä­len, sie wur­de we­ni­ger bos­haft, nach­gie­bi­ger, sanf­ter. Über die­se We­sens­än­de­rung war ihre Fa­mi­lie er­staunt und ent­zückt. Es war wohl mög­lich, daß ihr Ego­is­mus sich in Lie­be ver­wan­delt hat­te. Die An­kunft ih­res schüch­ter­nen und ge­heim­nis­vol­len An­be­ters zu er­war­ten, be­rei­te­te ihr eine tief emp­fun­de­ne Freu­de. Ohne daß ein Wort über ihre Lei­den­schaft zwi­schen ih­nen laut ge­wor­den war, wuß­te sie, daß sie ge­liebt wur­de, und sie kos­te­te den Ge­nuß aus, alle Schät­ze ih­res reich ent­wi­ckel­ten Geis­tes vor dem jun­gen Un­be­kann­ten aus­zu­brei­ten. Sie merk­te wohl, daß auch sie ein­ge­hend ge­prüft wur­de, und sie be­müh­te sich, alle Feh­ler, die auf ih­rer Er­zie­hung be­ruh­ten, ab­zu­le­gen. Es war die Lie­be, die sie ver­an­laß­te, sich zum ers­ten­mal zu un­ter­wer­fen und sich selbst bit­te­re Vor­wür­fe zu ma­chen. Sie woll­te ge­fal­len und sie ent­zück­te, sie lieb­te und sie wur­de an­ge­be­tet. Da ihre An­ge­hö­ri­gen wuß­ten, daß ihr Stolz sie aus­rei­chend be­schütz­te, so lie­ßen sie ihr ge­nü­gend Frei­heit, so daß sie alle die klei­nen be­glücken­den Kin­de­rei­en aus­kos­ten konn­te, die der ers­ten Lie­be so viel Reiz und so viel Kraft ver­lei­hen. Mehr als ein­mal gin­gen der jun­ge Mann und Fräu­lein von Fon­taine al­lein in den Al­leen des Parks spa­zie­ren, der von der Na­tur ge­schmückt war, wie eine Frau zum Bal­le. Mehr als ein­mal er­freu­ten sie sich an dem ziel- und zweck­lo­sen Ge­plau­der, des­sen Sät­ze, wenn sie an­schei­nend kei­nen rech­ten Sinn ha­ben, um so wär­me­res Emp­fin­den in sich ber­gen. Ge­mein­sam be­wun­der­ten sie oft­mals die herr­li­chen Far­ben des Son­nen­un­ter­gangs. Sie pflück­ten Gän­se­blüm­chen, um die Blät­ter ab­zu­zup­fen, und san­gen die lei­den­schaft­lichs­ten Duet­te, in­dem sie sich der Töne Per­go­le­ses oder Ros­si­nis als ge­treu­er Dol­met­scher für ihr heim­li­ches Emp­fin­den be­dien­ten.

So kam der Ball­tag her­an. Kla­ra Lon­gue­ville und ihr Bru­der, den die Kam­mer­die­ner hart­nä­ckig mit dem Adelsprä­di­kat nann­ten, wa­ren der Glanz­punkt des Abends. Zum ers­ten­mal in ih­rem Le­ben be­rei­te­te der Tri­umph ei­nes an­dern jun­gen Mäd­chens Fräu­lein von Fon­taine Freu­de. Sie über­häuf­te Kla­ra mit ehr­lich ge­mein­ten lie­be­vol­len Zärt­lich­kei­ten und Be­mü­hun­gen, die die Frau­en ein­an­der ge­wöhn­lich nur dann er­wei­sen, wenn sie die Män­ner ei­fer­süch­tig ma­chen wol­len. Emi­lie aber ver­folg­te ein be­stimm­tes Ziel, sie woll­te Ge­heim­nis­se her­aus­be­kom­men. Aber Fräu­lein Lon­gue­ville be­wies als weib­li­ches We­sen noch mehr geis­ti­ge Ge­wandt­heit als ihr Bru­der; da­bei mach­te sie gar nicht den Ein­druck, als ob sie et­was ver­schwei­gen wol­le, und ver­stand es, die Un­ter­hal­tung auf ei­nem Ge­biet, das mit per­sön­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten nichts zu tun hat­te, fest­zu­hal­ten, und sie tat das in ei­ner so rei­zen­den Wei­se, daß Fräu­lein von Fon­taine von ei­ner Art Neid er­grif­fen wur­de und sie eine »Si­re­ne« nann­te. Wäh­rend Emi­lie ge­plant hat­te, Kla­ra zum Re­den zu brin­gen, forsch­te Kla­ra Emi­lie aus; sie woll­te sich ein Ur­teil bil­den, und sie wur­de von der an­dern ins Ver­hör ge­nom­men; sie är­ger­te sich wie­der­holt, daß sie Züge ih­res Cha­rak­ters in ein­zel­nen Ant­wor­ten hat­te deut­lich wer­den las­sen, die Kla­ra in raf­fi­nier­ter Wei­se aus ihr her­aus­ge­lockt hat­te, wo­bei sie eine be­schei­de­ne, harm­lo­se Mie­ne auf­setz­te, die je­den Ver­dacht an bös­wil­li­ge Ab­sicht fern­hielt. Ein­mal schi­en Fräu­lein von Fon­taine är­ger­lich zu sein, weil sie sich zu ei­ner von Kla­ra pro­vo­zier­ten Be­mer­kung über die Bür­ger­li­chen hat­te ver­lei­ten las­sen.

»Lie­bes Fräu­lein,« sag­te das rei­zen­de jun­ge We­sen, »ich habe Ma­xi­mi­li­an so viel von Ih­nen re­den hö­ren, daß ich, aus Lie­be zu ihm, den leb­haf­tes­ten Wunsch hat­te, Sie ken­nen­zu­ler­nen; und Sie ken­nen­ler­nen wol­len, ist das nicht das­sel­be, wie Sie lieb­ha­ben wol­len?«

»Ach, lie­be Kla­ra, ich hat­te Angst, es könn­te Ihr Miß­fal­len er­re­gen, weil ich so über die ge­spro­chen habe, die nicht von Adel sind.«

»Oh, be­ru­hi­gen Sie sich. Heu­te hat so et­was ja kei­ne Be­deu­tung mehr. Mich sel­ber be­rührt das nicht: ich kom­me hier­bei nicht in Fra­ge.«

Wie zwei­deu­tig die­se Ant­wort auch klang, Fräu­lein von Fon­taine war hoch­er­freut dar­über; denn wie alle lei­den­schaft­lich er­reg­ten Men­schen leg­te sie sie sich wie einen Ora­kel­spruch in dem Sin­ne aus, der ih­ren Wün­schen ent­sprach, und war fro­her als je, wenn sie beim Tan­zen auf Lon­gue­ville blick­te, der in We­sen und Ele­ganz bei­na­he noch ihr er­träum­tes Ide­al über­traf. Und sie emp­fand eine um so tiefe­re Be­frie­di­gung, wenn sie nun dach­te, daß er ade­lig sei; ihre schwar­zen Au­gen strahl­ten, und sie gab sich dem Tan­ze mit all der Won­ne hin, die man in Ge­gen­wart des Ge­lieb­ten emp­fin­det. Nie­mals ver­stan­den sich die bei­den Lie­ben­den bes­ser als jetzt; und mehr­mals fühl­ten sie, wie ihre Fin­ger beb­ten, wenn sich ihre Hän­de beim Kom­man­do des Kon­ter­tan­zes be­rühr­ten.

So kam für das schö­ne Paar der Be­ginn des Herbs­tes un­ter dau­ern­den Fes­ten und Ver­gnü­gun­gen her­an, wäh­rend es sich wei­ter dem sü­ßes­ten Ge­fühl, das das Le­ben kennt, hin­gab und es durch tau­send klei­ne Ge­scheh­nis­se, die sich je­der vor­stel­len kann, noch stär­ker wer­den ließ: die Lie­bes­hän­del glei­chen ein­an­der ja alle. Da­bei such­te ei­ner den an­dern aus­zu­for­schen, so­weit eine sol­che Prü­fung ge­sche­hen kann, wenn man ver­liebt ist.

»So schnell hat ein Lie­bes­han­del wohl noch nie zu ei­ner Nei­gungs­hei­rat ge­führt, wie es hier kommt«, sag­te der alte On­kel, der die bei­den jun­gen Leu­te mit sei­nen Bli­cken ver­folg­te, wie wenn ein Na­tur­for­scher ein In­sekt un­ter das Mi­kro­skop nimmt.

Bei die­sem Wor­te er­schra­ken Herr und Frau von Fon­taine. Der alte Ven­déer war be­züg­lich der Hei­rat sei­ner Toch­ter doch nicht so in­dif­fe­rent, wie er vor kur­z­em er­klärt hat­te. Er hat­te in Pa­ris Er­kun­di­gun­gen an­ge­stellt und nichts er­fah­ren kön­nen. Beun­ru­higt über die­se mys­te­ri­ösen Ver­hält­nis­se und noch ohne Nach­richt über das Er­geb­nis ei­ner Nach­for­schung, mit der er einen Pa­ri­ser Sach­wal­ter in Be­zug auf die Fa­mi­lie Lon­gue­ville be­traut hat­te, hielt er sich für ver­pflich­tet, sei­ner Toch­ter ein vor­sich­ti­ges Ver­hal­ten an­zu­ra­ten.

»Wenn du ihn liebst, mei­ne lie­be Emi­lie, so ge­ste­he ihm das we­nigs­tens nicht!«

»Es ist wahr, lie­ber Va­ter, ich lie­be ihn, aber ich wer­de es ihm nicht eher sa­gen, als bis Sie es mir er­laubt ha­ben.«

»Je­den­falls mußt du be­den­ken, Emi­lie, daß du über sei­ne Fa­mi­lie und sei­nen Be­ruf noch ganz im Un­kla­ren bist.«

»Wenn ich das auch bin, das gilt mir gleich. Sie wün­schen doch, lie­ber Va­ter, daß ich mich ver­hei­ra­te, und ha­ben mir ge­stat­tet, frei zu wäh­len; mei­ne Wahl ist un­wi­der­ruf­lich ge­trof­fen, was ist also noch wei­ter nö­tig?«

»Es ist nö­tig, mein lie­bes Kind, zu wis­sen, ob der Mann dei­ner Wahl der Sohn ei­nes Pairs von Frank­reich ist«, er­wi­der­te iro­nisch der eh­ren­wer­te Edel­mann.

Emi­lie ver­harr­te einen Au­gen­blick in Schwei­gen. Bald aber er­hob sie das Ge­sicht, sah ih­ren Va­ter an und sag­te mit ei­ner ge­wis­sen Un­ru­he: »Sind die Lon­gue­ville?« …

»Er­lo­schen mit der Per­son des al­ten Her­zogs von Ro­stein-Lim­bourg, der 1793 auf dem Schaf­fot ge­en­det hat. Er war der letz­te Ab­kömm­ling der letz­ten jün­ge­ren Li­nie.«

»Aber es gibt, lie­ber Va­ter, doch sehr gute Fa­mi­li­en, die von Ba­star­den ab­stam­men. Die Ge­schich­te Frank­reichs wim­melt von Fürs­ten, de­ren Wap­pen einen Qu­er­bal­ken trägt.«

»Dei­ne An­sich­ten ha­ben sich sehr ge­än­dert«, sag­te der alte Edel­mann lä­chelnd.

Der nächs­te Tag war der letz­te, den die Fa­mi­lie Fon­taine in der Vil­la Pla­nat zu­brin­gen woll­te. Emi­lie, die die Mit­tei­lun­gen ih­res Va­ters sehr be­un­ru­higt hat­ten, er­war­te­te mit leb­haf­ter Un­ge­duld die Stun­de, zu der der jun­ge Lon­gue­ville zu er­schei­nen pfleg­te, um eine Er­klä­rung von ihm zu er­lan­gen. Nach dem Di­ner be­gab sie sich al­lein in den Park und lenk­te ihre Schrit­te nach ei­nem ver­schwie­ge­nen Bos­kett, wo sie der sehn­süch­ti­ge jun­ge Mann, wie sie wuß­te, auf­su­chen wür­de; wäh­rend sie hin­ging, über­leg­te sie, wie sie die­ses wich­ti­ge Ge­heim­nis, ohne sich bloß­zu­stel­len, her­aus­be­kom­men soll­te; ein recht schwie­ri­ges Un­ter­neh­men! Bis­her hat­te noch kein of­fe­nes Ge­ständ­nis die Nei­gung, die sie mit dem Un­be­kann­ten ver­band, of­fen­bart. Sie, wie Ma­xi­mi­li­an, bei­de hat­ten die Süße der ers­ten Lie­be ge­nos­sen, aber da bei­de gleich stolz wa­ren, schi­en je­der sich vor dem Ge­ständ­nis, daß er lie­be, zu scheu­en.

Ma­xi­mi­li­an Lon­gue­ville, dem Kla­ra hin­rei­chend be­grün­de­te Be­den­ken über Emi­lies Cha­rak­ter ein­ge­flö­ßt hat­te, wur­de ab­wech­selnd bald von der Hef­tig­keit der Lei­den­schaft ei­nes jun­gen Man­nes hin­ge­ris­sen, bald von dem Ver­lan­gen zu­rück­ge­hal­ten, die Frau, de­ren Hän­den er sein Le­bens­glück an­ver­trau­en woll­te, ge­nau ken­nen­zu­ler­nen und zu prü­fen. Sei­ne Lie­be hat­te ihn nicht ge­hin­dert, bei Emi­lie die Vor­ur­tei­le wahr­zu­neh­men, die die­ses jun­ge We­sen ver­un­zier­ten; aber er woll­te wis­sen, ob er ge­liebt wür­de, be­vor er ge­gen sie an­kämpf­te; er woll­te sein Lie­bes­glück eben­so­we­nig aufs Spiel set­zen wie sein Le­bens­glück. Er hat­te da­her be­stän­dig Schwei­gen be­wahrt, wenn auch sei­ne Bli­cke, sei­ne Hal­tung und das Ge­rings­te, was er tat, es Lü­gen straf­ten. Auf der an­dern Sei­te hin­der­te der na­tür­li­che Stolz ei­nes jun­gen Mäd­chens, der bei Fräu­lein von Fon­taine noch durch die tö­rich­te Ei­tel­keit auf ihre vor­neh­me Ge­burt und ihre Schön­heit ge­stei­gert war, die­se, eine Er­klä­rung her­aus­zu­for­dern, wozu ihre wach­sen­de Lei­den­schaft sie manch­mal drän­gen woll­te. So hat­ten die bei­den Lie­ben­den in­stink­tiv ihre Si­tua­ti­on ver­stan­den, ohne sich über ihre ge­hei­men Be­weg­grün­de klar­zu­wer­den. Es gibt im Le­ben Au­gen­bli­cke, da jun­gen See­len das Un­ge­wis­se lieb ist. Gera­de weil je­der schon all­zu­lan­ge mit der Auss­pra­che ge­zö­gert hat­te, schie­nen sich alle bei­de ein grau­sa­mes Ver­gnü­gen mit ih­rem Ab­war­ten zu ma­chen. Der eine such­te zu er­for­schen, ob er wirk­lich bis zur Über­win­dung, die ein Ge­ständ­nis sei­ne stol­ze Ge­lieb­te kos­ten wür­de, ge­liebt wer­de, die an­de­re hoff­te je­den Au­gen­blick, daß das all­zu zu­rück­hal­ten­de Schwei­gen ge­bro­chen wer­den wür­de.

Auf ei­ner Gar­ten­bank sit­zend, über­dach­te Emi­lie al­les, was sich wäh­rend die­ser herr­li­chen drei Mo­na­te er­eig­net hat­te. Der Ver­dacht ih­res Va­ters war das letz­te Be­den­ken, das sie noch hin­dern konn­te, und sie mach­te et­li­che Ge­gen­grün­de da­ge­gen gel­tend, wie sol­che ei­nem jun­gen un­er­fah­re­nen Mäd­chen durch­schla­gend er­schie­nen. Vor al­lem war sie mit sich ei­nig dar­über, daß sie sich un­mög­lich täu­schen kön­ne. Wäh­rend der gan­zen Sai­son hat­te sie bei Ma­xi­mi­li­an kei­ne ein­zi­ge Ges­te, kein ein­zi­ges Wort be­mer­ken kön­nen, die eine nied­ri­ge Her­kunft oder einen ge­wöhn­li­chen Be­ruf ver­rie­ten; im Ge­gen­teil, sei­ne Art zu dis­ku­tie­ren ließ einen Mann er­ken­nen, der sich mit ho­hen Staats­an­ge­le­gen­hei­ten be­schäf­tig­te. »Üb­ri­gens hät­te ein Bu­reau­mensch,« sag­te sie sich, »ein Finan­zier oder ein Kauf­mann nicht die Muße ge­habt, hier eine gan­ze Sai­son hin­durch zu ver­wei­len, um mir auf dem Lan­de den Hof zu ma­chen und so frei über sei­ne Zeit zu ver­fü­gen wie ein Edel­mann, der ein gan­zes sorg­lo­ses Le­ben vor sich hat.« Dann über­ließ sie sich an­dern Ge­dan­ken, die ihr viel in­ter­essan­ter wa­ren, als die frü­he­ren; da ver­riet ihr ein leich­tes Rau­schen der Blät­ter, daß Ma­xi­mi­li­an sie schon eine Zeit­lang, ge­wiß mit Sehn­sucht, be­ob­ach­te­te.

»Wis­sen Sie, daß das sehr schlecht ist, ein jun­ges Mäd­chen so zu über­ra­schen?« sag­te sie lä­chelnd.

»Be­son­ders wenn es mit sei­nen Ge­heim­nis­sen be­schäf­tigt ist«, er­wi­der­te Ma­xi­mi­li­an lis­tig.

»Wa­rum soll­te ich kei­ne Ge­heim­nis­se ha­ben? Sie ha­ben ja si­cher auch wel­che.«

»Dach­ten Sie wirk­lich über Ihre Ge­heim­nis­se nach?« ent­geg­ne­te er la­chend.

»Nein, ich dach­te an die Ih­ri­gen. Mei­ne ken­ne ich.«

»Aber,« rief der jun­ge Mann zärt­lich aus und bot Fräu­lein von Fon­taine den Arm, »viel­leicht sind mei­ne Ge­heim­nis­se die Ih­ri­gen und Ihre die mei­nen.«

Nach ei­ni­gen Schrit­ten be­fan­den sie sich un­ter ei­ner Baum­grup­pe, die die Far­ben der un­ter­ge­hen­den Son­ne wie mit ei­ner röt­lich­brau­nen Wol­ke um­hüll­ten. Die­se wun­der­ba­re Na­tur­er­schei­nung ver­lieh dem Mo­men­te eine ge­wis­se Fei­er­lich­keit. Die leb­haf­te freie Be­we­gung des jun­gen Man­nes und vor al­lem der Aufruhr sei­nes po­chen­den Her­zens, des­sen has­ti­ge Schlä­ge zu Emi­li­ens Arm re­de­ten, ver­setz­ten sie in eine um so tiefer­ge­hen­de Er­re­gung, als die­se durch die ein­fachs­ten und harm­lo­ses­ten Um­stän­de ver­an­laßt wor­den war. Die Zu­rück­hal­tung, in der die jun­gen Mäd­chen der vor­neh­men Ge­sell­schafts­krei­se sonst zu le­ben ge­wohnt sind, gibt ih­ren Ge­fühls­aus­brü­chen eine un­glaub­li­che Ge­walt, und sie ge­ra­ten in die größ­te Ge­fahr, wenn sie mit ei­nem lei­den­schaft­li­chen Ge­lieb­ten zu­sam­men­tref­fen. Noch nie­mals hat­ten die Au­gen Emi­lies und Ma­xi­mi­lians sich so vie­les, was man nicht aus­zu­spre­chen wagt, ge­sagt. Hin­ge­ris­sen von die­ser Trun­ken­heit, ver­ga­ßen sie leicht die klei­nen Be­den­ken ih­res Stol­zes und die küh­len Er­wä­gun­gen ih­res Miß­trau­ens. Sie konn­ten zu­erst ih­rem se­li­gen Ge­fühl nur durch einen hei­ßen Druck ih­rer Hän­de Aus­druck ge­ben.

»Herr Lon­gue­ville, ich muß eine Fra­ge an Sie rich­ten«, sag­te Fräu­lein von Fon­taine zit­ternd und er­regt. »Aber ich bit­te Sie drin­gend, zu be­den­ken, daß ich zu die­ser Fra­ge ge­wis­ser­ma­ßen durch die ziem­lich ei­gen­ar­ti­ge Lage ge­zwun­gen bin, in der ich mich mei­ner Fa­mi­lie ge­gen­über be­fin­de.«

Eine für Emi­lie schreck­li­che Pau­se trat nach die­sen fast ge­stam­mel­ten Sät­zen ein. Wäh­rend die­ser Stil­le wag­te das stol­ze jun­ge Mäd­chen nicht, dem leuch­ten­den Bli­cke des­sen, den sie lieb­te, zu be­geg­nen, denn sie hat­te im ge­hei­men die Emp­fin­dung, daß das, was sie jetzt sa­gen wür­de, er­nied­ri­gend war: »Sind Sie ade­lig?«

Als die­se Wor­te aus­ge­spro­chen wa­ren, hät­te sie sich am liebs­ten auf dem Mee­res­grun­de ver­steckt.

»Mein Fräu­lein,« er­wi­der­te Lon­gue­ville, wäh­rend sein er­reg­tes Ge­sicht den Aus­druck wür­de­vol­len Erns­tes an­nahm, »ich ver­spre­che Ih­nen, die­se Fra­ge ohne Um­schwei­fe zu be­ant­wor­ten, wenn Sie mir auf­rich­tig auf die ant­wor­ten wol­len, die ich an Sie zu rich­ten habe.« Er ließ den Arm des jun­gen Mäd­chens los, das plötz­lich die Emp­fin­dung hat­te, daß es al­lein in der Welt stün­de, und sag­te: »Was bezwe­cken Sie mit die­ser Fra­ge nach mei­ner Her­kunft?« Un­be­weg­lich, kalt und stumm blieb sie ste­hen. »Mein Fräu­lein,« fuhr Ma­xi­mi­li­an fort, »ge­hen wir nicht wei­ter, wenn wir uns nicht ver­ste­hen. – Ich lie­be Sie«, sag­te er, und sei­ne Stim­me klang warm und herz­lich. »Und nun sa­gen Sie mir,« füg­te er mit glück­li­chem Ge­sicht hin­zu, als er einen Aus­ruf des Ent­zückens ver­nahm, den das jun­ge Mäd­chen nicht hat­te zu­rück­hal­ten kön­nen, »wes­halb fra­gen Sie mich, ob ich ade­lig bin?«

»Könn­te er so spre­chen, wenn er es nicht wäre?« rief eine in­ne­re Stim­me, die Emi­lie aus der Tie­fe ih­res Her­zens zu ver­neh­men glaub­te. Sie er­hob dank­bar den Kopf, schi­en neue Kraft aus dem Bli­cke des jun­gen Man­nes zu schöp­fen und reich­te ihm den Arm, als ob sie einen neu­en Bund mit ihm schlie­ßen woll­te.

»Ha­ben Sie ge­glaubt, daß ich so sehr auf den Rang sehe?« frag­te sie mit fei­nem Spot­te.

»Ich habe mei­ner Frau kei­nen Ti­tel an­zu­bie­ten«, ent­geg­ne­te er, halb scherz­haft, halb ernst. »Aber wenn ich sie von ho­hem Ran­ge und aus ei­nem Krei­se wäh­le, wo sie das vä­ter­li­che Ver­mö­gen an Lu­xus und an die An­nehm­lich­kei­ten des Reich­tums ge­wöhnt hat, so weiß ich, wozu mich eine sol­che Wahl ver­pflich­tet. Die Lie­be ent­schä­digt zwar für al­les, aber nur die Lie­ben­den. Für die Ehe ist doch ein we­nig mehr nö­tig als das Dach des Him­mels­zel­tes und der Tep­pich der Wie­sen.«

Er ist reich, dach­te sie. Und was er von den Ti­teln sag­te, da­mit will er mich viel­leicht prü­fen! Man wird ihm hin­ter­bracht ha­ben, daß ich in den Adel ver­narrt sei, und daß ich einen Pair von Frank­reich hei­ra­ten wol­le. Mei­ne schein­hei­li­gen Schwes­tern wer­den mir die­sen Streich ge­spielt ha­ben. – »Ich ver­si­che­re Ih­nen, mein Herr,« sag­te sie laut, »daß ich frü­her über das Le­ben und die Ge­sell­schaft recht über­trie­be­ne An­sich­ten ge­habt habe; heu­te aber,« fuhr sie mit Nach­druck fort und warf ihm einen Blick zu, der ihn när­risch ma­chen konn­te, »heu­te weiß ich, worin für die Frau der wah­re Reich­tum zu fin­den ist.«

»Ich be­darf des Glau­bens, daß Sie auf­rich­tig spre­chen«, er­wi­der­te er mit freund­li­chem Ernst. »Noch in die­sem Win­ter, mei­ne teu­re Emi­lie, viel­leicht schon eher als in zwei Mo­na­ten, wer­de ich stolz auf das sein, was ich Ih­nen an­bie­ten kann, wenn Sie auf den Ge­nuß von Reich­tum Wert le­gen. Das soll das ein­zi­ge Ge­heim­nis sein, das ich hier noch be­wah­re,« sag­te er und wies auf sein Herz; »denn von dem Er­fol­ge hängt mein Glück, ich wage nicht zu sa­gen, un­ser Glück, ab …«

»Oh, sa­gen Sie es, sa­gen Sie es!«

So kehr­ten sie, mit schö­nen Zu­kunfts­plä­nen be­schäf­tigt, lang­sa­men Schrit­tes zu der Ge­sell­schaft im Sa­lon zu­rück. Noch nie­mals hat­te Fräu­lein von Fon­taine ih­ren An­be­ter so lie­bens­wür­dig und so geist­voll ge­se­hen: sei­ne schlan­ke Fi­gur, sein an­zie­hen­des We­sen er­schie­nen ihr noch reiz­vol­ler, seit­dem die eben statt­ge­hab­te Un­ter­re­dung sie des Be­sit­zes ei­nes Her­zens ver­si­chert hat­te, um das sie alle Frau­en be­nei­den konn­ten. Sie san­gen ein ita­lie­ni­sches Duett mit sol­chem Aus­druck, daß die Ge­sell­schaft be­geis­tert Bei­fall klatsch­te. Ihr Ab­schied hat­te et­was Kon­ven­tio­nel­les, hin­ter dem sie ihr Glück ver­ber­gen woll­ten. So wur­de die­ser Tag für das jun­ge Mäd­chen eine Ket­te, die sie noch fes­ter an das Ge­schick des Un­be­kann­ten fes­sel­te. Die Kraft und Wür­de, die er bei der Sze­ne, in der sie sich ihre Ge­füh­le ge­stan­den, ent­wi­ckelt hat­te, muß­ten Fräu­lein von Fon­taine mit der Ach­tung er­fül­len, ohne die es kei­ne wah­re Lie­be gibt. Als sie al­lein mit ih­rem Va­ter im Sa­lon zu­rück­ge­blie­ben war, ging der ehr­wür­di­ge Ven­déer auf sie zu, nahm sie zärt­lich bei der Hand und frag­te sie, ob sie ir­gend­ei­ne Auf­klä­rung über das Ver­mö­gen und die Fa­mi­lie des Herrn Lon­gue­ville er­hal­ten hät­te.

»Ja, lie­ber Va­ter,« er­wi­der­te sie, »ich bin noch glück­li­cher, als ich es mir wün­schen konn­te. Herr von Lon­gue­ville ist der ein­zi­ge Mann, den ich hei­ra­ten will.«

»Gut, Emi­lie,« ant­wor­te­te der Graf, »dann weiß ich, was ich zu tun habe.«

»Soll­ten Sie ir­gend­ein Hin­der­nis ken­nen?« frag­te sie mit wirk­li­cher Angst.

»Mein lie­bes Kind, nie­mand kennt die­sen jun­gen Mann; aber, vor­aus­ge­setzt, daß er kein un­eh­ren­haf­ter Mann ist, soll er mir von dem Au­gen­blick an, wo du ihn liebst, eben­so teu­er sein wie ein Sohn.«

»Ein un­eh­ren­haf­ter Mann?« er­wi­der­te Emi­lie, »dar­über bin ich ganz be­ru­higt. Der On­kel, der ihn uns vor­ge­stellt hat, kann Ih­nen für ihn gut­sa­gen. Sa­gen Sie doch, lie­ber On­kel, ist er ein See­räu­ber, ein Frei­beu­ter, ein Kor­sar ge­we­sen?«

»Das habe ich mir ge­dacht, daß es da­hin kom­men wür­de«, rief der alte See­mann, der aus dem Schla­fe er­wach­te, aus.

Er sah sich im Sa­lon um, aber sei­ne Groß­nich­te war ver­schwun­den, wie ein Sankt-Elms­feu­er, um sei­nen üb­li­chen Aus­druck an­zu­wen­den.

»Nun also, lie­ber On­kel,« be­gann Herr von Fon­taine wie­der, »wie ha­ben Sie uns nur al­les, was Sie über den jun­gen Mann wis­sen, ver­heim­li­chen kön­nen? Sie muß­ten doch se­hen, wie be­un­ru­higt wir wa­ren. Ist Herr von Lon­gue­ville von gu­ter Fa­mi­lie?«

»Ich ken­ne ihn nicht von Adams oder von Evas Sei­te her«, rief der Graf von Ker­ga­rou­et aus. »Ich habe mich auf den Takt uns­res klei­nen Toll­kopfs ver­las­sen und ihr ih­ren Saint-Preux durch ein mir be­kann­tes Mit­tel zu­ge­führt. Ich weiß nur, daß der Jun­ge wun­der­bar schießt, ein vor­treff­li­cher Jä­ger ist, vor­züg­lich Bil­lard, Schach und Trik­trak spielt; er ficht und rei­tet wie der se­li­ge Rit­ter Sankt Ge­org. Er ist kul­ti­viert wie un­se­re Wein­ber­ge. Er rech­net wie Barè­me, er zeich­net, tanzt und singt gut. Also, was, zum Teu­fel, wollt ihr denn noch? Wenn das nicht ein voll­kom­me­ner Edel­mann ist, so zeigt mir doch einen Bür­ger­li­chen, der das al­les kann, einen Men­schen, der so vor­nehm lebt wie er. Tut er ir­gend­was? Ent­wür­digt er sich da­mit, daß er in ein Bu­reau geht, um sich vor den Par­ve­n­us, die ihr Ge­ne­ral­di­rek­to­ren nennt, zu ver­nei­gen? Er geht mit er­ho­be­nem Haup­te um­her, er ist ein Mann. Üb­ri­gens habe ich eben in mei­ner Wes­ten­ta­sche die Kar­te ge­fun­den, die er mir über­reicht hat, als die arme Un­schuld dach­te, ich woll­te ihm den Hals bre­chen! Die heu­ti­ge Ju­gend ist nicht sehr ge­ris­sen. Hier ist sie.«

»Rue du Sen­tier Num­mer fünf«, sag­te Herr von Fon­taine und ver­such­te sich zu er­in­nern, ob un­ter den Aus­künf­ten, die er er­hal­ten hat­te, eine sich auf den jun­gen Un­be­kann­ten be­zie­hen könn­te. »Was, zum Teu­fel, be­deu­tet das? Die Her­ren Pal­ma, Wer­brust und Kom­pa­nie, de­ren Haupt­ge­schäft ein En­gros­han­del mit Mus­se­lin, Schir­ting und bun­ten Stof­fen ist, die woh­nen ja dort. Jetzt weiß ich Be­scheid, Lon­gue­ville, der Ab­ge­ord­ne­te, ist bei ih­rem Hau­se be­tei­ligt. Aber Lon­gue­ville hat, wie ich weiß, nur einen Sohn von zwei­und­drei­ßig Jah­ren, der un­serm hier ab­so­lut nicht ähn­lich ist, und dem er fünf­zig­tau­send Fran­ken Ren­te mit­ge­ben will, da­mit er die Toch­ter ei­nes Mi­nis­ters hei­ra­tet; er möch­te gern, wie an­de­re auch, zum Pair er­nannt wer­den. Nie­mals habe ich ihn von die­sem Ma­xi­mi­li­an re­den hö­ren. Hat er eine Toch­ter? Und ist das die­se Kla­ra? Üb­ri­gens kann sich ja je­der Schwind­ler Lon­gue­ville nen­nen. Aber ist die Fir­ma Pal­ma, Wer­brust und Kom­pa­nie nicht halb rui­niert durch eine Spe­ku­la­ti­on in Me­xi­ko und In­di­en? Ich wer­de das al­les auf­klä­ren.«

»Du re­dest ganz al­lein, als ob du auf der Büh­ne stän­dest, und scheinst mich für eine Null an­zu­se­hen«, sag­te plötz­lich der alte See­mann. »Weißt du denn nicht, daß ich, wenn er ein Edel­mann ist, mehr als einen Sack in mei­nen Lu­ken ste­hen habe, mit dem ich sei­nem Ver­mö­gen auf­hel­fen wer­de?«

»Was das an­langt, so hat er das, wenn er ein Sohn von Lon­gue­ville ist, nicht nö­tig; aber«, sag­te Herr von Fon­taine und wieg­te den Kopf hin und her, »sein Va­ter hat ja nicht ein­mal ›Sei­fe an die Ka­nail­le ver­kauf­t‹. Vor der Re­vo­lu­ti­on war er Staats­an­walt, und das ›von‹, das er seit der Re­stau­ra­ti­on sich an­ge­eig­net hat, ge­hört ihm eben­so­gut, wie die Hälf­te sei­nes Ver­mö­gens.«

»Ja, ja! Glück­lich die Leu­te, de­ren Vä­ter ge­henkt wor­den sind«, rief der See­mann ver­gnügt.

Drei oder vier Tage nach die­sem denk­wür­di­gen Tage war Fräu­lein von Fon­taine an ei­nem der schö­nen No­vem­ber­vor­mit­tage, da die Pa­ri­ser Bou­le­vards durch die schar­fe Käl­te des ers­ten Fros­tes tro­cken ge­wor­den sind, in ei­nem neu­en Pelz, den sie in Mode brin­gen woll­te, mit ih­ren bei­den Schwä­ge­rin­nen, die sie frü­her am meis­ten mit Bos­hei­ten über­schüt­tet hat­te, aus­ge­fah­ren. Die drei Da­men wa­ren zu die­ser Pro­me­na­de in Pa­ris weit we­ni­ger ver­an­laßt wor­den, weil sie einen neu­en, sehr ele­gan­ten Wa­gen pro­bie­ren oder Klei­der, die für die Win­ter­mo­de den Ton an­ge­ben soll­ten, zei­gen woll­ten, als um eine Pe­le­ri­ne an­zu­se­hen, die ei­ner ih­rer Freun­din­nen in ei­nem vor­neh­men Wä­sche­ge­schäft an der Ecke der Rue de la Paix auf­ge­fal­len war. Als die drei Da­men den La­den be­tre­ten hat­ten, zog die Baro­nin von Fon­taine Emi­lie am Är­mel und zeig­te ihr Ma­xi­mi­li­an Lon­gue­ville, der im Kon­tor saß und da­mit be­schäf­tigt war, mit kauf­män­ni­scher Ge­wandt­heit ei­ner Näh­te­rin, mit der er zu ver­han­deln schi­en, ein Gold­stück zu wech­seln. In der Hand hielt der »schö­ne Un­be­kann­te« meh­re­re Pro­ben, die kei­nen Zwei­fel über sei­nen eh­ren­wer­ten Be­ruf lie­ßen. Ohne daß je­mand es wahr­nahm, wur­de Emi­lie mit Eis­käl­te durch­rie­selt. Aber dank der Le­bens­art der gu­ten Ge­sell­schaft ver­barg sie voll­kom­men die Wut, die ihr ans Herz griff, und ant­wor­te­te ih­rer Schwä­ge­rin: »Ich wuß­te es!« mit so vol­ler Stim­me und so un­nach­ahm­li­cher Be­to­nung, daß die be­rühm­tes­te Schau­spie­le­rin die­ser Zeit sie dar­um be­nei­det ha­ben wür­de. Dann nä­her­te sie sich dem Kon­tor. Lon­gue­ville er­hob den Kopf, steck­te die Pro­ben mit ver­zwei­fel­ter Kalt­blü­tig­keit in die Ta­sche, grüß­te Fräu­lein von Fon­taine und nä­her­te sich ihr, in­dem er ihr einen durch­drin­gen­den Blick zu­warf.

»Fräu­lein,« sag­te er zu der Näh­te­rin, die ihm mit un­ru­hi­ger Mie­ne ge­folgt war, »ich wer­de zu Ih­nen schi­cken und die Rech­nung be­zah­len las­sen, un­se­re Fir­ma wünscht es so. Aber, halt,« füg­te er lei­se hin­zu und gab ihr einen Tau­send­fran­ken­schein, »neh­men Sie das: aber das ist eine Sa­che un­ter uns. – Ich hof­fe, Sie wer­den mir ver­zei­hen«, sag­te er und wand­te sich wie­der an Emi­lie. »Ha­ben Sie die Güte, mich mit dem Dran­ge der Ge­schäf­te zu ent­schul­di­gen.«

»Das kann mir wohl sehr gleich­gül­tig sein, mein Herr«, er­wi­der­te Fräu­lein von Fon­taine und be­trach­te­te ihn mit ei­ner Selbst­si­cher­heit und ei­ner spöt­ti­schen Gleich­gül­tig­keit, daß man glau­ben muß­te, sie sähe ihn zum ers­ten Male.

»Spre­chen Sie im Ernst so?« frag­te Ma­xi­mi­li­an mit sto­cken­der Stim­me.

Emi­lie wand­te ihm mit un­glaub­li­cher Ver­ach­tung den Rücken. Die we­ni­gen, lei­se ge­wech­sel­ten Wor­te wa­ren der neu­gie­ri­gen Auf­merk­sam­keit der bei­den Schwä­ge­rin­nen ent­gan­gen. Nach­dem sie die Pe­le­ri­ne ge­kauft hat­ten und wie­der in den Wa­gen ge­stie­gen wa­ren, konn­te Emi­lie, die rück­wärts saß, sich nicht ent­hal­ten, noch einen letz­ten Blick auf das In­ne­re des ver­haß­ten La­dens zu wer­fen, in dem sie Ma­xi­mi­li­an mit ge­kreuz­ten Ar­men ste­hen sah, in der Hal­tung ei­nes Man­nes, der über das Un­glück, das ihn so plötz­lich be­trof­fen hat, er­ha­ben ist. Ihre Au­gen be­geg­ne­ten sich und war­fen sich zwei un­ver­söhn­li­che Bli­cke zu. Je­der von bei­den hoff­te, daß er das Herz, das er lieb­te, grau­sam ver­let­ze. In ei­nem Au­gen­blick fühl­ten sich alle bei­de ein­an­der so fern, als ob der eine in Chi­na, der an­de­re in Grön­land leb­te. Läßt der Hauch der Ei­tel­keit nicht al­les ver­trock­nen? Ein Op­fer der hef­tigs­ten Kämp­fe, die das Herz ei­nes jun­gen Mäd­chens er­schüt­tern kön­nen, brach­te Fräu­lein von Fon­taine die reichs­te Schmer­zen­sern­te heim, die je­mals Vor­ur­tei­le und klein­li­cher Sinn in eine Men­schen­see­le ge­sät hat­ten. Ihr noch eben fri­sches, sam­met­wei­ches Ge­sicht zeig­te Run­zeln, einen gelb­li­chen Ton und rote Fle­cke, und der wei­ße Teint ih­rer Wan­gen er­schi­en plötz­lich grün­lich. In der Hoff­nung, ihre Er­re­gung vor ih­ren Schwä­ge­rin­nen ver­ber­gen zu kön­nen, zeig­te sie ih­nen la­chend einen Passan­ten oder eine lä­cher­li­che Toi­let­te; aber ihr La­chen war krampf­haft. Von dem schwei­gen­den Mit­leid ih­rer Schwä­ge­rin­nen fühl­te sie sich viel stär­ker ver­letzt, als wenn sie sich mit bos­haf­ten Be­mer­kun­gen ge­rächt hät­ten. Sie wand­te all ih­ren Geist auf, um sie in eine Un­ter­hal­tung zu zie­hen, wo­bei sie ih­rer Wut durch un­sin­ni­ge Pa­ra­do­xe Luft zu ma­chen such­te, in­dem sie die Kauf­leu­te mit den schnö­des­ten Be­schimp­fun­gen und dem ge­schmack­lo­ses­ten Spott über­häuf­te. Bei der Heim­kehr wur­de sie von ei­nem Fie­ber be­fal­len, das zu­erst einen et­was ge­fähr­li­chen Cha­rak­ter zeig­te. Erst nach Ver­lauf ei­nes Mo­nats hat­te die Pfle­ge ih­rer An­ge­hö­ri­gen und des Arz­tes die Sor­gen der Ih­ri­gen be­sei­tigt. Je­der hoff­te nun, daß die­se ziem­lich star­ke Lek­ti­on Emi­li­ens Cha­rak­ter bes­sern wür­de, die un­merk­lich ihre frü­he­ren Ge­wohn­hei­ten wie­der auf­nahm und sich von neu­em in das Ge­sell­schafts­trei­ben stürz­te. Sie er­klär­te, es sei kei­ne Schan­de, wenn man sich ge­täuscht habe. Hät­te sie aber, sag­te sie, wie ihr Va­ter, ir­gend­wel­chen Ein­fluß in der Kam­mer, so wür­de sie ein Ge­setz be­an­tra­gen, wo­nach die Kauf­leu­te, be­son­ders die Schir­ting­händ­ler, mit ei­nem Brand­mal an der Stirn, wie die Scha­fe von Ber­ri, bis in die drit­te Ge­ne­ra­ti­on ge­zeich­net wer­den müß­ten. Sie woll­te, daß der Adel al­lein das Recht hät­te, die alte fran­zö­si­sche Tracht, die den Höf­lin­gen Lud­wigs XV. so gut stand, zu tra­gen. Wenn man sie hör­te, war es viel­leicht ein Un­glück für die Mon­ar­chie, daß kein äu­ßer­lich sicht­ba­rer Un­ter­schied zwi­schen ei­nem Kauf­mann und ei­nem Pair von Frank­reich be­stand. Tau­send an­de­re sol­che Scher­ze, die man sich den­ken kann, folg­ten schnell auf­ein­an­der, so­bald ein un­vor­her­ge­se­he­ner An­laß sie auf die­ses The­ma brach­te. Aber die, die Emi­lie lieb­ten, nah­men hin­ter ih­ren Spöt­te­rei­en einen Schat­ten von Me­lan­cho­lie wahr. Au­gen­schein­lich herrsch­te Ma­xi­mi­li­an Lon­gue­ville im­mer noch in die­sem un­ver­ständ­li­chen Her­zen. Manch­mal wur­de sie so lie­bens­wür­dig, wie wäh­rend des flüch­ti­gen Som­mers, der ihre Lie­be hat­te ent­ste­hen se­hen, und manch­mal be­nahm sie sich un­er­träg­li­cher als je. Je­der ent­schul­dig­te ihre wech­seln­den Lau­nen, die aus ih­rem ge­hei­men, aber al­len be­kann­ten Schmerz ent­spran­gen. Der Graf von Ker­ga­rou­et er­lang­te da­durch ei­ni­ge Macht über sie, daß er sie ver­schwen­de­risch mit Ge­schen­ken über­häuf­te, eine Art von Trost, der bei jun­gen Pa­ri­se­r­in­nen sel­ten sei­ne Wir­kung ver­fehlt. Der ers­te Ball, den Fräu­lein von Fon­taine be­such­te, fand bei dem nea­po­li­ta­ni­schen Ge­sand­ten statt. Gera­de als sie sich zu der präch­tigs­ten Qua­dril­le an­stell­te, be­merk­te sie ei­ni­ge Schrit­te ne­ben sich Lon­gue­ville, der ih­rem Tän­zer leicht zu­nick­te.

»Ist der jun­ge Mann ein Freund von Ih­nen?« frag­te sie ih­ren Ka­va­lier mit ver­ächt­li­cher Mie­ne.

»Er ist nur mein Bru­der«, er­wi­der­te er.

Emi­lie konn­te ein Er­zit­tern nicht un­ter­drücken.

»Oh,« fuhr er be­geis­tert fort, »das ist ge­wiß die edels­te See­le von der Welt …«

»Ken­nen Sie mei­nen Na­men?« un­ter­brach ihn Emi­lie leb­haft.

»Nein, gnä­di­ges Fräu­lein. Ich ge­ste­he, es ist ein Ver­bre­chen, daß ich einen Na­men nicht be­hal­ten habe, der auf al­ler Lip­pen ist, ich müß­te sa­gen, in al­len Her­zen; aber ich habe eine an­nehm­ba­re Ent­schul­di­gung: ich keh­re eben aus Deutsch­land zu­rück. Mein Ge­sand­ter, der in Pa­ris auf Ur­laub ist, hat mich heu­te hier­her als Beglei­ter sei­ner Frau be­or­dert, die Sie dort hin­ten in der Ecke se­hen kön­nen.«

»Eine wahr­haft tra­gi­sche Mas­ke«, sag­te Emi­lie, nach­dem sie die Ge­sand­tin be­trach­tet hat­te.

»Das ist ihr Ball­ge­sicht«, er­wi­der­te der jun­ge Mann la­chend. »Aber ich wer­de doch mit ihr tan­zen müs­sen. Und da­für habe ich mich ent­schä­di­gen wol­len.« Fräu­lein von Fon­taine ver­neig­te sich. »Ich bin sehr über­rascht ge­we­sen,« fuhr der schwatz­haf­te Ge­sandt­schafts­se­kre­tär fort, »mei­nen Bru­der hier zu tref­fen. Als ich aus Wien hier an­kam, er­fuhr ich, daß der arme Jun­ge krank sei und zu Bett lie­ge. Ich woll­te ihn, be­vor ich zum Bal­le fuhr, auf­su­chen; aber die Po­li­tik läßt uns nicht im­mer Zeit, den Fa­mi­li­en­pflich­ten nach­zu­kom­men. Die ›pa­dro­na del­la ca­sa‹ hat mir nicht er­laubt, zu mei­nem ar­men Ma­xi­mi­li­an hin­auf­zu­ge­hen.«

»Ist Ihr Herr Bru­der, eben­so wie Sie, Di­plo­mat?«

»Nein,« sag­te der Se­kre­tär seuf­zend, »der arme Jun­ge hat sich für mich auf­ge­op­fert! Er und mei­ne Schwes­ter Kla­ra ha­ben auf ih­ren An­teil an dem Ver­mö­gen mei­nes Va­ters ver­zich­tet, da­mit für mich ein Ma­jo­rat ge­bil­det wer­den kann. Mein Va­ter träumt von der Pair­schaft, wie alle, die für das Mi­nis­te­ri­um stim­men. Er hat schon die Zu­sa­ge, daß er er­nannt wird«, füg­te er lei­se hin­zu. »Nach­dem er schon ei­ni­ges Ka­pi­tal zu­sam­men­ge­bracht hat­te, hat sich mein Bru­der mit ei­nem Bank­hau­se as­so­zi­iert; ich weiß, daß er ein Spe­ku­la­ti­ons­ge­schäft mit Bra­si­li­en un­ter­nom­men hat, das ihn zum Mil­lio­när ma­chen kann. Ich bin sehr froh, daß ich durch mei­ne di­plo­ma­ti­schen Be­zie­hun­gen zum Er­fol­ge bei­tra­gen konn­te. Ich er­war­te so­gar un­ge­dul­dig eine De­pe­sche der bra­si­lia­ni­schen Ge­sandt­schaft, de­ren In­halt ihm die Sor­gen­fal­ten der Stirn glät­ten wird. Wie fin­den Sie ihn?«

»Aber das Ge­sicht Ihres Herrn Bru­ders sieht nicht so aus, wie das ei­nes Man­nes, der sich mit Geld­ge­schäf­ten be­faßt.«

Der jun­ge Di­plo­mat warf einen schar­fen, prü­fen­den Blick auf das an­schei­nend ru­hi­ge Ge­sicht sei­ner Tän­ze­rin.

»Wie denn«, sag­te er lä­chelnd, »ver­mö­gen die jun­gen Da­men auch Lie­bes­ge­dan­ken hin­ter stum­men Stir­nen zu ah­nen?«

»Ist Ihr Herr Bru­der ver­liebt?« frag­te sie mit ei­ner neu­gie­ri­gen Ge­bär­de.

»Ja­wohl. Mei­ne Schwes­ter Kla­ra, für die er wie eine Mut­ter sorgt, hat mir ge­schrie­ben, daß er sich in die­sem Som­mer in eine sehr hüb­sche Per­son ver­liebt hat; seit­dem habe ich aber nichts Wei­te­res über den Lie­bes­han­del ge­hört. Wür­den Sie glau­ben, daß der arme Jun­ge je­den Mor­gen um fünf Uhr auf­ge­stan­den ist und sei­ne Ge­schäf­te er­le­digt hat, da­mit er sich um vier Uhr nach­mit­tags bei sei­ner Schö­nen auf dem Lan­de ein­fin­den konn­te? Des­halb hat er auch ein pracht­vol­les Ras­se­pferd, das ich ihm ge­schickt hat­te, zu­schan­den ge­rit­ten. Ver­ge­ben Sie mir mein Ge­schwätz, gnä­di­ges Fräu­lein, aber ich kom­me eben aus Deutsch­land. Seit ei­nem Jah­re habe ich nicht rich­tig Fran­zö­sisch spre­chen hö­ren, ich hun­ge­re nach fran­zö­si­schen Ge­sich­tern und bin über­satt von deut­schen, so sehr, daß ich in mei­nem wü­ten­den Pa­trio­tis­mus so­gar, wie ich glau­be, mit den Fa­bel­fi­gu­ren ei­nes Pa­ri­ser Kan­de­la­bers mich un­ter­hal­ten wür­de. Wenn ich au­ßer­dem mit ei­ner für einen Di­plo­ma­ten we­nig pas­sen­den Of­fen­heit rede, so liegt die Schuld an Ih­nen, mein gnä­di­ges Fräu­lein. Ha­ben Sie mir nicht mei­nen Bru­der ge­zeigt? Wenn von ihm die Rede ist, dann bin ich un­er­schöpf­lich. Ich möch­te der gan­zen Welt er­zäh­len, wie gut und edel­mü­tig er ist. Bei den Ein­künf­ten des Gu­tes Lon­gue­ville han­delt es sich um nicht we­ni­ger als um hun­dert­tau­send Fran­ken.«

Wenn Fräu­lein von Fon­taine die­se Auf­klä­run­gen er­hielt, so ver­dank­te sie das zum Teil der Ge­schick­lich­keit, mit der sie ih­ren ver­trau­ens­vol­len Ka­va­lier aus­zu­fra­gen ver­stand, nach­dem sie er­fah­ren hat­te, daß er der Bru­der ih­res ver­schmäh­ten Lieb­ha­bers war.

»War es Ih­nen nicht pein­lich, zu se­hen, wie Ihr Bru­der Mus­se­lin und Schir­ting ver­kauf­te?« frag­te Emi­lie nach der drit­ten Fi­gur des Kon­ter­tan­zes.

»Wo­her wis­sen Sie das?« frag­te der Di­plo­mat. »So sehr ich mich mei­nem Re­de­fluß über­las­sen habe, so bin doch, Gott sei Dank, eben­so­gut wie alle An­fän­ger in der di­plo­ma­ti­schen Kar­rie­re, die ich ken­ne, noch im­stan­de, nicht mehr zu sa­gen, als ich will.«

»Doch, Sie ha­ben es mir ge­sagt, ich ver­si­che­re es Ih­nen.«

Herr von Lon­gue­ville be­trach­te­te Fräu­lein von Fon­taine vol­ler Er­stau­nen mit ei­nem durch­drin­gen­den Bli­cke. Ein Ver­dacht tauch­te bei ihm auf. Nachein­an­der be­frag­te er die Au­gen sei­nes Bru­ders und sei­ner Tän­ze­rin, ahn­te den gan­zen Zu­sam­men­hang, preß­te sei­ne Hand­flä­chen ge­gen­ein­an­der, er­hob sei­ne Au­gen zur De­cke, fing an zu la­chen und sag­te: »Was bin ich für ein Dumm­kopf! Sie sind die schöns­te Dame auf dem Bal­le, mein Bru­der blickt ver­stoh­len nach Ih­nen, er tanzt trotz sei­nes Fie­bers, und Sie tun, als ob Sie ihn nicht sä­hen. Ma­chen Sie ihn glück­lich,« sag­te er, wäh­rend er sie zu ih­rem al­ten On­kel zu­rück­führ­te, »ich wer­de nicht ei­fer­süch­tig auf ihn sein; aber ich wer­de mich im­mer ein biß­chen fürch­ten, wenn ich Sie mei­ne Schwes­ter nen­nen soll …«

In­des­sen schie­nen die bei­den Lie­ben­den sich un­er­bitt­lich ge­gen­ein­an­der zu ver­hal­ten. Ge­gen zwei Uhr mor­gens wur­de ein kal­tes Bü­fett in ei­ner rie­si­gen Ga­le­rie auf­ge­tra­gen; da­mit sich die Per­so­nen des­sel­ben Krei­ses un­ge­hin­dert zu­sam­men­set­zen konn­ten, wa­ren ein­zel­ne Ti­sche, wie in ei­nem Re­stau­rant, auf­ge­stellt wor­den. Durch einen Zu­fall, wie er im­mer Lie­ben­den be­geg­net, fand Fräu­lein von Fon­taine ih­ren Platz an ei­nem Ti­sche, der sich ne­ben dem be­fand, an den sich die vor­nehms­te Ge­sell­schaft ge­setzt hat­te. Zu ihr ge­hör­te auch Ma­xi­mi­li­an. Emi­lie, die auf­merk­sam der Un­ter­hal­tung ih­rer Nach­barn folg­te, konn­te ein Ge­spräch mit an­hö­ren, wie es so häu­fig zwi­schen jun­gen Frau­en und jun­gen Män­nern, die die An­mut und die For­men Ma­xi­mi­li­an Lon­gue­vil­les be­sit­zen, ge­führt wird. Die Dame, die sich mit dem jun­gen Ban­kier un­ter­hielt, war eine nea­po­li­ta­ni­sche Her­zo­gin, de­ren Au­gen Blit­ze sprüh­ten und de­ren wei­ße Haut wie Sei­de schim­mer­te. Die Ver­trau­lich­keit, die der jun­ge Lon­gue­ville ihr ge­gen­über an den Tag zu le­gen such­te, ver­letz­te Fräu­lein von Fon­taine um so mehr, als sie sich eben mit noch zehn­mal stär­ke­rer Zärt­lich­keit als frü­her ih­rem Ge­lieb­ten wie­der zu­ge­wandt hat­te.

»Ja, mein Herr, in mei­nem Lan­de ver­mag die ech­te Lie­be je­des Op­fer zu brin­gen«, sag­te die Her­zo­gin.

»Ihr emp­fin­det eben eine an­de­re Lei­den­schaft als die Fran­zö­sin­nen«, sag­te Ma­xi­mi­li­an und warf einen flam­men­den Blick auf Emi­lie. »Die be­ste­hen nur aus Ei­tel­keit.«

»Mein Herr,« ent­geg­ne­te das jun­ge Mäd­chen leb­haft, »ist es nicht schlecht, sein Va­ter­land zu ver­leum­den? Hin­ge­bung ist in al­len Län­dern zu fin­den.«

»Glau­ben Sie, mein Fräu­lein,« er­wi­der­te die Ita­li­e­ne­rin mit spöt­ti­schem Lä­cheln, »daß eine Pa­ri­se­rin be­reit wäre, ih­rem Ge­lieb­ten über­all­hin zu fol­gen?«

»Oh, ver­stän­di­gen wir uns, gnä­di­ge Frau. Man geht wohl mit ihm in die Wüs­te und wohnt in ei­nem Zel­te, aber man setzt sich nicht in einen La­den.«

Sie schloß ih­ren Satz mit ei­ner Ge­bär­de der Ver­ach­tung, die ihr ent­schlüpf­te. Und da­mit ver­nich­te­te Emi­lie, un­ter dem Ein­fluß ih­rer ver­derb­li­chen Er­zie­hung, zum zwei­ten­mal ihr auf­kei­men­des Glück. Die zur Schau ge­tra­ge­ne Käl­te Ma­xi­mi­lians und das Lä­cheln ei­ner Frau hat­ten sie zu ei­ner ih­rer sar­kas­ti­schen Be­mer­kun­gen ver­lei­tet, zu de­nen das bos­haf­te Ver­gnü­gen, das sie da­bei emp­fand, sie im­mer wie­der ver­lock­te.

»Mein Fräu­lein«, sag­te Lon­gue­ville lei­se, wäh­rend das Geräusch der sich vom Ti­sche er­he­ben­den Da­men sei­ne Wor­te vor den an­dern über­tön­te, »nie­mand wird hei­ßer für Ihr Glück be­ten als ich; ge­stat­ten Sie mir, Ih­nen das zu ver­si­chern, be­vor ich fort­rei­se. In ei­ni­gen Ta­gen gehe ich nach Ita­li­en.«

»Wohl mit der Her­zo­gin?«

»Nein, mein Fräu­lein, aber mit ei­ner viel­leicht töd­li­chen Krank­heit.«

»Ist das nicht eine Ein­bil­dung?« frag­te Emi­lie und warf ihm einen be­un­ru­hig­ten Blick zu.

»Nein,« sag­te er, »es gibt Wun­den, die nie­mals ver­nar­ben.«

»Sie wer­den nicht ab­rei­sen«, sag­te das stol­ze Mäd­chen lä­chelnd.

»Ich wer­de rei­sen«, ent­geg­ne­te Ma­xi­mi­li­an ernst.

»Dann wer­den Sie mich, wenn Sie wie­der­kom­men, ver­hei­ra­tet fin­den, ich war­ne Sie«, sag­te sie mit ko­ket­tem Aus­druck.

»Ich wün­sche es.«

»Ab­scheu­li­cher!« rief sie aus, »wie grau­sam rächt er sich!«

Vier­zehn Tage spä­ter reis­te Ma­xi­mi­li­an Lon­gue­ville mit sei­ner Schwes­ter nach den war­men, poe­ti­schen Ge­fil­den des schö­nen Ita­li­ens ab und ließ Fräu­lein von Fon­taine als Beu­te der hef­tigs­ten Ge­wis­sens­bis­se zu­rück. Der jun­ge Ge­sandt­schafts­se­kre­tär mach­te die An­kla­ge sei­nes Bru­ders zu der sei­ni­gen und wuß­te sich für das ver­ach­tungs­vol­le Ver­hal­ten Emi­li­ens ekla­tant zu rä­chen, in­dem er die Grün­de für den Bruch der bei­den Lie­ben­den öf­fent­lich mit­teil­te. Er gab sei­ner Tän­ze­rin die bos­haf­ten Be­mer­kun­gen, mit de­nen sie vor­her Ma­xi­mi­li­an über­häuft hat­te, mit Zin­sen zu­rück und brach­te häu­fig mehr als eine Ex­zel­lenz zum Lä­cheln, wenn er die schö­ne Fein­din der Kon­to­re schil­der­te, die Ama­zo­ne, die zu ei­nem Kreuz­zug ge­gen die Ban­kiers auf­rief, das jun­ge Mäd­chen, de­ren Lie­be sich vor ei­nem Stück­chen Mus­se­lin ver­flüch­tig­te. Der Graf von Fon­taine war ge­nö­tigt, sei­nen Ein­fluß auf­zu­bie­ten, da­mit Au­gust Lon­gue­ville eine Mis­si­on nach Ruß­land er­hielt, um sei­ne Toch­ter vor der Lä­cher­lich­keit zu schüt­zen, die der jun­ge ge­fähr­li­che Ver­fol­ger mit vol­len Hän­den über sie aus­schüt­te­te. Bald dar­auf er­nann­te das Mi­nis­te­ri­um, das zu ei­nem Pair­schub ge­nö­tigt war, um die ari­sto­kra­ti­sche Mehr­heit zu stüt­zen, die, wie sich ein be­rühm­ter Schrift­stel­ler aus­drück­te, in der ed­len Kam­mer ins Wan­ken ge­ra­ten war, Herrn »Gui­rau­din« von Lon­gue­ville zum Pair von Frank­reich und zum Vi­com­te. Auch Herr von Fon­taine er­hielt die Pairs­wür­de als Be­loh­nung für sei­ne Treue wäh­rend der schlim­men Tage und im Hin­blick auf sei­nen Na­men, der in der erb­li­chen Kam­mer fehl­te.

Emi­lie, die jetzt ma­jo­renn ge­wor­den war, stell­te nun wohl ernst­haf­te Be­trach­tun­gen über ihre Zu­kunft an, denn sie än­der­te deut­lich ih­ren Ton und ihr Be­neh­men: statt, wie üb­lich, ih­rem Groß­on­kel Bos­hei­ten zu sa­gen, brach­te sie ihm mit un­ver­än­der­li­cher Lie­bens­wür­dig­keit, die die Spaß­vö­gel zum La­chen reiz­te, sei­nen Krück­stock; sie bot ihm den Arm, fuhr in sei­nem Wa­gen aus und be­glei­te­te ihn auf al­len Spa­zier­gän­gen; sie re­de­te ihm so­gar ein, daß sie den Ge­ruch sei­ner Pfei­fe gern habe, und las ihm sei­ne ge­lieb­te »Quo­ti­di­enne« vor, wäh­rend der bos­haf­te See­mann ihr ab­sicht­lich sei­nen Ta­baks­rauch ins Ge­sicht blies; sie lern­te Pi­kett spie­len, um dem al­ten Gra­fen dar­in ge­wach­sen zu sein; und end­lich hör­te die jun­ge, sonst so lau­ni­sche Per­son ge­dul­dig den im­mer wie­der­keh­ren­den Er­zäh­lun­gen von dem Kamp­fe der »Bel­le-Pou­le«, den Ma­nö­vern der »Vil­le-de-Pa­ris«, der ers­ten Ex­pe­di­ti­on des Herrn von Suf­fren oder der Schlacht von Abou­kir zu. Ob­wohl der alte See­mann oft er­klärt hat­te, daß er sei­ne Län­ge und Brei­te zu gut ken­ne, um sich von ei­ner jun­gen Kor­vet­te ka­pern zu las­sen, er­fuh­ren ei­nes schö­nen Mor­gens die Pa­ri­ser Sa­lons die Nach­richt von der Hei­rat des Fräu­leins von Fon­taine mit dem Gra­fen von Ker­ga­rou­et. Die jun­ge Grä­fin gab, um sich zu zer­streu­en, glän­zen­de Fes­te; aber sie fand auf dem Grun­de die­ses Tru­bels das lee­re Nichts: der Lu­xus ver­hüll­te nur man­gel­haft die Ein­sam­keit und das Un­glück ih­rer kran­ken See­le; trotz der Aus­brü­che ei­ner ge­mach­ten Lus­tig­keit zeig­te ihr schö­nes Ge­sicht meis­ten­teils den Aus­druck dump­fer Me­lan­cho­lie. Im üb­ri­gen über­häuf­te Emi­lie ih­ren al­ten Ge­mahl mit Auf­merk­sam­kei­ten, der oft, wenn er abends bei den fröh­li­chen Klän­gen des Or­che­s­ters sei­ne Pri­vat­ge­mä­cher auf­such­te, sag­te: »Ich er­ken­ne mich nicht wie­der. Muß­te ich dazu zwei­und­sieb­zig Jah­re war­ten, um mich als Lot­se auf der ›Schö­nen Emi­lie‹, nach zwan­zig Jah­ren ehe­li­cher Ga­lee­ren­stra­fe, ein­zu­schif­fen?« Das Be­neh­men der Grä­fin war ein so streng zu­rück­hal­ten­des, daß auch die hell­sich­tigs­te Kri­tik ihr nichts an­ha­ben konn­te. Man­che Beo­b­ach­ter mein­ten, daß der Vi­zead­mi­ral sich das Recht vor­be­hal­ten hät­te, frei über sein Ver­mö­gen zu ver­fü­gen, um sei­ne Frau stär­ker an sich zu fes­seln; eine sol­che An­nah­me wäre für den On­kel wie für die Nich­te eine Be­lei­di­gung ge­we­sen. Die Hal­tung der bei­den Ehe­gat­ten war üb­ri­gens eine so klug ab­ge­wo­ge­ne, daß auch die jun­gen Leu­te, de­nen am meis­ten dar­an ge­le­gen war, das Ge­heim­nis die­ser Ehe zu er­fah­ren, nicht ahn­ten, ob der alte Graf sei­ner Frau ge­gen­über Gat­te oder Va­ter war. Man hör­te ihn oft sa­gen, daß er sei­ne Nich­te wie eine Schiff­brü­chi­ge auf­ge­nom­men habe, und daß er auch frü­her nie­mals mit der Gast­freund­schaft Miß­brauch ge­trie­ben habe, wenn es sich er­eig­net hat­te, daß er einen Feind vor der Wut des Un­wet­ters ret­te­te. Ob­gleich die Grä­fin den An­spruch er­hob, über Pa­ris zu herr­schen und sich auf glei­che Stu­fe mit den Her­zo­gin­nen von Mauf­rigneu­se, von Chau­lieu, den Mar­qui­sen d’Espard und d’Ai­gle­mont, den Grä­fin­nen Féraud, von Mont­cor­net, von Re­staud, der Frau de Camps und dem Fräu­lein des Tou­ches zu stel­len, so gab sie doch der Lie­be des jun­gen Vi­com­te von Por­ten­duè­re nicht nach, der sie an­be­te­te.

Zwei Jah­re nach ih­rer Ver­hei­ra­tung hör­te Emi­lie in ei­nem der al­ten Sa­lons des Fau­bourg Saint-Ger­main, wo man ih­ren der al­ten Zei­ten wür­di­gen Cha­rak­ter be­wun­der­te, wie der Vi­com­te von Lon­gue­ville ge­mel­det wur­de; in der Ecke des Sa­lons, wo sie eine Par­tie Pi­kett mit dem Bi­schof von Per­se­po­lis spiel­te, konn­te ihre Auf­re­gung von nie­man­dem be­merkt wer­den: als sie den Kopf um­wand­te, hat­te sie ih­ren al­ten Be­wer­ber in vol­lem Glan­ze der Ju­gend her­ein­tre­ten se­hen. Der Tod sei­nes Va­ters und sei­nes Bru­ders, den das böse Kli­ma von Pe­ters­burg hin­ge­rafft hat­te, hat­te auf das Haupt Ma­xi­mi­lians die erb­li­chen Fe­dern des Pair­hu­tes über­tra­gen; sein Ver­mö­gen kam sei­nen Be­zie­hun­gen und sei­nem Ver­diens­te gleich; noch am Abend vor­her hat­te sei­ne jun­ge, glü­hen­de Be­red­sam­keit in der ers­ten Kam­mer Auf­se­hen er­regt. So er­schi­en er der be­trüb­ten Grä­fin in die­sem Au­gen­blick als frei­er Mann und mit al­len Vor­zü­gen aus­ge­stat­tet, die sie frü­her von ih­rem Ide­al ge­for­dert hat­te. Alle Müt­ter hei­rats­fä­hi­ger Töch­ter be­wie­sen ei­nem jun­gen Man­ne, der die Vor­zü­ge, die man bei ihm vor­aus­setz­te, wirk­lich be­saß, und des­sen An­mut man be­wun­der­te, das lie­bens­wür­digs­te Ent­ge­gen­kom­men; aber bes­ser als jede an­de­re wuß­te Emi­lie, daß der Vi­com­te von Lon­gue­ville jene Cha­rak­ter­stär­ke be­saß, in der klu­ge Frau­en die Ge­währ des Glückes se­hen. Sie warf einen Blick auf den Ad­mi­ral, der, nach sei­nem fa­mi­li­ären Aus­druck, sich noch lan­ge an Bord hal­ten wür­de, und ver­wünsch­te ihre ju­gend­li­chen Ver­ir­run­gen.

In die­sem Mo­ment sag­te der Herr von Per­se­po­lis mit bi­schöf­li­cher Lie­bens­wür­dig­keit: »Mei­ne schö­ne Dame, Sie ha­ben den Coeur­kö­nig ab­ge­wor­fen, ich habe ge­won­nen. Aber Ihr Ver­lust braucht Ih­nen nicht leid zu tun, ich hebe das Geld für mei­ne klei­nen Se­mi­na­ris­ten auf.«

Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

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