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Klinische Forschung

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Unachtsamkeit gegenüber dem Todesbegriff hat auch weitreichende Implikationen für die klinische Forschung. Betrachten wir zum Beispiel den Bereich des Trauerns und des Verlustes. Obwohl viele Forscher die Anpassungsfähigkeit der Überlebenden peinlich genau untersucht haben, haben sie ständig versäumt zu berücksichtigen, dass der Überlebende nicht nur einen »Objektverlust« erlitten hat, sondern dass er auch dem Verlust seiner selbst begegnet ist. Unter dem Kummer um den Verlust eines anderen liegt die Botschaft: »Wenn deine Mutter (dein Vater, Kind, Freund, Partner) stirbt, dann wirst du auch sterben.« (Kurz nachdem einer meiner Patienten seinen Vater verlor, hatte er die Halluzination einer Stimme, die von oben auf ihn die Worte herabdröhnte: »Du bist der nächste.«) In einer viel zitierten Studie über Witwen im ersten Jahr nach ihrem Verlust berichtet der Forscher über Aussagen der Personen wie »Ich habe das Gefühl, dass ich am Rande einer schwarzen Grube entlanggehe« oder über Kommentare von der Art, dass sie die Welt jetzt als unsicheren und möglicherweise schädlichen Ort ansehen oder dass das Leben bedeutungslos und ohne Sinn zu sein scheint; oder dass sie wütend, aber ohne ein Ziel für diese Wut sind.77 Ich glaube, dass jede dieser Reaktionen, wenn sie tiefgehender erkundet würde, einen Forscher zu wichtigen Schlüssen über die Rolle des Verlusts als einer Erfahrung führen würde, die das Potenzial in sich hat, die Begegnung des Überlebenden mit seinem oder ihrem persönlichen Tod zu erleichtern. Der Forscher dieser Studie jedoch arbeitete, wie auch andere in ausführlichen Studien über Trauerfälle, die ich gelesen habe, innerhalb eines anderen Bezugsrahmens und versäumte es demgemäß, den reichen Boden zu beackern. Dieses Versäumnis ist ein weiteres beklagenswertes Beispiel der Verarmung, die erfolgt, wenn die Verhaltenswissenschaft spontan offensichtliche Wahrheiten ignoriert. Vor viertausend Jahren wusste der Protagonist in einem der ersten Schriftstücke, dem babylonischen Epos Gilgamesch, sehr wohl, dass der Tod seines Freundes Enkidu seinen eigenen Tod bedeutete: »Nun, was für ein Schlaf ist das, der dich ergriffen hat? Du wurdest dunkel und kannst mich nicht hören. Wenn ich sterbe, wird es mir nicht wie Enkidu ergehen? Kummer dringt in mein Herz, ich fürchte mich vor dem Tod.«78

Existenzielle Psychotherapie

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