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3. Kapitel: Der Todesbegriff bei Kindern

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Unsere Sorgen über den Tod und unsere Art, mit Todesangst umzugehen, sind keine Oberflächenphänomene, die leicht zu beschreiben oder zu verstehen wären. Sie treten im Erwachsenenalter auch nicht neu auf. Sie sind vielmehr tief in der Vergangenheit verwurzelt und werden im Verlauf des Lebens, während wir mit Sicherheit und Überleben beschäftigt sind, rundlich umgeformt. Das Studium des Kindes liefert uns eine einzigartige Möglichkeit, das Ringen des menschlichen Wesens mit dem Tod in der ursprünglichen Form zu untersuchen. Der Zweck dieses Kapitels ist es, die Begegnung des Kindes mit Sterblichkeit, sein Begreifen des Todes, sein Entsetzen, seine Vermeidungen und Schutzmechanismen und schließlich seine Entwicklung angesichts der Furcht vor dem Tod zu untersuchen.

Meines Erachtens gibt es eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen der Bedeutung des Todes für das Kind und der Aufmerksamkeit, die dem Tod in der Kindesentwicklung durch Wissenschaftler gegeben wird. Die relevante Literatur ist dünn, und wenn man sie mit der umfangreichen Literatur über andere Fragen der Kindesentwicklung vergleicht, scheint sie bestenfalls oberflächlich zu sein. Empirische Studien über den Todesbegriff beim Kind sind besonders selten; psychoanalytisch orientierte Kliniker haben gelegentlich versucht, die Frage zu untersuchen, aber, wie wir sehen werden, mit einer Voreingenommenheit, die die Genauigkeit der Beobachtung oft untergräbt. Darüber hinaus ist viel einschlägiges Material in alten Veröffentlichungen zu finden und oft außerhalb der Hauptströmung der Literatur über die Kindesentwicklung oder die Kinderpsychiatrie. Vieles verdanken wir Sylvia Anthony, die die Forschung und die beschreibende Literatur in ihrer Monografie The Discovery of Death in Childhood and After1 so kundig durcharbeitete und analysierte.

Sowohl meine klinische Arbeit als auch die Durchsicht der Arbeiten von anderen lässt mich zu verschiedenen Schlussfolgerungen kommen:

1. Wenn Verhaltensforscher sich entschlossen, die Frage gründlich zu untersuchen, entdeckten sie übereinstimmend, dass Kinder außerordentlich stark mit dem Tod beschäft igt sind. Sorgen der Kinder über den Tod sind durchgängig vorhanden und üben weitreichenden Einfl uss auf ihre Erfahrungswelt aus. Der Tod ist für sie ein großes Rätsel, und eine ihrer größten Entwicklungsaufgaben besteht darin, mit der Furcht vor Hilfl osigkeit und Vernichtung umzugehen, während sexuelle Angelegenheiten sekundär und davon abgeleitet sind.2

2. Kinder sind nicht nur gründlich mit dem Tod beschäftigt, sondern diese Beschäftigung beginnt in einem früheren Alter als gemeinhin angenommen.

3. Kinder durchlaufen regelmäßige Entwicklungsstufen in ihrer Bewusstheit des Todes und in den Methoden, die sie verwenden, um mit ihrer Todesfurcht umzugehen.

4. Die kindlichen Bewältigungsstrategien beruhen unweigerlich auf Verleugnung: Es scheint, dass wir nicht in Toleranz gegenüber den nackten Tatsachen von Leben und Tod aufwachsen, vielleicht nicht aufwachsen können.

Existenzielle Psychotherapie

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